La Plagne plant bereits seit einiger Zeit, seinen Gletschersektor zu erneuern. Der Bereich wird (bzw. inzwischen, da ich endlich zum Schreiben komme: wurde) bis dato immer noch von der 1978 gebauten, fast sieben Kilometer langen EUB-Kette Marke Poma erschlossen, die offenbar nun doch langsam auf dem allerletzten Loch pfeift. Manche erinnern sich vermutlich noch an den Brand der Bergstation, es ging damals auch in allen Details durch die Foren. Ich habe nachgesehen, es war am 5. August 2005, also vor schlappen 18 Jahren. Schon damals wurde über eine Erneuerung der Bahn spekuliert, statt dessen wurde die Bergstation, angepasst an die alte Technik, neu wieder aufgebaut. In der Folge müssen meines Erachtens auch mindestens einmal die Kabinen gegen ähnlich alte getauscht oder neu lackiert worden sein. Bei meinem Besuch im Sommer 2012 - man kann es noch nachlesen - waren sie von Sprayern verziert, jetzt beim Abschiedsbesuch war davon zu meinem Erstaunen nichts mehr zu sehen.
Zur Ersterschließung des Gletschersektors gehörten neben der langen Télécabine auch drei Gletscherschlepplifte (TK Col 1 & 2, TK Chiaupe, TK Glacier de Bellecôte) sowie zwei Sessellifte (TSF2 Traversée, TSF2 Chalet de Bellecôte). Zuerst fiel Mitte der 1990er Jahre der TK Glacier de Bellecôte dem Gletscherschwund zum Opfer, er wurde ersatzlos abgebaut. Um die Jahrtausendwende, es dürfte 2003 oder 2004 gewesen sein, wurden dann auch die beiden anderen Schlepplifte abgebaut und durch eine fixe Vierersesselbahn (TSF4 Glacier, Doppelmayr!) auf Fels ersetzt. Im Jahre 2012 schließlich wurde der alte TSF2 Traversée durch einen gebrauchten TSF4 ersetzt, der anderswo im Gebiet abgebaut wurde. Blieben also von der Original-Erschließung noch die Télécabine, deren untere beiden Sektionen einmal neue Sigma-Kabinen bekommen hatten (wodurch vermutlich der Durchfahrbetrieb über die ganze Strecke unmöglich wurde), sowie der TSF2 Chalet de Bellecôte bei der Mittelstation Col de la Chiaupe.
Ein abfotografierter Ausschnitt aus dem Pistenplan von 1979, der bei mir an der Wand hängt. Er zeigt den Zustand der Ersterschließung. Télécabine Berg-Tal-Berg vom Roche de Mio über den Col de la Chiaupe zum Gletscher (55), TSF Traversée (56), TSF Chalet de B. (57), TK Chiaupe (58), TK Col (59), ein Projekt (60), das 2004 als TSF Glacier tatsächlich realisiert wurde, TK Glacier de B. (61). Außerdem schön zu sehen die beiden schwarzen Außenrum-Abfahrten Bellecôte und Le Rochu vom Bellcôte-Gletscher zur Talstation Chalet.
Ich selbst kam im März 2000 erstmals nach La Plagne. Dem Neuschnee, der uns noch bei der Anreise zu Schneeketten zwang, folgte eine Woche Sonnenschein ohne eine einzige Wolke. Erst freitags, zum Ende unseres letzten Skitages, trübte es sich etwas ein. Einer meiner besten Skiurlaube aller Zeiten. Die Gletscherlifte waren bis zum Stützenjoch im Schnee versunken und logischer Weise nicht in Betrieb. Die im Pistenplan verzeichneten schwarzen Abfahrten Bellecôte und Le Rochu gab es in der Realität nicht. Zwei Jahre später lag deutlich weniger Schnee, so dass zu Ostern beide Schlepplifte in Betrieb waren. Hätte ich gewusst, dass dies meine einzige Gelegenheit sein würde, wäre ich auch bestimmt damit gefahren. So erschien uns der kurze Gletscherhang als nicht lohnenswert und wir ließen die beiden Lifte bei Seite. Ein Jahr später wurden sie abgebaut. Dafür konnten wir 2002 die beiden schwarzen Abfahrten befahren - allerdings inoffiziell, sie waren weder markiert noch präpariert. Wir waren aber bei weitem nicht die einzigen, die dort unterwegs waren.
