6. Gaver, 02.01.2006
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Es ist stockdunkel mittlerweile. Nach endlosen Kurven haben wir die vergessenen Hochflächen in den südlichsten Brescianer Alpen hinter uns gelassen, sind zum Idrosee hinabgetaucht und nun erneut unterwegs hinauf ins Gebirge. Die restliche Licht ist längst jenseits der Poebene verblasst. An Bagolino, das von Collio aus gesehen auf der anderen Seite des Passo Maniva liegt, vorbei, das Val Sabbia hinauf, immer in Richtung der einsamen Passhöhe des Passo Croce Domini. Steil windet sich die enge alte Straße das schmale Tal hinauf. Sie erscheint endlos. Kurve hinter Kurve, Meter um Meter in die Höhe. Auch im Dunkeln erahnen wir, wie das Tal immer verlassender, die Landschaft immer wilder sind. Seit vielen Kilometern ist uns auf der schwierigen und desolaten Straße kein anderes Fahrzeug mehr begegnet, keine Ortschaft liegt an der Strecke, kein Gasthof erwartet einem mit warmem Licht. Es gibt einzig die Straße, die sich höher und höher ins Dunkel windet, einzig sie zeugt von der Zivilisation, die ihre scheuen Fühler auch hier herauf gestreckt hat. Ist die Straße im Sommer noch Ziel vereinzelter Motoradfahrer, die durch das wildromatische südliche Adamellomassiv kurven, so ist im Winter - wenn der Croce Domini gesperrt ist - , weit und breit kein Mensch unterwegs. Und doch liegt auf dieser Straße etwas, dass man heute in den Alpen nur noch extremst selten findet, etwas, das den Ort an ihrem Ende zu einer höchst besuchenswerten Sehenswürdigkeit macht: irgendwo im in den wilden dunklen Wäldern während der Auffahrt passiert die Straße ein Zeittor, eine magische, nur dem geübten Auge sichtbare Grenze, die den einsamen Talschluss vor den brandenden Wogen einer rastlosen Moderne bewahrt hat. Ein bisschen fühle ich mich an meinen ersten Besuch im einstigen Alagna erinnert. Die wenigen Bilder von dieser Landschaft, die man im Netz findet, sind sehr vielversprechend: sie zeigen eine einsame, wilde und gleichsam wunderschöne Landschaft, wie sie unberührter nicht sein könnte. Der angrenzende Adamello Nationalpark wie auch die abgeschiedene Lage tun ihr Werk. Endlose weiße Gipfel, steile Schründe, tiefe Täler ohne Straße und Wege, Reste vergangener landwirtschaftlicher Bewirtschaftung, die schon lange von der Natur zurück erobert wurden. Und dazwischen, einsam und vergessen jenes kleine abgeschiedene Schigebiet mit dem Namen Gaver.
Gaver im hintersten Talschluss des Val Sabbia. Bild von der Seite des Hotel Europa.
Endlich, nach schier endloser Fahrt durchs Nichts erscheinen ein paar Lichter in der Ferne: Val Dorizzo, die einzige zusammenhängende Siedlung im oberen Talbereich, bestehend aus einigen wenigen Hotels. Die beiden Mitte der 60er Jahre gebauten Leitner Skilifte laufen wohl seit einigen Jahre nicht mehr, der Ort ist lediglich Basis für das hoch gelegene Gaver. Ein paar Lichter rauschen vorbei, ein Hauch von Leben schwappt ins Auto, dann hat uns das Dunkel zurück. Die Straße ist noch einmal enger und holpriger geworden, der Schnee liegt meterhoch links und rechts davon. Sie hat nichts mehr mit einer modernen Alpenstraße gemein, eher erinnert man sich an die alten Photos der frühen Skiatlanten, erwartet jeden Moment einen petrolfarbenen Käfer mit Schneeketten hinter der nächsten Kurve.
