Die vier Täler, les quatre vallées - welch klingender Name für das grösste zusammenhängende Skigebiet auf Schweizer Territorium. In deutschsprachigen Gefilden weit weniger bekannt als andere, kleinere Skigebiete geniessen die vier Täler im Wallis und in der restlichen Westschweiz eine grosse Popularität. Als eines der wenigen Gebiete der Schweiz sind die Quatre Vallées zu gross, um sie an einem Tag komplett zu durchkämmen. Zwei Mal suchte ich die Skiregion bislang für einen Tagesausflug auf, gerade ausreichend Zeit, um sämtliche Anlagen zu dokumentieren und zumindest einen Grossteil des Pistenangebots erkunden zu können.
Wie so viele andere grosse Skigebiete der Alpen - man denke an die Portes du Soleil oder die Dolomiten - entstanden die Quatre Vallées nicht von Beginn an konsequent vom Reissbrett geplant, vielmehr wurde hier erst nach vielen Jahrzehnten Skibetrieb in einzelnen Teilbereichen ein lückenloses Seilbahn- und Pistennetz geschaffen. Noch heute zeugen trotz eines gemeinsamen Skipasses in allen Sektoren die unterschiedlichen und teils verfeindeten Betreibergesellschaften von den Ursprüngen dieser Skiregion. Mit diesem Hintergrundwissen ist es auch verständlich, warum sich im Bereich der Gesellschaft Télé Verbier moderne Anlagen häufen, während sich im Bereich Veysonnaz ein völlig konträres Bild mit einem betagteren Anlagenpark bietet. Doch auch in diesem Teilgebiet macht langsam aber sicher auch der Zug der Modernisierung halt: schon 2008 wurde nach Ethérolla eine kuppelbare Sesselbahn gebaut, eine neue Kabinenbahn an der Piste de l'Ours soll im kommenden Sommer folgen, genau wie eine weitere derartige Anlage am Plan du Fou in Siviez. Genau dieser drohende Ersatz zahlreicher seilbahntechnischer Unikate und Zeitdokumente des Höhenflugs des Skisports aus den 70er Jahren ist ein Hauptgrund für unseren mittlerweile dritten Aufenthalt in den vier Tälern. Mit dem Mont Fort und dem Mont Gélé, den beiden höchsten per Seilbahn erreichbaren Punkten zwischen Verbier und Veysonnaz gibt es aber auch noch ein paar Lücken in der persönlichen Sammlung, die es zu füllen gilt. Zu viel Andrang und geschlossene Bahnen hinderten uns bislang daran, diese beiden Gipfel zu erreichen.
Wie bereits erwähnt kann man die historische Entwicklung der Aufstiegshilfen in den vier Tälern mit zahlreichen anderen Walliser Skiorten vergleichen - mit dem Unterschied, dass in anderen Gebiete bis heute kein Zusammenschluss erfolgte. 1949 entstand hoch über dem Val d'Hérémence oberhalb des Weilers Les Collons nicht nur der erste Skilift des heutigen Skigebiets, sondern gleichzeitig nach Champéry auch eine der ersten Wintersportanlagen des Unterwallis. Erbaut wurde die Anlage, wie zu dieser frühen Zeit des Wintersports üblich, von der Zürcher Firma Gerhard Müller. Eine weitere Anlage folgte als zweite Sektion sechs Jahre später, ehe 1961 eine Kabinenbahn von Veysonnaz auf das Plateau der Alpage de Thyon das Angebot auch vom nächst grösseren Dorf zugänglich machte. Mitte der 60er Jahre erfolgte eine grundlegende Erweiterung und Modernisierung des kompletten Bereichs rund um Veysonnaz und Les Collons: nicht weniger als zehn Anlagen innert dreier Jahre konnten von der im Seilbahnbau aufstrebenden Firma Bühler realisiert werden. Trotz fehlender Bewilligung enstand in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auch eine Skipiste durch den dichten Wald nach Mayens de l'Ours, ein hervorragendes Beispiel dafür, mit welcher Kompromisslosigkeit mancher Skigebietsbetreiber vorging, um das bestehende Territorium zu erweitern. Die Schneise sollte ursprünglich eine Abfahrt für die geplanten olympischen Spiele im Wallis ermöglichen, bis heute blieb es bei einigen kleineren Rennen. Die zugehörige Seilbahn entstand im Übrigen erst 15 Jahre nach dem Bau der Piste.
Luftlinie mehrere Kilometer von Veysonnaz entfernt entstand in Verbier 1950 die erste kuppelbare Kabinenbahn der Schweiz. Die erst kurze Zeit zuvor von der lokalen Firma Giovanola patentierte Technologie kam hier erstmalig erfolgreich bei einer Bahn mit zweiplätzigen Kabinen zum Einsatz. Gleichzeitig begann mit dem Bau dieser Bahn aber auch eine lang währende Partnerschaft der erwähnten Firma mit der Betreibergesellschaft in Verbier: 1955 entstand die erste und einzige Einersesselbahn der Firmengeschichte nach Savoleyres, die später zur Doppelsesselbahn umgebaut wurde und so als Prototyp für einige weitere Anlagen dieses Typs in Verbier diente. Während der gesamten Firmengeschichte Giovanolas war Verbier der einzige Abnehmer von fix geklemmten Zweiersesselbahnen, doch auch die anderswo populär gewordenen Stangenschlepplifte und Kabinenbahnen der Firma traf man rund um Verbier in grosser Stückzahl an. Nach dem Ausstieg Giovanolas aus dem Seilbahnbau übernahmen die Firmen Städeli und Habegger die Aufträge. Zu den Hochzeiten drehten zwischen La Tzoumaz und Les Ruinettes nicht weniger als 15 fix geklemmte Zweiersesselbahnen und sieben Kabinenbahnen mit Giovanola-Technik ihre Runden. Im Gegensatz zu den restlichen Sektoren setzte in Verbier vor rund zehn Jahren eine Modernisierungswelle ein, der eine ganze Reihe dieser Bahnen zum Opfer fiel: Nur noch eine einzige Kabinenbahn und eine einzige fix geklemmte Zweiersesselbahn haben überlebt, der Rest wurde - oftmals auch gleich mehrere alte Anlagen durch eine einzige neue - ersetzt. Viele kleinere Dorflifte und Pisten wurden im Laufe der Jahre Opfer des immer grössere Ausmasse annehmenden Chaletbaus, der sich bis heute immer weiter Richtung Savoleyres ausbreitet.
Nachdem von Haute Nendaz aus bereits 1958 mit einer Kabinenbahn und einiger kleinerer Skilifte ein nur bedingt interessantes Gebiet rund um den Lac de Tracouet erstellt wurde, erfolgte ähnlich wie in Veysonnaz Mitte der 60er Jahre eine von Grund auf systematisch geplante Erschliessung der Alpage de Siviez. Eine separate Betreibergesellschaft gab der Firma Bühler den Auftrag zum Bau dreier Skilifte Richtung Combatseline, Tortin und Plan du Fou, wobei jener Lift Richtung Tortin einen Anschluss und somit einen zweiten Einstiegspunkt in das bereits gut ausgebaute Skigebiet von Verbier ermöglichte. Da der Name Siviez nicht den damaligen Werbekriterien entsprach, wurde das Gebiet als Super Nendaz bezeichnet und wies nach kurzer Zeit, exakt wie französische Retortenstationen mit ähnlich tönenden Namen, einen riesigen Hotelkomplex im typischen 60er-Jahre-Baustil auf. Mitte der 70er Jahre erfolgte eine Verbindung nach Veysonnaz mittels zweier Sesselbahnen und einer Vielzahl von Skiliften, die samt und sonders von der Firma Von Roll erbaut wurden, welche zwischenzeitlich den Betrieb von Bühler übernommen hatte. Die Lücke zwischen Nendaz und Siviez konnte erst zu Beginn der 80er Jahre mittels einer Pendelbahn zum Plan du Fou geschlossen werden.
Während hoch über Verbier lange Zeit der Mont Gélé mit seiner Von Roll-Pendelbahn und einer Höhe von über 3000 Metern als der höchste Punkt der Quatre Vallées galt, ging man 20 Jahre nach dessen Erschliessung, zu Beginn der 80er Jahre, einen noch höher gelegenen Gipfel an: den Mont Fort. Mit noch einmal 300 Metern mehr als der Mont Gélé sah man die Erschliessung des Gipfelgrats mittels zwei Sektionen Pendelbahn von Tortin aus vor. Einer langen, 900 Höhenmeter überwindenden ersten Sektion schliesst sich seither eine stützenlose und wesentlich kleinere und kürzere zweite Luftseilbahn bis zum Gipfel an. Wenige Jahre später wurde bis zur Mittelstation auf dem Col des Gentianes auch eine Zubringerbahn vom Teilsektor Verbier aus gebaut, mit 150 Personen fassenden Kabinen die damals grösste Pendelbahn der Schweiz. Obwohl die Hochzeiten des Sommerskis in den 70er Jahren längst wieder abgeklungen waren, entschloss man sich zudem auf dem Glacier des Gentianes am Fusse des Mont Forts zwei Schlepplifte für Sommerski bereitzustellen, die sich in den ersten Jahren noch grosser Beliebtheit erfreuten, zwischenzeitlich aufgrund des Gletscherrückgangs aber stillgelegt werden mussten. Bis heute sind die beiden Transitrouten von Verbier Richtung Tortin und Veysonnaz über den Col des Gentianes und den Col de Chassoure ausschliesslich Variantenfahrern vorbehalten. Zu schroff präsentiert sich das Relief, als dass man es ohne grösseren Aufwand mit Pistenraupen präparieren könnte. Das ganze Gebiet erhält durch diese interessante und für eine Station dieser Grössenordnung wohl auch einmalige Pistenausstattung einen unvergleichbaren Charakter. Gepaart mit der immer noch weitgehend original erhalten gebliebenen ursprünglichen Infrastruktur kann man die Quatre Vallées daher getrost als den letzten noch nicht totmodernisierten Mohikaner unter den grossen Schweizer Skigebieten bezeichnen. Mit den geplanten Anlagen im kommenden Sommer in Verbier, Siviez und Veysonnaz geht aber wieder ein Stück Authentizität verloren, sodass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis sich die Quatre Vallées abgesehen von den Gipfelabfahrten in eine Reihe mit Orten wie Serfaus oder Ischgl stellen können.
