Ans Ende Europas (Mai 2013)Das Nordkapp, per Luftlinie gleich weit vom Nordpol wie von Hamburg aus entfernt, ist ein Traumziel vieler Autofahrer. Wir haben einen kleinen Standortvorteil, müssen nicht aus dem fernen Deutschland anreisen, sondern können 1000 km entfernt in Luleå starten. Dennoch ist es ein weiter Weg, viele Mitstreiter lassen sich nicht finden, so machen wir uns schließlich zu zweit mit Zelt bewaffnet auf den Weg in den Norden.
Eine erste Pause gönnen wir uns beim Überqueren des Polarkreises. Jeder dieser Überquerungen entlang der Fernverkehrsrouten ist mit einem Parkplatz und Informationstafeln versehen. Eigentlich ist es nach zahlreichen vorangegangenen Überquerungen nichts mehr Besonderes für uns, aber eine Kaffeepause bei angenehmen Frühlingstemperaturen in der Sonne nehmen wir natürlich trotzdem mit.
Interessant ist, dass der Polarkreis nicht statisch seine Position hält, sondern aufgrund der Schwankungen der Neigung der Erdachse (
Nutation) sich selbst pro Jahr 14,4 m bewegt, derzeit in Richtung Norden. Innerhalb Diese Schwankung wird übrigens noch von einer weiteren Bewegung überlagert:
Die Tage der Schneemobile sind nun – zumindest hier – endgültig gezählt für den vergangenen Winter. So stehen die Streckenmarkierungen etwas verloren in der Gegend herum.
Auf dem Weg in den Norden geht es alsbald hinüber auf die finnische Seite des Torne älv, wo wir der E8 ein ganzes Stück folgen. Leider ist die Straße genau an allen Seen vorbeitrassiert, so dass wir schier unendlich lange nichts anderes wie Nadelwälder sehen. Auf schwedischer Seite ist die Straße wesentlich abwechslungsreicher, in diesem Bereich aber deutlich länger. So sind wir froh, die E8 wieder verlassen zu können und der norwegischen Grenze näher zu kommen. Die Benzinpreise steigen kontinuierlich an (also Tipp: rechtzeitig volltanken, Preisunterschied Grenzübergang finnische Seite zu bsp. Muonio 20 ct / l), je näher man an Norwegen heran kommt.
Mit dem Passieren der Grenze wird die Landschaft deutlich abwechslungsreicher, die Vegetation spärlicher, man durchquert die Hochebene der Finnmarksvidda. Bis auf wenige Siedlungen (Kautokeino, Karasjok) ist sie nahezu unbesiedelt. Wir passieren immer wieder Stromschnellen, in den höher gelegenen Gebieten liegt noch einiges an Schnee.
Nach Erreichen der Nordmeerküste bei Lakselv, einem Versorgungszentrum der Region mit Supermärkten und Flughafen, suchen wir uns den ersten Übernachtungsplatz. Nach etwas Suchen werden wir direkt am Strand fündig. Der Platz ist leider ziemlich windig, was uns insbesondere beim Kochen etwas Probleme bereitet, liegt dafür umso schöner direkt am Meer in einer schönen Bucht.
Von dem kleinen Regionalflughafen gehen für die absolut abgelegene Lage erstaunlich viele Flüge los, alleine an dem Abend sind noch drei Passagiermaschinen gestartet. Angeflogen werden ausschließlich regionale Ziele wie Alta und Tromsø.
Am Strand finden sich Überreste der örtlichen Fauna...
Dunkel wird es die ganze Nacht nicht mehr, die Zeit der Mitternachtssonne dürfte hier ungefähr zum Zeitpunkt unserer Reise erreicht werden. Beispielhaft der nette Ausblick um kurz nach elf Uhr abends, als es ungefähr am dunkelsten ist.
Ein Stellplatz direkt am Meer, den findet man auch nicht überall...
