::: Vars-Risoul, 29.12.2011 Der Morgen bestätigt, was wir am Vorabend schon befürchtet hatten: auch heute wieder ist die Verbindung zwischen Pra-Loup und La Foux d’Allos nicht geöffnet. Damit müssen wir einen Besuch dort auf ein anderes mal verschieben. Und noch etwas fällt mir auf, was sich im Laufe diesen Winters immer wieder bestätigen sollte: es scheint eine Wetter - / Niederschlagsgrenze am Col de Vars zu geben. Nördlich der Ubaye ist die Schneelage deutlich besser und auf bei den kommenden Schneefällen wird diese Region reichlicher bedacht. Auch jetzt, da ich dies schreibe, ist immer noch ein und dieselbe Grenze bei den letzten Niederschlägen feststellbar gewesen. Ich vermute, dass nördlich des Col de Vars Schnee fällt, wenn die typischen Atlantikfronten von Norden und Westen eindrehen. Südlich hingegen dürften die Mittelmeertiefs den Schnee bringen. Die Grenze beider Einflüsse scheint in etwa in der Ubaye zu verlaufen – was topologisch auch nachvollziehbar wäre.
So sitzen wir wenig später im frühen Morgenlicht im Wagen auf dem Weg auf den einsamen, aber schönen Col de Vars. Überhaupt ist die obere Ubaye im Winter sehr schön. Die Alpes Maritimes insgesamt bieten landschaftlich unglaublich fasznierende Besonderheiten, die so ganz anders als der Rest der Alpen in Wirkung und Stimmung sind. Im Winter wirkt dies – da häufig eben auch sehr mediterran schon – besonders bizarr und faszinierend.
Das Schigebiet von Vars hatte mir im Vorfeld zu denken gegeben. Relativ lange war ich unsicher, ob mir das nicht alles zu durch modernisiert und lieblos sein würde, so dass mich das ob der besonders reizvollen Umgebung sehr sehr gestört hätte. Tatsächlich stellte letztlich heraus, dass das Schigebiet insgesamt sehr reizvoll ist und nur die jüngsten Neubauten wirkliche Fehler darstellen.
http://www.vars.com/hiver/fr/vars-domai ... geable.jpgZunächst verwirrt hatten mich die gestrichelt und gepunktet eingezeichneten Lifte, von denen ich annahm, dass sie irgendwie nicht verfügbar wären (stillgelegt, projektiert, reserviert, …). Tatsächlich markieren sie lediglich diejenigen Gebiete, die mit den reduzierten Skipässen befahren werden können.
Generell teilt sich das Schigebiet in etwa in vier Teile: Die Osthänge in Vars, die Westhänge in Vars, den Col de Crevoux mit dem abgelegenen Sektor unterhalb des Pic St. André und den Sektor von Risoul. Wir beginnen mit den Osthängen von Vars, weil sie zum einen einen netten, etwas abgelegenen Eindruck machen, zum anderen einen schönen Blick auf die wirklich sehr pitoresque Kulisse von Vars ermöglichen (der Crête de Leyssina ist wirklich landschaftlich sehr schön, wie auch insgesamt gesamte Schigebiet von Vars (dasjenige von Risoul eher weniger)) und insbesondere auch, weil es eine Talabfahrt nach Vars (Dorf) gibt, deren Rückbringer ausschließlich zwei sehr lange Schlepplifte sind, was dem Sektor an sich schon einen besonderne Charme gibt und für ein Must-Go ist! Schließlich gibt es noch einen weiteren, pragmatischen Grund: es ist heute ziemlich voll in Vars und Parkplätze sind rar. Die Piste im Bereich der Berg-Tal-Berg-Anlage TSF Peynier ist ein optimaler Einstiegspunkt und ermöglicht den Einstieg mit eben dieser Anlage in beide Teile des Gebietes. Die Anlage selbst ist übrigens auch ein Kuriosum: es handelt sich um einen Kurvensessellift mit diversen Stützen mit schrägen Rollenbatterien, die nach und nach die Kurve im Bereich die Tal-Mittelstation ermöglichen. Möglichweise ist dies die Anlage mit dem stärksten über schräge Rollenbatterien realisierten Knick.
Die Schigebiet am Peynier erfüllt unsere Erwartungen voll auf. Herrlich trassierte, kaum modellierte schöne Pisten, teils leicht und schwungvoll mit Blick auf den mir so gefallenden Crête de Leyssina, teils steiler und rassiger, vielfach lang, abwechslungsreich und gerade am frühen Morgen toll zu fahren. Die Talabfahrt nach Vars (Dorf) ist ein besonderer Höhepunkt und die lange Rückfahrt mit den teils recht steilen, kurvigen Schleppliften ein besonderer Spaß.
Wir versuchen uns mit einem kurzen Frühstück im Restaurant oben am Peynier, allerdings würde ich das nicht empfehlen wollen: das Restaurant ist teuer und der Caffè hat wenig getaugt.
Um so großartiger sind die leichten Pisten zurück Richtung Vars (Station), den Zugang ermöglich letztlich wiederum der TSF Peynier: diemal in der anderen Richtung. Im Hauptgebiet von Vars erwartet uns etwas, dass ich an sich nur aus alten Schibüchern kenne:
Hier zeigt sich ein gewissen Manko der Station, dass seit den frühen 2000er Jahren doch einige der einst so perfekt erschlossenen französischen Skiorte befleckt: man hat viele der alten Anlagen zu Gunsten weniger neuer Anlagen ersetzt. Als Resultat fehlen die alten Ausweichanlagen und man hat ziemliche Nadelöhre geschaffen. Gleichzeitig wird es im Bereich der Talstation der verbliebenen Anlagen so oder so unerträglich voll, so dass man sich schon deswegen nicht anstellen will.
