Mainstream Retro Tour 2009 Teil 2: Champorcher (I) 21.03.2009Bevor ich am Morgen in Aosta nach Champorcher aufbreche mache ich noch einen kurzen Stop an der neuen 8EUB von Aosta nach La Pila. Die Bahn ist sehr lang und verläuft wie die Agudio Vorgängerbahn in 3 Sektionen von der Provinzhauptstadt in das Skigebiet. Zu sehen ist hier im Wesentlichen die erste Sektion.
Stationsausfahrt. Zwischen Stütze 3 und 4 geht es über die Autobahn.
Ich finde es schade dass die Agudio Bahn ersetz wurde, allerdings ist es zu begrüßen, dass überhaupt ein Ersatz gebaut wurde. Da es nach La Pila eine gut ausgebaute Straße gibt, hätte man die Bahn auch ganz wegrationalisieren können. Interessant ist auch der Standort der Talstation zwischen riesigen düsteren alten Industrieanlagen und der Autobahn. Auch nicht gerade der klassische Einstiegspunkt für ein Skigebiet.
Leitner Standard EUB Station integriert in die alte Agudio Wellblech Station.
Auf dem Weg nach Champorcher kurz vor der Abzweigung in das Seitental in dem sich Champorcher am Talschluss befindet: Der Frühling ist im Aostatal bereits ausgebrochen, die ersten Olivenbäume werden gepflanzt. Und hier soll man noch Skifahren können?
Das sieht schon besser aus. Schnee in Sicht!
Die Fahrt in das Seitental von der Autobahn nach Champorcher dauert etwa 30 Minuten. Erst geht es steil am Hang entlang einige Serpentinen hinauf, dann immer weiter hinein in das Tal, vorbei an kleinen Dörfern und unzähligen Materialseilbahnen die einzelne Häuser am Hang versorgen.
Um kurz vor neun bin ich dann endlich am Ziel in Champorcher: Das Einzige was man hier unten vom Skigebiet sieht, ist die Agudio 6EUB, die für mich auch schon eine Retroanlage ist, auch wenn sie erst 22 Jahre alt ist. Vielleicht liegt es daran, dass die Agudio Bahnen von Jahr zu weniger werden und es noch maximal 10 Anlagen dieser Sorte gibt.
Typische Agudio Portalniederhalterstützen an der Ausfahrt der EUB
Innenleben der Talstation
Pistenplan Champorcher:
Offizieller Pistenplan:
Quelle:
http://champorcher.it/ski_rama.htmDas Skigebiet hat sich im Vergleich zu seinen Anfangsjahren nicht verändert, die meisten Bahnen sind jedoch mittlerweile schon in zweiter Generation.
Champorcher besteht aus einer Zubringer Agudio 6EUB die einen Korblift ersetzt hat. Als zweite Sektion dient eine Leitner 4KSB die einen sehr langen Tellerschlepplift auf gleicher Strecke ersetzt hat. Beide Sektionen machen gut 1000 Höhenmeter. Daneben gibt im Bereich Laris (Bergstation der EUB, Talstation der KSB) ein Restaurant, eine Leitner DSB und einen Übungsschlepplift. Abgerundet wird das Gebiet durch einen alten extrem steilen Leitner Schlepplift der eine eigenständige Piste bedient und als Rückbringer der Hintenrum-Skiroute dient die an der Bergstation der KSB startet.
Das ganze klingt nicht besonders spektakulär, dennoch ist das Gebiet wesentlich Vielseitiger als es die Fakten auf den ersten Blick vermuten lassen. Alles in allem eine perfekte Erschließung mit wenigen Anlagen die für 5 Anlagen viel Pisten und Geländemöglichkeiten bieten.
Bergstation der EUB und zugleich zentraler Punkt im Skigebiet: Laris
Übungs-SL, links daneben die DSB. Rechts die Bergstation der EUB und etwa auf der Höhe meines Standorts liegt die Talstation der KSB rechts hinter der EUB. Die KSB geht noch deutlich weiter hoch als hier zu sehen ist.