Weiter führt unsere Reise gen Norden, das Nordkapp ist nur noch 300 km entfernt, was sich auf norwegischer Seite aber doch ganz gut zieht. Einerseits sind die Tempolimits niedrig (meist 70 oder 80 km/h), andererseits die Kontrollen strikt und die Strafen unbezahlbar. Die kurvigen und bergigen Straßen tun ihr Übriges dazu.
Die Meinungen über die Fahrt zum Nordkapp sind gespalten. Die einen sagen, es ist viel zu weit und die Fahrt zu langweilig. Klar, eines muss man sich bewusst machen, letztlich ist am Nordkapp nicht mehr wie ein Felsen mit einem Metallglobus. Aber der Ort hat etwas Besonderes, das Gefühl an einem Außenposten der Zivilisation zu stehen, von dem es nicht mehr (so einfach) weiter geht, all das finden wir schon sehr faszinierend. Außerdem ist die Straße dorthin keineswegs langweilig, sie führt immer entlang der Steilküste, äußerst spektakulär in den Fels gehauen. Mal auf Meereshöhe in wunderschönen Buchten, mal hoch über dem Wasser zwischen Tunnels.
Schönes Wetter kann niemand garantieren, da hatten wir viel Glück. Was jeder Reisende aber zu Gesicht bekommen wird, das sind die Rentiere. Diese gibt es in einer die menschliche Bevölkerung um ein Vielfaches übersteigenden Population. Sie grasen neben Straße, auf der Straße, mitten in Felsen, einfach überall.
Die Einschätzung der Schneelage scheint recht unterschiedlich zu sein.
Wir finden die raue, einsame und schroffe Landschaft absolut faszinierend und genießen jeden Meter dieser tollen Straße, der E69 ans Ende von Europa. Die „Leitplanke“ besteht häufig nur aus einer 20 cm hohen Betonmauer, die einen nicht wirklich vor dem Sturz in die Tiefe bewahren kann. Ein paar Eindrücke von unterwegs...
Zwischendurch werden wir 20 Minuten durch einen Felssturz aufgehalten. Die Straße ist bereits wieder geräumt, musste aber noch freigegeben werden.
Das Nordkapp liegt auf der Insel Magerøya (weshalb es eigentlich auch gar nicht das Nordkapp ist, aber dazu später mehr). Die Verbindung dorthin wurde früher mit Fähren hergestellt, bis 1999 der knapp sieben Kilometer lange Nordkapptunnel eröffnet wurde, einer der längsten Unterwassertunnels Europas. Sein Scheitelpunkt liegt 212 m unter der Meeresoberfläche, was hohe Steigungen von bis zu 10 % innerhalb des Tunnels zur Folge hat. Ein sehr ungewohntes Gefühl bei der Durchfahrt, gleichzeitig auch faszinierend.
Auf der anderen Seite wird bald Honningsvåg erreicht, der letzte größere Ort ca. 30 km vor dem Nordkapp. Hier legen die Hurtigruten-Schiffe an und es gibt alles nötige zu kaufen. Zufälligerweise sind wir genau am norwegischen Nationalfeiertag unterwegs (zunächst ohne davon zu wissen). Dieser wird von großen Feierlichkeiten begleitet, die Menschen kommen aus dem ganzen Umkreis her, sind in Tracht oder Abendgarderobe gekleidet und marschieren in einem großen Umzug durch den Ort. Wir genießen unser Glück in der Sonne bei angenehmen Temperaturen und schauen dem geschäftigen Treiben zu.
Schließlich machen wir uns kurz nach Mittag auf die letzte Etappe unserer Reise zum Nordkapp. Die Landschaft ist von der Tundra geprägt, es ist endgültig karg, der Schnee wird mehr.
Das Ziel ist erreicht. 1000 km nördlich von Luleå, knapp 3000 km nördlich von München und 2000 km südlich des Nordpols erreichen wir den nördlichsten bereisten Punkt unserer Leben auf 71° 10‘ 21‘‘.
