Es wenigstens versucht zu haben mag manchmal ein Trost sein, aber an jenem Tag Mitte August griff jener dumme Spruch nicht. Mit so einer Ausrede kann man vielleicht noch darüber hinwegkommen, eine ausgeschriebene Stelle nicht erhalten oder ein anvisiertes Fräulein nicht ergattert zu haben – in Bezug auf einen geplanten Sommerschitag geht das einfach nicht.
Vor allem auch dann nicht, weil es DAS ERSTE MAL sein sollte und darüber hinaus eben noch am Stilfser Joch stattfinden sollte. Hätte jemand versucht, mich am 15.08.2011 durch diese Binsenweisheit zu trösten – ich wäre mit den nicht zum Einsatz gekommenen Schistöcken auf denselben losgegangen.
Rückblende:
Am Sonntag, dem 14.08.2011 befanden wir uns auf der Fahrt von Meran zum Stilfser Joch hinauf. Interessiert blickte und knipste ich aus dem Auto heraus, denn mich hatte es bis dato noch nie in diese Gegend verschlagen. Im hier zu sehenden Dorf, dessen Namen ich mir nicht gemerkt habe, fanden wir endlich einen Kiosk, an dem wir uns mit Wasser eindecken konnten. Zuvor waren wir an Hunderten von geschlossenen Tankstellen im Raum Meran vorbeigekommen, die in unseren Augen natürlich nur deswegen nicht geöffnet hatten, damit wir uns keine Wasserflaschen aneignen konnten. Hoffnung keimte auf, als wir einen nicht geschlossenen Bio-Supermarkt entdeckten, doch der vertrieb nur Rübensäfte und Weinflaschen mit wohlmöglich vergoldeten Korken, wenn man die Preisaufkleber zur Kenntnis nahm.
Momentaufnahme bei der Ortsdurchfahrt
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Ruinen einer Befestigungsanlage am Ortsausgang– vermutlich noch vom Ersten Weltkrieg, als am Stilfser Joch die Front zwischen Italien und Österreich-Ungarn verlief.
Im Internet hab ich auch eine [url=http://www.it-au-1915-1918.com/historische_bilder.htm]Seite[//url] gefunden, die sich mit dieser Thematik beschäftigt. Übrigens – wenn man die Seite anklickt, erscheint eine Linkliste, wo es auch die Rubrik „Seilbahnen“ gibt. Außerdem ganz interessante Bilder von den Überresten der Schützengräben und Stellungen am Stilfser Joch – nicht nur wegen alter Liftruinen steigen die Leute in der Landschaft herum...
Nach der Durststillung setzten wir die Fahrt in Richtung Sommerschi fort. Wir waren voller Vorfreude auf den nächsten Tag. Sogar die letzten Wettermeldungen hatten sich gebessert und es sah danach aus, dass der ursprünglich angekündigte Regen ausbleiben sollte.
In Trafoi konnten wir leider nicht mehr hochfahren, denn die DSB drehte bereits ihre letzten Runden. Im Winter soll hier ja auch ein kleines, nettes Schigebiet sein.
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Danach begannen die 48 Kehren, die man auf dem Weg nach oben über sich ergehen lassen muss. Durch die nicht geputzte Frontscheibe konnte man von hier unten schon mal einen Blick auf die Gletscherregion werfen. Der Himmel war von Wolkenfeldern bedeckt und einige dunkle Bereiche nagten an unserer Vorfreude auf passendes Sommerschiwetter am nächsten Tag.
Unser Übernachtungsziel auf 2.100 m Höhe: Das Hotel Franzsenshöhe, das noch unterhalb des Passes mitten am Berg steht.
Blick vom Parkplatz des Hotels auf die restliche Kurvenstrecke zum Pass und Sommerschigebiet hoch. Nach der Ankunft zog ein Gewitter auf und es regnete, so dass unsere Passo-Stelvio-Träume erst einmal deutlich getrübt wurden.
Wir betraten das Hotel, das irgendwie einen total interessanten Flair besitzt. Auf über 2.000 Meter Höhe mitten am Berg im Nichts gelegen – das hatte einfach was. Auch die Einrichtung trug zu diesem Gefühl bei, denn sie stammte – ohne abgenutzt zu sein – aus den 70ern oder frühen 80ern.
Von draußen hörte man noch einige Motorräder den Pass rauf und runter knattern, während sich im Innern ein Stimmengewirr aus Italienisch, Deutsch und Englisch ausbreitete. Ich denke, dass viele - wie wir auch - nur für eine Nacht auf der Durchreise ein Zimmer nahmen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man hier für eine Woche eincheckt – auch wenn das Hotel an sich vollkommen in Ordnung ist und vor allem das Personal sehr freundlich war.
Zimmeransichten. Gleich nebenan befand sich im Dachboden des Hotels ein kleines Schwimmbad, das ich noch kurz aufsuchte. In dem kleinen Becken drehte ich – immerhin auf über 2.000 Meter befindlich - einige Runden und konnte durch eine große Fensterscheibe zum Stilfer Joch hinauf blicken, wo sich ein Gewitter entlud und den Optimisten in mir in die Ecke drängte.
