Vorwort:
Wesentliche Teile dieses Berichts finden sich bereits im Bericht der Southern-Trendkill-Tour. Ich stelle hier die Vollversion dieser Gebiets-Beschreibung nochmal separat ins Forum, vor allem, um aus dem Inhaltsverzeichnis und der Karte direkt auf dieses Gebiet verlinken zu können. Auch sind hier zusätzliche Bilder enthalten, so dass nahezu das gesamte Gebiet photographisch dargestellt ist. Die Bildbearbeitung selbst weist jedoch nicht das Niveau der Southern-Trendkill-Darstellung auf. Hier geht es rein um die nüchterne, komplette Dokumentation.
St. Rhémy - Crevacol, 14.2.2008: Liebe auf den zweiten Blick am Valentinstag
Es war vor knapp einem Jahr, ich fuhr mit dem Bus über die St.-Bernard-Straße und entdeckte eine Sesselbahn, welche die Straße überspannte und an Südhang hinaufführte. Das alles sah nicht sonderlich spannend aus; ich ging jedoch davon aus, dass diese Bahn nördlich des Alpenhauptkamms kaum bekannt sein dürfte, was die Sache für mich ein wenig spannend machte. Man muss wohl Starli heißen, um aus dem deutschen Sprachraum kommend ein solches Skigebiet zu besuchen, oder?
Nein - noch schlimmer: Selbst Starli hat dieses Gebiet auf seiner diesjährigen Tour links liegen gelassen, obwohl er direkt dort vorbeikam - und das will was heißen.
Wie schlimm muss ein kleines Gebiet sein, wenn selbst Starli dieses verschmäht?
Nichtsdestotrotz - würde ich wieder einmal in der Bernard-Gegend sein, würde ich mir die Sache vielleicht mal etwas genauer anschauen. Im Vorfeld der Southern-Trendlkill-Tour 2008 konkretisierte sich der Plan, dass ich mit dem Wagen den Tunnel durchqueren würde und meine Begleiter in Étroubles am Ende der Piste Italienne aufsammeln würde. Sofern der Zeitplan es zuließe, würde sich eventuell die Möglichkeit ergeben, dort mal mit beiden Sektionen per Einzelfahrt hinaufzufahren (ich hatte mittlerweile herausgefunden, dass es sich um 2 Sektionen Sessellift handelt) und die Piste hinabzuwedeln, um sich einen Eindruck zu verschaffen. Man bemerke die Formulierung "DIE Piste". Im Nachhinein ein guter Witz, dies sollte sich als eine der zahlreichen Fehleinschätzungen herausstellen.
Trincerones Sturz hatte in der Detailabwicklung für eine neue Situation gesorgt; der Valentinstag hatte wie geplant im genialen Skigebiet von Super St. Bernard begonnen nd dort auch für erstklasigen Skispaß gesorgt. Trincerone wechselte beharrlich seinen Standort zwischen Restaurant und Terrasse, und wir warteten ständig auf Anweisungen aus Deutschland, wie seinen Rücktransport abzuwickeln sei. Kurz nach der Mittagszeit war klar, dass Trincerone noch den kompletten Tag bei uns bleiben würde.Wir justierten das Programm neu mit dem Ziel, allen Beteiligten neue Perspektiven zu eröffnen. Gerrit und k2k würden die Felle unterschnallen und zum St-Bernard-Pass aufsteigen, um das Hospiz sowie gewisse lifttechnische Artefakten unter die Lupe zu nehmen. Trincerone und ich würden die schattige Nordseite verlassen und durch die Röhre auf die sonnige Südseite wechseln. Ich konnte dadurch das Skigebiet St. Rhémy-Crevacol etwas ausgiebiger erkunden und Trincerone würde die Gastronmie im Talstationsbereich testen und sich möglicherweise ein wenig über die touristische Entwicklung und diverse Planungen im südseitigen Talschluss informieren.
Auf der Südseite angekommen, bestätigt sich zunächst scheinbar eine mit Verwunderung verknüpfte Vermutung: Überall sonst auf der Welt baut man die Skigebiete in schattige Mulden und schneesichere Hänge. Nur hier - am Crevacol - hat man das Ganze offensichltich an den einzigen Hang gebaut, der regelmäßig schneefrei ist. Ohne Beschneiung geht hier gar nichts - so dachte ich seinerzeit. Dies sollte der nächste Trugschluss sein. Immerhin erscheint der Slogan des Gebiets konsequent: "Dove il sole scia con te" - wo die Sonne mit dir fährt. Da muss man wohl in anderen Dingen Abstriche machen !?!