Gaver selbst ist kein Ort. Es ist ein weiter Talschluss, ähnlich dem von Armentarola. Auf sanften Almwiesen stehen vereinzelte Baumgruppen, schlängeln sich kleine Wanderwege, am Grunde fließt ein rauschender Gebirgsbach frei seinen natürlichen Lauf ohne jedwede Verbauung. Umrahmt ist dieser liebliche Talschluss von schroffen, fast 3000m hohen Felsgipfeln, den südlichsten Ausläufern des Adamellomassivs. In dieser weiten und einsamen Landschaft stehen ein paar wenige Hotels, die mit der Erschließung des Schigebiets 1968 oder wenige Jahre danach gebaut wurden. Sie liegen meist etwas abseits der Straße, sind über kleine Waldwege erreichbar und viele hundert Meter oder teils mehrere Kilometer auseinander. Insgesamt sind es kaum mehr als vier oder fünf. Das kleinste, schönste und interessanteste ist zugleich das abgelegenste: die Locanda Gaver, die nur über mehrere Kilometer Schotterstraße erreichbar ist. Sie liegt mitten im ausgedehnten Langlaufgebiet des weiten Talschlusses. Die anderen Unterkünfte liegen weiter vorn, entweder direkt an der Sessellifttalstation oder etwas talaufwärts, wo mit beschaulichen kleinen Schleppliften über die Almwiesen die Anbindung an das Hauptgebiet erfolgt - wie es eben vor 40 Jahren üblich war. Das größte von ihnen ist das Hotel Europa - Mitte der 70er Jahre gebaut - das direkt am äußersten der Almwiesenschlepplifte liegt und - mangels Alternative in der Hauptsaison - unser Domizil ist. Eigentlich ist es für meinen Geschmack schon eine Nummer zu groß, es ist kein Familienbetrieb, etwas teurer als unsere sonstigen Alberghi und das Essen entspricht nicht den sonst gewohnten Standards der rustikalen Bergamasker Küche, sondern eher dem, was man eben normalerweise in *** Hotels bekommt - eine recht internationale, standardisierte Küche. Nicht so sehr mein Fall, und qualitativ kaum vergleichbar mit den authentischen reichhaltigen Mahlzeiten unserer anderen Domizile. Ansonsten aber ein durchaus brauchbares Hotel und komplett - wie alles hier - in der Zeit stehen geblieben. Hier ist wirklich alles aus den 70ern - inklusive der gold-braun lackierten Heizkörper! Der Wirtsehepaar ist sehr nett, vor allem erzählt mir der Besitzer interessante Dinge über die Entwicklung und Geschichte des „Ortes“ und des Schigebiets, auf die ich später zurückkomme.
So taucht also unvermutet nach einigen letzten Kehren - Val Dorizzo liegt jetzt lange hinter uns - eine kleine Lichtquelle einige hundert Meter weiter aus dem Dunkeln auf. Wir passieren die Sessellifttalstation und das kleine Albergo an ihrer Seite. Noch einige wenige Kurven durch die Nacht, dann steht plötzlich der kleine verwitterte Wegweiser links hinauf zum Hotel Europa. Ein kurzes Stück den Berg hinauf und wir stehen vor dem großen ***-Hotel auf dessen tiefverschneiten Parkplatz.
Etwas geschafft von der Fahrt und etwas enttäuscht vom Essen (es gab ein Buffett!!
wie anti-stylish!
), sitzen wir später noch ein wenig in der Seventies-Lounge, trinken Grappa und bewundern die verblichenen alten Farbphotos, die den Passo Maniva, aber auch das Gebiet von Gaver in besseren Zeiten zeigen. Eine erholsame Nacht folgt sodann.
Das Hotel Europa am Morgen der Abreise im Sonnenschein.
