Wegen beruflichem Stress und den üblichen Verpflichtungen rund um die Feiertage war ich während fast einer Woche nicht auf dem Forum, schreibe dann den Bericht, und stelle schliesslich fest, dass ein anderer ("ATV") dasselbe schon getan hat. Da ich jetzt aber einige Zeit investierte habe, stelle ich es trotzdem herein - auf das Risikon hin, dass es nicht mehr gelesen werden könnte...
----- Skisafari anno dazumal -----Pistenkarte 1Pistenkarte 2Endlich ein freier Tag, luxuriöse Schneeverhältnisse, mehrheitlich gute Wetterprognosen – die Saison konnte beginnen. Kurzfristig entschied ich mich für ein vermeintlich kleines Skigebiet: die Mythenregion. Früher wurde hier mit dem Begriff "Skisafari" geworben; ein treffender Titel. Denn es handelt sich nicht um ein gewöhnliches Grossraumskigebiet, sondern um einen Zusammenschluss verschiedener kleiner, voralpiner Skigebietchen, die untereinander durch Strassen, Lifte oder Verbindungsrouten vernetzt sind. Nachdem ich verschiedene Teile davon vom Sommer oder von Anfängerversuchen auf den Skis kannte, wollte ich schon länger das ganze "Ausmass" erleben.7 Uhr 45 morgens, Zürcher S2: eine vollgestopfte S-Bahn kommt ja öfters vor, aber am Wochenende ist es ein gewöhnungsbedürftiger Anblick. Es scheinen nur Wintersportler unterwegs zu sein, man profitiert vom Angebot der verlängerten S2 bis nach Unterterzen (Talstation Flumserberg). Kein Wunder, dass nicht genügend Sitzplätze für die schneegeile Meute vorhanden sind. Nach Umsteigen in Wädenswil und Biberbrugg erreiche ich per Bus die Talstation in Sattel. 2 Stunden Anreise waren nötig, um keine 200 Meter höher zu stehen als zuhause, dennoch bin ich am Tor einer ziemlich unterschätzten Skiarena angelangt.
Beim Kauf des Spezialskipasses "Swiss Knife Valley" wird mir mitgeteilt, dass die Verbindungen offiziell geschlossen seien. "Man kann ja auch den Bus nehmen" war meine nicht so ernst gemeinte Rechtfertigung. Also ab in die erste Drehgondelbahn der Welt! Sinnvollerweise wird der Drehmechanismus erst eingestellt, wenn die Bahn einigermassen frequentiert ist, was morgens um 9 Uhr noch nicht der Fall war. Dennoch sind die runden Kabinen eine willkommene Abwechslung. Leider ist die Bergstation Mostelberg noch in dicke Nebelschwaden gehüllt, dafür hat es nachts nochmals etwas geschneit.
Talstation Stuckli-Rondo
So begebe ich mich fürs Erste auf die Talabfahrt, welche herrlich abwechslungsreich zwischen Häusern und Bäumen hindurch trassiert ist. Zuerst vorsichtig, dann mit immer mehr Vertrauen setze ich die ersten Kurven in den Schnee. Es sind die ersten dieses Winters, aber auch die ersten mit meinem neuen Option Board. Selten dürften hier unten die Schneeverhältnisse besser sein – bei der Höhenlage von 800 bis 1200 Metern kann man wirklich von einer Talabfahrt sprechen. So kann mir auch die schlechte Sicht nichts anhaben.
Drehgondelbahn in verschneiter Landschaft, darunter die Talabfahrt
Damit ist die Geschichte der modernen Anlagen im Gebiet begonnen und gleichzeitig beendet... Über den Skilift Engelstock, ein Stück Ziehweg und einen Seillift erreicht man Herrenboden und tritt nach und nach ein in eine Welt, in der die Zeit stehen geblieben ist, in der keine Spur von modernem Massentourismus zu finden ist, in der alles seinen Platz und seine Ruhe geniesst – ein idyllisches Winterparadies.