Blicke aus dem Fenster – das Gewitter war weiter gezogen und hatte Wolkenungetümer zurückgelassen, die der Wind verzweifelt versuchte, aufzureißen. Unser Wagen hatte indes den Schauer schadlos überstanden
Vor dem Abendessen drehten wir noch eine kleine Knips-Runde. Der Verkehr am Pass hatte nun erheblich nachgelassen, nur ganz vereinzelt kamen noch Fahrzeuge rauf- und runtergefahren.
Die Wolkenspiele am Himmel und das düstere Licht der Abenddämmerung spendeten eine recht interessante Atmosphäre und wir hofften die ganze Zeit über, dass es irgendwann aufriss. Die Dame von der Rezeption hatte und immerhin ein bisserl Hoffnung gemacht, denn es war noch keinesfalls sicher, dass der nächste Tag verregnet sein würde. Es konnte durchaus sein, dass der Wind die Wolken noch vertrieb und wir blieben optimistisch.
Vor allem die Stromleitungen mit den Gletscherausläufern im Hintergrund gefielen mir.
Die mittlerweile kaum mehr befahrene Passstrasse an der Einfahrt zum Hotel Franzenshöhe.
Und wieder der Blick zur Stromleitung – vielleicht auch unbewusst deshalb, weil es hier keine Lifte zu fotografieren gab und so ein Ding wenigstens ein bisserl eine Ähnlichkeit aufweist. (In Meiringen-Hasliberg gibt es eine DSB, deren Stützen im Sommer ohne Sessel mühelos als Stromleitung durchgehen würden...)
Ich glaube, der Blick geht irgendwo in Richtung Ortler – ich fand es einfach das Wolkenspiel sehr stimmungsvoll, das vor Ort natürlich noch viel besser anzusehen war. Leider bin ich auch vom Schreiben her nicht so bewandert, als dass ich die Atmosphäre am Vorabend unseres Sommerschi-Versuchs entsprechend wiedergeben könnte. Aber vielleicht wenigstens im Ansatz, denn ich fand allein schon diesen Vorabend total gut – bislang der beste vor einer geplanten Tour.
Blick zum „LSAP-Hotelanbau“ neben dem Hauptgebäude...
Es wurde wieder dunkler, doch ein erneuter Regenguss blieb aus.
Zoom zu einem Stromleitungsmasten, hinter dem schon ein Gletscherausläufer zu sehen ist.
Wir begaben uns wieder in warme Innere des Hotels und genossen ein ziemlich gutes Abendessen. Neben uns saß ein Pärchen - beide so Mitte 40 - das offenbar kein Bett im Hotelzimmer hatte. Na – da gab es hinterher wenigstens etwas zum Ablästern, denn es war schon amüsant wie diese Beiden fernab der Jugend herummachten, während die Leute ringsrum zu Abend speisten. Währenddessen zog Nebel auf und verdeckte die Sicht leider nur auf das Gebirge und nicht den Nachbartisch
Doch nach dem Dessert riss der Himmel plötzlich auf und die Stimmung stieg wieder an.
An der kalten, frischen Luft schossen wir – mit Stativen bewaffnet – noch ein paar Aufnahmen. Die Wolken verschwanden immer mehr und so schien einem perfekten Sommerschitag nichts mehr im Wege zu stehen.
Einige Autos fuhren noch über die nächtliche Passstrasse...
Langzeitbelichtung mit Blick auf die Stunden zuvor schon abgelichtete Stromleitung mit dem Gletscher im Hintergrund. Der Mond war mittlerweile aufgegangen und bereitete sich hinterm Gebirgsmassiv auf seinen nächtlichen Auftritt vor.
Blick vom gleichen Standort aus in Richtung der Einfahrt zum Hotel Franzenshöhe, das links zu sehen ist. Einige Raucher harrten noch in der kühlen Nachtluft aus. Oben kann man die Hotels am Pass oben erkennen.
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Der Mond traute sich nun langsam aber sicher auf die Himmelsbühne.
Sein Auftritt kurze Zeit später, während wir weiterhin direkt neben der Passstrasse an der Einfahrt zum Hotel in der kühlen Nachtluft ausharrten. Was sich wohl die einzelnen Autofahrer dachten, die noch hinauffuhren und uns hinter den Stativen stehend für einen kurzen Moment im Scheinwerferlicht sahen?
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Nochmals ein Blick vom Hotel aus in Richtung Stilfser Joch hinauf, das nun im Mondlicht lag.
Da der Himmel aufgerissen und die Schlechtwetterfront erst einmal besiegt war, legten wir uns frohem Mutes schlafen. Dem Sommerschi-Versuch stand wohl nichts mehr im Weg und es sollte der krönende Abschluss einer dreitägigen Tour durch Südtirol werden. Schließlich hatte ja alles an unternommenen Bahnfahrten bisher recht gut geklappt. Außerdem dann nach so einem Vorabend – das interessante Hotel, die Wetterstimmung draußen am Berg in über 2.000 Metern Höhe...