Der nächste Morgen enttäuscht mit mäßigem Wetter - ich hatte nach dem gestrigen Abend auf eine Aufklarung gehofft. Da wir - sehr ungewohnt für unsere Art Skiurlaub zu machen - direkt vom Hotel auf die Piste könnten, aber einen Halbtagesskipass in der Hoffnung auf besseres Wetter vorziehen, bleibt uns also genug Zeit, einen kleinen Spaziergang durch den einsamen Talschluss zu machen, die Locanda Gaver anzuschaun (die eigentlich mein primäres Ziel gewesen ist) und dort einen Espresso zu trinken. Ich fühle mich immer stärker erinnert an die Dolomiten früherer Zeiten, als noch nicht überall Hotels mit 5-Sterne-Wellnesskomfort standen und jeder entlegenste Winkel durch eine 8er EUB bedient wurde. In geringem Maß ziert dieses alte Dolomitenbild noch meine Kindheitserinnerungen aus den frühen 80er Jahren, als zumindest das Echo dieser Zeit noch um vieles präsenter war, als es heute - so überhaupt noch zu erahnen - der Fall ist. Vielleicht sind diese Kindheitserinnerungen einer der Gründe, warum ich heute diese entlegenen Orte suche, für mich stellen diese sehr dezenten Erschließungen des Gebirges jedenfalls gewissermaßen eine Idylle dar. Ich mag diese verspielt kupierte Almwiesen mit ihren Weidezäunen, die einzelne kleine Baumgruppen, die überall - auch auf den Pisten - herumstehen, die weiten Landschaften in die man blickt, die im Winter so menschenleer wie sonst nichts sind. Ich mag auch die kleinen beschaulichen Alberghi, die engen, teils unasphaltierten Straßen, die steilen alten Schlepplifte und die dem natürlichen Geländeverlauf folgenden Pisten, die mal eng mal breit, steil und dann wieder flach, mit Geländekanten und Schussstücken in meinen Augen einfach viel mehr Abwechslung bieten. Aber vor allem mag ich dieses etwas abenteuerliche, was diesen Orten geblieben ist (das war vor allem bei Alagna sehr stark ausgeprägt): man kann eben nicht einfach bequem auf einer für große Reisebusse perfekt ausgebauten Straßen hinauffahren, überhaupt man muss den Ort ersteinmal selbst entdecken. Und auch im Schigebiet hat man nicht den Eindruck, dass die Berglandschaft für perfekte Freizeitvergnügen umgestaltet wurde, vielmehr sieht man, dass sich die Erschließung den von der Natur vorgegebenen Prämissen geschickt gefügt hat, sie für sich nutzt und ihnen folgt. Gerade im Falle von Alagna hat das immer einen Teil des Abenteuers ausgemacht: diese alte klapprige PB, die Wind und Wetter ausgesetzt auf die 3250m führt, oft unterwegs stehen bleibt, und mit ihren gigantischen Betonkonstruktionen versucht, die enormen Naturgewalten der Hochgebirges zu trotzen. Dieses Gefühl stellt sich beispielsweise an der Funitel Péclet Bergstation in Val Thorens, trotz ähnlich beeindruckender Landschaft, nicht ein. Es fehlt der Hauch vom Abenteuer. Die Anlage dort ist ein schneller komfortabler Zubringer zu einer langen Piste - nicht mehr und nicht weniger; die Piste vom Péclet in perfektem Zustand, plattgewalzt, künstlich verbreitert und gegen jedwedes Risiko abgesichert. Zum Skifahren reicht's wohl, aber ein bisschen Abenteuer schadet nie, gerade im Gebirge.
Nun kann man Gaver auf keinen Fall mit Alagna oder auch Val Thorens vergleichen und auch große Betonbauten gibt es hier nicht. Aber ein Hauch von dem Alagnastyle hat es auch, insofern als das die Schlepplifte sehr einsam in der Landschaft stehen, steil und ausgesetzt den schwierigen Hängen folgen und an ihren Ausstiegen teils kaum einen Meter fünfzig Platz lassen.
Die Locanda Gaver, im hintersten Talschluss versteckt, ein günstiges und urgemütliches Albergo. Eigentlich die Sorte Geheimtipp, die ich meinen Berichten ausspare, aber in Anbetracht der Lage von Gaver wird meine Berichterstattung wohl kaum zum ständigen Ausgebucht-sein führen...
Einsame Wanderwege in Gaver, leider bei schlechtem Wetter nicht so beschaulich wie auf den Bildern im Netz...
Ein Bild vom Lago della Vacca mit Hütte, oberhalb von Gaver gelegen.
