Zur LuftaufklärungNoch ein kurzer Exkurs, bevor es mit der Geländebeobachtung weiter geht.
Mittlerweile stehen mit gEarth mächtige Mittel zur Luftaufklärung der Spuren in Skigebieten zur Verfügung. Dies ist insbesondere interessant hinsichtlich aufgelassener Pisten und Pistenabschnitte sowie ehemaliger Zufahrtswege zu Infrastruktur (etwa Bau- und Wartungsstraßen für Liftstützen; gerade bei großen Anlagen).
Die Luftaufklärung ist recht tückisch, weil trotz hoher Auflösungen viele Details nicht erkennbar sind und Elemente wie tageszeitbedingte Schatten zu optischen Täuschungen führen. Daneben ist es auch so, dass im Gebirge die Ausrichtung / Form eine wichtige Rolle spielt, die aber auch im 3d-Modell nur eingeschränkt sichtbar wird.
Tatsächlich sind aber auch die Spuren sehr unterschiedlich ausgeprägt. Moderne Pistenbauarbeiten, insbesondere wenn erst kürzlich umgesetzt, sind problemlos aus großer Höhe zu erkennen. Hingegen sind ältere Spuren von Baumaßnahmen jeder Art, teilweise schwierig bis gar nicht erkennbar.
Vorweg ein paar Gründe, die dies bedingen.
1. Die Piste wurde nicht modelliert. Bis in das neue Jahrtausend gibt es (insbesondere schwarze Hochgebirgs-)Pisten, die keinerlei Baumaßnahmen (zumindest in bestimmten Abschnitten) aufweisen. Dies war früher noch wesentlich stärker ausgeprägt, weil die Schneehöhen generell viel höher waren und gleichzeitig Pisten ohnehin weniger oder gar nicht gewalzt wurden, so dass sie vielfach eher den Charakter von Skirouten aufwiesen. Auf vielen alten Postkarten von Val Thorens sind Pisten in den 70er Jahren selbst bei optimalen Lichtverhältnissen im Winter nicht zu erkennen, weil die typischen Präparierungsspuren fehlen. Die ist selbst dann der Fall, wenn für die Piste Baumaßnahmen getroffen wurden, diese aber unter 5m Schnee begraben sind (was im Hochwinter eher die Regel als die Ausnahme war und Postkartenbilder wurden selten bei Schneemangel aufgenommen). Bis heute verlaufen bei guten Schneeverhältnissen Pisten in Val Thorens neben der gebauten „Hardwarepiste“ in bestimmten Abschnitten, weil einfach „irgendwo“ präpariert wurde.
2. Die Pistenbauarbeiten waren sehr dezent. Es gab in den 70er Jahren zwar auch schon Pistenbaumaßnahmen, die nicht unähnlich modernen Maßnahmen waren, wenn auch die Pisten meist schmaler waren, und weniger Trassierung im Sinne von echter Aufschüttung (wie bei einer Autobahntrasse) und weniger Randbegradigungen vorgenommen wurden. Planiert wurden Pisten aber teilweise durchaus dennoch. Andere Pisten wurden hingegen NICHT so bearbeitet wie es heute üblich ist, wiesen aber dennoch subtilere Baumaßnahmen auf. Dazu gehören u.a.:
a) das Entschärfen von kurzen Passagen (zB Steilabbrüchen): hier können isolierte Baumaßnahmen zu sehen sein, die ohne Anschluss zu sein scheinen (zB Weg- / Trassenfragmente; typischerweise Pisteneinstiege; vgl. obiges Post zum Fond II);
b) Sprengungen von Felsen / Sprengen von Breschen: bei Felssprengungen sieht man oft nur Trümmerfelder, also Felder von erstaunlich gleichmäßig großen Steinen von gleichem Dunklungsgrad (heller als Umgebungsgestein), die mangels Exposition und Verteilung nicht von Felsabrüchen stammen können; bei Breschen sieht man unnatürliche Durchlässe, die nicht von Wasser geformt sein können; bei fehlender geometrischer Formung (in den 70ern oft der Fall) sind diese Hinweise sehr subtil und erfordern ein geübtes Auge, um die Abweichungen zu natürlich vorkommenden ähnlichen Erosionen zu erkennen; im Gelände selbst kann man die Sprengbohrungen nachweisen; in der Luftaufklärung sind derartige Baumaßnahmen (wenn nicht geometrisch) kaum mit Sicherheit zu erkennen