Hier noch – sozusagen die Einschlaferinnerungen vorm Sommerschi-Versuch – eine kleine Auswahl der zuvor besuchen Ziele...
So zum Beispiel Algund bei Meran, wo die Premieren-Korbliftfahrt anstand. Hier die urige Talstation der ersten Sektion, eines uralten ESL, der allein für sich auch schon sehr fahrenswert ist.
Schließlich DAS Highlight schlechthin: Der Korblift Vellau-Leiteralm!
Das Dessert: Weiter oberhalb der Korbliftbergstation entdeckten wir noch Reste eines alten Leitner-Schleppers.
Talfahrt im Korb stehend...
… und schließlich wieder im ESL sitzend.
Schon am ersten Tag ein anderer Höhepunkt: Die alte Bahn an der Langekofelscharte...
Gondelbahn und Teleski
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Mein Begleiter störte sich an den Wolken, aber wenigstens konnte man dadurch ein paar nette Stimmungsbilder einfangen. Aber freilich – eine barrierenfreie Sicht wäre auch nicht schlecht gewesen.
Auf der anderen Seite des Massivs sah es diesbezüglich besser aus....
Schließlich noch das Vigiljoch. Hinauf geht es mit einer altehrwürdigen PB, die eine direkt malerische Talstation besitzt...
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Auf dem Weg zur zweiten Sektion – einem ESL – kreuzt man diesen Laden...
Das war der Grund, im Sommer ans Vigiljoch zu kommen, das ich eigentlich mal für den Winter eingeplant gehabt hatte...
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ESL in analog...
Nun – diese zwischendreingeschobenen Analogaufnahmen waren gewissermaßen das Schmerzmittel für das, was uns am nächsten Tag erwartete: Ein klassischer Landregen, der unaufhörlich überm Hotel Franzenshöhe, der Passstrasse und natürlich auch dem Gletscherschigebiet niederging.
Stilfser Joch am Morgen des 15.08.2011
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Autsch, das tat richtig weh!
Einige Verwegene fuhren mit ihren Schiern nach oben. Doch als wir an der Kasse bestätigt bekamen, dass es den ganzen Tag bis zur Geisterspitze rauf regnen sollte, blieben wir lieber unten. Es hätte keinen Sinn gemacht, sich da oben an den geöffneten Geisterliften herumzuplagen, um nach wenigen Minuten total durchnässt zu sein. Fotografieren hätte man eh vergessen können, da auch noch Nebel herrschte. Minutenlang saßen wir noch schweigend im Auto, doch jeder wusste, dass der Sommerschi-Versuch gescheitert war. Und das beim ersten Mal!
So fuhren wir wieder die Passstrasse nach unten und der Heimat entgegen, ohne die im Kofferraum querliegenden Schi benutzt zu haben.
Kleiner Fotostopp am Reschensee, wo der bekannte Kirchturm vom alten Dorf Graun herausschaut.
Wir beschlossen, uns noch als kleine Aufheiterung, ein auf dem Nachhauseweg liegendes LSAP-Schmankerl anzusehen und fuhren deshalb die Strasse nach Ladis hoch, wo es oberhalb der besagten Ortschaft noch die Ruine eines Wopfner-ESLs gibt, der seit Anfang/ Mitte der 70er außer Betrieb ist. Zu sehen sind „nur noch“ die Bergstation und die oberen Stützen. Die Talstation und die unteren Stützen wurden komplett abgetragen und vom Ort aus ist vom ehemaligen Lift nichts mehr zu erkennen.
Tapfer kämpfte sich mein Fahrer über enge Strassen durch den Fichtenforst empor und schließlich fanden wir unser Ziel. So ließ sich das Sommerschi-Pech ein wenig besser verkraften...
Schon Wahnsinn, dass so was in Österreich „überlebt“ hat und nicht nahezu spurlos abgetragen worden ist.
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Dreht sich schon seit über 35 Jahren nicht mehr!
Nun – ein kleiner Trost, der aber natürlich nicht ausreichte, die Enttäuschung über das Regenwetter wettzumachen. Da bleib nur eine Möglichkeit: Es bei der nächsten Gelegenheit einfach wieder zu versuchen. Das „schworen“ wir und zwischen Reschen- und Fernpass.
Nun – keine Woche später sollte es dann so weit sein und wir fuhren nach der Ausrufung eines schönen Sommertages gleich wieder die 48 Kehren hoch, um dann endlich das erste Mal einen richtigen Sommerschitag zu erleben. Hierzu reiche ich bei Zeiten mal noch ein paar analoge Aufnahmen nach...
Vorab-Bild – am Samstag nach jenem Regen-Montag war alles wieder gut
Übers malerische Imst ging es dann wieder nach München zurück...