Stilfser Joch - 20.08.2011 - A tribute to SommerschiVor gut einer Woche standen wir um 8 Uhr morgens an der Talstation der PB zum Trincerone und es regnete. Wobei Regen fast schon untertrieben ist. Es schüttete in großen Tropfen aus dunklen Wolken auf uns herab. An Sommerschi war nicht zu denken, das bestätigte uns auch die Dame an der Kasse. Und dass, obwohl wir uns so lange auf diesen Tag vorbereitet und gefreut hatten. Noch am Abend zuvor standen wir vor dem Hotel Franzenshöhe in einer fast sternenklaren Nacht und hatten uns schon auf einen genialen Sommerschitag eingestellt. Aber gut, wir konnten es nicht ändern. So machten wir - viel früher als geplant und mit äußerst schlechter Laune - auf den Heimweg. Aber bereits vier Tage später sollten wir wieder auf dem Joch stehen. Von dem einmaligen Tag möchte ich in diesem Bericht erzählen.
Schon seit Ende 2010, als ich zum ersten Mal auf den genialen
Sommerschi-Bericht von trincerone gestoßen bin, stand ein Tag am Stilfser Joch ganz oben auf der Liste. Umso schöner war gestern das Gefühl - nach fünf Stunden Schifahren - dass es endlich geklappt hatte. Ich überlegte heute einige Zeit, ob der Bericht in dieser Form überhaupt in das Sommerschi-Forum und nicht das Alpinforum passt. Eigentlich war trincerones Bericht das Vorbild, aber mit einer digitalen SLR, maximal Blende 1.8 und einer anderen Art zu fotografieren, waren diese, wie ich finde bisher unerreichten Stimmungsbilder nicht zu schaffen. Dennoch stelle ich mich der Herausforderung und freue ich mich über jegliche sachliche Kritik, egal welcher Art.
Es war im Laufe der Woche, als der Wetterbericht für Samstag immer besser wurde. Der missglückte Versuche drückte mir noch ein wenig auf's Gemüt, aber warum sollte man nicht so spontan sein und es direkt wieder versuchen? Natürlich ist die Anreise ein wenig stressig (Schleicher, Drängler und dann die Passstraße sind nicht ohne), aber in wenigen Wochen ist wieder Herbst und an das klassische Sommerschi nicht mehr zu denken.
Ich reservierte Donnerstag Abend noch schnell ein Zimmer im Hotel Albergo Genziana - alle weiteren Unterkünfte waren nicht online nicht zu buchen und auf eine Bestätigungsmail wollte ich nicht warten. Der Freitag war im Büro eine Qual, das Warten auf den erlösenden Feierabend dauerte eine gefühlte Ewigkeit. Aber nach neun langen Stunden war es dann endlich so weit, die Fahrt konnte beginnen. Mein Begleiter wartete bereits vor dem Büro und nach einem kurzen Abstecher nach Hause, um die Ausrüstung einzuladen, waren wir schon auf der A95 in Richtung Garmisch unterwegs.
Es war schon relativ leer, Sommerferien und Freitag Abend sei Dank. Um uns herum kam es immer wieder zu Gewittern, die schwüle Luft drückte unangenehm ins Auto.
Der übliche Wahnsinn vor Oberau blieb aus und wir erreichten relativ schnell die Umgehung von Farchant.
Auch Garmisch und Ehrwald passierten wir problemlos, bis uns auf dem Beschleunigungsstreifen zur Fernpassstraße noch zwei LKWs überholten. Es ist nicht so, dass ein Überqueren der Fernpasses mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 40 km/h neu für uns wären, aber wir hatten gehofft, heute davon verschont zu bleiben.
Weder war an ein waghalsiges Überholmanöver an der berühmten Kehre zu denken noch fuhren die LKWs kurz raus, um die lange Schlange vorbeizulassen. Erst vor Imst wurden wir erlöst. Hier war es jedoch egal, wir machten ohnehin eine Pause bei Mc Donald's.
Die weitere Fahrt und der Tankstopp in Landeck verlief dann ohne große Zwischenfälle (von den üblichen Wahnsinnigen abgesehen). Wir erreichten das Hotel gegen 22:30 Uhr als letzte Gäste dieses Tages. Am Pass war bereits Ruhe eingekehrt, aber für ein paar Bilder hat die Zeit nicht mehr gereicht - das Hotel schloss kurze Zeit nach unserer Ankunft die Türen. Wir waren auch zu müde, um noch eine Tour über den nächtlichen Pass zu machen.
Ein wenig blätterten wir in der Broschüre, die immer noch zwei bereits stillgelegte Lifte enthält (Campo Scuola & Nagler), dann war es bereits kurz vor Mitternacht und wir schliefen relativ bald ein.