Skilift Engelstock
Skilift Engelstock
Die beiden Skilifte Bärenfang und Hochstuckli erschliessen die coupierten Haupthänge. Im Gegensatz zum weniger steilen Bärenfang-Lift macht der Hochstuckli-Lift dank eines Steilhangs ordentlich Höhenmeter. Keine Überkapazität, keine Wartezeiten, genügend Platz auf den Pisten – das System funktioniert einwandfrei. Während der ersten Fahrt am Hochstuckli-SL erreiche ich bald die (Hoch-)Nebelgrenze, erfreue mich am blauen Himmel, bis ich schliesslich an der Bergstation auf dem Kamm von der Wintersonne geblendet und erwärmt werde.
an der Nebelgrenze
tolles Nebelmeer, rechts des Kreuzes ist die Rigi Kulm erkennbar
Partyoase Herrenberg
Skilifte Bärenfang und Hochstuckli
Blick zurück zum Mostelberg
idyllische Umgebung
Kleine Mythen
Panorama nach Süden
Dank dem lichten Baumbestand bietet der SL Hochstuckli zahlreiche Abfahrtsvarianten an, sei es auf oder neben der Piste. Wieder einmal fällt mir auf, wie attraktiv Pisten in unplaniertem, welligem Gelände sein können. Die einwandfreien Schneeverhältnisse tragen das Ihrige zum Vergnügen bei.
Auf der topographischen Karte hatte ich eine geniale "Hintenrum"-Variante entdeckt: Also biege ich bei der Bergstation direkt nach rechts ab, und sofort bieten sich unberührte Steilhänge zum Befahren an. Lediglich einigen Zäunen muss ich ausweichen. Der Rückweg gestaltet sich einfacher als gedacht, da ein Winterwanderweg gewalzt wurde.
idyllisch verschneite Wälder
Winterwanderweg zurück nach Herrenberg
einfach traumhaft
Bergstation SL Hochstuckli
Im Wissen, dass dieses tief gelegene Skigebiet nicht jeden Winter ausreichend mit Schnee beschenkt wird, geniesse ich jede Minute. Ein Fall der Kategorie "klein aber fein". Nach der 5. Fahrt mit der Hauptanlage beginnt der Tag aber erst so richtig...
Die Verbindung zwischen den Gebieten Sattel-Hochstuckli und Brunni-Haggenegg war das grosse Fragezeichen dieses Tages. Im heutigen Zeitalter, wo man sich über jedes Detail im Internet informieren kann, sorgen eben die kleinen Unbekannten für Spannung. Und so war ich neugierig auf die Verbindungsroute, die offiziell geschlossen war.
Zuerst, und das wusste ich, steht ein kräfteraubender Anstieg von knapp 100 Höhenmetern durch knietiefen Schnee bevor. Nicht unerwartet treffe ich bloss zugeschneite Spuren an. Nach einer guten Viertelstunde erreiche ich das Hochplateau des Hochstucklis auf nicht ganz 1600 NN und werde von stürmischen Böen überrascht. Einige Fussstapfen durchziehen hier den Schnee, bald kreuze ich auch zwei Tourengänger. Von hier aus hat man freie Sicht auf den weiteren Verlauf der Route, die den Mythen entgegen zum Haggeneggpass führt. Die erstaunlichen Distanzen zwischen den verschiedenen Knotenpunkten der Mythenregion werden ein Stück weit vorstellbar.
Aufstieg von der Bergstation Hochstuckli zur Verbindungsroute
auf dem Hochstuckli-Plateau
gross im Bild die Mythen, links daneben liegt die Haggenegg, und dahinter befinden sich die weiter entfernten Hänge rund um den Brünnelistock
Nach dem Vergnügen des ersten Hangs wird die Verbindung leider ziemlich beschwerlich. Das nötige Gefälle fehlt, weshalb bei der Querfahrt mehrere zu flache Streckenabschnitte auftauchen. Immerhin wurde hier die Route vor einem oder zwei Tagen gespurt, so ist der Weg unter der Neuschneeschicht gut zu erkennen. Möglicherweise wäre der Widerstand bei frisch gewalzter Verbindung geringer gewesen, aber eigentlich stört es mich ja gar nicht. Denn hier hat man sowieso alle Zeit der Welt, gerade weil man sich abseits der Skigebiete befindet. Als ich die Haggenegg und damit den nächsten Sektor erreiche, bin ich schon ziemlich weit von meinem Ausgangspunkt in Sattel entfernt und habe das erste Stück „Skisafari“ erlebt.