Gegen Mittag kehren wir zum Hotel zurück und holen die Schi. Direkt hinter dem Haus führt ein kleiner alter Leitner Schlepplift die Almwiese hinauf zum Waldrand. Die Piste führt gemächlich um die einzelnen kleinen Baumgruppen links und rechts herum, die natürlich kuppierte Gelände macht aber auch diese flache Piste irgendwie interessant. Es ist der typische kleine Übungsschlepplift, wie er früher in jedem kleinen südtiroler Dorf hinter den letzten Häusern stand und ein paar hundert Meter zum nächstgelegenen Waldrand hinaufführte. Da an diesem Lift keine Skipässe verkauft werden, dürfen wir gratis fahren. Vom Endpunkt führt ein kurzer Verbindungsweg hinab zum einem ca. einen Kilometer talabwärts gelegenen weiteren Übungsschlepplift, an dessen Talstation auch der Leitner Doppelsesslift von 1968 beginnt, der hinauf ins Hauptgebiet führt.
Unser Hausschlepplift, der Camprass Nord. Wie in alten Zeiten...
Und ein Sonnenbild vom nächsten Tag.
Die Abfahrt am Campras Nord - erinnert mich sehr an ganz frühe Dolomitenaufenthalte...
Der Übungshang am Campras Sud, dem zweiten der kleinen Almwiesenschlepplifte, im Hintergrund die Sessellifttalstation und ein weiteres Hotel.
An der Tatlstation fällt mir nebst einer interessanten Anzeigetafel zu den geöffneten Liften, eine alte Projektkarte auf. Dort sieht man, dass einst eine Verbindung über den Croce Domini hinweg ins benachbarte Tal vom Lago Iseo, zu einem kleinen Rifugio jenseits der Passhöhe geplant war. Bis dorthin ist die andere Passrampe im Winter offen - also ein wichtiger zweiter und wesentlich einfacher zu erreichender Zubringer ins Schigebiet. Anfang der 90er Jahre wurde diesseits des Passes auch der erste SL der Verbindung gebaut, so dass heute Anschluss bis oberhalb der Passhöhe besteht. Die restlichen Anlagen - zwei weitere SL und eine Kabinenbahn - hingegen sind nie gebaut worden und werden es wohl - obwohl der Plan noch besteht - schon aus finanziellen Gründen in mitterlerer Zukunft nicht mehr.
Die alte Projektkarte. Das aktuelle Schigebiet von Gaver ist zu sehen (obwohl mal wieder die Hälfte der Pisten fehlt, teilweise sieht man graue Linien, wo tatsächlich Pisten sind). Der erste der projektierten Lifte existiert ebenfalls, die rückwärtig des Croce Domini liegenden Anlagen hingegen nicht.
Beschreibung der abgebildeten Anlagen.
Der offizielle Pistenplan. Wieder fehlt eine Talabfahrt und Pisten oben, der jüngste SL mit Pisten ist ebenfalls nicht eingezeichnet obwohl er auch schon über 15 Jahre laufen sollte...
Liftdaten zur offiziellen Karte.
Interessante Anzeigetafel.
Interessant auch die antiquierten Skipasslesegeräte, die an die Pariser Metro der frühen 80er erinnern und vermutlich irgendwo gebraucht erstanden wurden. Des Sessellift ist ein typischer 60er Jahre Leitner, wie sie früher zu Hauf in den Dolomiten zu finden waren, leicht erkennbar durch seine längsseitig sehr dünnen Stützen und noch ohne Leitern (die stehen an den Bäumen im Wald, wie es früher üblich war). Die Trasse verläuft erst abseits der Piste durch den steilen Wald, um dann ein kleines offenes Hochtal zu erreichen. Rechts der Anlage verläuft hier an einem kleine Restaurant vorbei die Piste, links erhebt sich der Gipfel des Monte Misa. Auf einem Seitengrat, neben der zweiten Bar des Schigebiets, endet der Sessellift.
Sessellifttalstation.
Aus dem Wald heraus in ein Hochtal....
Das Hochtal, schöne Stimmung hier oben...
