::: mercantour 2012 Das frühlingshafte Wetter und eine gewisse Reiselust, die mit dieser Jahreszeit verbunden sein mag, ließen uns dieser Tage eine kleine Runde durch den Süden der Alpen drehen. Donnerstag Nacht nach der Arbeit (also gegen 23.00 Uhr) direkt vom Büro aus los gen Süden – bei drei Fahrern eigentlich recht entspannt. Bei Sonnenaufgang passieren wir den Genfer See, Frühstück in Aosta, gegen 10.00 Uhr sind wir in Gressoney.
Nachdem das Gebiet nun hinreichend dokumentiert ist und ich auch primär ein wenig entspannt schifahren wollte, gibt es dazu quasi keine Bilder. Ein paar Anmerkungen noch.
Gressoney ist bekannt als eines der schlechterschlossensten Schigebiete der Alpen, das insbesondere durch Verschlimmbesserungen aller möglicher Art auffällt. Dazu gehören der Wegfall bestehender Anlagen mit ensprechender Verkleinerung des Schigebiets, Lifttrassen, die (unnötig) ewige Ziehwege bedingen und auch ansonsten ziemlich ungeeignete Positionierung der Lifte. Vor kurzem wurde also die Agudio-EUB von Stafal ersetzt durch eine Kabinenbahn mit 8er-Kabinen. Subjektiv bedauer ich natürlich den Wegfall der stilistisch sicher interessanteren Agudiobahn, ansonsten ist das eine klassische Modernisierung, wie nun einmal geschieht. Weniger erfreulich hingegen ist, dass auch die zweite Sektion umgebaut wurde: von EUB12 auf EUB8. Ergebnis: Schlange im leeren Schigebiet!! Das ganze könnte man ja noch verstehen, wenn jetzt beide Sektionen verbunden worden wären (was sehr (!) sinnvoll gewesen wäre). Aber nein: man muss nach wie vor zwischen beiden Sektionen einen Fußmarsch in Kauf nehmen. Das verstehe wer will!
Ansonsten gibt es wenig Neues zu berichten. Abseits der Piste ging wenig ob der aktuellen Temperaturen. Eigentlich hatte ich auch mehr Neuschnee erwartet, aber die Schneelage ist trotz der letzten Schneefälle eher dürftig, im Gelände war es anstrengend und die Pisten waren nur teilweise gut präpariert, was bei den aktuellen Temperaturen allerdings auch kaum vermeidbar ist. Die Talabfahrt nach Alagna war geschlossen (und aus gutem Grund), was das Gebiet von Alagna relativ unspektakulär macht. Landschaftlich ist das natürlich alles Großes Kino – man darf eben nicht zu nostalgisch sein. Das zerstörte Guglielmina zu sehen hat mich dann auch weniger berührt – die wirklich genialen Zeiten liegen nun ohnehin ein Jahrzehnt zurück.
Lustig war noch, dass ich im Funifor ausgerechnet Jimmy Pettersson getroffen hab (Grüße an Gerrit), dessen Buch ich jedem empfehle. Das ganze führte dann zu einem kurzen Skitausch (C4 (neu) gegen BBR von Salomon). Die BBR fand ich ziemlich cool, Jimmy war von den C4 auch begeistert, er hatte seinerzeit die alten geliebt. Wir sind so verblieben, dass ich nächstes mal die alten Ski mitbringe…
Der Abend brachte dann ein nettes Abendessen in einem uns bereits bekannten Restaurant im Hinterland von Finale Ligure, Nachtflug über die Ligurische Autobahn (persönliche Rekordzeit) und dann ein recht nächtliches Ankommen in St. Martin de Vesubie.
Für das Schifahren im Bereich Mercantour kann ich sehr die „Bonne Auberge“ empfehlen. Zwar sind die meisten Schigebiete (außer La Colmiane) nicht gerade um die Ecke, aber die Lage ist schön (das ist ein sehr schönes Dorf) und die Unterkunft nett und günstig.
Unser zweiter Schitag führt uns nach ISOLA 2000!
Das schlechteste an diesem Tag war eigentlich die relativ überschaubare Schneelage, die den wahren Wert dieses Schigebiets ein wenig verschleierte – vor allem im Vergleich zu der Über-Schneelage letztes Jahr um diese Zeit.