In der Folge war ich noch öfter in La Plagne, zuletzt 2016. Auch 2020, 2021 und 2022 hatte mein Skiclub jeweils eine Fahrt dorthin geplant. Keine davon konnte stattfinden. Erst dieses Jahr ging es dann wieder, und nachdem ich sieben Jahre nicht mehr da war und der Ersatz der alten Bahn anstand, hielt ich es für eine gute Idee, dort wieder einmal hin zu fahren. Es fanden sich auch ein paar Mitstreiter (Grüße an dieser Stelle) und sogar Trincerone ließ es sich nicht nehmen, uns für ein paar Tage zu begleiten. Trotz des allgemein schneearmen Winters kam bis zu unserer Anreise Ende März noch genügend Neuschnee, aber leider machte uns dann das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Es blieb bei einem einzigen schönen Tag, den wir für einen Ausflug nach Les Arcs nutzten. Die anderen Tage waren trüb und grau, wahlweise mit Neuschnee oder gar Regen bis 2000 m. Es reichte zwar für eine Fahrt zum Gletscher, diese war aber eher zum Abgewöhnen als eine angemessene Abschiedstour.
So kam Trincerone zum Ende der Woche auf mich zu, ob wir denn nicht einfach eine Woche später über das lange Osterwochenende nochmal hin fahren sollten. Natürlich war ich skeptisch, noch einmal der weite Weg und dann womöglich wieder so ein Sauwetter? Andererseits hatte ich nichts vor über Ostern, noch ein paar Skitage wären schön und eigentlich mag ich ja auch solche eher unkonventionellen Aktionen. Ich erbat mir also Bedenkzeit, und tatsächlich, nach weiteren Tagen des Neuschnees änderte sich am Dienstag die Wetterprognose für das Osterwochenende auf Sonnenschein. Damit war die Sache klar und die Tour konnte stattfinden.
Karfreitag machten wir uns also in Trincerones Audi 90 "Blackbird" (er fährt noch!) erneut auf den Weg in die Savoyer Alpen, ohne Stress, da das Wetter an diesem Tag ohnehin noch eher schlecht sein sollte. Will sagen, die früher bei solchen Aktionen übliche Nachtfahrt schenkten wir uns. Ostersamstag ging es dann bei strahlendem Sonnenschein zunächst für einen Tag in den Espace Killy, wo wir beide schon länger (Trincerone noch länger) nicht mehr waren. Hierzu dann vielleicht irgendwann ein separater Bericht. Der Ostersonntag sollte dann aber exklusiv dem Gletschersektor von La Plagne gehören.
Nachdem sich unser Quartier im hinteren Teil des Tales von Peisey-Vallandry befand, bot es sich an, von dort über den Vanoise Express ins Skigebiet einzusteigen. Der Unterschied im Preis zwischen Tagespass Paradiski und Tagespass La Plagne liegt bei schlappen 2 Euro. Das finde ich angemessen für eine Fahrt mit dem Vanoise Express. Außerdem ergab sich dadurch die Gelegenheit, endlich einmal mit dem Télébenne unterhalb des Vanoise Express zu fahren.
Talstation Télébenne Lonzagne vom Ortszentrum Peisey zur Talstation Vanoise Express
Morgendliche Parallelfahrt der beiden Kabinen in der Sonne
Überblick über das sanfte Almgelände zwischen Plagne Bellecôte und Plagne Centre. Hat uns an diesem Tag nicht interessiert.
Via Inversens, jetzt kuppelbar, früher eine sehr lange, sehr langsame 4-SB, zum Roche de Mio.
Ab in die Télécabine. Klassische Back2Back-Kabinen von Poma, zerkratzte Scheiben und jede Menge Geklapper und Gerumpel. Hier der Blick zum Gletscher.
Anflug auf die Mittelstation Col de la Chiaupe (2529 m). Die neue Bahn ist bereits in Bau.
