Es war ein Mittwoch Anfang März und der Wetterbericht vom Dienstag hatte mich dazu gebracht, nach dreitägiger Schipause wieder in die Berge zu fahren. Der Tag brach an und die versprochene Sonne machte sich auf, über die noch winterliche Landschaft zu steigen.
Unendlich erleichtert, nicht im Büro sitzen und dort stundenlang zwangsweise die Gedanken von den Bergen und urigen Schigebieten fernhalten zu müssen, fuhr ich über Bad Tölz dem Achenpass entgegen. Die kleine Ortschaft Steinberg irgendwo in einem Seitental hinten sollte das erste Ziel jenes Tages sein.
Ich traf entgegen meiner Gewohnheit früher als geplant vor Ort ein. Kaum hatte ich mich endlich aus München und dem Berufsverkehr herausgewurstelt, war es auf fast leeren Straßen recht flott weiter gegangen.
Auf der Straße nach Steinberg „hinter“ wirkte alles verlassen. Ich verlangsamte das Tempo und genoss die morgendliche Fahrt durch das verschneite Tal. Wegen der hohen Schneehaufen am Wegesrand ergab sich leider nirgends eine gescheite Stelle für einen Zwischenhalt, um die ersten Schnappschüsse einzufangen. Doch am Ortseingang von Steinberg stellte ich den Karren einfach ab und ging ein paar Schritte in der noch recht kühlen Luft umher...
Wie immer verfuhr ich mich auf der Suche nach dem Lift erst einmal, doch bald entdeckte ich die Stützen auf einer Wiese überm Dorf und erreichte den unteren der beiden Rofan-Schlepper.
Der Betriebsbeginn sollte erst später sein und so stand ich hier völlig allein am Lift. Eine junge Frau ging mit ihrem Hund an der Leine vorbei, sonst waren keine Menschen zu sehen. Ich machte mich mit der Kamera auf, um den sehr flachen Hang des unteren Rofanlifts hinaufzulaufen. Zwar wäre ich natürlich lieber gleich Schi gefahren, doch die spontane Wanderung in der frischen Luft, umgeben von den Bergen und einem urigen Kurzbügel-Lift hatte auch was.
Mehrmals blieb ich einfach stehen, um den Ausblick zu genießen...
Ins Schwitzen kam man hier nicht – der untere Lift ist im Gegensatz zum oberen wirklich ein flaches Ding.
So abgelegene Lifte haben natürlich mehr Reiz als jene inmitten der großen Massengebiete. Urige Dörfer, keine Parkhäuser und pseudogemütlichen Aprésschihütten mit lautem Krach, man fällt noch auf als Fremder....
Ich war oben angelangt und es tat sich immer noch nichts, obwohl es langsam Zeit für den Liftbetrieb wurde. Ich hoffte, nicht unverhofft wieder abreisen zu müssen.
LSAP-Liftomat...
Doch ohne Liftbetrieb konnte ich wenigstens noch völlig ungestört ein paar Aufnahmen einfangen.
Blick vom Ausstieg des Rofanlifts I hinüber zum Rofanlift II, wo einige Tourengeher aufstiegen. Von Liftbetrieb auch hier keine Spur. Etwas Ärger mischte sich in meine morgendliche Sonnenlaune, denn ich wäre zumindest den oberen, steilen Lift gerne gefahren. Am Ende würde dann wieder Tauwetter einsetzen und im Frühjahr bekannt gegeben, dass es fortan keinen Betrieb mehr gäbe...
Ich stapfte zum Auto zurück, um zur Talstation des Rofanlift II zu fahren.
Ein bisserl durch das Dorf gegurkt – da muss früher lt. Schiatlas 1979 auch mal noch ein weiterer Schlepper gewesen sein, oder? Also außer dem Seillift zwischen Ier und II er meine ich...
Am Rofanlift II angekommen – hier der Zoom zum Ausstieg des unteren Schleppers, wo ich kurz zuvor noch herumgestiefelt war. Zwei Typen saßen vorm Liftlerhäusl in der Sonne, rauchten und unterhielten sich. Ich parkte auf dem nahezu leeren Parkplatz und ging zu ihnen hinüber. Sie sahen erst auf, als ich unmittelbar vor ihnen stand.
Ich machte mir wenig Hoffnung, doch auf meine Frage nach Schibetrieb bejahten die beiden diesen. Wenn ich wolle, solle ich doch einfach eine Karte kaufen und sie würden den Lift dann für mich anschmeißen.
Ich glaubte in der erste Sekunde an einen Scherz, doch plötzlich erhoben sich beide und machten sich an die Arbeit. Der Lift wurde angelassen, einer bestieg seine Schi, um seinen Arbeitsplatz am Ausstieg oben zu erreichen, während der andere zur Kasse ging und dem Gast des Tages eine Karte verkaufte. Wahrscheinlich war ich so verdutzt, dass die beiden noch Abends zu Hause bei ihren Frauen lachend über den komischen Münchner erzählten.