Ansonsten bleibt ISOLA 2000 eines der mit Abstand besten Schigebiete der Alpen. Das Schigebiet hat eigentlich nur zwei wesentliche Minuspunkte: teilweise remodellierte Pisten und Neubauten in der Station, die ziemlich hässlich und stillos sind (im Wesentlichen sinnlos verstreute Copy-Paste-Chalets in Reih und Glied). Die alte Bausubstanz der Station hingegen ist ziemlich cool, wenn auch nicht allzu außergewöhnlich.
Zu den genialen Punkten von ISOLA 2000. Davon gibt es eine ganze Menge, ich versuche, das mal auf den Punkt zu bringen. Erstens: die Sonne. Zweitens: der Côte d’Azur Schnee. Drittens: die Côte d’Azur (quasi um die Ecke). Viertens: der absolute gechillte südfranzöische Stil (Schigebiet ist eben nur von der Côte aus erreichbar, da alle Pässte nach Norden geschlossen).
Daneben gibt es aber noch eine andere gravierende Genialitäten. Das Gelände ist prädestiniert für das Variantefahren, da es alles Steilheilten und jede Menge Raum bietet, unzählige Variante (inkl. diverser Steilrinnen) durch Lifte erschlossen werden und der lichte Mercantour-Baumbestand diverse wundervolle Routen durch die sonnigen Wälder ermöglicht. Außerdem bietet das Schigebiet jedemenge alter Pisten, die 70er-Jahre mäßig genial trassiert sind und quasi keine Baumaßnahmen aufweisen außer der leichte Auslichten der Wälder im Pistenbereich (was bedeutet, dass die Trassen gar nicht ohne weiteres auszumachen sind). Traumhaft!
Dann ist das Schigebiet landschaftlich genial, partiell ist das Panorama bestechend (Sisterongipfel; habe ich leider nie erreicht; Col de Lombarde (nach Italien)), aber das generelle Ambiente ist auch einfach sehr schön. Da ist zum einen der Stil von Mercantour, zum anderen aber auch das Isola seinem Namen alle Ehre macht: ein ziemlich isolierter Ort, an dem außer dem Schigebiet weit und breit nur wenig gibt. Der Nationalpark tut ein übrigens, aber schon die Anfahrt durch das extrem lawinengefährdete Tal auf der Ultra-Retro-Straße (steil, eng, kaum gesichert) ist einfach cool (diverse Gemsen auf der Straße).
Die Liftanlagen sind im großen und ganzen auch ziemlich cool. Der TSF2 Col de Lombarde hat seinen Charme, nicht allein wegen der weißen Sessel. Der TK Grande Combe ist ein Dreieckslift in einem wundervollen einsamen Hochtal, dessen Rückspur ziemlich hoch durch die Luft führt und dessen Trasse teilweise hundert Meter in der Mitte der Piste hinaufführt, was ziemlich spektakulär ist. Dann ist da der ultra-steile (und das mein ich so) TK Park, der einen (natürlich) beim Einstieg in die Luft hebt. Im Bereich der Station gibt es die TKs Roubines und Front de Neige, deren genaue Trassen kaum zu durchschauen sind, die quasi die Schnee-Terrassen der Bars queren und sich dann in den weiten des Hochtals plötzlich in ruhigen abgelegen Ecken verlieren. Dann gibt es den supersteilen, ausgesetzen TSF Sisteron, der einen genialen Hochpunkt und unbeschreibliche Routen erschließt (was ich allerdings noch nicht selbst ausprobieren konnte), sowie einige andere Old-School-Anlagen, die das Gebiet klar aufwerten (Poma EUB Pelevos, TK St. Sauveur, TSF Merlier). Teilweise ist es auch einfach die Abgeschiedenheit der Anlagen, die ein besondere Flair vermitteln, insbesondere abseits der Pisten (zB TSF Mene).
Insgesamt ist das jedenfalls ein Schigebiet, mit einem absolut starken, uniquen Charakter, dass ein gigantisches Potential bietet, das es in die Oberklasse katapultiert.
Hier sieht man die Rückseite des vom TSF Sisteron erschlossenen Gipfels. Früher gab es hier eine offizielle Abfahrt, heute nennt man sowas Route, obwohl sich ansonsten nichts geändert hat. Ich hoffe, eines Tages bei besserer Schneelage dort zu sein.
Im Gelände am TSF MENE. Allein diese Anlage bietet diverse schöne Routen.