Wie die vorangegangenen Absätze zeigen, machen wir uns an diesem 28. Februar zu einem seilbahntechnisch geschichtsträchtigen Ort auf. Es ist die längste Anreise auf der gesamten Tour, sodass wir bereits gegen 8.15 Uhr auf den Weg hinab ins Rhônetal machen. Zügig geht es auf der Autobahn voran, ehe wir nahe Sion selbige verlassen und uns auf den Weg in Richtung Siviez machen. Der heute wieder so bezeichnete Ort erfüllt im Gegensatz zu den meisten anderen Einstiegspunkten an und für sich alle Kriterien, die uns wichtig erscheinen. Wir wollen nicht noch einmal den Fehler machen, erst am späten Vormittag den Mont Fort zu erreichen und bei den guten Wetterprognosen womöglich wieder mit einer Warteschlange konfrontiert zu sein. Genauso haben wir vor, diesmal vom einen bis ans andere Ende der vier Täler zu fahren und aufgrund der begrenzten Zeit möchten wir einen Startpunkt wählen, der von allen Teilbereichen schnell wieder erreicht werden kann. Doch als wir kurz vor Nendaz auf ein Hinweisschild nach Siviez hoffen, werden wir enttäuscht. Eine Strasse in den weit hinten im Tal gelegenen Ort ist nicht auszumachen, ebensowenig wie ein Verkehrsschild. Wir irren umher, verfahren uns schliesslich in einer Sackgasse und überlegen bereits, doch vom nahe gelegenen Veysonnaz aus zu starten, als unser Navigationsgerät nach langer Suche doch noch einen Weg findet. Zunächst sind wir äusserst skeptisch, leitet uns das Gerät doch durch schmale Strassen von Haute Nendaz, doch nach vielen Kehren scheint zumindest die Himmelsrichtung zu stimmen. Und tatsächlich, nach weiteren rund zehn Minuten Fahrt empfängt uns ein Einweiser auf dem bereits gut gefüllten Parkplatz in Siviez.
Schnell sind die Karten für den Skitag gekauft und über eine Treppe machen wir uns vom Parkplatz auf zur 2005 neu errichteten Skibrücke, die in beide Richtungen von Pendlern zwischen Verbier und Veysonnaz benutzt wird. Da bei einem meiner Skistöcke am Vortag in Saint-Luc irreparabel die Schlaufe abgefallen ist, entschliesse ich mich dazu, die Stöcke im Auto zu lassen. Mit umgehängter Kamera und den vielen Kabinenbahnen erscheint es mir so zu umständlich, mit Stöcken zu fahren - eine wie sich später noch herausstellt nur bedingt clevere Entscheidung. Bereits zu dieser frühen Uhrzeit müssen wir an der Talstation der Sesselbahn nach Tortin Wartezeiten in Kauf nehmen. Doch was wir zu diesem Zeitpunkt bereits vermuten, bewahrheitet sich an der zweiten Sektion: die meisten Skifahrer sind Anfänger, die die flache Piste an der Sesselbahn für die ersten Schwünge des Tages nutzen; an der Pendelbahn zum Col des Gentianes gibt es keine Wartezeiten, sodass wir ohne Zeit zu verlieren bereits eine Viertelstunde später auf dem Col des Gentianes stehen.
Die ersten Sonnenstrahlen erreichen die Sesselbahn Super Nendaz-Siviez. Die Bahn soll gemeinsam mit der zweiten Sektion zum Plan du Fou durch eine durchgehende Kabinenbahn ersetzt werden. Warum an diesem Hang, der ausschliesslich von Wintersportlern frequentiert wird, keine Sesselbahn gebaut wird, ist völlig unverständlich. Die gezeigte Anlage stammt aus dem Hause Von Roll-Habegger, wobei die Stützen und Sessel allerdings vom lokalen Walliser Stahlbauer Glassey stammen. Nur drei Anlagen mit diesen Stützen gab es, alle in den Quatre Vallées erbaut. Neben dieser Anlage existiert noch eine weitere am Creppon Blanc, die dritte Anlage dieses Typs nach Combatseline wurde 2005 ersetzt.
Noch grösstenteils im Schatten liegt die Sesselbahn Siviez-Pra Comoun-Tortin, welche 1988 gleich drei Skilifte ersetzte, zwei von Bühler sowie einen von Borer.
Unterwegs in dieser bildhübschen Von Roll-Sesselbahn, die an guten Tagen allerdings chronisch überlastet ist, erschliesst sie nicht nur einen Anfängerhang, sondern stellt auch die einzige Verbindung von Veysonnaz und Nendaz Richtung Verbier dar.
Die erste von zwei Zwischenstationen ist eine reine Winkelstation zur Seilablenkung nach rechts. Ein Ein- oder Ausstieg ist nicht möglich, aber auch nicht nötig. Von Roll-typisch wird die Innenseite nicht direkt umgelenkt, sondern zweimal um knapp 180°, um das Seil nur in eine Richtung zu biegen. Wie so oft beim Thuner Hersteller weist die Anlage viele technische Raffinessen sowie eine komplett mechanische Stationsausstattung auf und ist für die Ewigkeit konstruiert. Das macht sich auch nach 24 Jahren Betrieb am immer noch grandiosen Fahrkomfort bemerkbar.
Zügig nähern wir uns über flache Hänge der Ebene von Tortin. Die Abspannung erfolgt bei dieser Anlage kurioserweise über zwei Umlenkscheiben in der zweiten Mittelstation.
Angekommen in Tortin, von wo aus es fortan zwei Wege in Richtung Verbier gibt: Linker Hand die Pendelbahn zum Col des Gentianes, rechts die Kabinenbahn zum Col de Chassoure, eine moderne 8er Kabinenbahn von Garaventa, die ein Exemplar von Giovanola ersetzte. Die Sesselbahn kann in diesem Abschnitt in beide Richtungen benutzt werden, um das Flachstück zu überbrücken. Früher stand an dieser Stelle ein ebenfalls in beide Richtungen befahrbarer Borer-Schlepplift. Der grosszügige Schriftzug an der Talstation der Pendelbahn lässt bereits vermuten, mit welcher Anlage wir unsere Reise fortsetzen.
Bei unserer Ankunft in Tortin ist die Kabine der Pendelbahn bereits gut gefüllt, sodass ich keinen guten Fotoplatz mehr ergattern kann. Im Zuge eines Retrofits erhielten beide Sektionen Pendelbahn zum Mont Fort vor einigen Jahren neue Kabinen, sodass dies meine erste Fahrt mit der neuen, durchaus stilvollen in schwarz gehaltenen Kabinen darstellt. Schon nach wenigen Metern Fahrt eröffnet sich ein grandioses Panorama auf Tortin, das Val de Nendaz und schliesslich bis ins Rhônetal. Dank der enormen Länge dieser Bahn dauert es eine ganze Weile, bis wir alle vier Zwischenstützen passiert haben und das Perron in der Bergstation betreten. Dort erwartet uns die grosse Unbekannte: wie lang ist die Warteschlange am Mont Fort? Ein Blick genügt bereits, um die Antwort zu geben: die Kabine in der Talstation ist leer und es sind auch noch keine Fahrgäste auszumachen. Einige Mitfahrer aus unserer Kabine steigen die Treppen hinunter aus dem Stationsgebäude hinaus, um gleich daneben die Stufen in einem abgetrennten Bereich wieder hochzulaufen, um zur zweiten Sektion zu gelangen. Zu dieser unglücklichen Lösung kommt hinzu, dass vor der Station auch noch ein Seil gespannt ist, sodass man für theoretisch zehn Meter Strecke ein Stockwerk herunter und wieder hoch sowie 50 Meter weiter laufen muss. Am Rand der Station wird es mir zu blöd und ich gehe einfach unter dem Seil durch und mache mich auf in die noch halbleere Kabine. Was ich nicht bemerke ist, dass mein Vater nicht so dreist ist wie ich und den Umweg in Kauf nimmt. Dummerweise kommt ihm exakt in diesem Moment eine Gruppe Skifahrer aus der zweiten hier ankommenden Pendelbahn zuvor und für ihn öffnet sich das Drehkreuz nicht mehr. So wartet er die nächste Kabine ab, während ich auf 3300 Metern Seehöhe die frische Morgenluft und einen grandiosen Ausblick auf die zahlreichen Walliser 4000er und die spektakuläre Abfahrt geniesse.
