Die "Drahtseilbahn" Muottas Muragl war die erste Seilbahn im Engadin. Sie wurde 1907 eingeweiht und bereits kurz darauf im Winter auch von den ersten Skifahrern genutzt, die damals noch irgendwo die Bahnstecke queren mussten und über teilweise bewaldete Steilhänge ins Tal abfuhren.
Lange versuchte sich das Gebiet, zunächst durch den Bau einer Brücke über die Bahn, die eine durchgehende Abfahrt ermöglichte, später durch Pistenkorrekturen (um die steilen Hänge im Wald etwas weniger kriminell zu gestalten) und schließlich durch den Bau von Skiliften gegen die neu dazu gekommene und immer mächtiger werdende Konkurrenz der Corviglia von St. Moritz zu behaupten.
All diese Bemühungen vermochten aber nicht den Niedergang der Frequenzen im Skigebiet, das an einem Platz mit einem der unangefochten traumhaftesten Panoramen des Oberengadins gelegen ist, zu verhindern und schließlich wurde Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts, nach fast 100 Jahren, der Skibetrieb endgültig eingestellt.
Seitdem stehen die Lifte, Zeugen eines aussichtslosen Kampfes, still.
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Es war Anfang der 80er Jahre, als wir mit meinen Eltern an den Weihnachtstagen mal ein kleineres Skigebiet ausprobieren wollten.
Wir fuhren mit unserem alpinweißen BMW
E12 nach
Muottas Muragl, um dort einen eher gemütlichen Skitag zu verbringen.
Wie so oft in der Weihnachtszeit war die Schneelage eher dürftig und die Pisten waren etwas steinig.
Wie Kinder eben so sind, fuhren mein Bruder und ich erstmal einfach irgendwie irgendwo hin.
In diesem Fall direkt von der Station runter zur Talstation des SL Muottas Muragl.
Den "Einstieg" fand ich, der besonders als Kind ein ziemlicher Schisser war, schon ganz schön steil. Ein paar Steine nahm ich auch gleich mit.
Als mein Bruder hinterher wollte, schimpfte oben auf einmal mein Vater, der nicht wollte, dass wir dort herunter fahren und es auch nicht haben konnte, wenn wir Kinder so unkoordiniert "herumbaselten". Er wies meinen älteren Bruder an, mit mir zum Lift ab.. , dann mit Selbigem wieder hoch zu fahren und an der Station Muotts Muragl auf der Strecke gleich abzubügeln, denn es sollte nur der SL Crasta mit seinen flacheren Pisten gefahren werden.
Der SL Muottas Muragl hatte mich damals im Sommer, vermutlich, weil ich nie das obere Ende gesehen hatte, fasziniert.
Dementsprechend ätzdend fand ich dann, abbügeln zu müssen um zum SL Crasta um den Berg herum herüber schieben zu müssen.
Sonstige Erinnerungen an diesen Tag sind nur noch Schemenhaft vorhanden.
Ich weiß aber noch ganz genau, dass es hieß, dass die Brücke über die SSB an der Waldgrenze für die Talabfahrt sei... und dass es diese Abfahrt gar nicht mehr gebe und sie wenn, dann sowieso von uns schon mal gar nicht gefahren würde.
Das nervte mich als Kind auch immer. Talabfahrten waren Weihnachten immer zu steinig, ostern zu sulzig oder sonstwas.
Irgendwie fanden meine Eltern viel zu oft einen Grund, mit der Bahn ins Tal zurück zu fahren, was ich dann stets hasste. Denn schließlich war ich dieser furchtbar vernünftigen Bequemlichkeit ausgeliefert und saß manchmal etwas schmollend in der Gondel.
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Diese starrsinnige Einstellung meinerseits hat sich übrigens bis heute nicht wesentlich geändert. Sie birgt nur kaum noch Konfliktpotential, da ich ja mittlerweile alt genug bin, notfalls auch allen zu fahren.