In der Bildmitte sieht man quer laufen eine der neuen modellierten Abfahrten, die leider die alte (steile) Trassierung der Pisten ersetzen. Man kann aber gleichzeitig die alten, wesentlichen direkten Trassierungen sehen, das erfordert allerdings ein geübtes Auge, was die Genialität der Pistentrassen belegt. Die alten Pisten sind (wohl) generell nach wie vor fahrbar, auch wenn teilweise Verbotstafeln aufgestellt wird. Bei einigen haben wir das gemacht (ziemlich krassen Trassen, andere (noch extremere) Trassen hatten leider zu wenig Schnee).
Der Abend gehört Nice…
Den zweiten Tag gönnen wir Auron. Diese Station kannte ich – anderes als ISOLA 2000 – noch nicht. Generell ist die Lage des Gebietes schön, die Station ganz nett und das Mercantour-Ambiente auch hier vorhanden – allerdings ohne das futuristisch-avantgardistische Flair von ISOLA und seinem Schigebiet. Die Pisten sind vielfach zu sehr und zu unschön modelliert. Da die Schneelage schlecht ist (und das Wetter mäßig) fahren wir nur eine Runde einmal durch das Gebiet, es scheint auch schöne alte Pisten zu geben, die sind aber leider dieses Jahr um diese Zeit absolut schneefrei. Ansonsten zerschneiden die modellierten Abfahrten teilweise die alten Steilabfahrten, was besonders nervt. Trotzdem ist mein Gesamteindruck, dass man sich das Schigebiet nochmal bei besserer Schneelage ansehen sollte.
Auf der Rückfahrt inspizieren wir ein bisschen die verlassen Varianten der Straße durch das Tinéetal, bevor wir uns an die Küste bei St.-Tropez und zum Abendessen nach Grimaud begeben.
Nach einer Nacht in der Nähe von Gap ist der vierte Schitag unseres verlängerten Wochenendes dann schließlich Les Deux Alpes gewidmet – nicht nur, weil auch dieses eines der genialsten Schigebiete der West-Alpen ist, sondern auch, weil es bei diesen warmen Temperaturen der perfekte Ort ist, um über die Höhenlage den richten Schnee zu finden. Dieser Plan geht auf: es ist unglaublich warm, die Sonne brennt und den Schnee am Gletscher ist pulvrig, darunter meist firnig – man muss nur die Höhenstufe der Tageszeit anpassen.
Les deux alpes bietet vieles Geniale – und auch manches, was ich weniger mag, aber das fällt kaum auf. Man könnte Seiten darüber schreiben, aber ich will mich kurz fassen. Genial sind die verschiedenen Stufen: steil (und retro) im Ort, dann die diversen Hochtäler auf der zweiten Etage mit ihren unzähligen Varianten, die weiten Hochflächen der dritten Etage schließlich und letztlich die Etage Deluxe: das Gletscherschigebiet. Daneben ist der Ort auf seinem extrem sonnigen Plateau genial positioniert und das ganze Ambiente der super-schroffen, steilen Ecrins-Gipfel jenseits des auf beiden Seiten durch Steilabbrüche begrenzten Schigebietes tut ein übriges. Schließlich mochte ich auch das Clientel sehr gern, insbesondere gab es mindestens drei Parties mit ziemlich coolen Elektrosound (unter anderem eine auf fast 3000m an der Bergstation der Pendelbahn, wo wir uns tatsächlich zum Après-Ski haben hinreißen lassen, obwohl wir überhaupt erst gegen ein Uhr auf der Piste waren.
).
Nach der morgendlichen Anreise beginnen wir den Tag mit einem Mittagessen in Vernosc, das wirklich wunderschön ist. Die Anbindung erfolgt über die einen Kabinenbahn nach Les deux Alpes. Von dort geht es nach einem kurzen Fußweg mit der Vintage-Anlage „Diable“ (POMA EUB) in die Höhe – eine ziemlich nette Anlage und ein cooler Einstieg ins Schigebiet.
Im Bereich der Bergstation gibt neben einem silber-orangen TSF2 der ersten Stunde (mit genußvoller Sonnenpiste mit Traumblick) die Anlage Super-Diable, die hoch in die Felsen führt und eine rassige schwarze Piste wie auch den Zugang zu den nächsten Sektionen erschließt.
