Fortsetzung...
III.
Vom Winde verweht
Wegen des schlechten Wetters nehme ich es heute morgen etwas gemütlicher – etwas zu gemütlich. Als ich um 9 Uhr 30 die Talstation der Luftseilbahn erreiche, staut sich die Schlange im Schneefall bis zur Strasse hinauf. Doch dies stört hier niemanden, auch mir macht es nichts aus, 40 Minuten zu warten.
Die äusseren Bedingungen verändern sich während dem ganzen Tag fast von Minute zu Minute. Aufhellungen, Nebelbanken, Schneefall und Windböen wechseln sich ab und bieten ein reizvolles Naturschauspiel. Den morgendlichen Höhepunkt erlebe ich, als ich die schwarze Piste Barthélémy (mehr zu ihr später) bei vollem Sonnenschein fahren darf.
Bergstation Corne de Sorebois
oben am Combe Durand
oben auf der Sorebois-Schulter, für den Moment hat es alle Wolken verblasen
Um 12 Uhr möchte ich wie vorgesehen ins Skigebiet von Grimentz hinüber wechseln und biege auf der Schulter der Corne de Sorebois auf die Piste de Chamois ein. Kaum auf der Krete angekommen werde ich von stürmischen Böen überrascht. Es wird mir unmöglich, das Gleichgewicht zu bewahren, zumal ich wegen dem aufgewirbelten Schnee auch keine Konturen mehr erkennen kann. So lege ich mich auf den Boden, warte, bis der Wind etwas nachlässt und kämpfe mich zum Skiweg zurück.
Die Piste ist nicht mehr ganz so schön wie gestern, immerhin bin ich hier aber im Windschatten. Im Gegensatz zur Variante nach Mottec ist der Weg nach Grimentz genug steil, so dass ich vom Snowboard ohne Aufwand hinuntergetragen werde.
Als ich in an der Gondelbahn hinauf nach Bendolla ankomme, fällt mir sofort der rege Betrieb auf der Talabfahrt auf – ein untrügliches Zeichen, dass oben die äusseren Bindungen nicht besser als in Zinal sind. Das Skigebiet besteht grob gesagt aus einer grösseren rechten und einer kleineren linken Hälfte, die beide von Bendolla aus hinauf führen und oben unterhalb der Becs de Bosson wieder zusammentreffen. Spontan entscheide ich mich für die linke Seite des Skigebiets und werde auf dem alten 2er-Sessellift Les Crêts prompt von der Sonne überrascht.
Strecke der Gondelbahn
auf der langsamen Sesselbahn
Danach folgen für mich die ersten Stangenschlepper-Fahrten in diesem Winter, genauer 8 an der Zahl. Denn ich kombiniere 4 mal die beiden Lona-Lifte, die zusammen eine nette Höhendifferenz von fast 600 Metern aufweisen. Hier windet es so stark, dass ich am oberen Lift fast immer alleine unterwegs bin, für den Durchschnitt scheinen die Verhältnisse zu widerlich zu sein. 2 mal befahre ich die rote Piste, die besonders viele Geländeübergänge enthält; 1 mal ist auch die schwarze Piste Lona an der Reihe, sie befindet sich recht abgelegen in einer Geländemulde und würde noch bis nach Grimentz hinunter führen.
Obwohl die Sichtverhältnisse alles andere als optimal sind, lässt es sich dank dem weichen Pulverschnee überall zügig und sicher fahren. Trotz dem bissig eisigen Wind kann ich so die Abfahrten geniessen. Bei der 4. Fahrt mit dem Lift Lona 2 wird es nochmals kälter, ich beginne zu frieren und die Beine schlottern ein wenig. Höchste Zeit, nach unten zu fahren. Die schwarze Piste Couloirs führt mich direkt nach Bendolla.
wenig einladende Stimmung
Bendolla, der Dreh- und Angelpunkt des Gebiets
Bei meinem letzten Besuch haben mir noch die Pisten am Becs de Bosson am meisten gefallen, doch heute verspüre ich erstaunlicherweise überhaupt keine Lust darauf. Ich fahre noch zweimal mit der 4KSB Grands Plans. Die direkte schwarze Piste ist eisig und gefällt mir überhaupt nicht, aber wenn es hier schon einmal Schnee hat, muss man dies halt ausprobieren. Schliesslich fahre ich noch einmal mit der neuen 6KSB Tsarvaz hinauf.
von Grands-Plans aus
oberster Teil der 6KSB
Die garstigen Verhältnisse legen mir bald nahe, dass es für den Moment genug sein soll. Ich fahre nach Bendolla und von dort noch einmal mit der 2SB hinauf, um den Ziehweg zur Talabfahrt etwas zu umgehen. Obwohl diese alles andere als menschenleer ist, gefällt sie mir dank dem super Pulverschnee und der hier unten besseren Sicht.