Bereits um viertel vor sieben klingelte der Wecker wieder, eine für mich so gut wie schlaflose Nacht endete endlich. Lag es an der Höhe, dem Stress im Büro am Vortag oder hatte die Schlaflosigkeit andere Gründe - ich konnte es mir nicht erklären. Etwas gerädert kletterte ich aus dem Bett und nahm erstmal eine lange kalte Dusche. Danach ging es etwas besser der Tag konnte beginnen.
Während mein Begleiter duschte, hatte ich ein wenig Zeit für ein paar Fotos. Die Sonne strahlte bereits die Fassaden der gegenüberliegenden Gebäude sowie die Betonstützen der „Funivia Stelvio - Nagler“ an. Immer noch war es erstaunlich ruhig hier oben, ich kannte den Pass bisher nur mit seiner Oktoberfeststimmung, voll mit Motorradfahrern, Touristen, Fressständen und Ramschläden.
Das Hotel Sertorelli, dessen ehemaliger Besitzer auch Inhaber des ESL war, scheint mittlerweile LSAP zu sein. Auch wenn die Homepage mit Preisen von 2010 noch online ist und das Haus äußerlich einen guten Eindruck macht, wirkt es doch verlassen und dem Verfall preisgegeben.
Fast genau in der Sichtachse unseres Zimmers liegt die Trasse des ESL, der relativ schlecht geplant im Nichts begann und am Trincerone ein Stück unterhalb des Schigebiets endete. Nach dem Schitag sollten wir noch einen kurzen Abstecher zur Talstation unternehmen, zu sehen ist jedoch nichts mehr (außer der roten Umlenkscheibe, die hinter der Bergstation vor sich hin gammelt).
Das Frühstück erinnerte mich stark an die Adria-Urlaube meiner Kindheit. Pappige Semmeln, Saft und Kaffee aus Maschinen, die eher schlecht als recht funktionierten, und süße Sachen so weit das Auge reicht. Dennoch sollte sich der Muffin mit Aprikosenfüllung später als „Lebensretter“ erweisen. Trotz des Schlafmangels war ich hellwach ob der Nervosität, ob denn heute alles klappen würde. Offensichtlich war das Wetter perfekt und auch die PB bereits in Betrieb, aber wie bei vielen Schitagen vermutete ich eine erneute Enttäuschung noch in letzter Minute.
Aber diesmal hatten wir Glück bzw. kein Pech. Bereits um 7:45 Uhr standen wir an der Kasse der PB, bezahlten 36 Euro für den Schipass und fuhren direkt nach oben (leider waren die genialen Papierkarten mit Logo, die ich sonst immer sammle, noch nicht aus der Druckerei zurück und so mussten wir auf den normalen elektronischen Pass umsteigen).
Wir machten schnell ein Foto der Trasse und der LSAP-Bergstation des ESL, dann ging es direkt weiter zur Funifor. Ich hetzte ein wenig, die Sucht rief.
Der erste Blick hätte schöner fast nicht sein können. Der Abstieg über das Geröll und die Matten gestaltet sich allerdings schwieriger als gedacht.
In der Ferne ist bereits ein bisschen was los, anscheinend kann man auch früher hochfahren. Wir steigen den Hang hinunter, schnallen die Schi an, schieben uns über die Matten zum Einstieg und dann geht es los…
Nach wenigen Metern gehen die Matten in den Gletscher über, man folgt der provisorisch anmutenden Trassenführung bis zum Sommereinstieg des rechten Lifts. Es ist geschafft. Die Nervosität weicht einem euphorischen Zustand, der noch einige Zeit anhalten wird.
Der Blick nach oben zeigt einen strahlend blauen Himmel. Nach dem extremen Regen am Montag eine ungleich schönere Belohnung.
Neben dem Lift schießen bereits die Rennläufer über die Piste, im Hintergrund verflüchtigen sich die letzten Wolken am Ortler so langsam…
Man läßt den Blick scheifen, vor und zurück, sammelt die Eindrücke von einem Gebiet, das man bisher nur von den Berichten kannte. Die Realität übernimmt nun die Führung. Vorbei am Sommereinstieg, geht es jetzt immer weiter nach oben.
Später denke ich mir manchmal, ein Schlepper mit Bügeln wäre ganz schön, damit man seine Eindrücke mit dem Begleiter teilen kann. Aber mehr mit sich und der Umgebung beschäftigt zu sein, hat auch etwas.
Wir entscheiden uns für eine erste Fahrt direkt runter zum zweiten SL Geister, danach geht es zum SL Cristallo. Es dominiert der Generator oben im Verschlag die Geräuschkulisse, der die notwendige Energie liefert. Leider haben wir auch noch den alten SL verpasst, der hier bis 2008 stand.