c) das Wegräumen von Steinen: es ergeben sich aufeinanderfolgende Bereiche, in denen unnatürlich wenige bis keine größeren Felsen liegen; teilweise kann man an den Rändern Kumulationen dieser Steine beobachten, die auch als Säume ausgeprägt sein können
d) das Verfüllen von unebenem Gelände mit Bruchsteinen: unnatürlich viel und gleichmäßiger Schotter in Bereichen, die keine Bachbetten sind; aus der Luft nicht zu erkennen; im Gelände höchst subtil;
e) sonstige unerwartete geometrische Formen, die durch Erdaushub entstehen: zB sehr gleichförmige Abhänge, durch Abraum / Trassierung – typische Beispiel sind die Geländeformen rund um Gebäude bei Hanglage, wenn der Keller ausgeschachtet wurde, diese Hänge werden danach nie wieder modifiziert und sind deswegen nach 40 Jahren nicht mehr ohne weiteres zu erkennen, man findet sie quasi in jeder französischen Skistation rund um die Hochhäuser; solche geometrischen Formen kommen allerdings auch natürlich vor; insbesondere bei glazial geprägten Gelände (Moränen etc.) und bei starker Erosion.
3. Die Baumaßnahmen liegen sehr lange zurück und es wurde nicht „nachgebaut“ (bei Pisten selten). Die Vegetation erholt sich und wird wieder dichter [oberhalb der Baumgrenze dauert das ca. 20 – 40 Jahre, bis die Baumaßnahmen schwer zu erkennen sind], Geometrien verschwinden durch Verwitterung und Erosion (Gelände wird durch Wasser wieder welliger, Bruchsteine verdecken gerade Kanten und Formen; gerade Kannten brechen ab und verwittern (insbesondere bei Breschen), Teile werden verschütten, etc.). In diesen Fällen können die Baumaßnahmen bis zur Unkenntlichkeit verwischen. Dies ist recht gut erkennbar bei alten Baustraßen, die nicht mehr gewartet werden; im Hochgebirge versinken diese recht bald im Schutt.
4. Die Baumaßnahmen wurden getarnt. In jüngerer Zeit werden nach Abriss von Liften, Stilllegung von Pisten und Zufahrstraßen häufiger bewusst Maßnahmen getroffen, um diese Bereich zu renaturieren. Die Maßnahmen sind allerdings in der Regel recht rudimentär und beschränken sich darauf, mehr oder weniger viele Steine in dieser Bereich zu fahren / legen. In der Regel bleiben die Baumaßnahmen daher ohne allzu viel Aufwand auffindbar.
5. Das Gelände hat sich verändert und verklärt die Logik der Baumaßnahme. Dies ist zB bei Erdrutschen der Fall, der häufigste und typischste Fall sind aber abschmelzende Gletscher, die aus sanften Hängen radikal steile Felsabbrüchen machen oder Höhenstufen von 30m und bewirken, wo einst sanft abfallendes Gelände war. Als Resultat finden sich Baumaßnahmen, wo man sie nicht erwartet bzw. enden im Nichts (weil früher von eisbedeckt). In Val Thorens enden bspw. Schlepplifttrassen im Nichts, weil dort früher das Eis begann und daher im Fels keine Trasse gebaut wurde, wenn der Lift nach Abschmelzen des Gletschers nicht mehr betrieben wurde. Ein anderes typisches Beispiel sind Bergstationsverankerungen, die auf den ersten Blick unerwartet 40m oberhalb an einer senkrechten Felswand mitten im Nichts aufzufinden sind (insbesondere bei fliegenden Umlenkscheiben, die man in Frankreich in den 70ern gern verwendet hat). Dazu gehören auch sinnlos unterbrochen Straßen die an Felsabbrüche führen, wenn dort der fehlende Bereich früher mit Eis bedeckt war.
