SPURENSUCHE IN MACUGNAGA
Überragt von der Ostwand des Monte Rosa, der höchsten Wand der Alpen, liegt im Anzasca-Tal der kleine Bergsteigerort Macugnaga abgelegen inmitten einer atemberaubenden Bergkulisse.
Durch hohe Kämme getrennt wird es vom südwestlich im Valsesia gelegenen Alagna und vom nördlichen, in der Schweiz befindlichen Saas-Tal. Die Landesgrenze befindet sich am Passo Moro, der von Macugnaga aus durch eine Pendelbahn in 2 Sektionen bis 2814 m Seehöhe erschlossen wird, oben gibt es auch noch eine Handvoll Schlepplifte und eine Sesselbahn. In den 70-er Jahren gab es hier - entsprechend der damaligen Mode - auch ein Sommerski-Angebot in Form eines Liftes auf der Nordseite des Passes auf Schweizer Gebiet, der sich jedoch auf keinem Gletscher, sondern auf einem oft über das ganze Jahr persistierenden Altschneefeld befand.
Ein weiteres kleines Skigebiet erschließt mit 2 Doppelsesselbahnen und einem Schlepplift ostseitig orientierte Hänge an der Monte-Rosa Flanke bis in eine Höhe von 1914m, erwähnenswert ist die in unmittelbarer Nähe der Bergstation befindliche Zunge eines der wenigen noch wachsenden Gletschers der Alpen.
Beide Skigebiete wurden bereits in den 60-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erschlossen, ihre Infrastruktur hat sich seither nur geringfügig geändert, lediglich die DSB Ruppenstein am Passo Moro wurde vor einigen Jahren neu errichtet.
Es gab jedoch auch ein drittes Skigebiet in Macugnaga, ebenfalls in den 60-er Jahren erbaut, das mittels einer Pendelbahn und 3-er Schlepplifte die Hänge der Piani alti der Alpe Rosareccio erschloss. Mitte der 70-er Jahre zerstörte jedoch eine Lawine die Zubringerbahn, daraufhin wurde das Gebiet aufgegeben.
Auch die Bahnen und Lifte am Passo Moro waren im vergangenen Winter (2004/2005) nicht mehr in Betrieb gewesen, und niemand wußte, ob hier nicht gerade schon wieder ein Skigebiet gestorben war.
Nach unserem Erfolg am Rifugio 3 A reisten Border-Collie Angus und ich weiter über die Simplonroute ins Ossola Tal, bei Piedimulera zweigt das Anzasca-Tal rechter Hand in Richtung Monte Rosa ab, laut Wegweiser wären es bis Macugnaga etwa 28 km, ich wunderte mich allerdings, warum mein Navigationssystem dafür nahezu eine Stunde veranschlagte.
Allerdings verstand ich diese Schätzung schon nach wenigen Kilometern. Eine kurvige und passagenweise extrem enge Straße machte mir rasch Angst um meine Rückspiegel, sodaß ich diese für den Rest der Fahrt anklappte. Reichlich Gegenverkehr zwang mich immer wieder zum Anhalten, typisch italienische Ortsdurchfahrten mit diversen Möbeln samt Benutzern nahmen von der ohnehin schon engen Straße noch einiges an Platz weg.
Wahrscheinlich war diese Zufahrt auch ein Grund für die Probleme des Skigebiets, im Winter mußte diese Straße noch unangenehmer zu fahren sein, besonders für Busse.
Weiter drinnen im Tal mußte man dann auch noch die eigentliche Route – wohl wegen eines Erdrutsches oder Felssturzes – verlassen und die unpassierbare Stelle auf 2 schmalen Behelfsbrücken umfahren. Dem einsehbaren Zustand der Straße im gesperrten Bereich dürfte sich – rückzuschließen aus der dort wuchernden Botanik – diese Sperre schon einige Jahre zurückerstrecken.
