Ich habe es getan! Ich habe es zum ersten Mal getan, und es war atemberaubend! Aber schön der Reihe nach.....
Schon länger projektiert für das erste Septemberwochenende war eine kleine Spätsommertour nach Gastein zwecks Recherchen bezüglich der großen Erschließungspläne der 70-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, die (im wahrsten Sinne des Wortes) in einer Mega-Schischaukel von Sportgastein über den Sonnblick bis Heiligenblut gegipfelt hätten, für den zweiten Teil des verlängerten Wochenendes war ein Besuch des Reissecks mit Besichtigung der Schrägaufzüge, der Höhenbahn und der Stauseen sowie einer Gipfeltour vorgesehen. Mehrere potentielle Begleiter sagten ab, zuletzt Helmut, der sich am Tag vor der Abreise mit einer Sommergrippe ins Bett legte, sodaß ich mich am Freitag um 7 Uhr früh letztendlich nur mit Border-Collie Angus, meinem treuen Gefährten der vorjährigen 3A- und Macugnaga-Expidition auf den Weg ins Salzburgische machte. Allerdings hatte mich Helmut noch 2 Tage zuvor die Idee geboren, das gute Wetter und die Schneefälle der letzten Tage für einen Abstecher zum Mölltaler Gletscher zu nützen, deshalb hatte ich schließlich doch noch die Schischuhe und ein altes Paar Schi ins Auto geworfen.
Über meine Entdeckungen im Archiv der Gasteiner Bergbahnen wird an anderer Stelle berichtet, ebenso über einen Kurzausflug zur Schloßalm, am Abend ging es per Autoverladung der ÖBB durch die Tauernschleuse ins südlich des Alpenhauptkamm gelegene Mallnitz, von dort schließlich nach Innerfragant, wo wir die Nacht zum Samstag im Gasthof Reiter verbrachten. Das dreigängige Abendessen erwies sich als ein etwas modifizierteres 70-er Jahre Menü: Kürbiscremesuppe (gab´s in den 70-ern nirgends), Grillteller mit 3 kleinen Fleischstückchen, einem am Ende aufgeschnittenen Ende einer Frankfurter, einem Haufen Pommes Frites und 3 Stück Alibigemüse (typisch), Salat vom Buffet (weniger typisch) und einer Joghurt-Creme als Dessert (vertretbar), für Angus allerdings nur Trockenfutter.
Die Nacht war angenehm ruhig, um 7 Uhr standen wir auf und machten einen kleinen Morgenspaziergang, die Nacht war augenscheinlich klar gewesen, die ersten Strahlen der Sonne beleuchteten bereits die Berggipfel, es war nahezu wolkenlos. Wir marschierten ein Stück taleinwärts und genossen den beginnenden Tag, anschließend ließ ich mir das Frühstück schmecken (nur eine Sorte Müsli!).
Schon um 10 vor 8 saßen wir wieder im Wagen und fuhren die wenigen Kilometer zur Talstation der Schrägstollenbahn.
Wurtenkees, so heißt der Gletscher in den diversen Karten eigentlich, die Bezeichnung Mölltaler Gletscher wurde erst im Rahmen der Erschließung in den 80-er Jahren eingeführt, da die damals intensiv geführten Diskussionen über die Sinnhaftigkeit des Projekts den eigentlichen Flurnamen mit einem negativen Beiklang versehen hatte. Während der Zustand der Gletscher in diesem Bereich der Goldberggruppe zum Zeitpunkt der ersten Erschließungspläne von der Gasteiner Seite aus in den 70-er Jahren noch keine Hinweise auf die heutige Problematik des Abschmelzens und damit Verschwindens erahnen ließ, gab es in den 80-er Jahren, als man das Wurtenkees von der Südseite her durch den Bau von Bergbahnen der breiten Öffentlichkeit zugänglich machen wollte, schon erhebliche Zweifel über die langfristigen Erfolgschancen eines schon im Rückzug befindlichen südwestseitigen Gletscherschigebiets.