Ich denke nicht, dass alleine Wind und Wetter schuld daran sind, jedenfalls hat mir das Skigebiet von Grimentz dieses Mal nicht sehr zugesagt. Irgendwie ist mir ziemlich bald die Lust vergangen. Trotzdem ist es alleine aufgrund seines verwinkelten Geländes stets einen Besuch wert.
Am Abend mache ich noch einen kurzen Spaziergang durch die alte Dorfstrasse von Zinal. Hier stehen die typischen Walliser Chalets noch in ihrer Ursprünglichkeit, ich bin von der verschneiten Kulisse angetan, freue mich aber bereits auf den nächsten Tag.
IV.
Atemberaubendes im Poma-Land
Eine weitere Premiere steht heute Donnerstag an: erstmals besuchen wir das Skigebiet von St.Luc und Chandolin. Da wir uns für die Fahrt mit dem Postauto entscheiden, können wir etwas ausschlafen. Ab heute herrscht Kaiserwetter – es sollte mehr als eine Woche anhalten. Das Skigebiet liegt am prallen Sonnenhang; der Nachteil bezüglich Schneesicherheit fällt heute zum Glück nicht ins Gewicht, da die Naturschneemenge mehr als ausreichend ist. Nach der rasanten Fahrt mit der Standseilbahn werden wir bereits vom wuchtigen Panorama begrüsst, obwohl man sich hier erst im unteren Teil des Gebiets befindet.
Pistenplan St.Luc und Chandolin
Dieses wird von einem guten Dutzend Lifte, zumeist Skilifte, in seiner ganzen Breite erschlossen. Wir fahren als Erstes mit dem Bügellift Tignousa weiter hinauf, und da am Lift Col des Ombrintzes eine grosse Menschenschlange anstand, fuhren wir gleich weiter zum Poma-Lift Pas-de-Boeuf. Ein Stangenschlepper par excellence: 3 Kurven, flache und steile Trasseabschnitte, flottes Tempo, Katapultstart. Nur schade, dass wir auch hier anstehen müssen.
Bügellift Tignousa
im Lift Pas-de-Boeuf
Wir wählen die rote Piste südlich des Liftes, die eigentlich charakteristisch für das Gebiet ist: Einsam führt sie durch das weite, offene Gelände und lässt einem immer wieder Blicke auf die Viertausender wie das Matterhorn oder die Dent Blanche erhaschen. Wem dies nicht gefällt, dem ist nicht mehr zu helfen!
Nach der zweiten Bergfahrt ist es bereits Mittag, und wir machen uns auf in Richtung Bella Tola. Zwei mal war ich schon oben, einmal im Sommer, einmal im Herbst, doch beides Mal bei eher schlechtem Wetter. Das war heute entschieden anders. Der Lift, natürlich kuppelbar, führt ausgesetzt auf die Flanke des Dreitausenders. Ganz nach dem Stil des Val d’Anniviers darf man die letzten 60 Höhenmeter selber bewältigen, es geht auch ohne dass der ganze Berg von Erlebniswelten, Panoramarestaurants, Funitel-Bergstationen und dergleichen verbaut ist.
Während des Aufstiegs spüre ich die dünne Luft, es ist ziemlich anstrengend, sich am Fixseil nach oben zu kämpfen. Doch jeder Aufwand lohnt sich für das was mich oben erwartet: Dieses 360°-Panorama kann man gar nicht in Worte fassen. Ich fühle mich im Zentrum der Alpen, auf alle Seiten hin scheinen die Bergspitzen nicht enden zu wollen. Nicht umsonst wird die Bella Tola als Aussichtsberg mit Blick auf die meisten Viertausender in den Alpen gerühmt. Für einige Sekunden vergesse ich den eisig wehenden Wind, derart imponiert und sprachlos bin ich von der Aussicht.
