Steiles Eis und tiefer Sulz: Glocknergruppe 14.6. – 17.6. 2007
Bereits während des Eiskletterns im Winter haben wir uns vorgenommen im Frühsommer das klassische Eisklettern in den steilen Firn- bzw. Eiswänden der Alpen anzutesten. Leider ist seit den Zeiten der „Klassiker“ viel Eis auf Nimmerwiedersehen verschwunden und viele der einst in ihrer weißen Pracht so erhabenen Nordwände sind ausgeapert und bröckeln als übersteile Schutthalden vor sich hin. Dies macht das Finden geeigneter Örtlichkeiten für unser Vorhaben nicht ganz einfach – zumal auch der richtige Zeitpunkt nicht leicht zu wählen ist. Kommt man zu früh präsentieren sich die Nordwände noch als schneestrotzende Flanken, die lediglich zu durchstapfen sind, ist man jedoch zu spät dran, können ausgeaperte Felsriegel das Durchkommen erschweren bzw. eine zu grosse Steinschlaggefahr ein Begehen überhaupt verunmöglichen.
Nach etwas Studium der Literatur und entsprechenden Wetten auf den Witterungsverlauf während des Frühjahrs einigten wir uns auf ein Wochenende Mitte Juni, wobei wir als Gebiet die Gegend um die Oberwalder Hütte (2973m) in der Glocknergruppe (Hohe Tauern) auswählten. Diese Gegend bietet eine Reihe von kürzeren Eisanstiegen und es erschien uns hier am wahrscheinlichsten, dass wir zumindest in einigen dieser Routen brauchbare Verhältnisse vorfinden könnten.
Am frühen Abend des 14. Juni trafen wir (mein Wiener Kletterkumpel Gerhard und ich) auf Uli aus München, den wir während eines Eiskletterkurses im Sertigtal Ende Dezember 2006 kennen gelernt hatten und mit dem wir auch Anfang März noch mal gemeinsam Eisklettern waren. Gemeinsam führen wir dann die Großglockner Hochalpenstrasse hinauf, wobei wir – wie zahlreiche andere Auto-, Motorrad- und Biketouristen die umliegenden Berge bewunderten und dabei schon mal versuchten die Schnee-, Firn- und Eisverhältnisse abzuschätzen.
Wiesbachhorn mit dem Boggeneikees von der Großglockner Hochalpenstrasse
Wiesbachhorn im Zoom
Die Nordwand des Fuscherkarkopfes. Vor einigen Jahren noch eine der klassischen Standardeistouren bei der Oberwalderhütte. Heute ausgeapert.
Schließlich erreichten wir den Parkplatz (bzw. das Parkhaus) an der Kaiser Franz Josefshöhe oberhalb der Pasterze.
Blick zur Oberwalderhütte – unser Ziel.
Gegen 18h00 begannen wir dann also mit dem Anstieg zur Hütte. Bereits nach wenigen Dutzenden Metern machten mir die gefühlten 40 kg meines Rucksacks den Anstieg so beschwerlich, dass ich vorschlagen wollte, die ganze Sache abzublasen. Dummerweise waren meine Partner schon zu weit voraus und ich bereits zu schwach ihnen meinen Wunsch nach Rückkehr zum bequemen Auto vorzuschlagen. Mir blieb also nichts anderes übrig als hinten her zu torkeln, wobei sich allsbald das gefühlte Gewicht meines Rucksacks auf 50 kg erhöhte – immerhin schleppten wir zusätzlich zur normalen Bergausrüstung noch das ganze Eiszeugs (Eisgeräte, Steigeisen, Eisschrauben, jede Menge Karabiner etc.) mit.
Zum Glück bot der Anstieg jede Menge Aussicht, die zumindest ein kleiner Trost für die Rückenschmerzen boten.
Der Grossglockner verbirgt sich leider in Wolken
Durch die Vielzahl (fütternder) Touristen kommen die Murmeltiere ihren Ruf als scheu hier nicht mehr nach
Blick zum Johannisberg mit den zentralen Firnfeldern der Pasterze
Zur Hälfte des Weges führt der Hüttenanstieg dann über das Wasserfallwinkel Kees.
Kurz nach 21h00 erreichten wir die Hütte, wo wir trotz der späten Stunde noch mit einem reichlichen Abendessen gestärkt wurden.
Unser Ziel für den ersten Tag war die Eiswandbichl „Nordwand“. Ein eher mickriges „Wändchen“ von vielleicht 100m Höhe bei einer maximalen Steilheit von ca. 50 Grad. Gemeinsam mit dem kurzen Zustieg erschien uns das für den Anfang gerade richtig.
