La Bresse, 12.12.2008
Grösse schützt vor Schwächen nichtLa Bresse dürfte unter den Mittelgebirgsskigebieten bis 1500 m Meereshöhe in Europa die Referenz darstellen. Ernsthaftester Konkorrent um dieses Prädikat könnte Spindlermühle sein, aber das ist weit entfernt, und ich habe es nie besucht. Diese Referenzstellung möchte ich in keiner Weise anzweifeln, auch wenn in der folgenden Berichterstattung ein paar kritische Töne zu dieser Station anklingen.
Kurzbeschreibung der Station La Bresse-HohneckVon riesigen Parkplätze an den Talstationen am Bois de Vologne und in Belle Hutte auf etwa 870 m NN führen drei Sesselbahnen nach oben. Unten, den der sogenannten "Front de Neige" befinden sich neben einem 1000-Plätze-SB ein Accessoir-Laden, ein Verleih, die Skischule und mehrere Übungslifte. Im oberen Bereich laufen bis auf eine Höhe von 1350 m drei weitere Sessellifte sowie 10 Schlepplifte. Die Kastelberglifte führen zum höchsten lifttechnisch erschlossenen Punkt in den Vogesen. Die sieben Talabfahrten sind teilweise recht enge Waldschneisen der Schwierigkeitsgrade blau bis schwarz. Sie sind mit Ausnahme der Schwarzen beschneit, beleuchtet, teilmodelliert und stellenweise mit Fangnetzen ausgestattet. La Bresse bietet mit den Tageszeitergänzungen Aurore und Nocturne den längsten Skitag Europas an mit einer Betirebszeit von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr.
Im oberen Skigebietsteil wird das Gelände überwiegend flach, da es sich auf einer teilweise baumfreien Hochebene bis zum Hauptkamm erstreckt. Die Hauptpisten sind auch hier beschneit, aber mit Ausnahme des Slalomstations gänzlich unmodelliert. Das Slalomstation stellt gleichzeitig den einzigen ordentlich steilen Hang im oberen Bereich dar. Insgesamt verfügt das Gebiet über etwa 400 Schneeerzeuger. Die Nebenpisten am Rand des oberen Bereichs sowie am Kastelberg sind Naturschneepisten. Dieser obere Bereich stellt eine ewig weite, unwirkliche Schneelandschaft dar.
Weiterhin gehören zu Betreiber und Skipassverbund die beiden 4 bzw. 6 km entfernten Kleinskigebiete Retournemer und La Schlucht, die insgesamt über eine 4KSB und 3 Schlepplifte verfügen. Diese Anlagen sollten ursprünglich per neuer Verbindungsbahnen in das Gesamtgebiet integriert werden, wodurch ein Riesen-Skigebiet entstanden wäre. Dieses Vorhaben ist jedoch am Naturschutz gescheitert.
Bis 2012 sind enorme Investitionen in Höhe von 32 Mio. € vorgesehen. Der Ausbau hat bereits im September 2008 begonnen. Das derzeitge SB-Restaurant soll zwei neuen Gebäuden mit insgesamt 3 Restaurants (SB, Fastfood, gehobene Gastronomie) weichen. Die Bodenplatte für den zweiten Standort ist bereits gegossen. In diesen Gebäuden wird ein noch umfangreicheres Angebot an Shops, Locations und anderen Serviceanbietern unterkommen. Zusätzlich werden Appartementhäuser mit 500 Betten, Hallenbad und Konferenzzentrum entstehen. Damit dies alles Platz hat, werden die Talstationen der Lifte um 40 Meter in Richtung Berg versetzt. Die 3 SB Vologne wird durch eine 6KSB ersetzt. Der Parkplatz wird teilweise überbaut, teilweise renaturiert und durch eine Parkgarage auf 4 Ebenen zwischen dem derzeitigen Standort und Belle Hutte ersetzt. Von diesem Parkterminal werden die Skifahrer dann durch Tunnelstollen über Förderbänder zu den Talstationen Vologne und Belle Hutte transportiert. Nachdem Monsieur Remy bereits um 1960 und 1985 massiv geklotzt hatte (Aufbau eines grossen Skigebiets auf einen Schlag / Bau mehrerer Sesselbahnen und fast-Vollbeschneiung auf einen Schlag), holt er jetzt im bewährten 25-Jahres-Rhytmus zum nächsten Schlag aus. Interessanterweise wird in den Zwischenphasen so gut wie nichts investiert, so dass die Station im Moment gerade den Ruf besitzt, etwas veraltet und heruntergekommen zu sein.