Die Straße, die ihren Ausgang bei etwa 280 HM nahm, schlängelte sich stetig durch das schmale Tal empor, etwa nach zwei Drittel des Weges brach auch noch ein intensiver Platzregen herein, der meine Stimmung nicht gerade verbesserte.
Ich stellte mir Macugnaga – wegen der aufgegebenen Bahnen und wohl auch wegen der momentan trostlosen Stimmung – irgendwie als verlassen und öde vor, jedoch als ich in den hinteren, kesselförmig verbreiterten Talschluß kam, war ich sehr verblüfft. Trotz des starken Regens schien hier tourismusmäßig der Bär los zu sein, nahezu sämtliche Parkmöglichkeiten waren besetzt, Unmengen von Menschen mit Regenschirmen und auffallend vielen, durch Plastikplanen vor dem Wolkenbruch geschützten Kinderwägen waren auf den Straßen der Ortsteile Staffa und Pecetto unterwegs.
Die Touristeninformation im Ortszentrum von Staffa war leider geschlossen, es war knapp vor 18 Uhr, daher mußte ich mich selbst auf die Suche nach einem Hotelzimmer für Angus und mich machen.
Unentschlossen kurvte ich durch den Ort, da mein Schirm irgendwo im Gepäck verschwunden war, konnte ich mich nicht dazu durchringen, auszusteigen. Dann war ich plötzlich am Endpunkt der offiziellen Straße angekommen und konnte schon einen Blick auf eine verlassene PB-Talstation erhaschen, ebenso die untere Sektion des Sessellifts zum Belvedere. Auch konnte man Gletscher sehen, die überraschend weit in die Vegetationszone hineinzureichen schienen.
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Auch sah ich eine Panoramakarte, nach der offenbar die Passo – Moro – Seilbahnen wieder in Betrieb waren. Bahn und Lifte zur Alpe Rosareccio waren natürlich nicht mehr eingezeichnet, sie befanden sich an der linken Bergflanke.
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Da der Regen wieder stärker wurde und ich keine Lust auf eine neuerliche Nacht ohne Dusche hatte, stieg ich wieder ein und hielt schließlich nach Gefühl beim Hotel Nova Pecetto im gleichnamigen Ortsteil.
Ich hatte – wie sich später herausstellte - mehrfaches Glück, an der Rezeption stand eine ältere Dame, die gut Englisch sprach, es gab ein freies Zimmer und ich sollte später auch noch interessante Informationen erhalten. Zunächst erklärte ich ihr mein Begehr, sie fragte nach der Größe des Hundes, ich versicherte ihr, daß Angus keineswegs gefährlich wäre, sie meinte jedoch, sie hätte keine Angst vor Hunden, aber ein zu großer Hund würde nicht ins Hotelzimmer passen.
Als wir unseren Raum im 2. Stock bezogen, wurde mir klar, was sie gemeint hatte, nach dem Öffnen der Türe viel man praktisch sofort in ein Doppelbett, daneben gab es noch ein schmales Badezimmer mit einer noch schmäleren und sehr kurzen Wanne, auf der anderen Seite war ein Balkon offenbar zur Hälfte verbaut worden, um Platz für einen Schrank zu schaffen. Ein Winterurlaub für 2 Erwachsene mit diverser Skiausrüstung dürfte hier wohl an die Kapazitätsgrenzen stoßen. Das Auto durfte auf einer unbefestigten, teilweise unter Wasser stehenden Wiese parken.
Ich schleppte meine Habseligkeiten in den 2. Stock und nutzte den – wenn auch engen – Komfort der Badewanne, was gegenüber den sanitären Einrichtungen des Rifugios doch einige Verbesserung bedeutete.