Wie so oft bisher wirkt auch diese Station provisorisch. Überall Kabel, das Häuschen steht auf ein paar Steinen und nur der Antrieb selbst ist fest mit dem Gestein verbunden.
Am Morgen ziehen noch einige kleine Wolkenfelder über uns hinweg, bis es später für ein paar Stunden sonnig werden wird. Die Abfahrt am Cristallo ist noch hart, aber auch mit „gebrauchten“ Kanten gut zu fahren.
Auch im August kann man ein typischen Rillenbild liefern. Nur noch wenige Minuten sollte die Piste in diesem Zustand verharren, aber das Auffirnen war nicht mehr allzu weit entfernt.
In trincerones Bericht von vor einem Jahr lag deutlich mehr Schnee. Dagegen sieht es aktuell recht dürftig aus, was jedoch dem Fahrspaß keinen Abbruch tat. Die Piste ging hervorragend und es sollte von Minute zu Minute besser werden. Carven im Hochsommer, was für ein Privileg.
Eine ganze Zeit fuhren wir rund an Cristallo und Payer, drüben am Geister war recht viel los.
Das Ende der Wolkenfelder war in Sichtweite, gleich würde die Wärme der Sonne diesen Teil erreichen. Sommerschi konnte beginnen.
Erst etwas später entdeckte ich die (von hier aus gesehen) rechte Piste (wohl auch Funpark genannt). Offiziell gesperrt, war sie doch ideal um über die Bodenwellen weite Sprünge zu machen.
Man kann den Ausstieg auch als Stop interpretieren, am SL Payer ist er das im wahrsten Sinne des Wortes, wie wir später noch sehen werden.
Hoch oben über dem Ausstieg steht der Antrieb mit seiner interessanten Stütze.
Aus der Entfernung sieht man schön den Unterschied zwischen der alten und der neuen Trasse.
Unter uns haben auch hier die Rennteams einen großen Teil des Piste für sich beansprucht. Auch wenn am Ende genug Piste für den normalen Schifahrer zur Verfügung steht, wünscht man sich ab und zu, dass sich die Sperrungen am Wochenende doch ein wenig reduzieren. Platz für ausgedehnte Carving-Abfahrten bleibt so nur an wenigen Stellen.
Die Sonne bekommt nun endgültig die Oberhand, der Schnee geht jetzt in einem perfekten Zustand über. Die nächsten zwei Stunden sollten ein Hochgenuss werden.
Ein dominierendes Motiv auf den Gletschern
Verglichen mit dem Zustand manch anderer Gletscher außerhalb der Wintersaison findet man hier eine sehr gute Präparierung und nur wenige Furchen vor.
Ausstieg SL Payer. Schon im Steilstück auf den Metern davor reißt der Teller wie wild zwischen den Beinen, als würde er sich seines temporären Besitzers erwehren wollen. Dann kommt der Moment, in dem man die größtmögliche Distanz zum Gehänge einnimmt, aber wenige Zentimeter davor gibt man nach und der Bügel befreit sich mit einem starken Ruck von selbst.
Die Warteschlange am SL Geister hatte sich etwas reduziert, so machten wir wieder einen Abstecher in diesen Teil des Gebiets. Das Hotel Livrio mit seinem Design, das mich ein wenig an das Schwabylon erinnert, beherrscht fast jedes Foto.
Viel weiß ist auf den umliegenden Bergen nicht mehr zu sehen, wir fühlen uns wie auf einem der letzten Außenposten.
Ich hatte es bis dato noch nicht richtig wahrgenommen, aber die ersten Gletscherspalten tauchten auf. Gegen Mittag wurden diese immer deutlicher sichtbar.
Nach ein paar Fahrten wechselten wir zurück in den hinteren Teil, dazwischen machte ich dieses Bild. Nach einigen Sekunden vernahmen wir laute Rufe aus dem Off, wir standen mitten auf der Rennstrecke. Schnell verließen wir unsere Position, wunderten uns aber doch noch ein wenig, wieso man diese direkt auf die Verbindungen zwischen den Ausstieg des einen und der Piste des anderen SL legt.
Ursprünglich wollte ich nur die Sättigung für blau ein wenig reduzieren, nahm diese dann aber ganz zurück, da es für das Motiv so gut passte.
Zufallstreffer und komplett ooc, wie in einem Traum am Cristallo
Die Schifahrerdichte hatte am frühen Vormittag ihren Höhepunkt erreicht. Außer bei einer Abfahrt am SL Geister standen wir jedoch nie nennenswert an.