Untere Strecke der DSB
Restaurant und dahinter die Bergstation des stillgelegten Korblifts
Obere Strecke der DSB
Schwarze Piste zwischen DSB und 4KSB
Korbliftstation
Talstation KSB und Strecke. Perfekt positioniert um von der EUB und allen Pisten leicht erreicht zu werden. Die KSB geht noch weiter rauf als man auf dem Bild vermuten könnte. Hinter dem sichtbaren Berg gibt es noch eine weitere Bergkuppe etwa 150Hm höher.
Korblift Bergstation von der KSB aus gesehen
Mittlerer Streckenteil der KSB. Die Bah überwindet 630 Höhenmeter.
Blick aus der KSB nach rechts über das Tal hinweg. Auf der anderen Seite kann man ahnen wo die extrem weit entfernte Hintenrum-Skiroute verläuft
KSB weiter oben. Zu sehen ist der Bereich den man von unten nicht einsehen konnte. Hier oben gibt es eine extrem breite Carvingpiste die auch sehr breit gewalzt sind, aber dem natürlichen Gelände folgt und nicht remodelliert wurde.
Start der Hintenrum-Skiroute Dondena. Anfänglich waren keinerlei Spuren zu sehen, und das obwohl der letzte Schneefall schon ein paar Tage her war. Weil ich den genauen Verlauf der Piste nicht ausmachen konnte, hatte ich mich schon entschieden die normale Piste an der KSB zurück nach Laris zu nehmen. Dann kamen jedoch zwei Italiener die ebenfalls die Piste betrachteten, kurz mit den Liftangestellten den etwaigen Verlauf der Piste abgeklärt haben und dann losfuhren. Das war ideal für mich, und so entschloss ich mich die Piste als dritter Skifahrer an diesem Tag in Angriff zu nehmen.
Die Italiener vor mir - auch noch etwas ratlos…
Die Piste geht erst als Ziehweg in 3 oder 4 Serpentinen den steilen Hang runter ehe sie dann unter der Hochspannungsleitung von links nach rechts quert. Rechts unter der rechten Hochspannungsmaststütze kann man den Verlauf der Piste erahnen.
Gleicher Standpunkt bei der Aufnahme aber nach rechts. Die Route geht von links im Bild bis zu den Häusern und Ruinen die man in der Bildmitte hinten erkennt. Dann geht es rechts weiter hinter den Bäumen entlang.
Skiroute. An dieser Stelle wurde wohl auch mal eine Raupenspur breit gewalzt.
Ruine und Skiroute. Rechts ganz klein zu sehen die Italiener. Da wo sie gerade stehen gibt es ein kleines Schiebestück, später sogar eine kurze Bergaufpassage.
Blick zurück am Bergaufstück, davor die tückische Brücke die man mit viel Schwung nehmen sollte um nicht zu viel schieben zu müssen. Ist man allerdings zu schnell schafft man die 90Grad Kurve nach der Brücke nicht und fährt geradeaus in die Wand
Blick in die andere Richtung am Bergaufstück (leider unscharf). Oben am Berg auf der anderen Seite des Tales sieht man Stützen der 4KSB.
Blick zurück auf die Skiroute. Hier sieht man wie viel Strecke man da zurücklegt.
Im unteren Teil geht die Route dann über sanfte Almen die lose mit einzelnen Häusern bebaut sind. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten abzufahren.
Weiter unten.
Und wie kommt man jetzt wieder ins Skigebiet zurück? Selten habe ich einen so unauffällig platzierten Lift im Gelände gesehen wie den SL Madeleine.
Der Lift erinnert mich ein wenig an den Cadino Alto Lift in Gaver. Die steile Trasse, der Lärchenwald und die unaufdringliche Eleganz des alten Schlepplifts sehen sich sehr ähnlich.
Talstation SL Madeleine. Links über die Brücke kommt vermutlich auch noch eine Variante der Skiroute runter.
Trasse des ab ca. 1/3 der Strecke extrem steilen Leitner SL
Bergstation
Nochmal die LSAP-Korblift-Bergstation
Piste unterhalb der 4KSB. Im Hintergrund auf der anderen Talseite die Hintenrum-Skiroute.
Wieder am höchsten Punkt des Skigebietes. Vermutlich das Lifthäuschen des alten Schlepplifts der vor der 4KSB hier raufführte.