Ein Bild, das man so auch nur in der Schweiz machen kann: Drei Luftseilbahnen auf engstem Raum, die kühn und unscheinbar die hochalpine Bergwelt erschliessen. Links die Pendelbahn La Chaux-Col des Gentianes vom Sektor Verbier her kommend, rechts die bereits gefahrene Anlage von Tortin kommend und davor die Gipfelpendelbahn zum Mont Fort.
Nachdem auch mein Vater eingetroffen ist, erkunden wir zunächst auf der grosszügig angelegten Aussichtsplattform das Panorama auf die Bergwelt. Imposant ist der Blick vor allem auf den alles überragenden Grand Combin, doch die Sicht reicht auch bis zum Mont Blanc und in weit entfernte Täler. Im Vordergrund der Einstieg in die Variantenabfahrt vom Mont Fort. Links davon existiert eine nicht offizielle Route, die durch ein eigenes Hochtal völlig abgelegen in imposanter Landschaft nach Tortin führt. Direkt unter der Pendelbahn gibt es eine weitere, steilere Variante als die markierte Piste, auf der auch Speedskiwettbewerbe ausgetragen werden.
Nach ausführlichem Panoramagenuss steigen wir die Treppen hinab zur Abfahrt, die erste an diesem Tag. Schon nach wenigen Metern auf dem Querweg übersehe ich einen herausragenden Stein und erwische ihn mit meinem rechten Ski, der sich daraufhin löst. Ich habe Mühe, mit der Kamera in der Hand einen Sturz abzufangen, doch es gelingt mir trotz den eisigen Schneeverhältnissen hier im Schatten auf diesem Nordhang, die Fahrt zu stoppen. Während mir nichts Schlimmeres passiert ist, ergeht es meinem Ski ein wenig anders. Im Belag klafft ein tiefes Loch und die Kante ist ein wenig verbogen. Ein wenig drücken und schieben hilft fürs Erste, sodass ich vorsichtig die ersten Buckel in Angriff nehme. Was normalerweise eine leichte Übung ist, gestaltet sich ohne Stöcke mühsamer als gedacht. Dennoch, nach einigen Schwüngen komme ich in einen angenehmen Rhythmus und setze meine Fahrt über den leider sehr hart gefroreren Hang fort, was sich nicht unbedingt als Vergnügen herausstellt. Diese Sorgen sind allerdings nicht weiter der Rede wert im Vergleich zu dem, was sich bei einem kurzen Halt im unteren Drittel vor meinen Augen abspielt. Genau wie bei mir wenige Minuten zuvor überfährt ein Skifahrer einen herausragenden Stein und kommt zu Fall. Im Gegensatz zu meinem Fauxpas befindet er sich aber bereits im oberen Teil des Steilhangs, verliert zuerst den einen, dann den anderen Ski und rauscht in beängstigender Geschwindigkeit in rund zehn Metern Entfernung an mir vorbei. Immer wieder hebt er auf den Buckeln ab und schlägt wieder auf dem harten Schnee auf, ehe er ganz am Ende des Buckelhangs zum Stehen kommt. Sofort schiesst mir das Video des Sturzes von trincerone in den Kopf, dem am selben Hang ähnliches widerfuhr. Im Gegensatz dazu halten sich an diesem Tag die Folgen des Sturzes aber glücklicherweise in Grenzen, sodass der Skifahrer sichtlich geschockt und durchgeschüttelt wieder aufstehen kann und die inzwischen herbeigebrachten Ski wieder anschnallt.
Ein Blick von unten auf den Buckelhang am Mont Fort, der bei diesen Bedinungen am frühen Morgen kein Vergnügen war. Grund genug also, in jedem Fall nochmals zu kommen!
Noch bevor wir uns zurück zum Col des Gentianes über die nun im unteren Teil flachere und präparierte Abfahrt aufmachen, fällt der Blick auf ein seilbahntechnisches Relikt der 80er Jahre. Durch den Gletscherrückgang musste der Betrieb an den Skiliften Glacier des Gentianes in Raten aufgegeben werden. Die am Fels verankerte Kurvenkonstruktion ragte anfänglich mit rund zehn Metern Bodenabstand hinaus auf das Gletschereis, heute, 25 Jahre später, hängen die Seile trostlos doppelt so hoch über Moränenschutt. Anfang des Jahrtausends musste bereits der erste Skilift den Betrieb einstellen, der zweite folgte im Jahr 2006. Wir fuhren ihn noch in seiner letzten Saison, während unseres ersten Aufenthalts in den vier Tälern. Die Überreste dieses überaus speziellen Gletscherskilifts mit Teilen von Städeli, Bühler, Garaventa, Giovanola und Glassey dürften in naher Zukunft verschwinden, denn an diesem Hang wird nicht nur kein Skibetrieb mehr möglich sein, er wäre auch nicht mehr lukrativ. Zu Hochzeiten des Sommerskis machten die beiden Anlagen Sinn, heute wären sie bestenfalls für Anfänger geeignet, die aber sicher nicht einen Aufpreis für den Skipass bezahlen, der für einen Besuch des Sektors Mont Fort nötig ist. Aus diesem Grund erscheint auch ein Ersatz durch eine Sesselbahn auf veränderter Linienführung unwahrscheinlich.
Die traurigen Überreste der Gletscherskilifte am Glacier des Gentianes - ein weiterer beendeter Sommerskitraum.
Unserem ursprünglichen Plan folgend machen wir uns auf zur Talstation des verbliebenen Skilifts Col des Gentianes, der einen Rückweg zur Talstation der Pendelbahn zum Mont Fort ermöglicht. Früher konnte man diese auch direkt erreichen, aufgrund des Gletscherschwunds verläuft die Piste aber inzwischen so weit unten, dass man für eine Rückkehr zum Col des Gentianes aufsteigen müsste. Ansich haben wir vor, wieder zurück nach Tortin zu fahren, um von dort via Chassoure und der Abfahrtsroute durch das Vallon d'Arby nach Savoleyres zu gelangen, um der letzten Giovanola-Kabinenbahn des Gebiets noch einen letzten Besuch abzustatten, ehe sie ersetzt wird. Ein Blick auf die Uhr zeigt allerdings, dass wir bei dieser Routenwahl die Bahn zum Mont Gélé nicht mehr vor der Mittagspause erreichen würden. Da wir auch noch nach Veysonnaz wollen, entschliessen wir uns dazu, den Sektor La Tzoumaz auszulassen und stattdessen auf direktem Weg via La Chaux und Croix des Ruinettes zum Mont Gélé zu kommen. Einen Vorteil hat die Planänderung, denn so können wir die lohnende, uns noch unbekannte Abfahrt vom Col des Gentianes nach La Chaux befahren.
Unterwegs im 2007 neu gebauten Skilift Col des Gentianes, der nach der Stilllegung der Skilifte Glacier des Gentianes nun den Rückweg von der Mont-Fort-Abfahrt ermöglicht. Im Hintergrund die von Garaventa erbaute Pendelbahn Tortin-Col des Gentianes mit einer ihrer neuen Kabinen.
Auf dem Weg nach La Chaux, darüber die Pendelbahn zum Col des Gentianes, aufgrund ihrer Kabinengrösse von 150 Personen im Volksmund als "Jumbo" bezeichnet.
Stützen zwei und drei dieser Prachtsanlage von Garaventa aus dem Jahr 1987.
Die Talstation der Sesselbahn Col Brunet, die erste fix geklemmte Vierersesselbahn der Schweiz. Wie alle anderen fix geklemmten Anlagen nach der Giovanola-Ära in Verbier stammt sie aus dem Hause Städeli. Obwohl die Anlage auch als Zubringer Richtung Les Ruinettes dient, wird sie fast ausschliesslich von Wiederholungsfahrern genutzt, da wenige 100 Meter weiter ein Télémix der Firma Leitner einen schnelleren Wechsel nach Les Ruinettes erlaubt.
Da wir (oder ich ) aber lieber dieses gemächlich fahrende Exemplar fahren wollen, lassen wir den La Chaux Express links liegen und geniessen die Fahrt in diesem Dinosaurier aus den 80ern.
Die gegenüberliegende Bergseite, die Combe à Médran. Noch vor wenigen Jahren zierten hier fix geklemmte Städeli-Sesselbahnen die Landschaft, inzwischen sind auf diesem völlig übervölkerten Hang moderne Sesselbahnen im Einsatz. Wieder einmal präsentieren sich die Menschenmassen als negative Begleiterscheinung moderner Seilbahnen - die Förderleistung der Bahnen ist für diese Piste viel zu hoch. Hinzu kommt, dass speziell in diesem Bereich die Dichte an sich selbst überschätzenden Rasern enorm gross ist.