ohne Worte
Das Teilgebiet Brunni-Haggenegg ist das flachste und dementsprechend werden die beiden ewig langen Lifte von vielen Anfängern benutzt. Trotzdem finde ich es reizvoll, wie sich die Pisten durch frisch verschneite Wälder und den vielen Holzhütten entlang schlängeln. Dass der Skipass „Swiss Knife Valley“ nicht rege gekauft wird, wird mir an der Talstation in Brunni ein zweites Mal bewusst: Ich muss den Skipass, den ich in Sattel gekauft habe, umtauschen in eine Access Card. Unglaublich, dass es in einem Skiverbund noch verschiedene Zutrittssysteme gibt, aber das Bünzlidenken kann nicht von heute auf morgen verschwinden.
gemütliche Ambiance am oberen Haggenegg-Lift
die kleinen Mythen von Brunni aus gesehen
unterer Skilift Brunni-Haggenegg
ziemlich flache Hänge im Sektor Brunni-Haggenegg
2. Sektion Haggenegg
so sollen Waldpisten sein
Über einen kurzen Verbindungsweg erreicht man die Station der kleinen Pendelbahn zur Holzegg. Sie fährt im Fahrplanbetrieb alle 30 Minuten. Glücklicherweise verlässt die 15er-Kabine bereits nach 2 Minuten Wartezeit die unbemannte Talstation. Bei der Ankunft auf der Holzegg befinde ich mich nun unmittelbar neben dem Grossen Mythen (1899 m.ü.M.) und bin damit im Verlauf des Tages einige weitere Kilometer nach Süden vorgestossen. Dieser markante Koloss lässt sich im Sommer auf einem abenteuerlichen Bergweg besteigen. Aus triftigen Gründen ist das Gipfelrestaurant winters geschlossen.
Verbindungsweg zur Holzeggbahn
Talstation Brunni, der Lift dahinter gehört merkwürdigerweise nicht zum Liftverbund
Grosser Mythen, das Wahrzeichen der Region
Bergstation Holzegg vor dem voralpinen Alpthal
Von jetzt an wird die Liftstruktur richtig spannend; denn über das verwinkelte Gelände hinweg erstreckt sich ein unübersichtliches Netz von mittleren und kürzeren Schleppliften, die fast allesamt einen eigenen Hang erschliessen. Auf den Tal-Berg-Tal-Lift Holzegg folgt der kurze aber knackige Skilift Stägleren. Hier befindet sich die einzige schwarze Piste im Gebiet, weshalb ich mir einige Wiederholungsfahrten gönne.
Grosser Mythen, davor die Holzegg
Blick zum steilen Stägleren-Lift
Bergstation des Stägleren-Lifts; erst am Hang im Hintergrund liegt der nächste Skilift (Zwäcken)
ein weiteres Panoramabild, von der Bergstation Stägleren aus
Per Winterwanderweg komme ich zum Skilift Zwäcken, dessen Bergstation auf dem Brünnelistock (1594 m.ü.M.) liegt. Hier oben treffen sich auch die beiden Liftketten vom Ibergereggpass und von Handgruobi. Ich bemerke, wie die Mythen bereits wieder ein schönes Stück hinter mir liegen – dafür ist das Skigebiet Hoch-Ybrig sehr nahe gerückt.
SL Zwäcken, auch ein tolles Ding
Blick vom Zwäckenlift zum bereits ein Stück entfernten Grossen Mythen
Hoch-Ybrig ist mit der Mythenregion ebenfalls durch 2 Routen verbunden. Leider gibt den Skipass für alle Teilgebiete (Hoch-Ybrig, Iberegergg, Brunni, Sattel) nicht mehr. Wer sich aber den teuren Spass macht und eine zweite Tageskarte ersteht, kann sich hier quasi einen weiteren Sektor „dazukaufen“.
Bergstationen auf dem Brünnelistock, im Hintergrund das Skigebiet von Hoch-Ybrig
Obwohl die beiden Skilifte Alpstubli und Kulm der Ibergeregg ziemlich kurz sind, fährt es sich auch hier gefällig, da man immer wieder neue Routen zwischen den einzelnen Baumgruppen findet, sei es auf oder neben der Piste. Erstmals treffe ich kleinere braune Bereiche auf den Pisten an, die Südlage setzte einigen Stellen etwas zu. Im Grossen und Ganzen sind die Schneeverhältnisse aber angesichts der bescheidenen Höhenlage weiterhin vorzüglich. Positiv fällt mir ausserdem das mühelose Miteinander zwischen Wanderer und Skifahrer auf, das nicht mehr überall selbstverständlich ist.