Angesichts des weiter strömenden Regens verließ ich das Hotel zum Abendessen nicht mehr und betrat um 19 Uhr 30 den Speisesaal. Ein interessantes Ambiente – ich schätze, italienischer 70-er Stil – empfing mich, das Hotel wurde offenbar von 3 älteren Damen geführt, die mich irgendwie an eine etwas dezentere Variante der Golden Girls erinnerte. Es gab ein Salat- und ein Nachspeisenbuffet, der erste und zweite Gang wurde in großen Schüsseln aufgetragen und ausgeteilt, wahrscheinlich habe ich so hungrig ausgesehen, jedenfalls bekam ich beim ersten Gang nicht Nudeln oder Minestrone sondern beides und auch von der Hauptspeise erhielt ich einen Nachschlag. Schließlich wurden mir auch noch 2 Nachspeisen aufgedrängt.
Recherchen und Planung
Nach dem Abendessen hatte ich noch eine Verabredung mit dem englischsprechenden Golden Girl. Sie lebte schon seit vielen Jahren im Ort und konnte mir einige interessante Informationen liefern.
Die Passo-Moro-Bahnen waren im vergangenen Winter nicht in Betrieb gegangen, einerseits wegen Geldschwierigkeiten – Besitzer der Bahn war seit einigen Jahren die Gemeinde, Betreiber jedoch eine Gesellschaft – andererseits wegen der schlechten Schneelage, da es nicht möglich gewesen wäre, bis zur Mittelstation abzufahren. Schneekanonen gäbe es wegen Wassermangel auf diesem Berg nicht.
In Betrieb gewesen wären die Bahnen am Belvedere, hier gäbe es auch eine Beschneiungsanlage.
Nun hätten sich Gemeinde und Betreiber wieder irgendwie geeinigt, und seit Anfang August seinen die Passo-Moro-Bahnen wieder in Betrieb, auch die Wintersaison sei gesichert.
Meine nächste Frage betraf den Frühjahr-Sommer-Skilauf am Passo Moro. Dieser sei bis in die 80-er Jahre durchgeführt worden, und zwar jenseits des Passes auf Schweizer Gebiet, wie vermutet, nicht auf einem Gletscher sondern einem Altschneefeld, in den 80-er Jahren wären jedoch sowohl Schnee alsauch Interesse geschwunden, so sei der Lift abgebaut worden.
Nun kamen wir auf die zerstörte Pendelbahn zu den Piani alti der Alpe Rosareccio zu sprechen. Diese wäre in den 60-er Jahren, in etwa zeitgleich mit den Passo-Moro-Bahnen errichtet worden, Mitte der 70-er Jahre wäre die einzige Stütze der Bahn jedoch durch die Druckwelle einer großen Lawine zerstört worden. Im Anschluß hätte man die Bahn nicht mehr aufgebaut, einerseits aus Geldmangel, andererseits, weil es auch Probleme mit der Genehmigung gegeben hätte wegen der Lawine, großflächige Lawinenverbauten, wie sie heute üblich sind, wären damals noch nicht vorstellbar gewesen. Die Kabinen wären abtransportiert worden, die restliche Stationseinrichtung und Technik sei jedoch belassen worden, ebenso wie die 2 Schlepplifte, die jedoch nach und nach „verschwunden“ seien. Anhand der Karte des Tourismusverbandes machte ich mir noch einen Plan bezüglich des Vorgehens für den nächsten Tag. Es standen einige Programmpunkte an. Wenn ich alles einbauen wollte, so bot sich folgender Ablauf an: in der Früh von Pecetto (1369m) zum Belvedere (1914m) mit Besichtigung der beiden alten aber intakten Doppelsesselbahnen. Von dort über den Gletscherausläufer zum Rifugio Zamboni-Tappa auf 2070m, dann am gegenüberliegenden Hang zum zerstörten bzw. aufgegebenen Skigebiet von Rosareccio, die Bergstationen dürften sich knapp über 2100 m befinden. Abstieg nach Macucnaga und Auffahrt zum Passo Moro. Besichtigung der Skilifte im oberen Bereich und Suche nach dem ehemaligen Sommerskilift auf Schweizer Seite.