Die vorgenannten Gründe führen also dazu, dass Spuren, die man eigentlich erwarten würde, nicht auffindbar oder nur schwer erkennbar sind. Mitunter führt das sogar im Gelände dazu, dass Spuren übersehen oder nicht gefunden werden (weil an der falschen Stelle gesucht wird, was im Gebirge schon bei wenigen Metern dazu führt, dass man Fundamente nicht mehr sieht); jedenfalls erschweren diese Faktoren aber die Analyse von Luftbildern erheblich.
Nach der Theorie nun ein paar praktische Fälle. Es ist leider relativ schwer, sehr alte Baumaßnahmen von Pisten mit Sicherheit zu identifizieren. Denn alle noch betriebenen Pisten sind häufig REmodelliert worden, so dass die zu sehenden Baußmaßnahmen jüngeren Datums sind und nicht die volle Verwitterung aufweisen; bei den wenigen wirklich früh aufgegebenen Pisten kommen häufig andere Veränderungen hinzu (insbesondere Gletscherschmelze und Geröllströme), die es unklar machen, ob es nie Baumaßnahmen gab oder ob diese schlicht nicht mehr erkennbar sind oder ob sie einfach nicht erkannt wurden.
Nun aber in die Praxis:
Nachstehen die schwarze Abfahrt vom Caron. Die Piste wird (glaube ich) nicht gewalzt und nicht beschneit, so dass zwei typische Modellationsgründe bereits wegfallen. Sie dürfte generell sehr schneereich sein und bei Schneemangel so oder so aus Sicherheitsgründen geschlossen bleiben. Konsequenterweise ist sie ein Beispiel für eine Piste, die über längere Passagen gar keine Baumaßnahmen aufweist und daher auch keine erkennbar sind.
Man sieht, dass die Piste am Caron nur zu Beginn mit dem Ziehweg für den Einstieg (langer kurviger Bereich oben rechts) und sehr viel weiter unten (unterhalb des dritten Strichs) Baumaßnahmen (unten sind es Planierungen) aufweist, gerade der steile felsige Mittelbereich hingegen nicht.
In der Mitte zweigt zudem die Piste Névé nach links (Osten) ab. Diese ist mit der Pendelbahn 1982 erstellt worden (und könnte im linken Teil noch ältere Elemente der ehem. Pisten am TK Caron aufgreifen, die dann bis in das Jahr 1972 zurückgehen könnten). Die Piste hat guten Naturschnee und wenig infrastrukturelle Relevanz: sie weist ebenfalls ausgesprochen wenig Baumaßnahmen auf, man sieht einige ganz leichte (schon recht alte und daher verwitterte) Planierungen und ein gewissen Fehlen von großen Felsen. Die dort ebenfalls vorhandene (wohl aufgelassene) Bau- / Versorungsstraße ist hiervon unabhängig, die Piste verläuft (teils) auch daneben. Am linken Bildrand sieht man zudem einen Teil der Trasse des ehem. TK Caron (1972 – 1986), diese endet relativ exakt bei der Grenze des Gletschers, der hier 1972 noch existierte (verifiziert anhand eines Bildes von 1968 und den Gletscherständen in den Karten aus den 80ern). Der obere Teil der Trasse des TK Caron wie auch dessen Pisten sind (wohl schon) aus diesem Grund nicht erkennbar.
Schwarze Abfahrt vom Caron: im Mittelteil nicht zu erkennen. Ganz oben gibt es eine verdächte Spur nach links; ich kann diese noch nicht zuordnen derzeit.
Nun etwas weiter links: der Bereich der Piste Névé und des ehem. TK Caron:
Hier sieht man, dass die alte Piste Névé in ihrer Trasse kaum erkennbar ist. Die alte Versorgungsstraße hat für die Piste (wohl) keine Bedeutung. Nur vereinzelt sind sehr subtil unnatürliche Abflachungen und das Fehlen von Felsbrocken erkennbar. Die Baußnahmen wirken auch schon recht verwittert (Planierungen „rundgeschliffen) und stammen vermutlich aus den frühen 80er Jahren.
