Interkulturelles Alpenostrand-Freeriding (27. 03. 2009)Haute morgen treffe ich mich mit Gernot und Wade, einem Studenten aus Montana. Wade ist nach Europa gekommen nicht nur um zu studieren, sondern um auch die Freeridemöglichkeiten in den europäischen Alpen kennen zu lernen. Dass er dabei Wien als Standort gewählt hat, war allerdings eher eine Verlegenheit. Umso größer unser Anreiz heute, Wade davon zu überzeugen, dass die Berge rund um Wien doch auch einiges zu bieten haben.
So kam es, dass plötzlich hand-made Ski (original Aspen-Holz) aus der kleinen indie-Skischmiede
http://www.pmgear.com in der Wiener Innenstadt herumstanden.
Bereits lange vor 7h00 (also gefühlt kurz nach Mitternacht) lenkten wir (bzw. Gernot) unser automotives Gefährt durch den Wiener Berufsverkehr auf der Süosttangente in Richtung Alpenostrand, wobei wir als erstes Ziel einen Berg nahe der ungarischen Grenze ansteuerten. Um früher am Berg zu sein, gingen wir jedoch zu Fuß (d.h. mit Fellen) und starteten von einem abgeschiedenen Pass.
Bald (d.h. nach gefühlten 1000 Höhenmetern) erblickten wir unser Ziel
Wie immer war Gernot weit voraus …
Wade und ich hatten es mit unseren etwas gewichtigeren Freeride-Ski natürlich auch deutlich schwerer, wobei der Bro für seine Maße als extrem leichtgewichtig gilt (aufgrund des verwendeten Aspen-Holzes).
An der Gipfelhütte angekommen wurde meine bescheidene Frage nach einem wohl verdienten Frühschoppen von Gernot mit deutlichem Unverständnis aufgenommen. Also blieb mir nicht anderes übrig als – Gernot folgend - ebenfalls wieder den Weg nach unten anzutreten.
Die Schneeverhältnisse stellten sich als überraschend gut dar: gesetzter Pulver, der in Richtung Wald dann deutlich lockerer wurde. Wobei allerdings – alpenostranduntypischerweise – der Wald lange auf sich warten ließ.
Nach ca. 900 Höhenmetern Abfahrt durften wir dann endlich die übliche technische Infrastruktur eines Skigebiets in Anspruch nehmen und die Felle mal im Rucksack lassen.
Unsere Ski (wohl v.a. die Bros) erregten am Sessel durchaus Aufmerksamkeit und wir mussten mehrmals den erstaunten Pistenskifahrern entsprechende Erklärungen abgeben.
Für die zweite Abfahrt wählten wir dann einen etwas steileren – teilweise überwächteten – Einfahrtsbereich aus. Es herrschte in dieser Gegend Lawinenwarnstufe 2 und mit den entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen erschien uns die Sache o.k. Ging auch problemlos, zumindest bei mir. Als Gernot dann etwa rasanter in den Hang einfuhr brach dann aber ein Mini-Schneebret (ca. 6-4 m, 10cm Anrisshöhe oder so) ab und rutschte zunächst langsam ab. Gernot konnte zum Glück problemlos an den Rand fahren und – wie auch wir beiden anderen – von sicherer Position den weiteren Abgang verfolgen. Tatsächlich nahm das Mini-Schneebrett in weiterer Folge Teile des lockeren Schnees auf und kumulierte sich dann zu einer kleineren Lockerschneelawine bzw. größeren Sluff.
Das Ganze war nicht wirklich aufregend, aber doch ein deutlicher Hinweis darauf, dass auch bei an sich günstigen Verhältnissen (wie erwähnt LWS 2) die entsprechenden Gefahrenzeichen (Verwechtung, Triebschnee, Nordhang, Steilheit für wenige Meter nahe 40 (?) Grad) zu berücksichtigen sind.
Die weitere Abfahrt war dann wieder ein unbeschwertes Cruisen über den nach unten langsam abflachenden Hang mit anschließendem Fun-Tree-Skiing.
Als dritte Abfahrt wählten wir dann die Creekbed-Variante, wobei allerdings aufgrund der durchaus beachtlichen Schneehöhen vom Creek nichts zu sehen war. Auch die „Brücke“ (in Form eines umgestürzten Baumes) war fast zu Gänze unter Schnee. Dies bot Wade und seinen Bros dann die Gelegenheit die Flugfähigkeit in der Alpenostrandluft zu testen.
Anlauf im Creekbed
Jump
Nach diesen drei Runs wurde mein Wunsch nach einer Hüttenpause endlich Realität.
Anschließend ging es dann durch den herrlichen Südostgraben (oben eigentlich eine weite mittelsteile bowl) zurück zur Strasse bzw. zum Auto.
Von dort fuhren wir dann zur zweiten Freeride-Perle dieser Gegend, zum hier ja schon öfters erwähnten Niederalpl. Mittlerweile hatte der angekündigte Wärmeeinbruch durchgegriffen und bei der Anfahrt regnete es im Mürztal z.T. durchaus stark. Am Pass schien aber wieder die Sonne, trotzdem war uns nun klar, dass der Schnee nunmehr keineswegs die Bezeichnung Powder verdienen würde. Tatsächlich war der erhebliche (und lockere) Neuschnee der vergangenen Tage (unsere Spuren vom letzten Samstag waren wieder völlig zugeschneit) stark durchfeuchtet, was einen ganz speziellen Fahrspaß zur Folge hatte. Vor allem im steilen Hintenrumwald wurde die Abfahrt durch ein Wettrennen mit den mühlsteingrossen „Schneerädern“ gewürzt.
Als krönenden Abschluss (mittlerweile war es knapp vor Liftbetriebsende) wählten wir dann den Direktwald, eine Variante, die mehr oder wenig direkt von der Bergstation des Sessellifts durch steilen Hochwald zur Westauffahrt der Niederalplpassstrasse hinunter leitet). Diese Abfahrt war dann auch wieder Fun pur. Trotz der Feuchte war der Schnee überraschend gut zu fahren und die Bäume standen hier fast durchwegs weit genug auseinander, dass genügend Speed für diese Schneeart aufgenommen werden konnte um immer an der Oberfläche der Wasser- bzw. der Schneeoberfläche zu bleiben.
Gefeiert wurde dann im Saloon am Niederalplpass, wo sich Wade tatsächlich fast wie zu Hause in Montana fühlte.
P.S. Leider ging es sich dann zeitlich doch nicht mehr aus, dass ich selbst eine Runde mit den Bros testen konnte. Aber die Kombination Steifigkeit und geringes Gewicht (186cm mit Naxo sind ca. gleich schwer wie meine 172 cm Tanker mit Diamir Explore) dürfte anscheinend wirklich etwas in sich haben.