Ein volles Programm, das mir wegen des am Morgen nötigen knapp 800 Hm umfassenden Aufstiegs ein wenig Sorgen bereitete, ich wollte schließlich an den einzelnen „points of interest“ genügend Zeit zum Herumstöbern und Fotografieren haben. Natürlich bot sich die Auffahrt mit den Sesselliften zum Belvedere geradezu an, wie ich schon bei der Ankunft gesehen hatte, begann die Betriebszeit um 8:30, ich könnte also bequem nach dem für 7 Uhr 30 angesetzten Frühstück losziehen und wäre locker um 9 Uhr oben, hätte dann nahezu keine Höhenmeter mehr zu bewältigen, da der Weg über den Gletscher zum Refugio und von dort nach Rosareggio nur ganz sanft anstieg. Die einzige Unsicherheit bei diesem Plan war Angus, der zwar vorgestern gelernt hatte, Korblift zu fahren, für den Sessellifte aber noch gänzlich unbekannt war. Auch konnte ich natürlich nicht sicher sein, ob seine Beförderung am Lift überhaupt gestattet wurde.
Zufrieden mit den erhaltenen Informationen und nachdenklich bezüglich des morgigen Tagesablaufs zogen wir uns in unser Zimmer zurück und fielen bald in einen – im Gegensatz zur letzten Nacht – ungestörten Schlummer.
Ein Tag mit vollem Programm
Das Frühstücksbuffet hatte sehr italienische Züge, war jedoch ausreichend, ich ließ mit das frische Gebäck mit Butter und Marmelade schmecken, Angus bekam sein Trockenfutter.
Mit leichtem Gepäck marschierten wir kurz nach 8 Uhr zur Talstation der ersten Sektion des Sessellifts, direkt daneben befand sich die alte Seilbahnstation.
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Aufgrund der gut einsehbaren Lage verzichtete ich auf eine – illegale – nähere Besichtigung, und wir warteten auf die Öffnung der Kasse. Entgegen meinen Befürchtungen schien für alle Liftangestellten der Hundetransport überhaupt kein Problem zu sein, nicht einmal eine Karte mußte Angus lösen im Gegensatz zum Pilatus, wo ihm eine „Hundekarte“ für 12 Franken in Rechnung gestellt worden war.
Auf die Frage, was von den alten Liften am R. noch zu sehen wäre, meinten die Angestellten, man würde lediglich „Fundamenti“ finden, alte Bilder von der Bahn hätten sie leider keine.
Hier ist die Talstation der ersten Sesselbahnstrecke zur Alpe Burky abgebildet.
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Die erste Stütze
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Nun wurde es ernst. Ich fixierte Angus mittels Geschirr und verkürzter Leine an mich, hob ihn hoch und setzte mich auf einen – durch den Regen in der Nacht noch ziemlich feuchten – Sessel, den Hund positionierte ich neben mir. Angus machte überhaupt keine Probleme, an seine Schwindelfreiheit hatte ich mich ja schon gewöhnt, er lag brav neben mir auf der zweiten Hälfte des Doppelsessels und ließ die Landschaft an sich vorüberziehen. Besonders interessant fand er die Überfahrt über einen Pferch mit Kühen. Die untere Sektion ist ziemlich lang bei geringem Höhenunterschied (1601/245) skitechnisch völlig uninteressant, die Bahn fuhr ziemlich langsam, kreuzte einen reißenden Gletscherbach, man konnte auch einige Schneekanonen sehen.
Wegen des Hundetransports gibt es vom Lift aus leider keine Bilder. Auch das Umsteigen an der Mittelstation Alpe Burky war problemlos, und nun ging es etwas steiler bergauf zur Bergstation Belvedere auf 1914m. Hier fielen in der Liftschneise vereinzelt Fundamente einer Vorgängerbahn auf, die Standardabfahrt war mit Schneilanzen versorgt. Die obere Sektion des Sessellifts überwindet einen Höhenunterschied von 307m bei einer Länge von 853m, was immerhin zu deutlich anspruchsvolleren, wenn auch kurzen Abfahrten führt.