Wie bereits erwähnt, eigentlich ist es ja gar nicht der nördlichste Punkt Europas. Auf derselben Insel, Magerøya, ist eine Landzunge ein paar Kilometer westlich des Nordkapps noch einige Meter nördlicher. Dorthin führt ein Wanderweg, der jedoch leider aufgrund der großen Schneemengen noch nicht begehbar ist. Andererseits befindet sich das Nordkapp auf einer Insel und nicht mehr auf dem Festland. Für mich zählt das aber trotzdem, da es nunmal einfach per Tunnel an das Festland angeschlossen ist.
Das Wetter könnte besser nicht sein. Ganz hinten am Horizont müsste man den nördlichsten Festlandpunkt Europas sehen, ca. 50 km östlich des Nordkapps.
Und hier die genannte Landzunge, die noch ein paar Meter nördlicher ist.
Am Nordkapp selbst befindet sich ein Besucherzentrum mit Shop, Restaurant und Museum, sowie neben dem Globus noch ein paar weitere Kunstwerke. Der Eintritt ist horrend, muss normalerweise von jedem bezahlt werden. Hier läuft das frei nach der Theorie, wer so weit gefahren ist, zahlt auch die hohen Preise... Wir haben abermals Glück, es ist Nationalfeiertag, die Einrichtungen schließen bereits am frühen Nachmittag, so müssen wir nichts zahlen. Auf Museum, Shop usw. kann ich gerne verzichten.
Ein paar Kilometer südlich des Nordkapps suchen wir uns dann einen Platz für die Nacht. Trotz der nördlichen Breitengrade ist es nicht kalt und noch sehr angenehm zum campen (vom dauernden Tageslicht einmal abgesehen).
(18:45 Uhr)
(0:45 Uhr)
Wir lassen es uns natürlich nicht entgehen, gegen Mitternacht noch einmal zurückzukehren. Die Mitternachtssonne scheint hier vom 14.5. bis zum 29.7. durchgehend. Leider haben wir nicht nochmals Glück, gegen 23 Uhr verschwindet die Sonne hinter Wolken, dennoch bleibt es ein absolut eindrückliches Erlebnis, das ist jedem einmal empfehlen kann, sollte er die Gelegenheit bekommen. Dass die Sonne dabei nachts im Norden steht, trägt sein Übriges zur Verwirrung des in der Kindheit gelernten Weltbildes bei.
Das Wetter lässt am nächsten Tag etwas nach, es ist bedeckt und tröpfelt ab und an etwas, aber davon lassen wir uns nach zwei Tagen perfektem Sonnenschein nicht die Stimmung verderben. Wir sind ja schließlich in Norwegen... In den höhergelegenen Fjells zwischen Olderfjord und Alta liegt noch eine geschlossene Schneedecke, so dass die Norweger alle ihre Langlaufski oder Schneemobile eines der letzten Male ausführen.
Ab Alta folgen wir weiter der E6, die sich spektakulär an den Fjorden entlangwindet und über Passstraßen zum nächsten Fjord weiterführt. Die Landschaft hier gehört wohl zu den spektakulärsten Küstenabschnitten Europas, gesammelt ein paar Eindrücke der folgenden Stunden.
Langfjorden
Kvaenangsfjellet
Kvaenangen
Lyngenfjord
Bei Skibotn biegen wir von der norwegischen Fjordküste ab und folgen der E8 wieder in Richtung Finnland und Schweden. Die Straßen werden wieder weniger kurvig, auf finnischer Seite folgen sogar mit die längsten Geraden, die ich je gefahren bin.
Kurz vor Mitternacht überqueren wir in Kaaresuvanto/Karesuando die finnisch-schwedische Grenze und suchen uns bald ein letztes Plätzchen zum Übernachten, bevor wir am nächsten Morgen die restlichen Kilometer nach Luleå abspulen. Insgesamt sind wir 2000 km unterwegs durch unbewohntes Niemandsland zu einem Globus aus Metall. Aber es lohnt sich!