Die nachstehenden Fotos lasse ich so stehen, bei Gelegenheit benenne ich die Berge später nach.
Nach und nach erkennen wir die meisten Berggipfel. Während ich versuche, diese einmalige Kulisse mit der Kamera festzuhalten, friert mir schnell die ganze Hand ein. Wegen des starken Windes ist es zu kalt, um es lange auszuhalten, so begeben wir uns nach vielleicht 10 Minuten auf dem Gipfel auf den Abstieg.
Unter diesen gewaltigen Eindrücken fahren wir via Col des Ombrintzes zurück nach Tignousa, um dort etwas zu essen. Nachher geht es zweimal an den Lift Forêt. Bemerkenswert, wie stark dieser untere Skigebietsteil beispielsweise zur Bella Tola kontrastiert: Hier ist es mindestens 10 Grad wärmer, die Pisten führen durch engeres, bewaldetes Gebiet. Die rote Piste nördlich des Lifts tut es uns mit den ständigen Geländewechseln und Kurven besonders an.
Col des Ombrintzes
Lift Le Forêt
Piste dazu
Nun erkunden wir den „Rest“ des Skigebiets und fahren hinauf zum Col des Ombrintzes, von wo aus man über eine von Liften entlegene Piste auf die oberhalb von Chandolin liegende Geländekammer wechseln kann. Ich benütze die recht steile gelbe Variante als Abkürzung.
Blick auf die nördliche Seite der Skischaukel
Crêt de la Motte
Nach einer Fahrt am Crêt de la Motte, natürlich auch ein Poma-Stangenschlepper, traversieren wir ans Nordende des Skigebiets, zum Illhorn. Dieser Lift ist einerseits für seine Carvingpiste, andererseits für seine steile Streckenführung mitten durch die Lawinenverbauungen bekannt.
unterer Teil des Lifts Illhorn 2 mit Carvingpiste
mittlerer Teil
Vom ständigen Auskundschaften sind wir inzwischen ziemlich müde geworden, so können wir die Pisten nicht mehr derart geniessen und ruhen uns auf der 4KSB Tsapé aus. Hier ist die Piste, im Gegensatz zu allen anderen, ziemlich eisig und ausgefahren. Ansonsten hätte ich nie gedacht, dass die Pisten bis in den späten Nachmittag derart gut zu fahren sind. Sie sind nach wie vor in hartem aber griffigem Zustand, von Sulz oder Buckeln keine Spur.
Lifte Tsapé und Les Etables
Da wir noch mehr als genug Zeit bis zur Abfahrt des Busses haben, beschliesse ich, die 3SB Rotzé zu nehmen, und von der Bergstation weiter zum Pas-de-Boeuf zu fahren. Denn etwas fehlt noch: die Piste Prilet. Scheinbar sind wir nicht die Einzigen mit diesem Gedanken, so müssen wir am Skilift mehr als 20 Minuten anstehen. Danach geht es aber los mit der Abfahrt auf dieser Traumpiste. Abends um halb Fünf noch in der Sonne gelegen führt auch sie von den Liften weg in Richtung St.Luc. Die Geländewechsel, Schussstrecken und Steilhänge lassen mein Herz nochmals höher schlagen. Nach beachtlicher Distanz erhasche ich mir just am Ende der Piste die letzten Sonnenstrahlen des Tages.
Schlange am Pas-de-Boeuf
Piste de Prilet
Im vollgestopften Skibus werden wir zurück nach St.Luc befördert, und von dort wenig später weiter über Vissoie zurück nach Zinal. Rückblickend hat sich der Besuch trotz der langen Anfahrt in allen Belangen gelohnt. Die Bella Tola ist ein Erlebnis für sich, nun verstehe ich, warum sie als Aussichtsberg so bekannt ist. Das Skigebiet ist tatsächlich um einiges grösser als es der Pistenplan erahnen lässt, wir sind kaum einen Pistenabschnitt zweimal gefahren. Wer zu bequem für Skilifte ist, Partys feiern will oder in eine Halfpipe möchte, der ist hier freilich fehl am Platz. Wer hingegen in weitem, menschenleerem, sonnenüberflutetem Gelände Kraft tanken möchte, für den ist es genau das Richtige.