Weiter im TSF4 Glacier, Neubau von 2004. Links die unpräparierte, schwarze Abfahrt. Früher bedient von den Doppelschleppliften Col 1 & 2 mit Sommerskibetrieb. Meiner Einschätzung nach reicht der Gletscher heute noch ungefähr bis zu dem Skifahrer in der Bildmitte. Alles andere ist weg.
Der Sessellift führt am Grat entlang und bietet einen schönen Blick auf die Grande Casse.
Oben auf 3175 m. Bis zum Ende dieser Saison der höchste Punkt von La Plagne. Die gesamte Geländekammer wird aufgegeben, alle hier sichtbaren Lifte werden ersatzlos abgebaut. Der Bereich ist auch nicht mehr ohne weiteres per Ski erreichbar. Die kurze Abfahrt wird nicht so sehr fehlen, das Panorama umso mehr.
Zoom auf TC-Bergstation und Querlift Traversée. Wer genau hinsieht, erkennt bei der Mittelstation auch schon die Masten der neuen EUB.
Hier war mal ein gleichmäßiger Gletscherhang mit Sommerskibetrieb. Heute nur noch eine Geröllwüste. Ich verweise auf meinen Bericht von 2012.
Quer durchs Bild verliefen Col 1 & 2. Oben, knapp unterm Felsgrat, kann man (hier im Bild kaum zu sehen) noch die Fundamente der Umlenkstationen erkennen.
Traversée. Als der TSF2 noch stand, einer meiner absoluten Lieblingslifte in La Plagne. Immerhin hat man ihn 2012 noch mal ersetzt und nicht gleich ganz dicht gemacht. Der TSF4 kommt aber stylemäßig schon nicht mehr ans Original heran.
2011. Bild hängt seit Jahren in 80x60 oder so bei mir an der Wand.
2011. Den zugehörigen Bericht habe ich am Ende des Berichts verlinkt.
Dem aufmerksamen Betrachter ist nicht entgangen: Die Bergstation der neuen EUB ist bereits fertig.
Der Ausstieg in Fahrtrichtung rechts
Nicht unbedingt massentauglich, der Einstieg in die Allerweltspiste zurück zum Col de la Chiaupe. Früher war hier auch mal Gletscher.
Ein weiterer Grund, La Plagne nochmals zu besuchen, von dem ich oben noch nichts erwähnt habe: Die beiden schwarzen Pisten Bellecôte und Le Rochu. Obwohl diese beiden Abfahrten seit 1979 durchgängig im Pistenplan eingezeichnet waren, haben sie eine recht wechselvolle Geschichte hinter sich. Ich habe sie seit meinem Erstbesuch 2000 nie offiziell ausgesteckt gesehen. 2002 oder so konnte man sie einmal inoffiziell befahren. Danach hieß es irgendwann, sie würden offiziell dicht gemacht, dann wurden sie wieder offiziell neu eröffnet und der Einstieg sogar etwas remodelliert. Ich war in dieser Zeit nicht dort, aber ein paar Jahre später, zu Beginn der Zehnerjahre, waren die Abfahrten wieder, wie zu Beginn der Nullerjahre, zwar im Pistenplan aber in der Realität nicht vorhanden.
Dann sah ich Ende März im trüben Licht vom TSF2 Chalet aus Markierungsstangen und meine Neugierde war geweckt. Und siehe da, am Tag zuvor waren sie im Web offiziell als geöffnet angegeben. Das habe ich bis zu diesem Zeitpunkt in 23 Jahren, in denen ich dort hin komme, noch nie erlebt.
Le Rochu. Gleich gehts los.
Querung in den etwas weniger steilen Einstiegshang von Bellecôte. Gleich springe ich über meinen Schatten.
Panorama Richtung Les Arcs und Mont Blanc.
Rochu folgt am Anfang offiziell der selben Linie. Alternativ gibt es aber auch eine lt. Karte rund 40° steile Direktvariante. Die kam dann im zweiten Versuch.
Der Autor
Der Wüstenfuchs
Einstiegshang von unten. Danach wird es deutlich flacher, es bleibt aber eine unpräparierte Buckelpiste.
Einstieg aus etwas weiterer Entfernung. Bellecôte folgt links dem Grat, Le Rochu läuft rechts aus dem Bild hinaus.