Piste, Restaurant und Bergstation im Hintergrund.
Auf dem Grat oberhalb ist der höchste Schlepplift sichtbar, der Cadino Alto.
Sesselliftbergstation.
Von der Bergstation führen erstaunlich viele und unterschiedliche Abfahrten zurück ins Tal. Es ist schon interessant wie viele Varianten diese eine Anlage erschließt. Es gibt eine relativ steile schwarze Abfahrt direkt hinab, und mehrere blaue und rote Variaten mit teils völlig unterschiedlichem Charakter. Gerade die äußeren verlaufen völlig abgelegen durch irgendwelche Seitentäler, so dass man sich zwischendurch fragt, wo man am Ende eigentlich herauskommt und überrascht ist, wenn plötzlich wieder der Schlepplift am Hotel Europa neben einem surrt. Ich mag das sehr. Solche abgelegenen Pisten durch Nebentäler oder irgendwo hinten hinunter, die dann am Ende wieder ins Schigebiet zurück führen, haben mich immer schon gereizt. Mit zunehmdem Ausbau von Schigebieten neigt diese Sorte Abfahrt ja bekanntlich dazu zu verschwinden. Auf dem Pistenplan sind interessanterweise gar nicht alle Variationen eingezeichnet.
Ansonsten gehören zur Urausstattung des Schigebietes noch die beiden Schlepplifte Cadino basso und Cadino alto. Letzterer ist jener extrem steile Schlepplift mit dem schmalen Ausstieg, der eine verhältnismäßig schwierige, im oberen Teil ungewaltzte Piste mit tollem Panorama erschließt. Etwas unterhalb der Bergstation treffen die Pisten dann auf die Sesselliftbergstation, wo sie sich auffächern. Unterhalb dieser Anlage steht dann der zweite Schlepplift - Cadino basso - , der noch weiter in ein Seitental unterhalb der Croce Domini Passstraße hinabführt und als Rückbringer die dortigen Pisten erschließt, die allesamt recht leicht und gemütlich sind. Auch hier unterschlägt der Pistenplan wiederum die Variationen.
Cadino Alto Lift von der Sesselliftbergstation gesehen.
Pisten mit genialem Blick auf den weiten einsamen Adamello Nationalpark.
Bergstation Cadino Basso (rechts in der Mitte) und Talstation des Cadino Alto (links davon). Im Hintergrund die Hänge des neueren SL Gera I und die zugehörige Anlage.
Cadino Alto SL - wenn der man nicht aussieht wie von vor 30 Jahren...
Die seltsamen Skipasslesegeräte. Brauchen ewig um die Karte einzuziehen und können sie dann meist erstmal nicht lesen, v.a. wenn man die Richtung nicht beachtet hat....
Mordssteiler Cadino Alto Lift.
Tolle Stimmung im Cadino Alto...
Nach oben wird der Hang immer schmaler und ausgesetzter... hat was...
Am Ende bleiben dann 1,50m zum Aussteigen - schon cool irgendwo!
Genialer Ausblick am Cadino Alto, vis-à-vis die letzte Erweiterung des Gebietes, der Gera I Lift und rechts davon die Passhöhe des Croce Domini.
Oberster Teil vom Cadino Alto.
Cadino Alto mit Piste - also mal ehrlich, mehr nach altem Skiatlasmotiv aussehen geht nicht oder?
Szenenwechsel: Talstation des Cadino Basso (vorn) und Gera I (hinten).
Cadino Basso Talstation in tollem Licht...
Cadino Basso Bergstation.
Radiale Eiszapfen an der Umlenkscheibe des Gera I - man hab ich gelacht, als ich die entdeckt hab, sowas hab ich vorher auch noch nicht gesehen...