Doch noch trat die Besonderheit jenes Vormittags nicht vollends auf die Bühne, denn ich war eben einfach früh dran und der erste am Lift, na und? Gleich würden sicherlich weitere Gäste kommen oder Schikurse, ganz bestimmt....
Dieser Lift war im Vergleich zu dem Flachlandtiroler weiter unten gleich viel interessanter. Steile Waldtrasse, eine zwar nicht besonders lange, aber durchaus nette Abfahrt....
Ohne Internet wäre ich auf dieses urige Kleinschigebiet vielleicht nie aufmerksam geworden.
Hätte ich diese Anweisung befolgt, hätte ich an jenem 07.03.2012 keine einzige Auffahrt unternehmen können!
Ich musste bei dem Gedanken an „Anweisungen“ unwillkürlich an einen Jahre zurückliegenden Kreta-Aufenthalt denken. Ein deutscher Rentner, den der Fahrer des Reisebusses zunächst im Regen vergessen hatte und der schließlich total durchnässt doch noch mit zum Flughafen genommen wurde, brüllte vor Zorn den ganzen Insassen das Trommelfell hinaus. „Ich stand genau dort, wo es die Reiseleitung angewiesen hatte! Am hinteren Parkplatz! Ich habe mich ganz genau an meine Anweisungen gehalten! Ich befolge meine Anweisungen immer!...“
Blick aus dem Lift über die leere Piste zum verwaisten Imbissstand, während Rofanlift I und der Seillift im Hintergrund stillstehen.
Mit dem Kurzbügler steil den Wald hinauf...
Nach dem Steilhang geht es flacher weiter...
Am Ende wird es richtig flach und da ist auch schon der Ausstieg erreicht. Diese Tour sollte ich in den folgenden Stunden etliche Male wiederholen.
Da kommt der Lift irgendwo aus dem Wald herauf.
Zoom zum Ier Lift, der wie der Seillift auch außer Betrieb bleiben sollte. Aber dafür dass ich dann den steilen Schlepper ganz für mich allein haben sollte....
Man war als geübter Fahrer zwar sehr schnell wieder unten, aber es machte trotzdem einen wahnsinnigen Spaß, den gut präparierten Hang mit bestem Tiroler Naturschnee hinabzufahren. Vor allem natürlich auch, weil ich ihn komplett für mich allein hatte! Meist fuhr ich hinauf und dann ging es in einem Stück gleich wieder runter. Rücksicht brauchte man ja keine zu nehmen und so konnte man es richtig krachen lassen.
Es waren die schönsten Schistunden dieser Saison 2011/12...
Kein einziger Mensch! Die ganze Zeit über bleib ich allein unter den beiden Liftlern. Ein Wahnsinn! Rauf, runter, wieder rauf in dem netten Schlepper, zwischendrin mal wieder ein paar Fotos und auch eine Brotzeitpause in der Märzsonne oben....
….immer wieder ergaben sich ein paar nette Stimmungsmotive...
Im Büro schüttelten sie nur ungläubig den Kopf, als ich 24 Stunden später beim Kaffeeritual davon berichtete. Manche können es sowieso nicht verstehen, dass ich auch allein gerne zum Schifahren gehe. Sicherlich einige dachten, ich spinne, als ich von jenen Glanzstunden mit Glanz in den Augen erzählte. Ihnen wäre das ja zu blöd und zu langweilig da ohne Kumpels oder Freundin herumzufahren und überhaupt Steinberg! Ich solle mal nach Kaltenbach oder Mayerhofen fahren! Oder Ischgl! Da würde es voll die Party geben! Mit grimmiger Zufriedenheit ließ ich während solcher Vorbehalte wieder jene netten Schistunden im Kopf passieren, allein im Lift, die Piste nur für mich, der steile Kurzbügler, das malerische Tal wie vor vierzig Jahren...
Irgendwann, als es auf 12 Uhr zuging, fällte ich eine Entscheidung. Nach der x-ten Auffahrt beschloss ich, noch eines der anderen Achensee-Gebiete kennenzulernen. Die Neugier siegte und wer weiß – nachmittags wären sicherlich noch ein paar Leute gekommen. So lud ich, trotzdem noch irgendwie unschlüssig, meine Schi ins Auto und fuhr an die Christlum, wo ich schon seit Jahren mal hinwollte...
...am langen Nordhangschlepplift, der am Rand des Gebiets durch den Wald hinaufgeht, fand ich schließlich auch recht leere Pisten vor und konnte mich dort noch bis Betriebsschluss austoben, immer wieder an den Rofanlift II und meine Schistunden allein unter Liftlern zurückdenkend...