Uns bleibt also nur ein kurzer Fußmarsch bergauf durch den Ort, von eine andere kuppelbare Anlage (TSD Sibbières) ins Schigebiet führt, an der sich deutlich weniger Schlangen gebildet haben. Wir genießen ein wenig die diversen schönen Abfahrten unterhalb des Crête de Leyssina, leider ist in diesem Sektor einiges an Pisten und Liften verloren gegangen in den letzten Jahren, weil man versucht hat mit dem TSD Sibbières diverse alte Anlagen zu ersetzen – auf Kosten der Pistenvielfalt. Schließlich kehren wir in das Zentrum der Station zurück – die übrigens ein ziemlich cooles 70s Flair hat – um dort in einer der sonnigen Bars zu Essen, was sich als eine sehr gute Entscheidung herausstellt.
Es geht auf den Nachmittag zu als wir uns auf den Weg nach Risoul machen. Dazu bringt uns der langsame 4er Sessellift „Col de Crevoux“ auf die gleichnamige Passhöhe, die den Blick nach Westen und Süden eröffnet; auf den Lac de Serre-Poncon, das Tal von Crevoux mit seinem eigenen Schigebiet und die Berge im Süden, wo die berühmte Col de Parpaillon Passstraße zurück in die Ubaye führt. Von der windigen kalten Passhöhe hinab führt eine kurze Piste in das Tal von Crevoux, wo ein ziemlich abgelegener (und damit reizvoller) Schlepplift hinauf zum Pic de Chabbrières führt.
Da es hier oben gerade ebenfalls ziemlich kalt und windig ist, stürzen wir uns schnell hinab in eine der genialsten Abfahrten des Gebiete, die Piste mit dem lyrischen Namen „Col sans Nom“. Die Abfahrt folgt ein Stück dem Grat bevor sie in ein weiteres abgelegenes Hochtal abtaucht, unterhalb des Pic St. André. Lange führt die Piste durch eine ziemlich leere Landschaft, bis man schließlich auf die Liftanlagen in Richtung Risoul trifft. Der TSF Clos Chardon muss ebenfalls einige sehr reizvolle Pisten mit einigem Potential an Abgelegenheit erschließen, allerdings bleibt uns leider heute dafür keine Zeit. Mit dem TSF Razis gelangen wir auf die Abfahrten Richtung Risoul, die aber – weil viel befahren und modelliert – in schlechtem Zustand und eine herbe Enttäuschung sind, bis wir auf die abgelegene Außenpiste Pinatiaux Supérieurs stoßen.
Risoul ist als Skistation eher langweilig. Eine typische Station im Stil der 80er Jahre, als die Zeit der Avantgarde französischer Implementierungen von Skistation bereits passé war. Sie erinnert an Station wie La Tania und Val Fréjus: unspektakulär und ein bisschen Restpostencharakter.
Für einen netten Liegestuhl in der Sonne und ein paar Getränke reicht es dennoch. Sehr schön im Schigebiet von Risoul ist auch der Blick auf die Südfronten der Barre des Écrins und das weite Tal unterhalb. Das Schigebiet von Risoul hingegen erscheint
Beim Rückweg in Richtung Vars können wir diesmal davon profitieren, dass in Risoul nach die alten Anlagen stehen, die sich offenbar bei den Franzosen auch reger Beliebtheit erfreuen (sie stehen nämlich Schlange an den Schleppliften). Da wir aber auch lieber Schlepplift als Sessellift fahren wollen, stellen wir uns eben auch an (es dauert auch nicht lang) und finden uns nach zwei Sektionen wieder am selben Gipfel, auf den uns vorher schon der TSF Razis gebracht hatten und der den Übergang darstellt zum hinteren Sektor von Risoul und nach Vars.
Auf der Seite von Vars gab es hier früher zwei extrem steile Schlepplifte, von denen allerdings einer mittlerweile leider abgebaut worden ist.
Wir folgen den Talabfahrten nach Vars (Dorf), von wo aus zwei kuppelbare Sessellifte (TSD Ste Marie und TSD Peyrol) den Abschluss an das Schigebiet herstellen. Leider stellt sich das als Fehler heraus: die Abfahrten sind stark modelliert und in miserablen Zustand. Unten erwarten uns dann noch große Betonbauwerke mit Tiefgaragencharme – wir sind froh, als wir wieder oben sind.
Hier folgen wir noch einmal einer herrlichen Abfahrt in Richtung Vars (Station), die neben tollen Eindrücken und Blicken auf die Landschaft um Vars nun auch ein wunderbares Streiflicht bietet. Der Blick fällt dabei auf die Hänge vis-à-vis, wo wir heute morgen unsere Schwünge am Peynier in den Schnee setzen. Entlang der gleichnamigen Anlage folgen wir der Abfahrt zurück zu unserem Wagen. Das nachstehende Bild vom Peynierlift mag übrigens einen Eindruck von dessen Knick vermitteln, denn die Schneise am Gegenhang gehört zu ein und demselben Lift!
Schon im Halbdunkel passieren wir noch einmal den Col de Vars, frischen und kurz auf im Hotel in Jausiers und dinnieren dann ein weiteres mal in Barcelonette. Vars-Risoul hat meine Erwartungen bei Weitem übertroffen. Schlechte Neubauten halten sich hier in Grenzen und es ist noch vieles von dem übrig, was französischen Großschigebieten einst zu weltweiter Berühmtheit verhalf. Die weite südliche Landschaft tut ein übriges – das hier ist eben nicht nur nicht Tirol oder Alto Adige; es ist eben auch nicht la Savoie! Merci, le Sud!