Wenns irgendwie geht, fahre ich also mit Skiern ab.
Das ist für mich sozusagen der krönende Abschluss des Skitages
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Dazu kam es aber auch an diesem Tag in den 80ern natürlich nicht.
Ich bin den oberen Teil des SL Muottas Muragl sowie die Talabfahrt, von der ich immer noch nicht weiß, wie lange es sie eigentlich gegeben hat, nie gefahren.
Seitdem war ich nämlich nie wieder tagsüber im Winter dort oben, bis jetzt....
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Auf der Karte habe ich den unteren Teil des SL MM, den ich damals gefahren bin, blau eingezeichnet.
Nicht weil ich diesen Teil damals gefahren bin, sondern weil er auf der karte nicht mehr existent ist.
Der Lift wurde nämlich irgendwann mit dem Bau der Schlittelbahn im Bereich unterhalb der Station demontiert und somit auf ca. 40% verkürzt.
Der Andere ist logischer Weise der SL Crasta.
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Kurz vor Sylvester 2007 kamen Freunde von mir und ich dann auf die Idee, doch mal wieder im Winter auf Muottas Muragl zu fahren.
Zwischenzeitlich hat sich viel geändert.
Schon lange gibt es den Philosophenweg. Ein Winterwanderweg, der über den langen bergrücken oberhalb des Val Muragl, stets mit sehr schönem Panorama, entlang führt.
Im Bereich der ehemaligen Talabbfahrt existiert jetzt eine Schlittelbahen.
Die hat es übrigens wohl ziemlich in sich.
Länge: 4,5 km. HU: 715 Hm
Das Konzept geht auf.
Da es beide hier angebotenen Aktivitäten sonst in solcher Umgebung kaum gibt, ist an der Bahn richtig was los.
Der Philosophenweg ist durchaus lohnend, wenn man mal einfach eine gemütliche, wenig anstrengende Winterwanderung machen möchte.
Da ich aber wie immer unruhig und nicht ausgelastet bin, überrede ich einen (sehr bequemen) Freund von mir, den Weg zu verlassen und zurück zur Station weiter ober auf dem Kamm den Scnheeschuhspuren zu folgen.
Das gestaltet sich im verblasenen Schnee als ziemlich mühsam, aber auch lustig
Kutz vor dem Hotel, das gleichzeitig Bergstation der SSB ist, erreichen wir die Bergstationen der stillgelegten Lifte.
Die Anderen gehen schon mal ins Restaurant, während ich mir die Lifte ansehe.
Man mag mich für einen Banausen halten, aber besonders von oben gesehen steht der SL MM fast skulptural da.
Still und verlassen zeugen die Fachwerkportale von einer vergangenen Epoche.
Überhaupt mag ich diese Portale ungemen.
Hätte Christo sie hier aufgestellt würden sie hochgerühmt, es wären viele Menschen hier, mit vielen Kameras.
Jetzt interessiert sich kaum jemand dafür.
Fast nur ich, mit einer 25 Jahre alten Kamera, einem 7 Jahre abgelaufenen Kunstlicht-Diafilm, den ich später crossentwickeln werde.
^^Oberer Teil SL MM
^^SL Crasta
^^Ehemaliges Skifahrerpanorama
^^SL MM mit Val Roseg, Sella- und Roseggletscher
^^^...und mit Bernina und Biancograt
^^Blick zum Skigebiet Corviglia Marguns
Ich gehe erstmal die Anderen suchen, die schon nun dringend im Restaurant etwas "consumieren" möchten.
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Nach dem Essen spare ich mir den Espresso, weil ich mir noch die Talstation des SL Crasta ansehen möchte.
Mittlerweile steht die Sonne tiefer und die Landschaft wird in winterliches Streiflicht getaucht.
^^Talstation SL Crasta
^^Blick Richtung Skigebiet
Zuoz
Es ist still. Die Stimmung ist grandios.
Es ist ein verlassener Ort.
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Tja, und dann ist der Film voll