Persönlich frage ich mich, wie man auf die Idee kommen kann, in dieser Höhenlage so viel Geld in die Infrastruktur zu investieren. Gerade die Betten erfordern kontinuierliche Auslastungen durch Frühbucher. Kann man denen die erforderliche Schneesicherheti bieten? Gerade in den letzten beiden Wintern gab es doch einige Betriebseinschränkungen aufgrund dauerhaft zu hoher Temperaturen. Auch im Skipass-Forum stossen die Pläne auf Kritik. Kernaussage: Wer ins Mittelgebirge geht um Wintersport zu betreiben, erwartet gemütliche Atmosphäre und keinen Grossstadtrummel.
Situation am 12.12.2008Die im September begonnenen Bauarbeiten für die neuen Gebäude konnten nicht rechtzeitig zum frühen Wintereinbruch abgeschlossen werden, so dass es mit der Öffnung erhebliche Probleme gab. Zunächst einmal konnte man aufgrund der stationierten Baumaschinen überhaupt nicht öffnen. Als sich abzeichnete, dass der Winter dauerhaft da ist, wurde hektisch das nötigste gesichert und zusammengeräumt, um am Freitag, den 12.12.2008 öffnen zu können. Dabei hat man ergeizigerweise vor, sofort das gesamte Gebiet sofort zu öffnen. Die 4KSB Grand Artimont kann jedoch nicht in Betrieb gehen, da deren Talstation unmittelbar an der noch ungesicherten Baugrube steht.
Für uns zeichneten sich himmliche Verhältnisse ab. Das Wetter sollte auf diesen Tag gut werden, die Pisten sollten aufgrund der Erst-Öffnung optimal sein. Schnee war genügend vorhanden, die Temperaturen mit -7°C gewöhnungsbedürftig, aber nicht beanstandbar.
Der Tag läuft letztendlich fast erwartungsgemäss, allerdings mit einem deutlichen Manko: Während die Talabfahrt Bouvril noch halbwegs griffigen Schnee hat, sind 4 blaue und rote Talabfahrten mt einem Schnee ausgestattet, der eher an Beton erinnert. Hier hat man die Vermutung, dass der intensiv verschneite Maschinenschnee bewusst extrem auf Haltbarkeit (=Eis) und nicht auf Fahrkomfort eingestellt ist. Die Wolken bieten in der leichten Wind-Situation ein faszinierendes Schauspiel aus Kommen und gehen, nebeln manchmal Kuppen leicht ein, bilden eine hohe Schleierbewölkung oder verschwinden gänzlich. Dei Öffnung erfolgt auch nicht am Morgen auf einen Schlag, sondern Etappenweise. Um die Mittagszeit sind mit der Öffnung des Kastelbergs sämtliche Pisten erreichbar.
