Angeregt durch die Diskussionen hier im Forum, ob Skigebiete übererschlossen sind, wie z.B. hier
viewtopic.php?f=8&t=2119, habe ich mal grundsätzlich darüber nachgedacht, inwieweit man die teils konträren subjektiven Meinungen nicht objetivieren könnte.
Was fehlt, ist ein Maß bzw. eine Metrik. Hm, also man müsste irgendwie einen Index finden, der den Erschließungsgrad eines Skigebietes ungefähr einschätzen lässt. Am besten was einfaches, schnell verifizerbares.
Ok, so ein naturwissenschaftliches Studium scheint ja doch prägend zu sein
Also: Man müsste irgendeine Zahl für die Erschließung bestimmen. Als erstes fallen mir die Anzahl der Pistenkilometer ein. Die find ich ja in jedem Skiatlas. OK, die sind zwar übertrieben, aber das macht nichts, solange alle Angaben mehr oder weniger übertrieben sind.
Eigentlich müsste man remodellierte Pisten mit "Penalties" versehen, da sie ja einen stärkeren Impact auf die alpine Landschaft haben. Die Recherche und Bestimmung wäre aber sehr mühsam. Zudem erhöbe sich die Frage, was und wie stark etwas remodelliert ist. Also lasse ich das erst einmal sein. Ich will ja ein einfach zu bestimmendes und vergleichbares Maß haben.
Dann nehme ich mir die erschließenden Liftanlagen vor, denn sie stellen ja auch ein Eingriff in die Natur dar. Zur Einfachheit sage ich:
1 gebauter Schlepplift entspricht der Natur-Störung von 1 km Piste,
1 Pendelbahn oder fixgeklemmte Sesselbahn der von 2 km Piste,
1 KSB oder Funifor der von 3 km Piste (auch wegen der Lärm-Emission) und der von
1 EUB entspricht 4 km Piste.
Wenn ich die vorhandenen Liftanlagen mit ihren Störungsgewichten summiere erhalte ich also ein Pistenkilometeräquivalent. Addiere ich das zur effektiv vorhandenen Anzahl der Pistenkilometer habe ich einen Wert, den ich mal Erschließungszahl E nenne.
So weit, so gut.
Dann müsste man die Grundfläche bestimmen, die mit Liften und Pisten inkl. Freeride-Varianten für Skifahrer erschlossen ist und mit dem Höhenunterschied zwischen tiefsten und höchsten Punkt des Gebietes multiplizieren. So käme man auf den zur Verfügung stehenden alpinen Ski-"Raum". Skifahren ist ja ein 3-dimensionaler Sport, was ihn so interessant macht.
Das ist die Grundidee. Jedes Messverfahren muss sich aber auch an den Extremen bewähren. Also weiter…
Extrem 1: Skitouren, 0 Pisten-km, 0 Liftanlagen. Skiraum = x km^3
0/x = Erschließungsindex = 0
Extrem 2: Skihalle, sagen wir mal eine 4SB erschließt eine 500 m lange und 50 m breite Piste und einen Höhenunterschied (HU) von 100m. Also…
2 (wegen der 4SB) + 0,5 km Piste = 2,5 km Erschließungszahl (E)
0,5km(Länge) x 0,05km(Breite) x 0,1km(HU) = 0,0025 km^3 Skiraumvolumen (V)
Erschließungsindex I = E / V
2,5/0,0025 = 1.000 /km^2 was einer sehr extremen Erschließung entspricht, die wohl im Gebirge kaum zu toppen sein wird.
Auch der Check mit den physikalischen Dimensionen haut hin: E in km / V in km^3 = I in km^2, der Erschließungsindex ist also ein flächenbezogenes Maß, also „Eingriff in die Natur pro Grundfläche“.
OK, wenden wir das Verfahren mal auf reale Skigebiete an. Zuerst wieder 2 Extreme. Erst einmal ein Skigebiet, wo man einen niedrigen Erschließungsgrad erwarten würde.
Spontan fällt mir das Dammkar ein. Dort gibt es lediglich 1 PB die 0 km Pisten erschließt.
E = 2 + 0 km
In Google Earth messe ich schnell mit einem Rechteck die Fläche des Skiraumes (also die Fläche, die von der PB und der Freeride-Route durchs Dammkar aufgespannt wird) aus und komme auf ca. 5 km^2 x 1,3 km HU = 6,5 km^3
I (Dammkar) = 2 km / 6,5 km^3 = 0,3 / km^2
Dann habe ich mir mal ein Gebiet vorgeknöpft, welches einen hohen Erschließungsgrad erwarten lässt. Hm, spontan fällt mir Kronplatz ein. Ich schlage meinen Skiatlas auf und setze die Zahlen ein (der Einfachheit halber werte ich jeden Sessellift als KSB, da mein Skiatlas keine differenzierteren Angaben macht. Im Falle von Kronplatz dürfte das aber eine gute Näherung sein). Also…
19 x 4 (EUB) + 6 x 3 (KSB) + 6 (SL) = 100 km Pistenäquivalent + 105 km Piste = 205 km
Mein Google Earth Rechteck auf die schnelle gemessen ergibt 70 km^2 x 1,3 km HU = 90 km^3
I (Kronplatz) = 205 km / 90 km^3 = 2,3 / km^2
OK, d.h. der Kronplatz ist also ca. 8-mal heftiger erschlossen, als das Dammkar. Und das, obwohl auch am Kronplatz der größte Teil des Raumes absolut unerschlossen ist!
(Karwendelbahn und Dammkar befinden sich auf verhältnismäßig wenig Raum).
Gut, wenden wir das mal auf 2 hier im Forum heiß diskutierte Fälle an.
Bormio: 1 x 2 (PB) + 2 x 4 (EUB) + 5 x 3 (KSB) + 7 x 1 (SL) = 32 km + 50 km Piste = 82 km
Fläche von ca. 10 km^2 x 1,8 km HU = 18 km^3
I (Bormio) = 82 km / 18 km^3 = 4,6 / km^2
Wow, Bormio ist also doppelt so dicht erschlossen wie Kronplatz! Wer hätte das gedacht? 3303 hat mit seiner subjektiven Einschätzung in seinem VISION2000-Bericht also doch recht.
Weiter geht´s, jetzt kommt Dolomiti Superski dran, und zwar der zusammenhängend durch Lifte und Pisten erschlossene Bereich rund um Sella Ronda, von St. Ulrich bis Armentarola und Pedraces bis Marmolada.
Uff, ganz schön viel arbeit jetzt. Also…
12 x 2 (PB) + 19 x 4 (EUB) + 84 x 3 (KSB) + 50 x 1 (SL) = 402 + 350 km Piste = 752 km
Das GE-Rechteck ergibt mir eine Fläche von 400 km^3 + 1,8 km HU = 720 km^3
I (Dolomiti) = 752 km / 720 km^3 = 1,0 / km^2
Der Zentralbereich von Dolomiti kommt also ganz gut weg. Bei Kronplatz sieht das natürlich anders aus, und ich vermute mal stark auch bei Pampeago.
Was haltet ihr von dem Verfahren? Kann man schnell auf jedes Skigebiet anwenden und man erhält einen schnellen Eindruck, ob es dort übererschlossen ist, ohne selber hinfahren zu müssen. Könnte ja eine Orientierungshilfe für so manchen hier sein.