^^ Noch auf der Passtraße fahrend - bietet sich unterhalb einer Serpentine dieser Blick auf den einigermaßen schneefreien Hang mit der unteren Sesselbahn Saint-Rhémy.
Nach dem Abzweig zur Talstation im Talboden bietet sich dann ein ganz anderes Bild; eindrucksvoll wird deutlich, wie viel es hier im Winter bereits geschneit hatte.
^^ An den Straßenrändern liegt ein guter Meter gesetzter Altschnee - eindrucksvoll wie auch die wilde Landschaft am westseitigen Talschluss
Nachdem Trincerone die an der Schattengrenze liegende Gastronomie angesteuert hat, schreite ich zum Kauf der Halbtageskarte - ich habe etwa 2 Stunden Zeit bis wir aufbrechen müssen, um Gerrit und k2k an der Piste Italienne abzuholen. Bei Kartenkauf blicke ich im Augenwinkel auf den Pistenplan, der mich gestalterisch nicht besonders anspricht. So schenke ich ihm nur wenig Bedeutung. Außerdem würde man solch einen Pistenplan in einem Gebiet mit nur 2 Liften auch kaum benötigen - die nächste Fehleinschätzung.
^^ Die Talstation der Leitner-08/15-DSB von 1984; man beachte die Schneemenge auf dem Dach des Beobachtungshäuschens
^^ Man überquert die Galerie der Bernard-Straße - daneben eine Talabfahrt
^^ Steilstufen sind nahezu schneefrei, die beschneite Hauptpiste ist Italien-typisch mit riesigen Fangnetzten gesichert.
^^ Die rot markierte und teilmodellierte Talabfahrt (Nr. 10)
^^ Das Militär auf der Piste
^^ Blick aus der Sesselbhn auf die schmale, blaue Talabfahrt (Nr. 8 )
^^ Kurz vor dem Ausstieg sieht man die obere Sektion - die 3SB Testa Bassa - und im Hintergrund eine aus dem Lärchenwald kommende Piste (Nr. 2)
^^ Talstation der 3SB Testa Bassa. Diese Poma-Alpha-Bahn hat 2000 einen Schlepplift ersetzt
^^ Optisch ansprechende Restauration im Bereich der Mittelstation
Bergstation der ersten Sektion im Lärchenwald, dahinter die grandiose Szenerie dieses Talschlusses.
^^ Herrliche südseitige Skihänge unter der 3SB Testa Bassa
Machen wir hier mal einen Break, denn jetzt komme ich ins Denken und Grübeln. Ich habe bereits einige interessant gelegene Pisten gesehen. Wie war das doch nochmal mit dem Pistenplan? Da war doch was! Auch wenn ich den Plan nur abfällig im Augenwinkel wahrgenommen habe, kommt mir jetzt doch in Erinnerung, dass auf dem Plan eine ganze Menge Pisten eingezeichnet waren. Und jetzt sehe ich, dass die mitnichten nur langweilig im "Zebra-Stil" nebeneinander liegen, sondern sich verwinkelt kreuzen, eigene Landschaften erschließen und teilweise sogar in enigen Kilometern Entfernung um den Berg herum führen. Plötzlich wird die Sache für mich hochinteressant und ich grübele, wie ich es wohl in den 2 Stunden schaffen würde, das Gebiet einigermaßen kennenzulernen.
Ich lege mir eine Strategie zurecht: Zunächst die Pisten möglich weit rechts (von unten aus gesehen) bis hinunter fahren; dann die Pisten ganz links. Dann hätte ich das Gebiet schon mal "in die Zange" genommen. Zum Schluss - wenn die Zeit reicht - würde ich nochmal in der Mitte abfahren und mittels der quer laufenden Pisten diesen Bereich möglichst gut "abscannen". Ich hätte nie gedacht, dass das eine so komplexe Aufgabe werden würde. An dieser Stelle jetzt der Pistenplan, den ich schnell rekapituliere:
Weiter geht's:
^^ Praktische Lösung: Der Tunnel Crevacol - hier unterquert die Piste 2 die Wettkampfpiste 9. So ist die Trasse auch "durchlässig", wenn Skirennen gefahren werden.
