Danke für den Bericht. Interessant finde ich, dass sich (endlich) jemand findet, der auch ein paar kritische Worte für Zermatt findet
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Ich habe ja eine sehr ambivalente Einstellung zu Zermatt, geprägt von zwei Aufenthalten, wobei ich einmal in der absoluten Nebensaison (Ende April) und einmal in der Hauptsaison (ca. zweite Märzwoche) da war. Dabei ist mir aufgefallen, dass meine Wahrnehmung sehr vom Andrang und von den Wetterverhältnissen abhängt. Bei schönem Wetter und wenig Leuten entschädigt allein die wirklich grandiose Bergumgebung doch für die vielen negativen Aspekte. Negativ zu erwähnen finde ich v.a. folgende Punkte:
1) Ort: Natürlich gibt es noch immer einige nette Ecken, die einen kleinen Rückblick in die Geschichte Zermatts als Bergdorf erlauben. Aber mit seinen 10.000 plus Gästebetten mit der entsprechenden Infrastruktur kann halt Zermatt nicht mehr authentisch "Bergdorf" spielen. Das stört dann tendenziell an allen Ecken und Enden. Z.B. im Vergleich zu Chamonix, das irgendwie als leicht urbanisierte Kleinstadt mit nettem Stadtzentrum in grandioser Umgebung rüberkommt, fällt da Zermatt (trotz Matterhorn) irgendwie zurück ...
2) Klima: Natürlich kann Zermatt nix dafür, aber ein Skiort ohne Schnee ist halt doch wie ein Gulasch ohne Saft. Natürlich gibt es Ausnahmen (wie z.B. heuer) und v.a. im Frühling wird man wohl meist genug Schnee finden für die tollen Touren im Gletscherbereich aber z.B. grad im Winter gehört das Schneeerlebnis (unabhängig vom Pistenzustand) einfach dazu.
3) Skigebiet: Von der Grösse, der Vielfalt, der Zahl der Möglichkeiten (auch Freeride) schon sehr beeindruckend. Leider nur oft nur mit Einschränkung (siehe Punkt 2) zu geniessen. Zudem gibt es auf den Pisten trotz der Grösse einfach zuviele Nadelöre (die 10.000 Gästebetten plus Einzugsbereich Täsch, Randa etc. sind halt dann doch zuviel ...). Dabei ist es nicht nur die Überfüllung (tendenziell kann man die tw. durch antizyklisches Verhalten umgehen), sondern dann v.a. die Überbeanspruchung. Was nutzen 100km + Pisten, wenn man davon nur die ersten 10-20 km wirklich geniessen kann (Pisten sind ab dem späten Vormittag oft "zerfahren" bzw. vereist).
4) Es zeigt sich wohl (was zu erwarten war), dass die Schleppliftlösung im Stockhornsektor nicht optimal ist. Somit ist dieses Paradestück des Zermatter Skigebiets immer mit einem Fragezeichen verbunden. Das wär so, als ob man am Arlberg jedesmal um die Zugänglichkeit zur Valluga zittern müsste (tageweise wetter- und lawinenbedingte Schliessungen zähle ich mal nicht dazu).
5) Die Gletscherregion um Kleinmatterhorn ist zwar nett, aber grad im Hochwinter oft nur theoretisch bzw. unter "Ausschaltung" aller normalen menschlichen Abwehrreaktionen gegen Kälte und Wind zu nutzen (und jetzt nicht mit Weichei daherkommen. Skifahren auf 3500m bei 50km/h plus Windstärke und -20 Grad ist tatsächlich nicht unbedingt vernünftig ...).
6) Punkt 2) erfordert natürlich entsprechende technische Gegenmaßnahmen. Ehrlich gesagt hat es mich schon maßlos gestört, direkt am Gletscherende unterhalb des Matterhorns auf eine Lanzenallee zu treffen. Sosehr ich mich über durch maschinellen Schnee ermöglichte verlässliche Talabfahrtsmöglichkeiten freue geht mir das dann aber doch zu weit.