Zoom nach Savoleyres, über das wir gemäss dem ursprünglichen Plan nach Verbier fahren wollten. Links das Objekt der Begierde, eine Giovanola-Kabinenbahn und die letzte dieser einst so oft hier vertretenen Anlagen. Rechts der Skilift Savoleyres Sud von Städeli, der die Masten der Vorgängeranlage von Müller weiterverwendet. Beide Anlagen sollen 2013 durch einen Télémix mit Mittelstation auf neuer Trasse ersetzt werden. Auch wenn mit diesem Ersatz der schmerzliche Verlust einer wunderbaren Giovanola-Bahn einhergeht, so bringt die neue Bahn eine deutliche Verbesserung der Verbindung nach Savoleyres mit sich, denn bislang muss vom Sektor Ruinettes in Richtung Savoleyres in jedem Fall der Skibus benutzt werden. Auf Skiern ist der Sektor nur über das angesprochene Vallon d'Arby auf der Rückseite in La Tzoumaz erreichbar.
Mit einer weiteren traditionsreichen Anlage geht es weiter hinauf nach Les Attelas: das erste Funitel der Schweiz aus dem Jahr 1994, darunter die im vergangenen Sommer neu erbaute Sesselbahn Mayentzet-Combe à Médran, die zwei Sesselbahnen von Giovanola und Städeli ersetzte.
Wie üblich bei den drei Garaventa-eigenen Funitelanlagen weist die Bahn in Verbier eine doppelt gelegte Zugseilschlaufe mit zwei elektrisch gekoppelten Einzelantrieben auf. Sie ersetzte eine Von Roll-Pendelbahn auf leicht modifizierter Trasse, geblieben sind die grossen Spannfelder.
Auf Les Attelas angekommen ist es dann endlich soweit. Wir verlassen die Bergstation des Funitels und mit ihr - so scheint es - auch die Zivilisation. Vorbei an einer Ledersessel-Lounge und anderen Einrichtungen, die die Bergwelt nicht verdient hat, stapfen wir einige Meter nach oben zum separaten Talstationsgebäude der Pendelbahn zum Mont Gélé. Die Raser, Anfänger und selbsternannte Talente biegen ab Richtung Les Ruinettes, während wir uns über einige Treppenstufen durch das finstere Innenleben dieses Kolosses aus den 60er Jahren zum Perron der einspurigen Pendelbahn kämpfen. Zwar hat sie nach einem Umbau durch Garaventa und einem Ersatz der zugehörigen Kabine ein wenig von ihrem Charme verloren, doch der Mythos dieses Bergs ist ungebrochen. Auf den ersten Blick bietet sich eine ähnliche Szenerie wie am Mont Fort: eine stützenlose Pendelbahn, ein schroffes Relief und ausschliesslich eine Variantenabfahrt. Doch kaum betrachtet man die Situation genauer, fällt auf, dass der Mont Gélé noch eine ganz andere Kategorie Gipfel ist. Am Gipfel gibt es nichts, aber auch gar nichts ausser dem offenen Perron und der Umlenkkonstruktion des Zugseils der Pendelbahn. Ein Warnschild, ein Pfeil, gerade genug Platz, um gefahrlos die Ski anzuschnallen. Rechts, links, vorne und hinten geht es steil über Felsstufen hinab; dass hier eine Skiabfahrt möglich ist, erscheint auf den ersten Blick unmöglich. Im Vergleich zum Mont Gélé ist der Mont Fort ein regelrecht massentauglicher Berg. Auch das Publikum ist spürbar ein völlig anderes. Sind am Mont Fort viele Leute unterwegs, die offensichtlich wenig Erfahrung im Variantenfahren mitbringen, trifft man am Mont Gélé ohne Ausnahme erfahrene Enthusiasten des alpinen Skisports an.
Manch einer wird sich beim Anblick der Abfahrt, welche fernab der Auffahrtsroute auf der Rückseite des Gipfels steil nach Tortin abfällt, unauffällig zurück in die Kabine begeben. Nach einigen Metern Aufstieg erblickt man zunächst einen schmalen Pfad, ehe es um den Berg herum geht und der Ausblick auf die von Buckeln übersähte Abfahrt frei wird. Ein Sturz hätte hier weitaus katastrophalere Konsequenzen als am Mont Fort. Immer wieder ist der auch deutlich steilere Hang von grossen Felskanten durchzogen, die es zu umfahren gilt. Technisch ist die Abfahrt grundsätzlich nicht so schwer zu bewältigen, aber Fehler sind nicht erlaubt.
Blick von der Bergstation auf die stützenlose, einspurige Pendelbahn von Les Attelas zum Mont Gélé. Im Talgrund eine Etage tiefer liegt Verbier.
Das Standardbild schlechthin, das in keiner Mont-Gélé-Dokumentation fehlen darf: die offene Bergstation mit ihrem kleinen Betriebshäuschen. Die Geräusche des Konstrukts bei voller Fahrt sind ein wahrer Ohrenschmaus. Nichts ausser dieser Station trifft man auf dem Mont Gélé an. Ein Schritt vom Perron, dem letzten Posten menschlichen Schaffens entfernt, steht man inmitten der grandiosen Bergwelt - ein ganz spezielles Erlebnis, das heute nur noch an ganz wenigen ausgewählten Orten in den Alpen erlebbar ist.
Der Einstieg in die Abfahrt vom Mont Gélé nach Tortin.
Der Einstieg in den Steilhang - man sieht die erwähnten Felsen, über die man besser nicht abstürzt.
Nach dem Steilhang verläuft die Abfahrt flacher, aber nicht weniger spektakulär durch ein Hochtal, ehe sie auf die im Vergleich schon fast autobahnartig ausgebaute Transitroute vom Col des Gentianes nach Tortin mündet. Die Schneeverhältnisse sind dank der Sonneneinstrahlung wesentlich besser als am Mont Fort: nach pulvrigem Start treffen wir in diesem Kessel eine leichte Firnauflage an.
Wesentlich stärker frequentiert, aber nicht weniger schön zu fahren, der letzte Abschnitt der Abfahrt vom Col des Gentianes nach Tortin.
An der Sesselbahn Siviez-Pra Comoun-Tortin vermissen wir bereits schmerzlich die Atmosphäre vom Mont Gélé. Hier hat uns die Zivilisation wieder. Die Piste ist immer noch völlig überfüllt und in Siviez angekommen staunen wir nicht schlecht über die Warteschlange, die sich vor der Talstation inzwischen gebildet hat.
Unsere etwas antizyklische Routenwahl scheint aufzugehen, denn als wir über die Skibrücke zur Sesselbahn Combatseline schieben, fällt auf, dass diese nahezu leer ihre Runden dreht. Inzwischen ist es 12.30 Uhr und wir machen uns auf zum zweiten Teil unserer Reise, einmal Veysonnaz und zurück.
Unterwegs in der 2005 neu gebauten Sesselbahn Combatseline. Die heutige Bahn ist bereits die dritte Anlagen auf dieser Linie: ein Bühler-Skilift aus den 60ern wurde bereits 1977 durch eine Von Roll-Sesselbahn ersetzt, vermutlich in erster Linie wegen der Hangausrichtung und der daraus resultierenden oft mageren Schneelage. Dieser versucht man heute aber auch mit einer Vollbeschneiung zu begegnen, woraus - wie sich später bei der Rückkehr herausstellt - eine einzige Eisbahn resultiert.
Über einen kurzen Verbindungsweg erreichen wir die Talstation des Creppon-Blanc-Schlepplifts. Im Zuge der Verbindung mit Veysonnaz entstand hier Mitte der 70er Jahre eine von insgesamt sechs Anlagen der Firma Von Roll, in diesem Fall ein Dreiecksskilift. Da die Anlage sowohl Richtung Veysonnaz als auch Richtung Siviez zwingend benutzt werden muss, stellte der Skilift bis zu seiner Verdopplung durch Doppelmayr im Jahr 2002 stets einen Engpass dar. Dass man zum damaligen Zeitpunkt hier keine Sesselbahn hingestellt hat, ist für viele Leute unverständlich, aber wir freuen uns ab dem wunderbaren Anblick und der dank der hohen Förderleistung verhältnismässig kurzen Warteschlange.
Die einzige Kurve dieses Dreiecksschlepplifts. Die linke, ältere Anlage erhielt vor wenigen Jahren neue Gehänge von Doppelmayr sowie eine neue Talstation von Leitner. Wie sich später herausstellt, ist sie nicht die einzige Bahn, bei der seit unserem letzten Besuch investiert wurde.
Von der Bergstation bietet sich ein prächtiges Panorama Richtung Plan du Fou, dem wir - sollte die Zeit noch ausreichen - auch noch einen Besuch abstatten wollen.
Eine dritte Anlage auf der Nordwestseite des Creppon Blanc wurde in den 80er Jahren als Beschäftigungsanlage gebaut. Die kurze, aber schön zufahrende und steile Naturschneepiste wird auch vom Skilift Creppon Blanc erschlossen, sodass diese kurze fix geklemmte Sesselbahn redundant ist. Wir lassen sie wie schon bei unserem letzten Besuch aussen vor und machen uns entlang des unten zu sehenden Skilift Les Chottes auf in Richtung Thyon. Die beiden jungen Herren auf dem Bild amüsieren sich prächtig über meine Fototätigkeit - schön, dass man den anderen Skifahrern mit so wenig eine solche Freude bereiten kann .
Unser Weg kreuzt in der Folge den Skilift La Tsa, der einerseits zwingend in Richtung Siviez benutzt werden muss, andererseits aber auch eine schöne, wenn auch kurze Piste erschliesst. Im Hintergrund ist links der weitere Waldweg Richtung Thyon sichtbar, darüber befindet sich die ebenso wenig interessante Piste von L'Ethérolla zurück Richtung Siviez.