Ein Schild an der Bergstation rundet die in der Karte angegebene Höhe gleich etwas auf.
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Die letzte Stütze der oberen Sektion.
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Von hier konnte man auch schon gut die alte Bergstation auf den Piani alti der Alpe Rosareccio erkennen.
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Wir brachen etwa um 9 Uhr von der Bergstation auf, und schon bald merkte ich, daß ich am Vortag richtig gesehen hatte. Auf unter 2000m wälzte sich eine schuttbedeckte Gletscherzunge herunter, die vom Wanderweg gekreuzt wurde.
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Wie es sich für Gletscherübergänge gehört, nahm ich meinen vierbeinigen Partner zunächst ans Seil, sprich an die Leine, da sich jedoch bald herausstellte, daß hier keine gefährlichen Spalten lauerten, durfte er bald wieder frei laufen.
Auch wenn hauptsächlich Schutt und Geröll unter unseren Füßen knirschte, so konnte man immer wieder zwischen den Steinen blankes Gletschereis sehen. Und all das, ich werde nicht müde es zu betonen, auf unter 2000 Meter Sehhöhe.
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Nach Überquerung der Gletscherzunge ging es am Rand des Gletschers weiter.
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Von links war das Rauschen eines Bergbaches zu hören, rechts vernahm man ständig das durch die Flußbewegung des Gletschers verursachte Knirschen und Poltern von Schutt und Geröll, Angus lauscht hier ganz überrascht.
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In der Umgebung des Rifugio Zamboni-Zappa (2070m) waren noch einige andere Touristen zu sehen.
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Hier die Hütte und ihre Umgebung.
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Der Blick zurück zeigt, wie sich der Gletscher ins Tal schiebt.
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Die Bergstation des Belvedere-Lifts liegt auf einer Wald-Halbinsel zwischen den beiden Gletscherarmen.
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Bald ging es am gegenüberliegenden Hang durch dichtes macchieartiges Buschwerk (und das am Nordhang oberhalb des Gletschers!) wieder talauswärts zurück, der Weg verlief sanft ansteigend.
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Um etwa 10 Uhr 40 kamen wir um eine Biegung, und vor uns lag die Bergstation. In massiver Betonbauweise hatte sie über die Jahrzehnte den Witterungsunbillen getrotzt und stand nun als betongewordenes Mal der einstigen Erschließung hoch über Macugnaga.
Links unterhalb ließen sich auch Reste von Liftanlagen erkennen.
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Zoom hinüber zur Mittelstation der Passo-Moro-Bahnen auf der Alpe Bill.
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Die Reste der Skilifte sind weniger spektakulär als die PB-Station, man erkennt ein Betonfundament und ein umgestürztes Liftwartshäuschen.
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Um 10 Uhr 45 nähern wir uns der Bergstation, der Höhenmesser zeigt ca. 2150m an. (Später fand ich auf einer Karte 2090m als Höhenangabe der Bergstation).
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Angus möchte sich schon an die Besichtigung machen.
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Ich spreche ja fast kein Italienisch, aber auf dem Schild steht doch so etwas wie „Herzlich Willkommen“ oder „Bitte Eintreten“
Nachdem ich nicht wußte, ob sich in dem Stationsgebäude Dinge befanden, die für Hundepfoten gefährlich sein könnten, mußte Angus wieder die Ausrüstung bewachen.
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Das Besichtigen solcher Ruinen in abgeschiedener Gegend ist natürlich nicht ungefährlich und sollte unter den Lesern dieses Beitrags natürlich keine Nachahmer finden.
Allerdings kann ich mich bei solchen Unternehmungen prinzipiell eines leisen mulmigen Gefühls nicht erwehren, da ja doch die Gefahr besteht, vielleicht irgendwo durch einen morschen Boden zu stürzen und dann in einem gottverlassenen Bauwerk auf die Hilfe eines Border-Collies angewiesen zu sein, aber die Station schien durch ihre Betonbauweise für die Ewigkeit geschaffen und machte einen sehr robusten Eindruck.