Linke Abfahrt an der 4KSB die bei der DSB wieder rauskommt. Eigentlich eine schöne süd-ost exponierte Abfahrt mit tollem Panorama. Zwischen der KSB und der Abfahrt liegt ein weiterer kleiner Bergrücken der die KSB komplett abdeckt und die Abfahrt sehr abgelegen wirken lässt. Allerdings war der Schnee hier durch die südliche Sonnenexposition und das Gefrieren über Nacht sehr eisig, was sich im tagesverlauf dann sicher ändern würde.
Weiter unten. Die DSB und der Bereich Laris kommen in Sichtweite.
Als ich wieder an der Talstation der KSB angekommen bin entscheide ich mich die Talabfahrt anzugehen. Nach einem kurzen Flachstück über eine Almwiese unterhalb der Talstation geht es auf einer gemütlichen Piste in den Wald hinein. Ich wundere mich warum die Piste „schwarz“ ausgewiesen ist.
Dann wird die Piste steiler, enger, kurviger, waldiger und auch eisiger. Aufgrund der Sonneneinstrahlung taut die Piste nachmittags um diese Jahreszeit auf und gefriert dann über Nacht wieder. Alles in allem eine unter diesen Bedingungen anspruchsvolle Piste, wobei die schwarze Markierung eher abschreckenden Charakter habe soll, damit nicht jeder am Abend die Piste ins Tal nimmt.
Als normale Talabfahrt für die Massen ist die Piste definitiv zu eng und anspruchsvoll, und kann eine größere Anzahl an Skifahrer wie sie bei Talabfahrten normalerweise üblich ist nur schwer verkraften.
Blick zurück auf Chardonney. Eine gemütliche, ruhige kleine Station am Ende des Tales. Champorcher liegt etwas rechts außerhalb des Bildes am Hang.
Agudio-typisches Türproblem
Agudio Niederhalterkombination
Herstellerschild: aosta funivie habe ich sonst auch noch nirgends gesehen
Panorama aus der 4KSB: Links ist das Matterhorn zu sehen, die kleine Spitze rechts vor dem dunklen Felsgipfel in der Mitte dürfte das Kleinmatterhorn sein.
Monterosa Massiv in zweiter Reihe mit Passo Salati und Punta Indren
Dann geht es über die direkte Piste an der 4KSB, die ich bisher noch nicht gefahren bin, wieder runter
Zum Abschluss will ich die normale Piste am SL Madeleine fahren. Auch diese Piste bin ich noch nicht gefahren. Auf der Hälfte der Piste, wo man noch mal die Möglichkeit hat zur DSB abzubiegen, steht dieses Schild zur Abschreckung.
Talstation SL Madeleine. Hinter der Talstation sieht man das Ende der Hintenrum-Skiroute Dondona die ich zuvor gefahren bin.
Der Lift wird nach ca. 50 Metern so extrem steil, dass es nach ca. 1/3 der Strecke eine eigene Rettungspiste gibt die zur Talstation zurückführt und Skifahrern dient die aus dem Lift gefallen sind. Die Trasse ist im mittleren und oberen Bereich so steil (bis zu 65Grad) eng und von Bäumen eingerahmt, dass diese Maßnahme wohl notwendig wurde.
Von der Steilheit her ist das sicher einer der steilsten SL die ich bisher gefahren bin.
Zum Abschluss fahre ich noch ein zweites Mal die tolle, abwechslungsreiche Talabfahrt.
Das Aostatal hat dieses Jahr wirklich viel Schnee abbekommen.
Agudio Zubringer EUB von der Talabfahrt aus gesehen
Kabinen in grün/rot
Unterer Teil der Talabfahrt nach dem steilen, sehr engen Serpentinenweg.
Alles in allem eine coole Talabfahrt mit gemütlichen Waldpassagen, rassigen kurvigen Abschnitten und einem sehr engen recht steilen Serpentinenabschnitt, Die ganze Piste ist bis auf eine oder zwei Stellen völlig ungesichert, dazu vollkommen unmodelliert und ohne künstliche Beschneiung. Das gibt es heutzutage nicht mehr oft, vor allem nicht bei Talabfahrten. Der auf dem Foto oben zu sehende Abschnitt hat mich sehr an die Talabfahrt in Alagna erinnert, so wie sie in ihrem Urzustand bis vor einigen Jahren gewesen ist. Das steile Serpentinenstück wiederum hat mich ein wenig an die Talabfahrt in Macugnaga von der Alpe Bill erinnert, auch wenn ich diese Piste nur von Bildern her kenne und die Macugnaga Abfahrt sicher noch wesentlich extremer war.