Bis oberhalb des Bergschrundes (der problemlos zu überwinden war) gingen wir noch angeseilt, dann packten wir das Seil in den Rucksack, da aufgrund der Firnverhältnisse sowieso kaum eine Sicherung möglich gewesen wäre und sich der Anstieg recht einfach gestaltete.
Weiter oben gab es dann immerhin eine einige Quadratmeter große Blankeisstelle, die etwas Eiskletterfeeling aufkommen ließ und die Mitnahme der Eisgeräte rechtfertigte.
Nach dieser kurzen Eingehtour verbrachten wir dann den Nachmittag im Bereich des Hufeisenbruches der Pasterze und übten ein wenig Spaltenbergung ehe uns starker Regen wieder in die Hütte trieb.
Das Wetter blieb den ganzen Abend über wenig viel versprechend – starke Regenschauer und viel zu warm. Umso größer war dann die Überraschung nächsten Morgen (Samstag), als nicht nur die Sonne ins Zimmer schien, sondern auch die ganze Landschaft mit einem Hauch von Neuschnee überzuckert war.
Dementsprechend ambitioniert diskutierten wir beim Frühstück unsere Routenwahl für den heutigen Tag. Aus mir bislang nicht erfindlichen Gründen wurde mein (an sich nahe liegender) Vorschlag, nämlich die Nordostwand des Johannisbergs (3463m) zu durchsteigen von meinen Partnern abgelehnt.
Stattdessen stand die Große Bärenkopf (3396m) Nordostflanke (mit Option auf Nordwand bei entsprechenden Verhältnissen) mit anschließender Gratüberschreitung aller drei Bärenköpfe auf dem Programm.
Unser Weg führte uns über weite Gletscherflächen – vorbei an einigen Spaltenzonen - und zahllose Gletscherjöcher bis zur Nordseite des Bärenkopfes zur Gruberscharte am östlichen Bärenkopfkees, das bereits direkt in die Kapruner Speicherseen entwässert.
Gletscherhatscher
Querung zur Keilscharte (3226m)
Blick von der Keilscharte über das westliche Bärenkopfkees nach Norden
Die Durchsteigung der Nordostflanke war dann einigermaßen unspektakulär. Die „Wand“ ist 250m hoch und maximal 45 Grad steil (auf die direkte Nordwand verzichteten wir, weil der Ausstieg bereits ausgeapert war und etwa eine Seillänge über eine steinschlaggefährdete Schotterflanke geführt hätte). Anfangs galt es sich durch tiefen Sulzschnee hinauf zu „graben“. Erst relativ weit oben trafen wir auf Blankeis, das aber durchaus schöne Bedingungen aufwies. Leider hüllten uns während des gesamten Anstiegs Quellwolken ein, so dass wir keine Fotos machten. Auch hier waren die letzen Meter ausgeapert und führten über steiniges Gelände – zum Glück jedoch flach genug um Probleme zu bereiten.
Dann folgte der weite Gratübergang zurück in die Keilscharte (3220m) und zu den anderen Bärenköpfen (Mittlerer und Vorderer).
An sich hätten wir hier großartige Aussichtsmöglichkeiten vorgefunden. Durch die zunehmende Quellbewölkung war uns jedoch meist jede Fernsicht genommen.
Kitzsteinhorn – von Wolken umhüllt
Blick hinunter zum Stausee Mooserboden
Nach einen Kräfte zehrenden Gegenanstieg erreichten wir schließlich den mittleren Bärenkopf 3357m, wo uns dann endlich ein Schlechtwettereinbruch voll erwischte, so dass wir den Abstieg zur Hütte entlang des (Firn-)Grates und später entlang eines breiten Schotterrückens zügig unternahmen.
Im Schneegestöber auf 3200m
Am Sonntag Morgen präsentierte sich dann die Landschaft wieder von ihrer schönsten Seite. Der nächtliche Neuschnee glitzerte in der Morgensonne – lediglich der Großglockner war – wie bereits die Tage davor – von Wolken umhüllt.
Angesichts unserer Müdigkeit vom Vortag und kleineren Problemen mit der Ausrüstung (bei meinen Steigeisen war ein funktionsnotwendiger Schrauben verloren gegangen) verzichteten wir auf eine Kurztour und stiegen bereits am Vormittag wieder hinab zur Franz Josefs Höhe, um die Heimreise anzutreten.
Zurück bleibt die Erkenntnis, dass auch heute noch – auch bei nicht ganz optimalen Verhältnissen – die eine oder andere Eistour möglich ist. Die großen Tage der Eiswände sind allerdings hierzulande – angesichts der herrschenden klimatischen Verhältnisse – vorbei.