Auf Österreichs Höchstem: Glockner 30.6. – 1.7. 2007
Unser Ziel für das letzte Juniwochenende war wieder die Glocknergruppe. Diesmal sollte der Höchste persönlich einen Besuch abbekommen. Diesmal sind wir zu fünft unterwegs. Peter, der die dort obligatorische Hüttenreservierung und sonstige Planung übernahm, hat sich den Stüdlgrat an der Südseite des Glockners mit seiner Freundin Helga als Vorbereitung einer Westalpentour Ende Juli vorgenommen. Begleitet werden sie von seinem Arbeitskollegen Norbert, der am Weg zum Sommerurlaub in Italien den Großglockner gleichsam „mitnehmen“ möchte. Gerhard und ich schließen uns nur allzu gerne an, steht doch der Stüdlgrat bereits seit längerem auf unserer Wunschliste. Auf ca. 700 Höhenmetern zieht dieser charakteristische Felsgrat über leichtes (I-II) und weniger leichtes Gelände (III-III+) bis direkt zum Glockner Hauptgipfel. Dadurch kann man den Massenandrang am Normalweg zumindest im Aufstieg umgehen.
Als es dann die Woche vor unseren „Termin“ im Hochgebirge stark schneit, wachsen dann allerdings meine Bedenken – bei winterlichen Bedingungen ist der Stüdlgrat eine nicht zu unterschätzende Angelegenheit. Nichtsdestotrotz treten wir jedoch am Samstag die Anreise an und diskutieren an unserem Treffpunkt auf der Autobahnraststätte bei Bad Fischau (NÖ) die diversen Optionen. Die Wetteraussichten für Sonntag sehr gut für den Vormittag – für Nachmittag besteht allerdings Gewittergefahr. Die konkreten Verhältnisse können wir dann ja vor Ort einschätzen und demgemäß entscheiden.
Nach mehrstündiger Fahrt im „Autokonvoi“ (aus organisatorischen Gründen können wir nicht gemeinsam reisen, da jeder von uns nach dem Glockner eigene Ziele hat) durch das sommerlich heiße Ost- und Südösterreich treffen wir dann am Nachmittag am Lucknerhaus (1918m) oberhalb von Kals ein.
Sammlung der Ausrüstung am Parkplatz bei der Kalser Glocknerstrasse (Lucknerhaus)
Der Großglockner lugt bereits aus Quellwolken hervor. Der Berg sowie der Stüdlgrat präsentiert sich wie erwartet deutlich winterlich
Wie immer nach langer Anreise wird der Hüttenzustieg zur Qual. Unser erstes Ziel ist die Lucknerhütte (2227m), wo wir ein verspätetes Mittagessen einnehmen wollen. Aber erstmal so weit kommen! Obwohl ich an allen vertretbaren Ecken und Enden gespart habe (der Stiel der Zahnbürste ist bei mir sowieso bei allen Bergtouren abgeschnitten) steigt das gefühlte Gewicht des Rucksacks mit jedem Schritt weiter an. Irgendwie schaffe ich es dann aber trotzdem mit den Anderen mitzuhalten und wir erreichen endlich unseren verspäteten Mittagstisch. Glücklicherweise weist uns der Kellner in der Lucknerhütte darauf hin, dass die Möglichkeit des Rucksacktransports mit der Materialseilbahn auf die Stüdlhütte besteht. Begeistert nutzen wir diese Dienstleistung (4 EUR) – mit Ausnahme von Peter der dies naserümpfenderweise als Unsportlichkeit abtut, dann aber (wohl aus Solidarität mit uns) seinen Rucksack ebenfalls in die Materialseilbahn hievt.
Ohne Rucksack geht’s dann tatsächlich bedeutend leichter aufwärts und schon bald können wir auf die gewonnenen Höhenmeter zurückblicken.
Beim weiteren Aufstieg zur Stüdlhütte (2802m) – unserem Tageszielt und Nächtigungsstandort – trifft Peter dann zufällig eine ehemalige Arbeitskollegin, die im zweiten „Bildungsweg“ den Bergführerberuf eingeschlagen hat und gerade von einer Glocknerführung zurück kommt. Sie berichtet von viel Schnee am Berg und dass der Stüdlgrat die letzten Tage wegen der schlechten Bedingungen nicht gegangen wurde. Also ein deutlicher Dämpfer unserer Ambitionen.
An späten Nachmittag erreichen wir dann endlich die Stüdlhütte und können uns auf das Abendessen freuen.
Während Norbert und ich faul in der Hütte sitzen bleiben, begeben sich Peter, Gerhard und Helga noch auf eine kurze Rekognostiziertour. Wie natürlich erwartet berichten auch sie von viel Schnee und offensichtlichen winterlichen Bedingungen im Stüdlgrat, so dass wir bereits am Abend die Entscheidung treffen, doch den Normalweg zu gehen.
Die Nacht im Lager ist dann kurz – wir stehen um 4h15 und gehen um 5h30 los – 15 Minuten später als ursprünglich geplant, eine Verspätung, die auf das Konto meiner Trödelei geht.
Am Ködnitzkees angekommen können wir einige Gruppen beobachten, die noch zeitiger losgegangen sind als wir.