Hier sind die Skifahrer ausgestiegen
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und konnten den Tiefblick nach Macugnaga genießen. Auf dem schütter bewaldeten Rücken in der Bildmitte dürfte die zerstörte Stütze gestanden sein.
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Ja das waren noch Zeiten!
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Im Inneren gab´s noch so allerlei zu sehen:
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Auf die Leiter hab ich mich dann aber doch nicht getraut.
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Dann umrundeten Angus und ich das Gebäude, etwas oberhalb fand sich das Fundament der Bergstation des oberen – kürzeren – Schlepplifts.
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Ein Schutz gegen Lawinen?
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Die Station von unten
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Im Untergeschoß fanden sich dann noch Reste einer gastronomischen Einrichtung.
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Um 11 Uhr 30 war die Besichtigung der Bergstation abgeschlossen und wir marschierten querfeldein zu der Stelle, wo sich offenbar die Bergstation des unteren, längeren Lifts und die Talstation des kurzen oberen Lifts befunden hatten. Jedenfalls waren die Lifte elektrisch betrieben gewesen.
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Und es fanden sich auch noch einige verrostete Überbleibsel.
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Durch Nachbearbeitung kann man auch die Jahreszahl erkennen: 1964
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Hier zeigt sich die Trasse des oberen Lifts
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Angus auf der von unten heraufkommenden Trasse
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und beim Bestaunen eines Fundaments
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Wir kämpften uns nun entlang der ehemaligen Lifttrasse abwärts, teils durch einen richtigen Heidelbeerdschungel, teils auf einem schmalen, fast nicht sichtbaren Pfad (gibt es andere Skiliftarchäologen oder sind es nur Heidelbeersucher?).
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Hier sieht man die Trasse und den ehemaligen Skihang
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Und wieder lagen verrostete Stützenteile in der Botanik
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Je weiter wir nach unten kamen, desto ungemütlicher wurde es, der Boden ging in eine Art Sumpf über, lästige Insekten umschwirrten uns, jedoch ließen wir uns nicht abhalten und kamen schließlich in den Bereich der ehemaligen Talstation, etwa 200 HM unterhalb des oberen Liftendes. Lt. einer alten Kompaß-Karte, die ich am Abend einsehen konnte, wäre die Lifttalstation bei 1966m.
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Auch hier wurden wir fündig.
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Hier ein Blick nach oben ins ehemalige Skigelände
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Kurzfristig überlegte ich, querfeldein über die ehemalige Talabfahrt weiterzugehen, jedoch wurde das Gelände bald sehr steil und rutschig, auch war entferntes Donnergrollen zu hören, da ich keine Lust hatte, im Gewitter irgendwo am Rand eines Felsabbruchs zu landen, drehten wir um und kämpften und fluchend (zumindestens ich) wieder zur Bergstation und zum markierten Weg hoch.
Hier waren wir wieder über die üppige Vegetation überrascht, da wir es nun doch ziemlich eilig hatten, legt Angus ein hohes Tempo vor.
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Kurz nach 13 Uhr erreichten wir den Bereich der Alpe Burky.
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Man kann gut die zweite Sektion erkennen.
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Blick nach unten zur langen, flachen und langsamen ersten Sektion
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Und wieder hoch zum Belvedere, man kann auch die Schneilanzen erkennen.
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Nachdem Angus ja schon ein routinierter Liftfahrer war, benützten wir den Sessellift zur Talfahrt, der Hund rollte sich richtig zusammen und machte ein Schläfchen, um etwa 13 Uhr 45 erreichten wir den Ort.
Da wir an unserem Hotel vorbeikamen gönnte ich mir den Luxus einer Dusche und einer kleinen Jause am Zimmer, dann rückten wir zum Nachmittagsprogramm aus.
Etwa 10 Minuten dauert der Marsch in den Ortsteil Staffa, wo sich die Talstation der Passo Moro Bahn befindet.