Unten raus eher sanftes Gelände bis zur Talstation Chalet de Bellecôte
Le Rochu wird unten nochmal steil und folgt dieser Rinne
Zurück zum Col de la Chiaupe und zur Mittelstation der Télécabine. Von einem Ersatz dieses Lifts habe ich offiziell noch nichts gelesen, es waren aber Markierungsstangen zu sehen und bei der Bergstation ein neugebautes Lifthäuschen. Ich vermute er kommt bald weg, vielleicht schon diesen Sommer.
Zweite Runde, diesmal wie angekündigt Le Rochu. Hier der Blick zurück am Ende des oben erwähnten Steilhangs.
Nach vorne geht es weiter der Rinne folgend, im Sommer vermutlich ein Bachlauf
Zwei schweißtreibende und anstrengende Abfahrten später ist es Zeit für eine Mittagspause. Wir sitzen an der Holzhütte bei der Bergstation der alten Télécabine und genießen die Sonne und ganz allgemein die Atmosphäre, immer im Bewusstsein, dass es das letzte Mal sein wird, weil alles um uns herum in diesem Sommer abgetragen wird. Ich mache noch ein paar Abschiedsfotos und wir drehen noch ein paar Runden am TSF4 Glacier. Dann wird es Zeit für die Rückfahrt nach Les Coches und zum Vanoise Express.
Letzter Rückblick aus dem Traversée-Lift hinüber zum Glacier. Das ehemalige, jetzt fast gletscherfreie Sommerskigebiet.
Starthang Traversée. Man denke sich eine direkte Linie durch die Bildmitte bis fast hinauf in den Einschnitt. Das ist die Trasse des ehemaligen TK Glacier de Bellecôte, Nr. 57 im Plan oben, abgebaut ca. 1995, der beinahe so mythisch ist wie 3400 in ValTho. Es gibt nämlich fast keine Bilder davon im Netz.
Die Senke da links war mal voll mit Gletschereis
Neue Bahn. Hauptarbeiten in diesem Sommer dürften der Mittelstation gelten, der Rest ist praktisch fertig.
Rückweg zum Roche de Mio
Blick zum Gletscher
Zurück in der Zivilisation am Roche de Mio, 2700 m. Man hat eine Rollschuhbahn aufgebaut und macht Rollerdisco. Dem Publikum muss schließlich etwas geboten werden.
Da schauen wir lieber nochmal zurück in die Bergflanke der Bellecôte, die knapp 45 Jahre lang ein außergewöhnliches Skigebiet trug.
Vergrößerter Ausschnitt mit den Starthängen der schwarzen Pisten
Zurück nach Les Coches. Unten in Bourg St. Maurice ist Frühling.
Der Express bringt uns zurück nach Vallandry. Ein außergewöhnlicher Skitag geht zu Ende.
Die Bar am Vanoise Express ist leider schon geschlossen und auch sonst merkt man das nahe Saisonende. Das Après-Ski-Bier muss also erst mal warten. Aber in unserer Unterkunft weiter hinten im Tal können wir noch eine ganze Weile in der Sonne sitzen, bis sie schließlich hinter dem Grat verschwindet. Es war ein außergewöhnlicher Skitag, wie ich ihn in dieser Intensität bestimmt zehn Jahre nicht hatte. Mit zwei Abfahrten fast einen ganzen Vormittag zu füllen löst Flashbacks aus bezüglich La Grave und anderer Unternehmungen, die man hier noch nachlesen kann. Vielleicht ist es an der Zeit, sich daran nicht mehr nur zu erinnern sondern wieder mehr in der Richtung zu unternehmen? Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.
Am nächsten Morgen, Ostermontag, brechen wir früh auf in Richtung Chamonix. Da es passender Weise am Rückweg liegt, drehen wir noch ein paar Runden am Brevent/Flegere, vom Panorama her natürlich noch einmal eine Steigerung. Dann geht es nach Hause und zurück in den Alltag.
Weiterführende "Literatur" früherer Jahre:
Bericht aus 2011Sommerbegehung 2012Zur Geschichte der schwarzen Pisten Bellecôte und Le Rochu