Die Talstation des Cadino Basso war viele Jahre lang der Endpunkt des Schigebiets. Erst Anfang der 90er kam der SL Gera 1 hinzu, der den ersten Schritt zur Erschließung der Verbindung ins Nachbartal über die Passhöhe hinweg darstellte. Es handelt sich um eine typische Leitneranlage mit Schräg-T- Stützen, die optisch wenig hermacht, dafür aber eine geniale Piste in beeindruckender Landschaft oberhalb des Croce Dominis erschließt. Führt die Anlage am Anfang noch auf enger Trasse durch den Wald, so wird die Landschaft bald weiter und offener, bis man am Ende einen weiten und windausgesetzten Höhenrücken erreicht, der etwas oberhalb der Passhöhe des Croce Dominis liegt. Die Einsamkeit des Ortes ist schon beeindruckend. Viele Schifahrer sind hier nicht unterwegs und außer dem Schlepplift ist weit und breits nichts. Neben dem Surren des Metalls an der Umlenkscheibe ist allenfalls das Rauschen des Windes zu hören. Es ist schon eine interessante Stimmung dort oben.
Tolle Stimmung auf den weiten und leeren Pisten der Gera I.
Piste des Gera I, im Vorderund SL Gera I, dahinter Cadino Basso mit Pisten. Fällt schon weniger im Gelände auf also so eine 8er KSB mit Autobahnpisten, nicht?
Die Pisten am Gera I sind sehr, sehr schön. Weit und offen mit stets wechselndem Verlauf und einigen steilen verbuckelten Abkürzungen - das macht Spaß. Nachdem wir hier einige Abfahrten gemacht haben - was zugebenermaßen mit dem langen Schlepplift etwas dauert - bekommen wir langsam Hunger. Das Restaurant an der Sesselliftbergstation stellt sich als zwar sehr 60er Jahre mäßige Bar heraus, die jedoch keine vernüftiges Essen bereitstellt. Also begeben wir uns zu der anderen Hütte, die an der Talabfahrt etwas unterhalb der Sesselliftbergstation liegt. Rustikal ist sie jedenfalls auch, ein bisschen spürt man hier aber schon einen morbiden Hauch, das Gefühl, das alles schon bessere zeiten gesehen hat. Das Essen schmeckt aber allemal.
Die Bar am Sessellift - irgendwo höre ich Stonesmusik in meinem Kopf und sehen VietnamGI's Espresso trinken... hm ok, falscher Film...
Mit dem Abend wird das Licht immer beeindruckender...
Nachdem die Stimmung draußen märchenhafter wird mit dem Ausklingen des Tages entschließen wir uns dem Gera I am Ende des Gebietes noch einen letzten Besuch abzustatten. Jetzt ist es wirklich gespenstisch hier oben... Einsam gleiten wir noch einmal die schöne Piste hinab, fahren ein letztes Mal mit den beiden Cadinoliften hinauf und genießen noch etwas das Panorama dort oben. Im Halbdunkeln folgen wir dann der beachtlich langen, äußersten Piste ins Tal. Erst die steilen Hänge des Cadinoliftes hinab, dann ein kurzes Ziehwegstück hinüber zur Passstraße, schließlich durch ein abgeschiedenes Seitental zurück bis plötzlich die Almwiesen am Hotel Europa vor uns liegen. Ein paar Schwünge, und wir sind wieder am Hotel zurück.
Schweigende Abendstimmung am Gera I...
...und die weiten Hochflächen in Richtun Maniva... dort entlang füht die einsame Schotterstraße, die ThomasK und Alpenkönig im Sommer vom Maniva zum Croce Domini gefahren sind.
Gera I Bergstation und Adamello Nationalpark.
Cadino Alto Bergstation mit Fast-3000er 'Cornone die Blumone' im Hintergrund.
Cadino Basso Bergstation.
Noch einmal die steile Cadino Alto Trasse.
Märchenabfahrt ins Tal...