Nach einige Abfahrten in diesem Bereich queren wir zur Bergstation der Pendelbahn, von wo aus eine schnelle kuppelbare Sesselbahn bis an den Rand des Gletschers führt. Parallel dazu gäbe es des den Jandri-DMC, aber Abschnallen mitten im Schigebiet ist für uns keine Option! Umso besser, dass hier beide Möglichkeiten des Aufstiegs bestehen (bei schlechtem Wetter ist man für den DMC sicher dankbar); etwas, dass mich in anderen Schigebiete (vor allem pseudo-modernen!) regelmäßig nervt, denn nicht stört mehr, als EUB als sog. Sportbahnen, wo man bei bestem Wetter in zu engen (meist mäßig gut riechenden) Kabinen gedrängt hockt, die Schi an- und abschnallen muss und zudem häufig auch noch in die Stationen hinein bzw. hinaus laufen muss. Bis auf wenige Ausnahmen sind solche Anlagen daher wohl eher ein Minus an Komfort für jeden auch nur mäßig sportlich orientierten Schifahrer. Schigebiete wie Alta Badia sind daher No-Go-Zone!
Auch am Gletscher verzichten wir auf die U-Bahn-Fahrt, auch wenn das schon wieder irgendwo etwas gehabt hätte. Aber der SL ist einfach einfacher zu erreichen, in der Sonne und vermutlich im Ergebnis auch nicht langsamer. Also was solls!
Was mich schon erschreckt ist der Gletscherschwund! Ich war nur einmal in Les Deux Alpes, also Fußgänger im August 2002. Seither hat sich das Gelände, soweit mich meine Erinnerung nicht trügt, schon sehr verändert. Dass der SL Lauze als höchster Punkt überhaupt nur durch einen Verbindungs-SL heute erreichbar ist, wusste ich noch gar nicht. Ansonsten ist der Gletscher natürlich genial, schon wegen der Höhe, des freien Blicks nach Westen und des tollen Panoramas. Etwas wehmütig verzichten wir ob der knappen Zeit auf Avancen Richtung La Grave…
Die Gletscherabfahrt ist großartig, die Direttissima zum TSF Signal ist zwar gesperrt, allerdings sind viele im Tiefschnee dort hinab, was traumhaft sein muss. Wir verzichten heute, auch weil wir die Spaltengefahr nicht einschätzen können. Die Rückweg von Etage IV nach III ist kaum weniger spaßig, so dass wir schon bald wieder an der Bergstation der Pendelbahn stehen. Von dort folgt die nächste Traumabfahrt: die ziemlich abgelegene Piste in den Fée-Sektor. Die Vielfalt in Les Deux Alpes besticht genauso wie die geniale Positionierung der Anlagen: die Planer aus Gressoney sollten vielleicht mal einen Besucht wagen…
Nach der Runde durch den Fée-Sektor und dem Rückweg über den Bereich des Diable passieren wir erneut die Bergstation der PB, wo uns zum dritten mal (ultralaut) ein ziemlich cooler Elektrosound begegnet, so dass wir uns das jetzt einfach ansehen soll. Das Publikum da ist ziemlich abgefahren, recht spärlich bekleidet (teils), sehr ausgelassen, teilweise ziemlich stylisch, entspannt und überhaupt nicht mit der Après-Schi-Atmo der Nordalpen vergleichbar (was unter anderem deswegen interessant ist, weil der DJ offensichtlich Deutscher ist und das ganze von einem deutschen Reiseveranstalter organisiert worden zu sein scheint, obwohl das Publikum insgesamt französisch und ansonsten sehr international ist).
[ Ok, das war Teil des "SnowZone"-Festivals, habe das gerade nach geschaut. Ganz cooles LineUp jedenfalls. ]
Die Talabfahrt erfolgt schließlich nach fünf, in einem tollen goldenen Abendlicht. Anders als die Après-Schi-Aktivitäten hätten vermuten lassen können, geht es auf der Piste ruhig und anständig zu. Auf weiten Pisten passiert man die verschiedenen Stationen dieses Schigebietes, bis am Ende nochmals eines genial aufgefirnte Buckelpiste ins Tal wartet, die wir im Steilflug hinabtauchen.
Am Ende folgen wir den diversen Vintage-Schleppliften am Ortsrand über die Almwiesen, bis wir den Bereich der Kabinenbahn aus Venosc erreichen.
Ein Talfahrt, ein Stück im Auto, dann klingt ein wundervolles Wochenende am Lac d’Anecy aus, wo wir um ein savoyardisches Fondue nicht umhin kommen. Als ich zwölf Stunden später nach einer weitern Nachfahrt das Auto verlasse und direkt ins Büro gehe, lächle ich irgendwie in den Morgen und denke mir, dass ich gefühlt eine Woche im Urlaub gewesen bin… intensive Stunden…