^^ Tunnel aus der Perspektive der Wettkampfpiste (Nr. 9 - Competitzione)
^^ Piste 4 (Testa Bassa 2)
^^ Kreuzung der 3 (Testa Bassa 1) mit der 2 (Marmotte), die in den Lärchenwald hineinführt - alles schön unmodelliert, aber dennoch prima zu fahren.
^^ Ziehweg in Richtung Westen, der die Pisten 2 (Marmotte), 11 (Toussac) und 1 (Merdeux) bedient. Hinten wieder der grandiose Talschluss.
^^ Der obere Bereich der 3SB Testa Bassa. Etwas Gedult braucht man für die Auffahrt zur 810 m über der Talstation gelegenen Bergstation. Die untere Sesselbahn hat 19 Stützen, die obere 17 Stützen.
^^ Alpha-Station von 2000. Ob da Occassionsteile verwendet wurden? Viele Bauteile der Bahn dürften aber definitiv neu gewesen sein.
^^ Jetzt der nächste Paukenschlag: Die gemäß meiner Strategie zu fahrende Piste 5 (Piccolo Alpino) ist eine excellente ud sprichwörtliche "Hintenrum-Abfahrt" - sie umkurvt grandios den zu sehenden Berg.
^^ Blick auf die im Winter gesperrte St.-Bernard-Passstraße auf der Rückseite des Gebiets
^^ Blick von der "Hinterum-Abfahrt" zurück zru Bergstation
^^ Auch die Piccolo Alpino strebt dem Lärchenald zu - stets den Blickauf die weite Aosta-Region vor Augen (Südosten)
^^ 12 Pisten mit insgesamt (ehrlichen) 22 km Länge garantieren bei 2 Liften mit insgesamt 2.700 p/h weitgehend menschenleere Pisten - klasse! Störfaktoren: Fehlanzeige.
^^ Herrlich im Lärchenwald trassiert. Die die blaue Piste 2 hier hinzugekommen ist, sind sogar ein paar, das Bild belebende Menschen zu sehen.
^^ Unterhalb der Mittelstation ist die etwa 7 km lange Piste überwiegend Ziehweg. Es macht aber viel Spaß, einsam auf Naturschnee durch herrliche Landschaft zu fahren und sich zwischenzeitlich sehr weit von den Aufstiegshilfen entfernt zu haben.
^^ Richtig gelesen: Auf Nautrschnee erreicht man problemlos das Tal. Keine Schneeprobleme gibt es hier. In diesem Bereich führt die Piste parallel zur Straße. An einer Stelle hat man sogar die Möglichkeit, auf das Dach der Galerie zu fahren.
^^ An einer Stelle hat man sogar die Möglichkeit, auf das Dach der Galerie zu fahren.
^^ Die nächste Auffahrt auf der unteren Sektion. Ich habe das Gebiet inzwischen in meine Herz geschlossen, was der an meinem Sessel angebrachte Ballon gut symbolisiert.
^^ Meine nächste Abfahrt sollte mich über den weißen Höhenrücken im Hintergrund führen: Die schwarze Piste 1 (Merdeux)
In der 3SB der 2. Sektion sitze ich neben einem etwa 60 Jahre alten Mann. Er spricht mich an: "Vous êtes Italien ?" "No! Allemand", entgegne ich. "Wenn Se elsässisch verstehn, kenne mer uns uf Deitsch unnerhale", schlägt er daraufhin vor. Ich erkläre ihm, dass dies überhaupt kein Problem darstelle und erzähle ein wenig von meinen elsässischen familiären Wurzeln. Er erklärt mir, dass die Piste Merdeux seit kurzem gesperrt sei, aber mit Ausnahme zweier etwas problematischer Stellen sehr gut zu befahren sei. In Ordnung! Ich würde also im Starli-Stil agieren. Auch nicht schlecht.
^^ Blick aus der Sesselbahn auf den Ziehweg zur Merdeux - er führt in eine einsame Berglandschaft.