Trotzdem, auch Kärnten wollte ein Sommerschigebiet und die regionale Stromgesellschaft hatte neben der durch die bestehenden Stauwerke schon vorhandenen Basis-Infrastruktur auch die finanziellen Mittel, sodaß ab 1987 die Eisseebahn, eine 1775 Meter lange Umlaufbahn mit 6-er Kabinen, Schifahrer und andere Touristen von 2241 auf 2800 Höhenmeter brachte. Von dort führte noch ein Gletscher-Schlepplift weiter hinauf bis unterhalb des Schareck-Gipfels auf etwa 3122 Meter.
Ein großes Problem stellte jedoch bald die keineswegs lawinensichere Zufahrt zur Talstation der Umlaufbahn dar, da vom eigentlichen Talschluß auf etwa 1220 Meter noch mehr als 1000 Höhenmeter zur Seilbahn überwunden werden müssen. Um einen kontinuierlichen Winterbetrieb gewährleisten zu können, wurde Mitte der 90-er Jahre noch eine Großinvestition in Form einer Stollenbahn vom Talschluß zur Talstation der Seilbahn getätigt, im Schigebiet erfolgten Erweiterungen unterhalb des Gletschers wie die DSB Klühspieß von 2483 bis 795m, die 4-SB Schwarzkopf im Bereich der Bergstation der Schrägstollenbahn und einige kurze Übungslifte. Mitte der 90-er Jahre wurde auch der Gletscherschlepplift durch eine DSB ersetzt, zuletzt errichtete man paralell zu dieser Bahn eine kuppelbare 6-er Sesselbahn. Ein Panorama gibt´s
hier.
Trotzdem blieb das Schigebiet sehr ?überschaubar?, unterhalb der Gletschergrenze werden zwar immer wieder Erweiterungen diskutiert, für den Ganzjahresbetrieb jedoch gibt es praktisch nur mehr einen Hang im oberen ? noch verbleibenden ? Gletscherbereich des Wurtenkees.
Ich war im Sommer 1990 für einige Monate beruflich in Bad Gastein tätig und nutzte die Nachmittage und Wochenenden natürlich für etliche Wanderungen in der Gegend, und so marschierte ich im Juli dieses Jahres auch einmal von der Duisburger Hütte hinauf zum Schareck, damals noch neben dem Gletscherschlepplift, und erschrak über den an diesem Tag sehr unansehenlichen, grauen und augenscheinlich davon rinnenden Gletscher. Ein Wunsch nach Schifahren trat jedenfalls nicht auf, und obwohl ich seit jeher ein leidenschaftlicher Schifahrer und jedes Jahr etwa 4 Wochen auf Schipisten unterwegs war, hat es mich bis zum 2.9.2006 noch nie im Sommer zum Schifahren auf einen Gletscher verschlagen.
Auch bei Helmuts Vorschlag war ich eher skeptisch, die ?Trauerberichte? des bisherigen Sommers über die schlechte Schneesituation und dadurch bedingte Betriebseinstellungen in vielen Gletschergebieten hatten meine Einstellung zum Sommerschilauf nicht unbedingt positiv beeinflusst. Andererseits hatte man vom Mölltaler Gletscher nicht unbedingt besonders Schlimmes gehört, und möglicherweise machte die dort auch im Gletscherbereich installierte Beschneiungsanlage doch Sinn, den Ausschlag hatte jedoch die für ein solches Unterfangen ideale Wettersituation ? vorausgehend einige kalte Tage mit reichlich Schneefall im Gletscherbereich, nun ein Hochdruckgebiet mit wolkenlosem Himmel und klaren Nächten ? gegeben.
Wäre Helmut mitgekommen, so wäre wohl auch Angus in den Genuß eines neuerlichen Gletschererlebnisses gekommen, wir wären wahrscheinlich abwechselnd gefahren, nun mußte jedoch eine andere Lösung gefunden werden. Der Border-Collie ist es gewöhnt, bei Bedarf auch mehrere Stunden im Auto zu warten, nur bereitete mir die doch wieder sehr starke Sonne Sorgen, die Wirtin im Gasthof hatte mir jedoch erzählt, daß es auch einige überdachte Parkplätze gäbe. Diese waren zwar für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, jedoch erlaubte mir die Dame an der Kasse die Einfahrt unter das schützende Dach, nachdem ich ihr den Sachverhalt erklärt hatte.