Um 11:45 beende ich meine Skitag in Champorcher schließlich um mich nach Oropa, meinem Ziel für den Nachmittag aufzumachen. Die Fahrt dahin sollte ca. 1,5 Stunden in Anspruch nehmen.
Der Vormittag in Champorcher hat mir sehr gefallen und die Erwartungen die ich an das Skigebiet hatte voll und ganz erfüllt. Hier passte heute alles: Schönes Wetter mit strahlendem Sonnenschein, viel Schnee, ein gemütliches Skigebiet das durchaus auch sportlichen Ansprüchen genügt, ein tolle Lage am Talschluss eines Seitentales des Aostatals und viel Platz auf den Pisten. Obwohl ich das Skigebiet an einem Samstag bei bestem Skiwetter besucht habe und der Parkplatz bei meiner Abreise am Mittag gut gefüllt war, verteilten sich die Skifahrer immer gut auf die vielen Abfahrten. Dies liegt vor allem an den optimal auf das Gelände abgestimmten Pisten und Lifte.
Ich kann mich nur an wenige Skigebiete erinnern die mit 5 Liften eine so große Vielfalt an Pisten bieten. Die Kombination aus einer Hauptachse mit den wichtigsten Anlagen (6EUB und 4KSB), einem quer dazu verlaufenden Schlepplift und den beiden Anlagen im Mittelbereich (2SB, SL) stellen Anfänger ebenso zufrieden wie sportliche Skifahrer, da hier alles an Pisten geboten wird was sonst meist nur in größeren Skigebieten vorzufinden ist. Auch die Lifte sind absolut ausreichend dimensioniert. Die 4KSB stellt sicher im Vergleich zu dem langen Vorgänger-Schlepplift einen sinnvollen Ersatz hinsichtlich Kapazität und Komfort dar. Da die Betreibergesellschaft in Champorcher sicher nicht in Geld schwimmt, wird auch der Ersatz der 1987 gebauten Agudio EUB hoffentlich noch lange auf sich warten lassen. Die Anlage ist noch gut erhalten und kann sicher noch mal 10 Jahre laufen. Dies lässt mich zu dem Schluss kommen dass die Agudio Anlage sicher eine der am längsten Überlebenden von den noch existierenden Agudio/Pinifarina EUB sein wird .
Aufgefallen ist mir auch die Gästestruktur in Champorcher: Während das Publikum in den großen Aostatal-Stationen Cervina/Valtournanche, Champoluc/Gressoney, La Pila, La Thuile und Courmayeur immer sehr international geprägt ist, waren in Champorcher ausschließlich italienische Kennzeichen an den Autos zu sehen. Dies liegt einerseits wohl daran, dass Champorcher das wohl unbekannteste Skigebiet im Aostatal ist wenn man einmal von den ganz kleinen Gebieten absieht. Anderseits liegt es aber sicher auch an der Lage, da andere Gebiete einfacher und schneller zu erreichen sind.
Neben dem reinen Pistenskifahren ist Champorcher aber auch ein Eldorado für Tourengeher. Die Möglichkeiten an unberührten Hängen, Gipfeln und Tälern vor allem im Westen aber auch im Süden und Norden des Skigebiets sind sehr vielfältig.
Auf der Fahrt nach Oropa geht es dann zunächst durch das tief verschneite Tal von Champorcher wieder zurück in das Aostatal, vorbei an kleinen Dörfern und Siedlungen
Unten im Tal ist dann von Schnee nichts mehr zu sehen. Stattdessen taucht das Fort Bard in der Mitte des Tales auf und scheint den Durchgang zu versperren. Dieses Fort liegt wie ein Bollwerk im Talgrund und hatte früher eine wichtige strategische Verteidigungsfunktion am südlichen Ende des Aostatals. Heute kann man das Fort besichtigen und auch für Seilbahninteressierte gibt es etwas Interessantes zu sehen: 3 Schrägaufzüge die links der Mitte des Bildes zu sehen sind.
Auf der Fahrt nach Oropa habe ich dann einen total überladenen und langsam fahrenden Heulaster vor mir. Da kann man nicht anders als im Tunnel überholen