Angekommen an der Talstation des Skilift Les Drus. Bei dieser essentiell wichtigen Verbindungsanlage nach Thyon handelt es sich gleichzeitig um einen schmucken Oldtimer und einen der letzten beiden der einst so zahlreichen Kurzbügler rund um Thyon. Die Talstation versetzte man vor vielen Jahren rund 30 Meter den Hang nach oben, da der untere Teil noch ein gutes Stück steiler war als die ersten Meter nach dem heutigen Startpunkt. Eine stilvolle Brückenkonstruktion führt um die Station herum zum Einstieg.
Unterwegs im relativ kurzen Schlepplift Les Drus, der neben seiner wichtigen Verbindungsfunktion auch von einigen Leuten als Wiederholungsanlage genutzt wird. Von seiner Talstation aus gibt es eine Abfahrtsroute, die bei guter Schneelage eine Direktabfahrt nach Veysonnaz ermöglicht.
Wenige Wochen vor dem Ausflug erfuhren wir bereits davon, dass der Skilift La Combyre auf diese Saison stillgelegt wurde. Traurig präsentiert sich der Anblick dieser frühen Bühler-Anlage, dem drittletzten Kurzbügelschlepplift in Thyon. 1964 gebaut zählte sie zu den ersten eigens konstruierten Anlagen des Berner Herstellers, die nicht mehr auf Basis von Doppelmayr-Konstruktionen erbaut wurden. Ursprünglich mit Holzstützen und einer Gewichtsabspannung im Tal ausgestattet wurden im Zuge mehrerer Sanierungen bis 2003 die Stützen in Etappen ersetzt und die Abspannung in die Bergstation verlegt. Obwohl durch die Stilllegung keine Pisten verloren gehen, ist der Wegfall äusserst schade, erschloss der Lift doch die lohnende Talabfahrt nach Veysonnaz im oberen Teil. Nun muss man bis ins Tal abfahren, was die Abfahrt speziell am Morgen beim Ansturm auf die Kabinenbahn für Wiederholunngsabfahrten uninteressant macht.
Nicht viel besser soll es diesem Oldtimer ergehen: Die Kabinenbahn Mayens de l'Ours-Thyon, eine wahrlich geschichtsträchtige Anlage. 1981 wurde sie an Ort und Stelle mit einer Winkelstation entlang der Piste de l'Ours aufgestellt, jener Piste, die bereits 15 Jahre zuvor illegal durch den Wald gezogen wurde. Ursprünglich war hier auch eine weitere Sektion vom Rhônetal her kommend geplant, die einen bequemen und äusserst gut erreichbaren Zugangspunkt direkt von der Autobahn erreichbar in die Quatre Vallées dargestellt hätte. Noch heute zeugen die Stützennummerierung und die Konstruktion der Talstation von den einstigen Planungen. Das skrupellose Vorgehen beim Bau der Piste dürfte allerdings ein Grund gewesen sein, weshalb hier nie eine weitere solche Sektion zu Stande kam.
Schön anzusehen sind sie, die vierplätzigen Kabinen der Berner Firma De Giorgi, wie sie sanft vor den Weinbergen des Rhônetals im Hintergrund empor schweben. Im kommenden Sommer soll an dieser Stelle eine Kabinenbahn mit zehnplätzigen Fahrbetriebsmitteln ihre Runden drehen. Nicht nur die ruhige, hohe Seiltrassierung wird dann verschwinden, sondern auch die letzte Vertreterin der Von Rollschen VR104-Schwerkraftklemme. Als Konkurrenzprodukt der von Habegger eingesetzten Giovanola-Klemme sollte sie einst die Aufträge für Von Roll im Bereich der kuppelbaren Kabinenbahnen ankurbeln, doch nach der Übernahme Habeggers 1981 und der damit möglichen Verwendung des Giovanola-Systems wurde die VR104-Klemme nur an drei Anlagen eingesetzt.
Die Mittelstation der Kabinenbahn Mayens de l'Ours, eine reine Winkelstation.
Der untere Teilabschnitt nach der Talstation. Entgegen der landläufigen Meinung, die Piste de l'Ours sei eher fad, kann ich der Abfahrt durchaus etwas abgewinnen. Die Hangneigung variiert, es gibt zahlreiche Kurven und Kuppen samt einem natürlichen Verlauf durch den Wald - eigentlich paradox, wenn man sich die Entstehungsgeschichte in Erinnerung ruft.
Die angesprochene VR104-Klemme im Detail. Sie stellte eine Weiterentwicklung der nie eingesetzten VR103-Klemme dar und war damit nach den legendären VR101 und VR102 das dritte Von Roll-eigene Kuppelsystem für Einseilumlaufbahnen. Einige Ideen der Konstruktion wurden später auch bei der Von-Roll-Habegger-Klemme VH400 wieder aufgegriffen.
Die Bergstation mit ihrem lauten Antrieb. In den Stationen werden die Kabinen mehrheitlich durch die Gravitation fortbewegt, die Beschleunigung und Verzögerung wird von einer Kette unterstützt.
Nach der sehr ausführlichen und zeitraubenden Dokumentation der Kabinenbahn Mayens de l'Ours kehren wir in Thyon in die Gaststätte La Combyre ein, die einen nochmals sehnsüchtig an den gleichnamigen Skilift erinnert, mit dem eine Fahrt im Vorfeld fest eingeplant war. Nach dem Essen machen wir uns daher zum verbliebenen Skilift Inalpe auf, ein kurzer Übungsskilift von Bühler, der im oberen Teil die gleiche Piste wie der Skilift Combyre und die Zubringerbahn von Veysonnaz aus erschliesst. Da nur wenige Teller besetzt sind, gehen wir nicht von Wartezeiten aus, doch an der Talstation werden wir eines besseren belehrt: in Reih und Glied erstreckt sich eine Schlange entlang der Skipiste, die nicht wie heute üblich, eine Menschentraube bildet, sondern sich wie vor 50 Jahren in einer Reihe den Hang hinauf zieht. Wir beobachten das Spektakel an der Talstation einen Augenblick und sehen auch den Grund dafür, warum hier nur so wenige Teller belegt sind: die meisten Fahrgäste sind Skischüler, die deutlich mehr als einen Versuch benötigen, ehe sie einen Teller erwischen. So warten wir gute zehn Minuten, bis wir an der Reihe sind. In dieser Zeit hätten wir zwar gut und gerne auch bis Veysonnaz fahren können, doch wir trauen der Bahn nicht, da sämtliche Kabinen voll besetzt sind.
Kabinenbahn Veysonnaz-Thyon.
Ein Blick hinüber auf den Skilift Alpage im Sektor Nendaz, ein moderner Garaventa-Skilift mit Seilscheibenausstieg. Auch hier wird die sonst nirgendwo mehr anzutreffende Erschliessungspolitik der Quatre Vallées deutlich: ein Poma-Skilift wurde durch ein Exemplar mit "enroulleurs" ersetzt.
Im Skilift Inalpe, ein mehrmals modernisierter Skilift von Bühler, der im Zuge der eingangs erwähnten Reissbretterschliessungs Thyon in den Jahren 1966-1967 entstand. Vor einiger Zeit hat er interessanterweise neue Gehänge des deutschen Herstellers Loipolder erhalten.
Thyon 2000, mit dem Charme einer französischen Retortenstation. Einzig die Schweizer Fahne erinnert uns hier daran, dass diese Zweckbauten nicht auf Territorium der "Grande Nation" stehen.
Da wir noch ausreichend Zeit haben, bis die Lifte schliessen, legen wir eine Fahrt am Skilift La Matze ein, die uns bis nach Les Collons führt. Leider ist die Abfahrt weit weniger interessant als die zuvor gefahrenen und wird gegen unten immer schmaler. Rechts und links wird sie von den Skiliften La Matze und Theyaz 1 flankiert, letzterer auf der Trasse des ersten Skilifts von Müller aus dem Jahr 1949.
Die Abfahrt nach Les Collons mit den Skiliften Theyaz 1 (rechts) und La Matze. Letzterer hat genau wie der Skilift Creppon Blanc 1 vor einiger Zeit eine neue Talstation von Leitner erhalten. Auch am gegenüberliegenden Hang gab es einmal Skibetrieb, genauer gesagt in Suen oberhalb von Saint-Martin am rechten Bildrand. Die Anlage von 1959 dürfte aber mit einer Länge von gerade einmal 190 Metern nicht wirklich interessant gewesen sein. Der Skilift reiht sich damit in die lange Liste der ersatzlos stillgelegten Unterwalliser Dorflifte wie in Les Haudères, Les Granges, Hérémence, Savièse, Saxon und vielen anderen ein.
Wir queren den Front de Neige von Les Collons in Richtung der Sesselbahnen Les Masses und L'Ethérolla ganz am östlichen Ende der vier Täler. Unterwegs fällt der Blick auf die schöne Beschäftigungsanlage Cabane de la Joc von Bühler, ebenfalls ein Skilift aus der Gründerzeit des Gebietes. Die Anlage ist die meistfrequentierteste an diesem Hang, da sie die meisten und schönsten Pisten direkt erschliesst.