Leider war der Monte Moro noch immer in Wolken gehüllt, aber die Seilbahnfahrt wollte ich mir keinesfalls entgehen lassen.
Hier sieht man die untere – kurze und steile Sektion der Bahn von Staffa (1327m) zur Alpe Bill (1711m), auf 740m Länge überwindet sie einen Höhenunterschied von 381m.
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Eine Talabfahrt gibt es dzt. nicht, früher wären die Skifahrer aber sehr wohl – ausreichende Schneelage vorausgesetzt – bis zum Talboden abgefahren, meine Vermieterin meinte auch, daß man im nächsten Jahr eine richtige Talabfahrt bauen wollte.
Vor dem Stationsgebäude ist eine alte Gondel aufgebaut.
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Die Kabinen der unteren Sektion sind sehr klein, sie haben ein Fassungsvermögen von 15 Personen und sind ohne Wagenbegleiter unterwegs.
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Hier die Bergebahn (nehm ich mal an)
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Es wurden zwar Karten mit Magnetstreifen ausgegeben, jedoch trat bald eine Zange zur Entwertung in Aktion.
Blick zurück nach Staffa mit Gegengondel
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Sehr anheimelndes Inneres der Mittelstation Alpe Bill
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Ich mußte etwa 10 Minuten warten und beobachtete die Einfahrt der oberen Gondel
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Hier die Hinweise auf die Konstrukteure. Die technischen Daten wiesen die Höhe der Mittelstation mit 1711m, der Bergstation am Passo Moro mit 2814 m aus (nicht 2900 wie meist angegeben), die Länge der Bahn beträgt 2700 m, ihr Höhenunterschied 1103m (jeweils obere Sektion). Die Fahrgeschwindigkeit wurde mit 8m/sec angegeben, die Fahrzeit beträgt 7 Minuten, die stündliche Beförderungekapazität würde 340 Personen pro Stunde betragen. Lt. Wagenbegleiter hätten die Kabinen ein Fassungsvermögen von 40 Personen.
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Außer uns beiden wollte keiner hinauf in den Nebel, so hatte Angus ungehinderten Blick auf die Aktionen des Wagenbegleiters.
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Schon bald verschwanden die Seile im Nebel.
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Nur die plötzliche Annäherung von Trag- und Zugseil bereitet mich auf das rasche Auftauchen der Gegenkabine vor.
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Einmal kann man kurz durch den Nebel den (angeblich erst vor 3 Jahren gebauten) DSB Ruppenstein (1264m lang, HU 472m) erkennen.
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Und auch die Bergstation taucht ganz plötzlich im Nebel auf.
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Ich stellte mich knapp unterhalb der Bergstation in Position, um das klassische Passo-Moro-Seilbahnfoto bei der obersten Stütze zu machen, aber mangels Passagieren blieb die Gondel in der Bergstation.
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Dafür lichtete sich der Nebel plötzlich.
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Und ich erkannte, daß ich unmittelbar neben einem etwa 20m tiefen Abgrund gestanden hatte.
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Wie üblich, wenn ich mich vor der Höhe fürchtete, mußte Angus vorübergehend an die Leine, der keine Hemmungen hatte, immer bis zur Kante vorzugehen.
Hier sieht man eine PB-Stütze, den mittleren Bereich der DSB Ruppenstein und den unteren Bereich des SL Joder (648m lang, HU 235m).
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Die Bergstation unterscheidet sich von der verlassenen Station vom Vormittag im wesentlichen nur durch das Vorhandensein von Seilen und Kabine, vom Bauzustand konnte ich nicht viele Unterschiede erkennen.
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Irgendwie hatte ich mir – wahrscheinlich in Erinnerung an die Infrastruktur am Pilatus – in der Umgebung der Bergstation ein paar planierte Wege zu Aussichtspunkten erwartet, aber der am besten gangbare Weg war dieser:
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Eine unwirtliche Umgebung empfing uns, einen Steinwüste, einige Liftstützen und Stationen, nahezu keine Vegetation, diese Liegestühle könnten am Mond nicht deplazierter wirken.