Aber auch die Piste von der Breche (TSD Rosael) kommend (linker Bildbereich), die von 1988 stammt und vermutlich seither nicht remodelliert wurde, ist passagenweise relativ subtil (insbesondere im Vergleich zu modernen Pisten).
Ebenfalls erneut gut erkennbar, dass die Spuren (TK Caron und ev. Pisten) im Bereich des früheren Gletschers weitestgehend enden. 1986 zum Zeitpunkt des Abrisses des TK Caron könnte der Gletscher schon leicht zurückgegangen sein; das könnte die Trassespuren eine Baustraße in diesem Bereich erklären (irgeneine Form von Baustraße; in den IGN Karten ist sie dort auch angedeutet); allerdings können das auch beim Rückzug des Gletschers entstandene Ablagerungen sein.
Etwas weiter östlich: auch sieht man, dass die alte Pisten vom TSD Rosael kommend passagenweise sehr subtil bis unkenntlich im Gelände liegt.
Nachstehend der Bereich der ersten Piste im Bereich Montée du Fond. Die Piste stammt von 1971, damals war der oberste Teil allerdings noch vergletschert. Vermutlich in den 80er wurde der dann abgeschmolzene Bereich wohl durch leichte Baumaßnahmen fahrbar gemacht.
Man sieht, dass die Piste insgesamt ziemlich subtil ist, die Baumaßnahmen werden wohl auch nicht mehr gewartet. Der obere Teil (oberhalb des Querweges) ist definitiv seit des Bau des Funitels Grand Fond (rechts außerhalb des Bildes) und dem damit verbundenen Abbau des TSF Fond II (Aufgabe dieses Hochpunktes) nicht mehr benötigt. Der Teil unterhalb des Ziehweges scheint auf dem Winterbild ausgesteckt oder wird einfach so regelmäßig befahren. Gerade der Felsabbruch oberhalb des Querweges ist nur relativ wenig bearbeitet, genauso wie die Pistenränder. Die Baumaßnahmen beschränken sich darauf, die größten Unebenheiten einzuebnen und große Störfaktoren zu beseitigen. Im Bereich unterhalb des Querweges ist die alte Piste durch dessen Abraum verschüttet.
Bereich der Talstation und Trasse des ehem. TK Choumes (Les Menuires), der auf dem Bild senkrecht nach oben (ostwärts) verläuft. Die Anlage wurde ca. Mitte der 90er gebaut und bereits etwa zehn Jahre später wieder abgerissen. Während der aufgeschüttete Bereich der Talstation klar erkennbar ist, genauso wie ein Trassestück oberhalb, ist der Mittelteil der Trasse sowie auch die zur Talstation führenden Pisten über längere Strecken auf dem Luftbild nicht auszumachen.
Die Piste am TSD Moutière (vormals TSF Moutière). Im oberen Bereich ist sie fast nicht zu erkennen, obwohl vereinzelt sehr subtile Baumaßnahmen sichtbar sind (insb. Verteilung von Felsbrock). Auch im unteren Teil, wo die Piste auf die remodellierte neuere Piste trifft ist das letzte Stück relativ dezent und nur hier und da Abweichungen zum Gelände erkennbar.
Abschließend noch ein Bild einer aufgegeben Piste im Bereich des TK Teppes in Les Menuires, die ebenfalls in dieser Form aus den 70er Jahre stammten sollte und danach wohl bis zu ihrer Aufgabe ca. 2005 nicht mehr verändert worden ist. Erneut sind die Zeichen sehr subtil. Während der bergseitige Saum noch recht deutlich ist und im oberen rechten Bereich eine minimale Veränderung der Grasnarbe erkennbar ist, sind weite Bereich der Piste in ihrer Vegetation heute wieder mit der Umgebung identisch. Auffällig ist nur, dass völlig Fehlen der ansonsten zufällig verteilten Felsbrocken in diesem Bereich sowie die fehlende Fortsetzung einiger Geländeunebenheiten im linken Bildbereich.
F o r t s e t z u n g _ f o l g t . ( Dann wieder mit Spuren aus dem Gelände ).