Angus und ich machten noch einen kleinen Spaziergang über den Parkplatz und beobachteten mehrere Kleinbusse aus Österreich, Italien, Slowenien, Ungarn, der Slowakei und Polen, die offenbar Nachwuchsrennläufer diverser Schiclubs zur Talstation der Gletscherbahn brachten.
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Wir marschierten noch 2 bis 3 Kehren der ehemaligen Zufahrtsstraße hinauf, dann war es soweit. Angus wurde mit dem Auftrag, auf den Wagen aufzupassen, in den Laderaum verfrachtet und ich zog mir die für die Jahreszeit höchst ungewohnten Schischuhe an, schnappte Schi und Stöcke und marschierte zur Kasse. 36 ? verlangt man für die Tageskarte, zuzüglich 5 ? Kaution vor die Keycard, nicht ganz billig, zumal ich ja spätestens um 12 Uhr wieder herunten sein wollte, um Angus auszulösen.
Die erste Standseilbahn um 8 Uhr hatte ich knapp versäumt, aber 20 Minuten später war bereits der nächste Wagen voll, wieder hauptsächlich mit Jugend-Trainingsgruppen, und der Schitag konnte beginnen.
Die Bahnfahrt war naturgemäß wenig spektakulär, auffallend fand ich nur die Tatsache, daß die Bahn im Gegensatz zum Pitzexpreß nicht so nervig langsam in die Stationen einfuhr.
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Alle strömten rasch zur Station der Umlaufbahn, doch ich ließ mir Zeit, um die Umgebung ein wenig in Augenschein zu nehmen, blauer Himmel und Sonnenschein weckten eine Euphorie in mir, selbst wenn der Schigenuß später nur mäßig ausfallen würde, der Tag war auf jeden Fall gelungen.
Blick zur Seilbahntrasse
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Bergstation der 4SB Schwarzkopf
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Für die Freunde von Ansichten des Innenlebens einer EUB
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Ganz allein setzte ich mich in eine Gondel und genoß die Fahrt.
Aus dem Fenster
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Duisburger Hütte mit Stausee
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Immer gespannter wurde ich, je länger die Fahrt dauerte, was würde mich oben erwarten, ein schmutzig-graubraunes Schneeband oder vielleicht doch eine ansprechende Piste?
Ich trat aus dem Stationsgebäude und war nahezu überwältigt.
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Das sah ja nach richtigem Schifahren aus!
Zoom zum oberen Bereich der Gletscherbahnen
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Die offizielle Piste
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Hier die Talstation der beiden Sesselbahnen, nur in diesem Bereich wurde der Schnee im Laufe des Tages etwas stumpf.
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Im Pistenbereich wurden jede Menge Tore gesteckt, man sieht auch schön die brav aufgereihten Schneekanonen
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Im Nordwesten präsentieren sich Sonnblick (gut erkennbar das Zittelhaus) und Hocharn, beide sollten in den 70-er Jahren im Rahmen des Megaprojekts von Sportgastein aus erschlossen werden.
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Ein paar Meter mußte man hinuntermarschieren bis zum Schnee, dann kam der erste Moment des Gleitens über den untersten und flachsten Teil der Abfahrt bis zur Talstation der Sesselbahn, und schon ging es hoch. Die Wartezeiten beschränkten sich trotz der Trainingsgruppen auf maximal einen Sessel, wobei die Bahn offenbar weder mit allen Sesseln bestückt war noch Höchstgeschwindigkeit fuhr. Beim Hinauffahren sah ich, daß auch im Gelände hervorragende Bedingungen vorherrschten.