Überblick über die beiden Lifte an der Ibergeregg
SL Kulm am Sonnehang der Iberegg, rechts daneben die Bergstation des kurzen, einladenden SL Alpstubli
Passhöhe Ibergeregg
Die letzte Etappe der Skisafari beinhaltet mit der Liftkette Handgruobi/Grossenboden den dritten Ast hinauf zum Brünnelistock. Durch Kombination der beiden längeren Lifte erhält man immerhin mehr als 500 Höhenmeter. Auch hier geniesse ich das sorgenlose und ungezwängte Befahren der verschiedenen geistreichen Pistenvarianten. Die enge Waldschneise am Schluss der Abfahrt setzt ein weiteres Ausrufezeichen.
SL Grossenboden
Waldschneise am Ende der Piste nach Handgruobi
Talstation Handgruobi an der Nebelgrenze
SL Grossenboden
SL Grossenboden, dahinter ist der andere Lift (Handgruobi) zu erahnen
Panorama vom Brünnelistock aus
Durch die vielen Skiliftfahrten und die anstrengende Verbindungsroute bin ich etwas müde geworden. Darum entscheide ich mich, eine ursprünglich im Raum stehende Idee fallen zu lassen: Früher existierte von Rickenbach aus ein weiterer Zubringer ins Skigebiet – eine Luftseilbahn in 2 Sektionen, wobei eine Piste von der zuvor passierten Holzegg bis zur Mittelstation führte. Ich habe in Erwägung gezogen, diese ehemalige Piste als Varianten-Talabfahrt in Richtung Schwyz zu nutzen. Das schnelle abendliche Eindunkeln, der dichte Nebel, die unklare Schneesituation und ein möglicher längerer Fussmarsch halten mich nun doch davon ab.
Zwäcken-Lift vor der tiefstehenden Sonne
Deshalb wähle ich Brunni als Alternative für die Heimreise. Beim Rückweg dorthin koste ich zunächst noch die variantenreichen Hänge am Skilift Zwäcken aus, bevor ich per Ziehweg, Seil- und Stäglerenlift zur Rothenfluh hinüberquere. Seitdem die vorhin erwähnte Luftseilbahn dorthin nicht mehr in Betrieb ist (es existiert ein Neubauprojekt), steht der kleine Skilift Rotenfluh im Nirvana. Wegen des Bergrestaurants ist er trotzdem in Betrieb und bedient eine kurze rote Abfahrt.
voralpine Landschaften
Einsamkeit am kurzen SL Rotenfluh
Bergstation Rotenfluh
Einige Minuten später bin ich wieder auf der Holzegg angekommen und biege, begleitet von den letzten Sonnenstrahlen, in die Talabfahrt ein. Diese ist, wie könnte es anders sein, eine nette, kurvige Waldpiste mit einigen letzten Geländewechseln. Die 45 Minuten Wartezeit auf den Bus werden zunächst mit der Suche nach einer Rückgabestelle für den Skipass und danach mit dem Ausklang bei einem Bierchen in einer der zahlreichen Beizen verbracht.
Talabfahrt nach Brunni
Abendstimmung!!!
Ausser den vorgestellten Bereichen hätte mit der gelösten Skikarte auch noch die Möglichkeit bestanden, den beiden Liften von Rothenthurm, den Seilbahnen von Illgau oder dem Skigebiet von Stoos einen Besuch abzustatten, da all dies auch noch zum Liftverbund „Swiss Knife Valley“ dazugehört. Theoretisch erstreckt sich das „Skigebiet“ damit über beinahe 20km (Luftlinie), die aber kaum an einem Tag zurückgelegt werden können. Noch mehr war für mich gar nicht nötig, denn trotz oder gerade wegen den vielen Skiliften war die Mythenregion, so wie ich sie erlebt habe, genügend mannigfaltig für einen gelungenen und nicht ganz normalen Saisonauftakt.