BewertungAus meiner Sicht ist hier nicht alles Gold, was glänzt. Insbesondere mit dem unteren Bereich kann ich mich weniger anfreunden. Die Talabfahrten sind bis auf die Mur eher eng. Für geringe Frequenzen wäre diese Breite zwar optmial, da man mehr Breite nicht braucht, aber die teilweise von fern anreisenden Gästen heizen auf diesen teilmodellierten Pisten extrem. Die Modellierung und Sicherung durch Netze ist sicherlich ein Zugeständnis an den Nachtbetrieb und versetzt die Gäste tagsüber in die Illusion von Rennpisten. Dazu kommt der betonharte, auf Haltbarkeit angelegte Maschinenschnee. Diese Merkmale widersprechen einer von mir besonders erwarteten Kinderfreundlichkeit. Zur suboptimalen Kinderfreundlichkeit kommt ein weiterer Aspekt: Im Gegensatz zu anderen Vogesengebieten ist das gemeinsame Schleppliftfahren bis auf wenige Lifte (Bsp. Jumeaux) verboten. So bleiben die schönen Naturschneepisten im oberen Bereich, die eigentlich für fortgeschrittene Kinder prädestiniert wären, für diese tabu (Kastelberg) bzw. nur mit viel Geschiebe erreichbar (Goulet Bleu). Mein 4-Jähriger fährt zwar Schlepplifte bis 2,5 m/s alleine, aber einen 3,5 - 4m/s-Lift mag ich ihn nicht fahren lassen. Das ist mir zu riskant. Dies ist heute ein klarer Minuspunkt und erfordert eine abgestimmte Logistik innerhalb der Familie. Auch bieten die Talabfahrten keine schöne Landschaft. Der Blick fällt auf uninteressante, hügelige Waldlandschaften.
Ganz anders präsentiert sich in meinen Augen der obere Bereich, obwohl dieser sich fast komplett durch leichtes Gefälle auszeichnet (oder gerade deswegen?). Dieser obere Bereich präsentiert sich zu einem grossen Teil baumfrei und bietet den Blick auf die endlosen Schneeweiten der hochebenenartigen Westabdachung des Hauptkamms. Am Kastelberg kann man zudem die Felshänge der steilen Ostabdachung aus nächster Nähe sehen. Diese Schneewüste wirkt im Winter beeindruckend und fast unwirklich. Die natürlichen Pisten mit dem oft geringen Gefälle sind traumhaft zu fahren und ermöglichen einen intensiven Landschaftsgenuss. Gerade die Aussenrumabfahrten Goulet Bleu, Duchesse und Goutte sind unbeschneit und idyllisch. Hier oben präsentiert das Gebiet eine völlig andere Welt und der hektischen Betriebsamkeit des Talstationsbereichs ist man völlig entrückt. Ich bin mal gespannt wie das wird, wenn aus der derzeitigen hektischen Betriebsamkeit in wenigen Jahren eine Grossstadt- und Flughafenatmosphäre wird.
Das Gebiet ist aufgrund seiner erstaunlichen Grösse und den sagenhaft weiten Landschaften oben schon etwas Besonderes. Den familiären Charme und den Kult kleinerer Stationen wie Le Tanet und Schnepfenried kann es freilich nicht bieten.
Eine geniale und lifttechnisch einfach zu realisierende Erweiterung wäre meines Erachtens nicht die geplante Verbindung mit La Schlucht, sondern die Verbindung über das Hohneck zum Kleinen Hohneck gewesen. Dort befindet sich das anspruchsvolle Skigebiet von Gaschney. Ein gemeinsames Skigebiet La Bresse-Hohneck-Gaschney wäre das Nonplusultra gewesen, das mit vielen Alpengebieten konkurrieren könnte. La Bresse hat sogar an einer Seilbahnverbindung aus dem Elsass gearbeitet. Allerdings nicht über Gaschney, sondern von Mittlach aus. Dieser Plan ist freilich im Elsass nicht auf Gegenliebe gestossen.
^^ Pistenplan
Bilder von unten, von der "Front de Neige"
^^ 3SB (B) und Schlepplift (C) Vologne mit den Pisten Grandes Gueules (kommt von links) und Mur (zwischen den Liften). Grossmäuler fahren letztendlich immer die Blaue.
^^ Die École-Übungslifte, darüber die 4KSB Grand Artimont (S) mit schwarzer Piste "Noire", ganz rechts ist der Snowpark-Lift (T) zu erkennen. Die Schneise der roten Talabfahrt "Gabi Curien" ist links unterhalb der Schwarzen nur zu erahnen.