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Vorsichtig bewegen wir – besser gesagt bewege ich mich zum Kulminationspunkt der Liftanlagen des Passo Moro:
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Neben den schon erwähnten Anlagen DSB Ruppenstein und SL Joder (die beiden Bergstationen befinden sich rechts am Bild) gibt es noch 2 kurze Schlepplifte, der SL San Pietro (links nach oben) überwindet bei einer Länge von 320m 75m Höhenunterschied.
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In der Gegenrichtung führt der SL Smeraldo (283m lang, 25m HU) zurück zur Bergstation
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Hier nochmal die Geröllhaufen am San Pietro-Hang
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Die Bergstation des Joderlifts
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Die Bergstation der DSB Ruppenstein
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Der oberste Bereich der Ruppensteinbahn
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Bald fällt wieder massiv Nebel ein, von der abenteuerlichen Trasse des SL Joder ist nur mehr ein kurzes Stück zu erkennen.
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Bergstation im Italostil (Bergstation Smeraldolift)
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Die schlechte Sicht, das unsichere Gelände und die Tatsache, daß der Wagenbegleiter gemeint hatte, eventuell könnte die Bahn heute früher schließen (es war schon 16 Uhr 10, theoretisch sollte die letzte Gondel um 17:30 talwärts fahren) führten zu dem Entschluß, eine neuerliche Grenzüberschreitung, diesmal von Italien in die Schweiz zum Zweck der Erforschung des ehemaligen Sommerskilifts nicht zu riskieren. Ich hatte keine gesteigerte Lust, mich im Nebel zu verlaufen oder auch nur die 1500 HM nach Macugnaga absteigen zu müssen.
Aus diesem Grund kehrten wir zur Seilbahn zurück (die Gondel hatte sich bis jetzt noch nicht aus der Station bewegt), ich wurde gefragt, ob ich noch eine Viertelstunde warten könne, weil dann – wie angekündigt – ei n vorzeitiger Betriebsschluß erfolgen würde.
Ich hatte also noch genug Zeit, die alte Panoramakarte zu betrachten.
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Zusammen mit der Kellnerin der dem Stationsgebäude angeschlossenen Bar, die heute sicherlich einen Riesenumsatz gemacht hatte, dem Wagenbegleiter und einem weiteren Seilbahnangestellten fuhren wir um 16 Uhr 30 wieder hinunter nach Macugnaga, wo es zur Abwechslung wieder einmal zu regnen begann.
Allerdings hatte das Wetter den ganzen Tag lang ausreichend durchgehalten, auch wenn die Sicht am Passo Moro natürlich nicht besonders berauschend gewesen war.
Den Rest des Nachmittags bemühte ich mich nun im Ort, alte Ansichten der Rosareccio-Seilbahn und der aufgegebenen Skilifte zu finden, aber obwohl ich in allen Andenkenläden und Greißlereien, im Gebäude der Passo Moro Bahn, beim Skiklub, im Tourist-Office und im Bergführerbüro war, konnte ich kein einziges Foto auftreiben. Wahrscheinlich müsste man noch mehr Zeit investieren und versuchen, an die privaten Fotoalben der Einheimischen zu kommen, aber das ging sich bei diesem Aufenthalt leider nicht mehr aus.
Zum Abschluß noch ein Motiv für eine etwas übertriebene Zweisprachigkeit.
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Jedenfalls hatten Angus und ich einen ereignisreichen Tag hinter uns gebracht, wir waren Sessellift gefahren, auf einem Gletscher unterhalb von 2000 m unterwegs gewesen, hatten uns als Seilbahn- und Liftarchäologen betätigt und dann noch eine Fahrt mit der erst kürzlich wiedereröffneten Passo Moro Bahn erlebt. Nur die berühmte Monte Rosa Ostwand blieb hinter Wolken verborgen.