Ein völliges Rätsel ist hingegen die gewählte Trassierung der Sesselbahn Trabanta, die nichts mit einem ehemaligen osteuropäischen Automobilhersteller zu tun hat, aber bereits ähnlich klappert wie dessen Produkte. Von Baco-Poma erbaut verläuft sie etwa parallel zum Skilift Cabane de la Joc, ist aber sowohl gegen unten als auch gegen oben etwas länger. Erreichbar ist die Talstation aber trotzdem nur über eine eigene, völlig uninteressante Piste mitten in Les Collons und auch von der Bergstation ist nur ein Ziehweg sowie der Skilift Cheminée erreichbar. Dennoch scheint die Anlage den ganzen Tag gut ausgelastet zu sein. Sie ersetzte eine fix geklemmte Zweiersesselbahn von Giovanola.
Der nächste Skilift stellte ursprünglich die zweite Sektion Theyaz von Müller dar, ist aber heute in erster Linie Beschäftigungsanlage für den nahe gelegenen Snowpark. 1997 wurde die alte Anlage, die ihre Station im sichtbaren Haus hatte, durch einen TTC-Skilift ersetzt.
Der Hang wird aber auch vom Skilift La Muraz erschlossen, ein weiterer Bühler-Skilift und heute mehrheitlich Beschäftigungsanlage, aber auch Zubringer zum Skilift La Cheminée und damit Richtung Siviez. Seine Bedeutung als Zubringeranlage hat jedoch seit dem Ersatz der oft überlasteten Sesselbahn Ethérolla etwas abgenommen.
Bislang ist der Hang rund um Les Collons mehrheitlich von Sesselbahnen mit Überkapazität verschont worden, was sich in naher Zukunft aber ändern dürfte. Für den kommenden Sommer ist der Bau einer Anlage von Les Masses zur Talstation der Sesselbahn Ethérolla angekündigt, eine kuppelbare Vierersesselbahn soll es werden. Was per se nicht allzu überdimensionert wirkt, erscheint uns nach einer Abfahrt entlang der bestehenden Städeli-Anlage als schlechter Witz. Die Abfahrt nach Les Masses besteht nur noch aus einem Ziehweg, der sich zwischen den zahllosen Chalets hindurchschlängelt. Hinzu kommt, dass er seit Tagen nicht mehr präpariert worden ist und die Fahrt durch die tiefen Furchen wahrlich kein Vergnügen darstellt. Weshalb man für diese Anlage, der ausschliesslich eine Zubringerfunktion für einige Chaletbesitzer zukommt, solch einen Ersatz vorsieht, ist mir nach wie vor ein völliges Rätsel. Doch vielleicht ist es auch nur der Anfang der Umwandlung von Thyon in einen massentauglichen Idiotenhang, denn es sind bereits weitere Anlagen geplant, sodass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die vielen Skilifte hier wegrationalisiert sein werden. Wer also noch einmal ein Schweizer Grossskigebiet im Ursprungszustand erleben will, der hat hier (nicht mehr lange) die letzte Chance.
Die Städeli-Sesselbahn Les Masses-Les Collons an einem untypischen Standort in den Quatre Vallées, war doch einst Verbier eine Hochburg mit über einem Dutzend Exemplaren dieses Anlagentyps. Es ist eine der letzten Schweizer Lattensesselbahnen, bei der man noch auf den Plastiklatten sitzt und nicht auf einem Komfortpolster. 70er Jahre live!
Nach dem Passieren eines ehemaligen Zwischeneinstiegs der Sesselbahn diskutieren wir darüber, welche Route wir nun zurück nach Siviez einschlagen. Inzwischen ist es Viertel vor vier, zwei Möglichkeiten via Muraz und Cheminée oder via Ethérolla haben wir. Wir entscheiden uns entgegen der Planung für letztere, da wir keinesfalls eine Warteschlange am Skilift Cheminée gebrauchen können, denn mit diesem müssten wir spätestens um Punkt vier Uhr fahren, um noch den Anschluss nach Siviez zu bekommen.
Unterwegs in der Sesselbahn Ethérolla, die 2008 eine fix geklemmte Sesselbahn von Bühler ersetzte.
Ein Foto der Bergstation des Skilifts Cheminée, neben dem Skilift Drus der letzte Kurzbügler in Veysonnaz. Auch er hat vor einigen Jahren eine neue Talstation erhalten, allerdings nicht von Leitner, sondern vom Konkurrenten Doppelmayr. Wie erwartet ist jeder Bügel besetzt - eine Fahrt via Muraz und dem besagten Cheminée wäre vermutlich sehr knapp geworden. Der etwas oberhalb startende Skilift Les Crêtes wäre hier Gold wert gewesen, doch diesen schliff man leider beim Bau der Sesselbahn Ethérolla. Inzwischen haben sich im ganzen Gebiet einige Schleierwolken ausgebreitet.
Unterwegs im Skilift La Tsa zurück Richtung Siviez. Auch er besitzt seit kurzem eine neue Antriebsstation von Doppelmayr.
Zwei Lifte benötigen wir nun noch, um nach Siviez abfahren zu können. Einmal bleibt uns die Wahl zwischen dem Skilift Les Chottes und dem Skilift La Meina, als zweites müssen wir zwingend den Skilift Creppon Blanc 2 benutzen. Da sich alle anderen zum erstgenannten Lift aufmachen, wählen wir die etwas längere Route zum Skilift La Meina, der mit seiner Linienführung im Dreieck und seinen alten Leitner-Gehängen auch technisch um Längen interessanter ist als der Skilift Les Chottes. Dieser weist seit neuestem Gehänge von Loipolder auf, die Talstation ist aber im Gegensatz zu vielen anderen Skiliften in der Region immer noch original von Von Roll. Neben dem Skilift Fontaines im Bereich Nendaz weist die Anlage La Meina kurioserweise immer noch Leitner-Gehänge aus den Urzeiten dieses Skigebiets auf, eine wahrlich seltene Kombination. Da aber in der kommenden Saison relativ neue Gehänge am Plan du Fou nutzlos werden, dürften die Tage dieser Kurzteller hier aber auch gezählt sein.
Skilift Les Chottes.
Talstation des Skilifts La Meina - deutlich zu sehen ist die Dreiecksseilführung.
Ausstieg des Skilifts La Meina, dahinter die Bergstation des Skilifts Les Chottes. Über sie hinweg führt die Sesselbahn Creppon Blanc 3, für eine Fahrt geht es sich hier leider nicht mehr aus.
Gegen 16.20 Uhr erreichen wir die Talstation des Skilifts Creppon Blanc, diesmal nehmen wir den "inneren" der beiden. Dieser besitzt auch einen Zwischenausstieg, von dem aus Siviez bereits erreicht werden kann, wir ziehen es aber vor, bis zur Bergstation zu fahren. Auf diese Weise nehmen wir noch einen schönen, steilen Hang mit, der allerdings trotz der guten Schneelage bereits einige Steine aufweist.
Eine Viertelstunde später treffen wir nach einer wenig ereignisreichen und wenig interessanten Fahrt via Combatseline wieder in Siviez ein. Die Sicht ist der Wolken wegen inzwischen nicht mehr optimal, doch eine Fahrt mit der Sesselbahn Super Nendaz-Siviez lassen wir uns nicht nehmen. Nie mehr werden wir die Chance haben, hier durch den lichten Wald Richtung Plan du Fou zu schweben, wird sie doch - wie erwähnt - bereits im kommenden Sommer durch eine Kabinenbahn auf neuer Trasse ersetzt. Völlig unverständlich fährt diese Bahn bis 16.45 Uhr, obwohl die zweite Sektion, der Anschluss nach Nendaz, bereits um 16.30 Uhr schliesst und die Bahn selbst eigentlich keine interessanten Abfahrten bedient. Uns kommt dieses Mysterium jedenfalls entgegen, sodass wir es noch bis zur Hälfte des Plan-du-Fou-Hanges schaffen, die zweite Sektion hat kurz vor unserem Eintreffen die letzten Gäste befördert. So machen wir uns über eine blaue Abfahrt, hauptsächlich ein Ziehweg, wieder auf zurück zum Parkplatz, von wo aus es wieder zurück in Richtung Lens geht.
Die Sesselbahn Super Nendaz-Siviez mit ihrer wenig spektakulären und wenig abwechslungsreichen Trasse.
Für Deine Berichte muss man sich ordentlich Zeit nehmen, aber in absolut positivem Sinn: Die 4 Täler sind ein (zumindestens für mich) schwer zu fassendes Gebiet, dessen Struktur sich mireigentlich erst bei meinem bisher einzigen (zweitägigen) Besuch vor einigen Jahren erschlossen hat. Für mich ein absolut einzigartiges Schigebiet mit seinen langen Verbindungsrouten ohne wesentliche Trassierungen. Aber zurück zu Deinem Bericht: ich staune immer mehr über Dein riiesiges Detailwissen, das im Rahmen des Textes "wie aus dem Ärmel geschüttelt" wirkt. Und Kompliment auch an Deinen Vater, der diese Besichtigungstouren offenbar gerne mitmacht (oder gehen seine Interessen auch über das Schifahren hinaus in Richtung Infrastruktur?) Bin schon gespannt auf die Fortsetzungen.....
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Grandioser Bericht. Muss mir ebenfalls noch die Zeit nehmen - und den Text lesen. Aber alleine schon die Bilder sind sehr eindrucksvoll - und das bei Top-Bedingungen! Detailliertere Replik folgt zu einem späteren Zeitpunkt.