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Blick nach rechts
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Oben angekommen ließ ich zunächst einmal die Schi stehen und wanderte den Grat hinauf in Richtung Gipfel, da ich diesen nur mit etwas Kletterei erreichen hätte können, was ich mit den Alpinschischuhen lieber unterließ, pflanzte ich mich vor dem Übergang zum Felsgrat auf und ließ die unbeschreibliche Fernsicht auf mich wirken.
Blick zurück zur Bergstation
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Richtung Talstation mit freiem Schiraum
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Vor mir der Großglockner, der höchste Berg Österreichs, zum Greifen nahe
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Blick nach Südosten, mit dem oberen Teil der Gletscherpisten
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Blick nach Norden, ganz im Hintergrund der Hochkönig
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Zoom zur Schloßalm / Bad Hofgastein, von dort hatte ich gestern den schneebedeckten Gipfelaufbau des Scharecks bewundert
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Zoom zum Kreuzkogel mit Bergstation der Goldbergbahn (Sportgastein)
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Im Vordergrund der Sonnblick mit Zittelhaus und Aufstiegsspur
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Gletscherlifte, Abfahrt und Speicherteich
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Panorama zum Abheben
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Ich mußte mich von den Ausblicken fast losreißen, jedoch lockte die Abfahrt, zunächst wählte ich die offizielle Piste, die am Morgen zu mehr als der Hälfte von den Trainingsgruppen in Beschlag genommen worden war.
Trotzdem war noch genug Platz für mich. Die Piste erwies sich als gut präpariert und angenehm zu fahren, am Morgen noch etwas hart, später zunehmend griffig. Die Beschneiung dürfte sich also wirklich bewähren.
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Hier einer der Nachwuchsrennläufer nach dem Start
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Piste und Bergstation von etwas weiter unten, hier war ich bereits ins flache Gelände links der Abfahrt abgebogen und hatte harten, aber griffigen Schnee vorgefunden.
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Bergstation der EUB und Restaurant Gletschersee
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Die nächste Abfahrt führte mich in den freien Schiraum links der Bahnen (von unten aus gesehen), hier konnte man bis etwa zur Hälfte der Bahnlänge in ideal steilem Gelände auf perfektem Frühjahrsschnee (zunächst hart, im Laufe des Vormittags auffirnend). Ich denke weitere Kommentare sind hier fast überflüssig.
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Die Gletscherstütze der DSB
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Und nochmal, weil es so schön ist.
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Sesselbahnen mit Großglockner
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Ohne Worte
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Training
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SOMMERSCHI
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Gegen halb 9 bin ich auf den Gletscher gekommen, um 11 Uhr 15 mache ich die letzte Abfahrt, der Firn ist nun merklich tiefer geworden, schöner als es gewesen ist, kann es heute nicht mehr werden, deshalb fällt es nicht schwer, nach einem Blick zurück wieder die Bergstation der Eisseebahn aufzusuchen.
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Hier stehen noch einige Schneekanonen in Warteposition
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Noch ein letzter Blick zu Sonnblick und Hocharn
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DSB Klühspieß
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Ganz kurz besichtige ich noch die Terrasse des Restaurants
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Und bald schwebe ich wieder allein in einer Gondel der EUB talwärts, um die Standseilbahn um 11 Uhr 30 zu erreichen.
Glücklich und etwas müde schlendere ich zur Kasse, um den Einsatz für die Key-Card zurückzubekommen und bin etwas überrascht, als ich anstelle der erwarteten 5 Euros ungefähr 11 zurückerhalte, sicherheitshalber frage ich jedoch nicht nach dem Grund.
Angus freut sich sichtlich, mich wieder zu sehen bzw. endlich aus dem Auto aussteigen zu dürfen, denn er zieht weite Runden über einen unbenützten Teil des großzügig dimensionierten Parkplatzes.
Fazit: Es war meine Sommerschi-Premiere und sie war einfach perfekt. Der von mir bisher unterschätzteste Gletscher Österreichs hat offenbar am 2. September 2006 alles aufgeboten, um mir einen wirklich gelungenen Schitag zu schenken!