Das Abendessen ist auch dieses mal eher o.k. als wirklich gut, aber satt werden wir schon. Abends sitze ich noch mit den Wirtsleuten in der Bar, es ist leerer geworden seit gestern, die ersten Sylvestergäste sind wohl abgereist. Man erzählt mir, dass die ersten Lifte im Tal jene von Val Dorizzo waren und Mitte der 60er Jahre gebaut wurden. Etwa 1967 folgten dann die beiden Camprasslifte in Gaver (die „Almwiesenschlepper“) und 1968 die DSB. Das Passschigebiet am Passo Maniva wurde erst um 1975 herum erschlossen. Interessant auch, wie sich der Klimawandel einmal anders darstellt (so vermute ich jedenfalls): die Hänge am Cadino Alto Lift sind nämlich auf den alten Bildern noch völlig frei, während dort heute neben Piste und Lifttrasse dichtes Buschwerk wächst. Dies sei erst in den letzten Jahren hinzugekommen, erzählt der Wirt. Ein großes Problem ist die finanzielle Lage des Schigebietes. An die Verbindung über den Pass glaubt niemand mehr, 2008 muss nach 40 Jahren der Sessellift ersetzt werden - und daran zweifelt man ebenfalls. Der Besitzer der Anlagen versucht seit Jahren, diese zu verkaufen, aber es findet sich kein Käufer. Zu abgelegen ist das Gebiet und zu schwierig für das familiäre Publikum, das eigentlich hier her passen würde. Seit diesem Jahr sind die Lifte außerhalb der Weihnachtsferien nur noch am Wochenende offen. Eine Katastrohpe für die Hotels, die natürlich auf Gäste unter der Woche angewiesen sind. So kann man wohl dem Schigebiet langsam beim Sterben zusehen - ich fürchte 2008 ist spätestens Schluss. Im Stich gelassen fühlt man sich vor allem von der Gemeinde. Diese ist nämlich nicht wie man annehmen könnte Bagolino - der Hauptort unten im Tal - sondern Breno oberhalb des Lago Iseo im Tal auf der Rückseite des Passo Croce Domini. Gaver, das ja nun in einem die Hälfte des Jahres vom restlichen Gemeindegebiet abgeschnittenen Bereich liegt, scheint für die Gemeinde Breno nicht von großem Interesse zu sein. Die schlechten Straßen sind nur ein Zeichen dieses Desinteresses. Sogar um die Straßenbeleuchtung müsse man sich selbst kümmern, die Gemeinde Breno mache nichts. Von dieser Seite ist also auch keine Hilfe bezüglich des Schigebietes zu erwarten. Auch auf die Regionalpolitik ist man sauer. Da werden Millionen in sinnfreie Schigebietsverbindungen am Tonale gepumpt, wo das Schigeschäft ohnehin floriert, wo hingegen hier in den südlichen Alpen Bruchteile der Beträge reichen würden, den Bestand vieler Arbeitsplätze und einer der Haupteinnahmequelle dieses Tales zu sichern. „Aber unsere Politiker machen eben am Tonale und nicht in Gaver Urlaub“, sagt und unsere Wirtin - und fügt in einem Unterton etwas hinzu, dass sehr nach „come la mafia siciliana“ klingt. Man wird abwarten müssen was passiert. Im Vergleich mit den anderen Schigebieten der Region gewinnt man den Eindruck, dass die Gemeinden diese immer ganz gerne mal pleite gehen lassen, um dann festzustellen, dass das nicht so schlau war und schließlich nach ein paar Jahren Reaktivierungsversuche starten. In den Bergamasker Alpen jedenfalls ein oft zu beobachtendes Phänomen. Wie es sich allerdings im Falle von Gaver verhält, ist fraglich: die zugehörige Gemeinde hat ja nichts von dem Schigebiet. Stattdessen aber jedemenge andere Gebiete direkt vor der Haustür. Und Bagolino wiederum dürfte wohl primär an einer Wiedereröffnung des Hausschigebietes Passo Maniva interessiert sein. Die Jahre werden es zeigen. Ich bin jedenfalls froh, dieses Schigebiet noch zu wie es ist erlebt zu haben. Selbst in den wenigen Jahren, wo ich auf die Besonderheiten solcher Gebiete achte, sind nicht wenige von ihnen, die ich noch besuchen konnte, verschwunden oder bis zur Unkenntlichkeit verändert worden. Am Ende sind Zeittore dann eben paradoxerweise doch temporäre Phänomene und das der Moderne Widerstehen durch eben diese befristet...
Zum nächsten Tag: 7. Gardasee / Monte Baldo, 03.01.2006
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