Für Deine Berichte muss man sich ordentlich Zeit nehmen, aber in absolut positivem Sinn: Die 4 Täler sind ein (zumindestens für mich) schwer zu fassendes Gebiet, dessen Struktur sich mireigentlich erst bei meinem bisher einzigen (zweitägigen) Besuch vor einigen Jahren erschlossen hat. Für mich ein absolut einzigartiges Schigebiet mit seinen langen Verbindungsrouten ohne wesentliche Trassierungen. Aber zurück zu Deinem Bericht: ich staune immer mehr über Dein riiesiges Detailwissen, das im Rahmen des Textes "wie aus dem Ärmel geschüttelt" wirkt. Und Kompliment auch an Deinen Vater, der diese Besichtigungstouren offenbar gerne mitmacht (oder gehen seine Interessen auch über das Schifahren hinaus in Richtung Infrastruktur?) Bin schon gespannt auf die Fortsetzungen.....
Ja, der Quatre-Vallées-Bericht ist in der Tat ziemlich lang geworden, ohne, dass das von Anfang an so gewollt war. Allerdings gewinnt man in einem derart speziellen und grossen Gebiet einfach derart viele Eindrücke, dass man gar nicht um den einen oder anderen Absatz herumkommt, wenn man möglichst alles schildern möchte. Inzwischen ist das ganze Gebiet für mich nach dem nun dritten Besuch ein regelrechter Mythos geworden und dies aus verschiedenen Gründen: Einmal die von Dir bereits erwähnten Verbindungsrouten, die anderswo vermutlich schon längst zu Autobahnen umgestaltet worden wären, die enorme Grösse und selbstverständlich die in weiten Teilen noch so ursprüngliche Infrastruktur. Das Skigebiet ist auf seine Art schlichtweg unvergleichbar mit anderen Gebieten, die eine ähnliche Grösse aufweisen. Aber wer weiss schon, wie lange das noch so bleibt? In Verbier hat die Modernisierungswelle ja bekanntlich schon kräftig ihre Spuren hinterlassen...
Was das Detailwissen angeht: Da sind viele Stunden Recherchearbeit vergangen, aber da meinerseits ein gewisses Interesse schon seit vielen Jahren besteht, hat sich in der Zwischenzeit einiges angesammelt . Speziell in den vier Tälern ist es aber intermezzo mit seinen Fotos aus den 80ern zu verdanken, dass so viele Details zu Liften und Herstellern von annodazumal bekannt sind! Mein Vater interessiert sich durchaus auch für die Infrastruktur, wenngleich das für ihn nicht das Hauptargument für eine solche Tour ist. Aber auch das Skifahren ansich kommt bei uns in der Regel nicht zu kurz .
intermezzo hat geschrieben:
Grandioser Bericht. Muss mir ebenfalls noch die Zeit nehmen - und den Text lesen. Aber alleine schon die Bilder sind sehr eindrucksvoll - und das bei Top-Bedingungen! Detailliertere Replik folgt zu einem späteren Zeitpunkt.
Merci . Und ja - die Bedingungen waren wirklich optimal, die ganzen fünf Tage lang hatten wir strahlenden Sonnenschein. Scheint so, als hätten wir wirklich die wettermässig mit Abstand beste Woche des Winters erwischt.
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hmm, was mich stört ist etwas der negative ins pathetische abgleitende Unterton.
Du schreibst, dass die Berge so etwas nicht verdient hätten. Was haben den die Berge nicht verdient? Ich fragte mich das beim lesen. Bzw. warum haben die Berge ein Skigebiet im Zustand von vor 20-30 Jahren denn verdient? Oder wäre nicht der logische Schluß daraus, dass kein Berg überhaupt ein Skigebiet verdient hätte? Maximal einige Erschließungen per Pendelbahn? Müsste ich diese Frage nicht überhaupt aus Sicht von vor 20-30 Jahren stellen? Wo jede Erschließung eine Neuerschließung war, anstatt eine Ersatzinvestition wie heute? Ist eine Neuerschließung von damals besser als eine Planierung von heute? Und wie haben wir damals über die Warteschlangen an Liften geschimpft - wären wir doch lieber über überfüllte Pisten gefahren, anstatt an überfüllten Liften anzustehen.
Was haben denn die Bergbahnbetreiber verdient? Die denken betriebswirtschaftlich nicht historisch verklärt.
Nein, mit dieser Gedankenwelt werde ich nicht warm. Zwar erfreue ich mich auch an alten historischen Liftanlagen, einsamen Geländekammern, aber diese Bewertung ist mir fremd. V.a. ist der heutige Skifahrer sich kein größerer Idiot als damals. Aber den Zeitenwechsel deswegen zu verdammen? Konzentration kann man auch positiv sehen. LSAP woanders führen auch zu einer Renaturierung in anderen Regionen.
Trotzdem danke für die tollen Bilder aus einem Gebiet, welches ich unbedingt mal sehen will. Gerade die Möglichkeit einen modernen Industrieskiurlaub mit den hohen Anforderungen eines Mont Forts bzw. Geles zu verbinden reizt mich doch sehr.
Und wie haben wir damals über die Warteschlangen an Liften geschimpft - wären wir doch lieber über überfüllte Pisten gefahren, anstatt an überfüllten Liften anzustehen.
Klar, haben wir uns damals über lange Liftschlangen AUCH geärgert, dennoch: Der letzte Teil Deiner Aussage zweifle ich stark an. Ist reine Mutmassung.
hmm, was mich stört ist etwas der negative ins pathetische abgleitende Unterton.
Du schreibst, dass die Berge so etwas nicht verdient hätten. Was haben den die Berge nicht verdient? Ich fragte mich das beim lesen. Bzw. warum haben die Berge ein Skigebiet im Zustand von vor 20-30 Jahren denn verdient? Oder wäre nicht der logische Schluß daraus, dass kein Berg überhaupt ein Skigebiet verdient hätte? Maximal einige Erschließungen per Pendelbahn? Müsste ich diese Frage nicht überhaupt aus Sicht von vor 20-30 Jahren stellen? Wo jede Erschließung eine Neuerschließung war, anstatt eine Ersatzinvestition wie heute? Ist eine Neuerschließung von damals besser als eine Planierung von heute?
Natürlich ist es Ansichtssache, wo man hier die Grenze zieht zwischen einer adäquaten infrastrukturellen Erschliessung der Bergwelt und einer überzogenen Industrialisierung. Für einen Alpenbewohner vor 120 Jahren dürften bereits die ersten Bergbahnen überhaupt ein Dorn im Auge gewesen sein, da die Bergwelt und das Panorama fortan eben nicht mehr den Bergsteigern vorbehalten war, die sich diese Dinge selbst erarbeitet hatten, sondern plötzlich auch dem normalen Mensch ohne grosse Anstrengung zugänglich wurde. Das ist für mich aber nicht der Punkt, meinetwegen kann man noch viele weitere Alpengipfel mechanisch erschliessen - aber eben immer unter Beachtung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Förderleistung und vorhandener Fläche. Was mich aber heute generell stört, ist die Tatsache, dass das Bewusstsein für eine intakte Bergwelt und deren Gefahren bei vielen Touristen nicht mehr vorhanden ist. Dani hatte das Ganze in meinen Augen sehr treffend mit "Kaufhausatmosphäre" beschrieben. Das Hochgebirge verkommt immer mehr zu einem riesigen Abenteuerspielplatz, alles ist abgesichert bis ins letzte Detail, überall gibt es Souvenirläden, Gastronomie - letztendlich eine Stadt auf dem Berg. Wenn ich schon sehe, dass die Leute auf der Aiguille du Midi in Flip-Flops herumlaufen oder im Pitztal geklagt wird, wenn man über einen Schneebrocken auf der Piste stürzt, dann frage ich mich, wo wir hier eigentlich gelandet sind? Und genau das ist der Punkt, an dem ich sage: das hat die Bergwelt nicht verdient. Wenn's nur darum geht, am Ende des Tages die meisten Höhenmeter auf der Skiline zu haben, sich abends beim Après-Ski abzuschiessen und überhaupt keine Sensibilisierung für die Bergwelt ansich vorhanden ist, dann hört bei mir das Verständnis auf.
Der Idealfall ist für mich wie beispielsweise am Mont Gélé, wenn eine Bergbahn schlichtweg nur als Aufstiegsanlage fungiert und den Gast auf dem Gipfel abstellt, nicht mehr und nicht weniger. Ab dann ist er auf sich alleine gestellt: Keine Fangzäune, Absicherungen, Planierungen oder ein riesiges Restaurant, hier und da vielleicht ein Hinweis oder eine Markierung, wo es lang geht. Natürlich könnte man auf diese Weise bei weitem nicht alle heute populären Gipfel erschliessen, man denke an Berge wie die Aiguille du Midi, bei der zusätzliche Infrastruktur in Form von den oben genannten Mitteln einer "Bearbeitung" des Bergs unabdingbar ist. Aber zumindest bis in Mattenregionen wäre eine derartige Erschliessung in den meisten Fällen problemlos möglich - genau so war es ja auch noch in den 70er und 80er Jahren. Auch eine maschinelle Bearbeitung der Pisten lehne ich nicht grundsätzlich ab, jedoch sollte selbige nicht auf Teufel komm raus irgendwie realisiert werden. Und genau das ist eben ein Punkt, der mir in den Quatre Vallées mit den Verbindungsrouten so gut gefällt.