Bei der zunächst flachen Wanderung über das arg zusammengeschrumpfte Ködnitzkees komme ich langsam in Schwung und bald erreichen wir den steileren Gletscherteil, der zum Felsgrat Richtung Adlersruhe (Standort der Erzherzog Johann Hütte, mit 3454m die höchste Schutzhütte der Ostalpen) zieht. Hier genießen wir bereits die großartigen Ausblicke – die Berge im Süden liegen bereits deutlich unter unserer Höhe.
Die letzten Höhenmeter zur Adlersruhe werden dann über felsiges Gelände erklommen. Stahlseile entschärfen diese Anstieg und machen ihn zu einem gemütlichen Klettersteig, der auch bei den herrschenden Verhältnisse (wir gehen aufgrund der Schneelage mit Steigeisen) problemlos zu gehen ist. Hier tun sich dann die ersten Blicke auf unseren weiteren Anstieg auf – Glocknerleitl und Gratanstieg zum Kleinglockner …
An der Adlersruhe gönnen wir uns nur eine sehr kurze Pause – wir wollen das Schönwetter nutzen und noch vor Einbruch des angekündigten Schlechtwetters (Gewittergefahr) auf dem Gipfel und wieder zurück sein. Über gemächliche Schneehänge (ca. 20 cm Neuschnee) geht es in Richtung des berühmt-berüchtigten Glocknerleitls.
Problemlos erreichen wir die kleine Schulter oberhalb des Glocknerleitls und steigen dann weiter über die verschneiten Felsen (zahlreiche Eisenstangen zur Sicherung) auf den Kleinglockner. Selbst der Andrang hält sich für diesen Schönwettersonntag durchaus in Grenzen – zu Wartezeiten und den oft üblichen brenzligen Situationen kommt es nirgends. Die Fern-, Nah- und Tiefblicke sind beeindruckend …
Auf dem Kleinglockner
Pasterze
Tiefblick Richtung Pasterze
Der Hochschober (3240m) mit seiner verfirnten Nordflanke im Zoom
Noch haben wir die zwei „Schlüsselstellen“, nämlich Glocknerscharte und Anstieg zum Glocknergipfel (hier finden sich dann die einzigen „echten“ Klettermeter des Normalwegs) vor uns.
Abstieg vom Kleinglockner zur Glocknerscharte. Man sieht deutlich das Stahlseil, welches diesen ausgesetzten Abstieg entschärft
Anstieg zum Grossglockner von der Glocknerscharte
Trotz Gegenverkehr überwinden wir diese Passagen problemlos und zügig. Wohl aufgrund des schönen Wetters ist die Atmosphäre sehr entspannt. Die Kommunikation mit den zahlreichen osteuropäischen Seilschaften funktioniert klaglos. Die Freude am Gipfel ist dann dementsprechend – für Helga und Gerhard ist es das erste mal, dass sie auf Österreichs Höchstem stehen.
Die Aussicht vom Großglockner ist vielberühmt – der Alpenvereinsführer bezeichnet sie als größte und weiteste der gesamten Ostalpen (angeblich wurde sie auf 151.880 qkm berechnet) und ich genieße sie, zumal ich bei meiner ersten Glocknerbesteigung vor ca. 20 Jahren keine derartige Sicht hatte.
Blick nach Westen zum Grossvenediger (3664m)
Blick nach Norden mit dem Wiesbachhorn und dem Firnkessel der Pasterze
Der Hufeisenbruch der Pasterze
Blick zur Hofmannsspitze (3721m) und Johannisberg (3463m)
Selbstverständlich darf auch das obligatorische Gipfelfoto nicht fehlen!
Nach nur kurzer Pause beginnen wir mit dem Abstieg, welcher zunächst genauso reibungslos verläuft wie der Aufstieg. Im Glocknerleitl passiert dann jedoch ein Missgeschick. Helga rutscht aufgrund angestollter Steigeisen aus und beim nachfolgenden Bremsmanöver (wir gehen am kurzen Seil) zwicke ich mir den Zeigefinger zwischen Seil und Pickel ein, was ein ordentliches Hämatom zur Folge hat (ganz kurz habe ich sogar ein angeknackstes erstes Fingerglied befürchtet).
Aber bald sind wir aus dem steilsten Stück heraus und können etwas verschnaufen – „nur“ noch 1600Hm Abstieg sind vor uns.
Im flachen Gelände unterhalb des Glocknerleitls
Nach verdienter Pause bei der Adlersruh (diesmal mit Einkehr in der Erzherzog Johann Hütte) geht es dann wieder runter zum Ködnitzkees, das immerhin noch mit einigen Spalten aufwartet.
Nach den Stunden im verschneiten Hochgebirge freuen wir uns über das üppig grüne Tal mit den charakteristischen Felswänden der Freiwandspitze (2919m) – 1000 Höhenmeter Aufstieg und 1900 Höhenmeter Abstieg liegen hinter uns!
Fazit
Aufgrund des Andrangs und der dadurch bedingten oft prekären Situationen gilt der Normalweg des Großglockners oft als „unschön“. Bergeimsamkeit wird man hier selbstverständlich vergebens suchen. Trotzdem kann bei entsprechenden Bedingungen die Besteigung des Großglockners ein eindrückliches Erlebnis sein – etwas Gelassenheit und Toleranz vorausgesetzt. Auch wenn wir auf unser eigentliches Ziel – dem Stüdlgrat – verzichten mussten bleibt die Tour als ein echter Höhepunkt in Erinnerung …