^^ Anfang des Ziehwegs im Bereich der Sesselbahn
^^ Den Ziehweg inzwischen absolviert, befinde ich mich jetzt auf dem weißen Höhenrücken, der durch ein Tal von den Liftanlagen getrennt ist. Völlig allein folge ich der in das natürliche Gelände gut gewalzten Piste.
^^ Der Höehnrücken in der Bildmitte trägt die Liftanlagen (Stützen sind zu erahnen). Ich fahre Kilometer entfernt auf perfekter Naturschneepiste.
^^ Zoom auf die "Lärchenwaldpiste" (2 und 3b)
^^ Perfekter Schnee in perfekter Landschaft
^^ Hier kommt die erste der beiden angekündigten Problemstellen. Die Pistenmitte ist schneefrei. Aber am Pistenrand und knapp daneben lässt es sich problemlos fahren.
^^ Blick zurück zur "Problemstelle"; für Starli wäre so etwas alltäglich.
^^ Nach der zweiten Problemstelle ist die Piste wieder perfekt; ich nähere mich nach vielen Kilometern Abfahrt wieder dem Kerngebiet in Form der Galerie und der Talstation
^^ Gleich wird die Galerie unterquert.
^^ Zeitsprung: Noch einmal oben angekommen geht's auf zum "letzten Gefecht". Ich erkunde die "Gebietsmitte" über die Pistenkombination 4-2-3b-10. Hier auf der 4 perfekter Schnee in schöner Muldenführung. Insgesamt muss man sagen, das es nur wenige firnige oder sulzige Stellen gab. Insbesondere die Naturschneepisten waren halbwegs fest und nahezu pulvrig. Das Motto "dove il solo scia con te" wird mir jetzt so richtig sympathisch.
^^ Immer präsent - die Sonne.
^^ typischer Blick über das Gebiet im oberen Teil
^^ Auf der 3b: Meine geliebte Waldpiste - viel schöner als die Pisten in dunklen Nadelwäldern der Nordalpen
^^ Zu Tal geht's dann auf der beschneiten, teilmodellierten und netzgesicherten roten Talabfahrt 10 (Arpettaz). Dies ist eine typische 08/15-Talabfahrt - nichts Besonderes, was aber meiner inzwischen eingetretenen Begeisterung für dieses idyllische und erstaunlich große Familienskigebiet keinen Abbruch mehr tun kann. Trincerone hat inzwischen einiges über riesige Erweiterungspläne in den 80er Jahren erfahren und klärt mich entsprechend auf. Anschließend holen wir den Rest der Truppe in Étroubles ab, der mit der Piste Italienne ebenfalls eine völlig neue landschaftliche Erfahrung gemacht hat.
Fazit: Völlig unterschätzt hatte ich dieses Gebiet ! Alles andere als klein und langweilig ist es. Keinen gravierenden Schneemangel auf den Südhängen hat es.
Die nackten Zahlen sagen schon einiges über das Gebiet aus: 12 abwechslungsreiche Pisten mit echten 22 km Länge auf einer Gesamt-Höhendiffernz von 810 m (1640m - 2450m) sind respektable Werte. Sie entsprechen ziemlich exakt den Daten des Skigebiets Fellhorn-Kanzelwand, das als einer der größten Gebiete in Detuschschland gilt. Nur mit dem Unterschied, dass am Crevacol keine 12 Lifte mit 20.000 p/h laufen, sondern lediglich 2 Lifte mit 2.700 p/h. Damit ist klar: Absolut leere Pisten finden man am Crevacol vor. Auch die Fläche, die durch die Pisten aufgespannt wird, ist für 2 Lifte erstaunlich groß - es werden 2-3 Höhenrücken erschlossen. Meine Erfahrungen decken die Erwartungen, die durch diese Daten geweckt werden. Positiv sind aus meiner Sicht weiterhin die bereits südalpengeprägte Landschaft, der grandiose Blick in den "wilden" Westen sowie sympathische Einkehrstationen. Die Pisten selbst sind überwiegend einfach zu fahren und stellen skifahrerisch keine großen Anforderungen. Das Gebiet ist eher ein Familienskigebiet. Dennoch macht es sehr viel Spaß, die dem natürlichen Gelaände folgenden Pisten hinabzuwedeln und zu -carven.