Dass das nicht überall möglich oder sinnvoll ist, will ich gar nicht bestreiten, auch autobahnähnliche Pisten haben hier und dort ihre Berechtigung - aber eben, wie so oft im Leben, nicht im Übermass. Es gibt Hänge, da ist der Einsatz einer Anlage mit einer Förderleistung von 4000 P/h sinnvoll, aber es macht objektiv schlichtweg keinen Sinn, jeden noch so ungeeigneten Hang mit kapazitätsstarken Bahnen zuzupflastern und immer mehr Leute auf eine gleich bleibende Fläche zu transportieren.
fettiz hat geschrieben:
Und wie haben wir damals über die Warteschlangen an Liften geschimpft - wären wir doch lieber über überfüllte Pisten gefahren, anstatt an überfüllten Liften anzustehen.
Kann man geteilter Meinung sein. Ich persönlich stelle mich lieber an einer technisch interessanten, historischen Anlage 30 Minuten in die Warteschlange, als dass ich mich auf einer von einer kuppelbaren 8er Sesselbahn bedienten, völlig überfüllten Piste irgendwie am Rand runterkämpfe. Skifahren bedeutet für mich eine gewisse Freiheit zu haben und das in letzterem Fall nicht gegeben. Ob da nun am Ende des Tages zwei Fahrten mehr oder weniger zu verbuchen sind, das spielt für mich keine Rolle. Wichtig ist in erster Linie, dass ich die Abfahrten, die ich gemacht habe, zum Geniessen waren. Was nutzt mir eine Piste, auf der ich mich wie morgens im Berufsverkehr fühle? Ich suche im Urlaub Erholung und bin nicht auf der Flucht.
fettiz hat geschrieben:
Was haben denn die Bergbahnbetreiber verdient? Die denken betriebswirtschaftlich nicht historisch verklärt.
Keine Frage, das ist so und das ist auch vollkommen verständlich, dass die Betreiber so handeln (wäre auch etwas komisch, wenn ich als BWLer hier anders argumentieren würde ). Ich kritisiere auch keineswegs die Betreiber, denn diese reagieren letztendlich auch nur auf das, was die Mehrheit der Skifahrer wünscht. Von demher bezieht sich meine Kritik eher auf das gesellschaftliche Ideal eines Skigebiets und weniger auf die Umsetzung dieser Nachfrage durch die Betreiber.
Mir ist schon klar, dass man mit meinem Ideal heute vermutlich kein grösseres Skigebiet in den Alpen langfristig betreiben könnte (ausser vielleicht ein Skigebiet, das konsequent auf die Marke "Nostalgie" setzt, aber ein solches ist mir im Alpenraum nicht bekannt), aber ich denke, es ist mein gutes Recht, das von der Mehrheit der Skifahrer akzeptierte und gewünschte "Industrieskigebiet" und seine Begleiterscheinungen zu kritisieren. Es entspricht eben einfach nicht meinen Vorstellungen und hat mit der Art und Weise, wie ich Skifahren kennen und zu schätzen gelernt habe, wenig bis gar nichts zu tun.
fettiz hat geschrieben:
V.a. ist der heutige Skifahrer sich kein größerer Idiot als damals. Aber den Zeitenwechsel deswegen zu verdammen? Konzentration kann man auch positiv sehen. LSAP woanders führen auch zu einer Renaturierung in anderen Regionen.
Das sehe ich etwas anders. Früher brauchte es eine gewisse Überwindung, sich die Hänge hinabzustürzen, und Geschick, sie überhaupt zu erklimmen. Wer für die Piste nicht gemacht war, der kam mit dem Schlepplift eben auch gar nicht erst bis ganz nach oben und ging freiwillig nochmals ein wenig im Tal üben, um sich den grösseren Herausforderungen zu widmen. Heute meint jeder, er sei nach drei Tagen Schullager im Skigebiet der Überflieger und macht sich gleich auf bis ganz nach oben - wo er dank ultrakomfortablen Bahnen auch ohne Probleme ankommt. Dort kommt dann aber das bittere Erwachen, oder aber eine Abfahrt mit völliger Selbstüberschätzung nach dem Motto "kann mir ja dank Helm, Rückenprotektor und Fangzäunen nichts passieren". Und das ist meines Erachtens eben unter anderem auch eine Folge des angesprochenen Abenteuerspielplatz-Bildes, das viele Skigäste (unbewusst) von der Bergwelt haben.
Konzentration auf einige Skigebiete sehe ich jedoch tendenziell durchaus als sinnvoll an. Einzelne Lifte oder kleinere Skigebiete (< fünf Anlagen) sind heute, wo die Boomzeit des Skisports vorbei ist, kaum mehr betriebswirtschaftlich sinnvoll zu betreiben. Nur es kann nicht funktionieren, kleinere Skigebiete stillzulegen, aber andererseits die verbleibenden räumlich nicht zu erweitern und stattdessen das bestehende Areal überzuerschliessen. Dummerweise ist genau das aber viel lukrativer, auf einen Gast kommt weniger Personal, weniger Wartungsaufwand etc. verglichen mit mehreren verstreuten Anlagen mit adäquater Förderleistung. Und solange das von den Gästen akzeptiert und sogar gewünscht wird, wunderbar ...
Wobei, wenn man es mit der Konzentration etwas positiver sieht, hat es auch Vorteile, dann kann man anderswo verrostete Liftanlagen im Nirwana erkunden, das ist eh viel spannender als planierte Pisten zu fahren . Nur dummerweise werden die ja neuerdings nach der Stilllegung alle direkt dem Erdboden gleich gemacht .
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intermezzo hat geschrieben:
Klar, haben wir uns damals über lange Liftschlangen AUCH geärgert, dennoch: Der letzte Teil Deiner Aussage zweifle ich stark an. Ist reine Mutmassung.
Damals hat man sich darüber doch gar keine Gedanken gemacht - jedenfalls ich nicht. Man wollte nur weniger lang anstehen und daher war jede neue Bahn, die die Wartezeiten verkürzte, Gold wert. Der Umstand mit den dafür vollen Pisten kam m.E. erst einige Zeit später. Wobei ich mir relativ sicher bin, dass den wenigsten Leuten - auch jetzt noch - diese Wechselwirkung bewusst ist.
Könnte das evtl. mit ein Grund sein, warum man in Frankreich KSSL so gern mit 4SB ersetzt hat? Höhere Förderleistung, aber man bindet wenigstens mehr Skifahrer auf die Lifttrasse als bei einer 4KSB ...
Könnte das evtl. mit ein Grund sein, warum man in Frankreich KSSL so gern mit 4SB ersetzt hat? Höhere Förderleistung, aber man bindet wenigstens mehr Skifahrer auf die Lifttrasse als bei einer 4KSB ...
Eine gute Frage. Zumeist waren ja KSSL im Doppelpack vorhanden, d.h. mit einer theoretischen Kapazität von wenigstens 2x 700 bis 900 p/h, was 1400-1800 p/h zuammen ergibt. Eine 4-SB wird maximal auf 2400 p/h ausgelegt, ist aber auch in Frankreich gerne mal mit 1400 oder 1800 p/h anzutreffen. Da die Fahrtgeschwindigkeit einer 4-SB deutlich langsamer ist als die der KSSL werden dann tatsächlich mehr Personen im Lift gebunden, was den Kapazitätsüberhang kompensieren dürfte, allerdings bezweifle ich, dass dieses Argument für die Betreiber ausschlaggebend sein dürfte. Ich denke das Hauptziel ist es die als unbequem empfundenen SLte zu ersetzen durch eine Bahn mit Sitzgelegenheit, und die Wahl für die fixgeklemmte Variante fällt aus Kostengesichtspunkten (Baukosten und Unterhalt).
Was in Verbiert/4V auftreten dürfte ist eine extreme Konzentration der Allerweltsfahrer auf die relativ kleinen, gut ausgebauten Bereich in der Combe de Médran/Verbier mit (zeitgemäßen) Expressanlagen, Beschneiung und Präparierung. Die vergleichsweise großen Skigebietsflächen in Richtung Tortin und am Mt Fort werden von dieser Klientel wegen Schwierigkeitsgrad, Nicht-Präparierung und begrenzter Liftkapazität so gut wie nicht aufgesucht, weshalb es zu einer starken Polarisierung mit der Folge Crowding kommt. Auch wenn dieser Vorschlag in diesem Forum hier einem Sakrileg gleichkommt, wage ich es dennoch ihn zu äußern: um das Kerngebiet von Verbier zu entlasten, wäre es ratsam aus meiner Sicht, in den oben genannten Sektoren zumindest eine Abfahrt regelmäßig zu präparieren, was wiederum Skifahrerströme in Richtung Thyon etc. und Nendaz ermöglichen würde, die zusammengenommen zu einer besseren Verteilung der Skifahrer im Gesamtgebiet führen dürfte. Nichtsdestotrotz finde ich das in den 4V verfolgte Konzept der Skiroutenartigen Verbindungspisten zwischen den einzelnen Skigebietsteilen innovativ, betriebswirtschaftlich mutig und für gute Skifahrer natürlich ein Leckerbissen. In diesem Sinne also bitte so lassen...
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