Seitenblick vom SL Cristallo, immer wieder brachen Steine den Hang herunter
Auf dem Übergang zur gesperrten Piste konnte man direkt nach oben zum Generatorschuppen und der LSAP-Bergstation fotografieren. Und wieder ist man konfrontiert mit der provisorischen Art, die hier oben so viel bestimmt.
Dass die Piste gesperrt war, interessierte eigentlich niemand. Die Steine, die aus dem Steilhang stürzten, blieben auch in sicherer Entfernung liegen und so stand dem Vergnügen nichts mehr im Wege.
Ein Fest für die Sinne!
Hinter der Station des SL gab es ein beeindruckendes Panorama und einen fast schon erschreckenden Tiefblick.
Gleichzeitig trifft man wieder auf einen Lagerplatz. Altes Häuschen und ein neuer Generator unter der Plane?
Auch am Geisterlift bot sich mittlerweile eine tolle Sicht und eine noch bessere Piste.
Wenn man nicht gerade einem der Rennteams angehörte, musste man diesen Tunnel nicht oft benutzen. Letztmalig wechselten wir nun zum Cristallo. Der Schnee wurde immer weicher und wir wollten vor der Schließung die Piste nochmal mitnehmen.
Zeit für ein paar Liftbilder:
Binnen weniger Minuten leerte sich das gesamte Gebiet, wir hatten nun fast schon alle Pisten für uns alleine. Nur noch wenige quälten sich durch den sulzigen Schnee. Es folgen noch ein paar Impressionen der letzten Fahrt mit dem SL Cristallo:
Die Abfahrt war jedoch kein Vergnügen mehr. Schnell Kantenwechsel zwischen den Schwüngen waren angesagt, sonst wurde man zu stark abgebremst und wäre - wie einige Fahrer vor uns - schnell im Schnee gelandet.
Die Zäune am Einstieg waren schon lange weggeräumt, als wir auch am SL Payer die letzte Fahrt antraten. Noch einmal konnten wir den Ausstieg erleben.
Im Hintergrund tauchten nun bereits erste dichtere Wolken auf, bergfex hatte das Wetter wieder perfekt vorausgesagt. Wir teilten uns die Pisten am SL Geister mit nur noch wenigen Leuten in diesen letzten Minuten. Der Liftler kannte uns bereits und gab uns noch Tipps, wie wir die Pfützen am besten umfahren sollten.
Unterhalb des Steilstücks hatte sich die Piste in eine Mischung aus Pfützen, Eis, Spalten und etwas Restschnee verwandelt. Auf der Trasse des SL war bereits komplett Wasserschi angesagt. Ich hatte ständig das Gefühl, das Wasser in den Schuhen zu spüren.
Der letzte Blick von oben, die letzte Abfahrt wartete. Es war sogar möglich, auf dem Eis bis fast unterhalb des Förderbands zu fahren und nur noch ein wenig über die Matten bis dorthin aufzusteigen.
Oben angekommen, setzten wir uns erstmal kurz zwischen die Touristen und genossen die Aussicht. Aber es war auch schon 13 Uhr, das Frühstück lag lange zurück, Durst und Hunger waren groß. Wir machten ein paar letzte Fotos…
Es war warm, sehr warm. Ich stand in den Schisachen an der Funifor und wäre am liebsten in den nächsten Gletscherfluss gesprungen. Die Abfahrt ließ noch ein wenig auf sich warten, so machten wir noch ein paar Bilder:
Am Trincerone überlegten wir noch kurz, zur alten Station des SL Nagler zu laufen. Aber der Hunger wiegte schwerer und viel gab es sowieso nicht mehr zu sehen.
Der Muffin, den ich in der Früh aus dem Hotel mitgenommen hatte, sorgte dann für die für den Aufstieg zur LSAP-Talstation notwendigen Energie. Leider gab es hier überhaupt nichts mehr zu sehen.
Wir liefen wieder nach unten, zumindest hatte man von hier aus eine gute Übersicht:
Auch vom Korblift ist außer dem Gebäude nichts mehr übrig.
Ein letzter Blick zurück, dann waren wir schon mittendrin im Trubel am Pass.
Aber die folgende Aussicht und das sehr gute Mittagessen im Hotel Franzenshöhe entschädigten auch noch dafür.
Müde und etwas erschöpft, aber dafür glücklich und entspannt, ging es den Pass hinab.
Auf der Rückfahrt hatten wir es dann noch mit den üblichen Verdächtigen zu tun, teilweise spielten sich wieder filmreife Szenen lebensmüder Autofahrer. Aber bereits heute sollte das egal sein, denn wir hatten ihn erlebt, den Sommerschitag am Stilfser Joch.