^^ Die 3SB Vologne kommt an dieser Stelle an. Weiter geht's hier mit dem Zwillingslift mit dem passenden Namen "Jumeaux" (G+F)
^^ Die Talabfahrt "Bouvril" auf Höhe der Jumeaux-Lifte: Hier ist sie noch recht freundlich angelegt.
^^ Die Talabfahrt "Bouvril" im unteren Bereich: Begradigt, beschneit, beleuchtet - eine eisige Rennbahn.
Kommt man in den oberen Bereich, erlebt man den Gegensatz: Die begradigten, eisigen Waldschneisen "ohne Landschaft" weichen einer fast schon unwirklichen Schneewüste. Wäre hier kein Skibetrieb, würde es fats schon menschenfeindlich anmuten. Mir gefällt es genial:
^^ Vom zentralen Bergstationspunkt "1262" zu den endlosen Weiten des Kastelbergs - mittig die Ferme Auberge Breitzhousen
^^ Kastelberg im Zoom, die vierhöchste Erhebung der Vogesen. Wie gewohnt: Hier auf der Lorraine-Seite eine sanfte Hochebene, drüben auf der Elsässer Seite steile Felsabbrüche.
^^ Der namensgeber des Skigebiets: Das Hohneck, seines Zeichens dritthöchster Vogesen-Berg. Auf dem neuen Pistenplan ist er fälschlicherweise als "Petit Hohneck" betitelt. ich habe daher bei der oben eingestellten Version das "Petit" retouchiert.
Links tummeln sich Snowkiter, für die diese Weite wohl ideal ist.
^^ Nebelschwaden erobern vom Elsass aus den Hohneck-Gipfel. Herrliche Szenerie. Rechts der Bildmitte ist ansatzweise der felsige Wormpsel-Kessel zu erkennen, in dessen Grund der La de Schiessrothried liegt.
^^ Hier ist Ende-Gelände! Die Kammstrasse Route des Crêtes ist im Winter bis zum Punkt 1262 öffentlich befahrbar. Dahinter wird sie noch einen guten Kilometer für die Wirtsleute der Ferme Auberge Breitzhousen geräumt. Dann geht gar nichts mehr! Wintersperre! Die Kammstrasse hat in den meisten Bereichen eine absolute Wintersperre. Wie an dieser Stelle wird sie teilweise von Schleppliften gekreuzt. Auch manche andere Strassen in den Vogesen haben Wintersperre, wie zum Beispiel die Verbindung Schnepfenried-Markstein. Wer im Winter zu einer Rundfahrt aufbricht, sollte sich gut informieren und sich nicht aufs GPS/Navi verlassen.
Machen wir mal einen Streifzug durch den oberen Bereich des Gebiets von links nach rechts:
^^ Ausstiegsbereich der Jumeaux-Lifte (G+F). Man kann den Powder erahnen.
^^ Vom Ausstieg Jumeaux - Blick in Richtung des verlaufs der Piste "Bascule". Von rechts oben (Bergstation 4SB Chitelet (H)) kommt die Piste "Bouvril", welche die Bascule hier kreuzt. Beide Pisten sind beschneit, aber in diesem, oberen Bereich als herrliche Naturabfahrten trassiert.
^^ Nach der Einmündung der Bascule in die Chitelet Bleu
^^ Ganz aussen rum geht die Goulet Bleu, eine unbeschneite Naturpiste, auf die sich kaum ein Mensch verirrt.
^^ Hier die Goulet Rouge, eine ebenfalls unbeschneite Piste mit genialem Muldenprofil wie eine riesen Bobbahn. Hier kann man richtig Gas geben.
^^ Hier die Goulet Rouge vom Lift aus; man erkennt gut das Muldenprofil (wer solches Pistenprofil such, wird massenhaft in Ovronnaz fündig).
^^ Auf der Piste Chaume mit dem redundaten und heute ausser Betrieb befindlichen Skilift La Chaume (L). Am Gegenhang das Stade Slalom an der 4SB Petit Artimont (P).
^^ Die Heidebahn. Nein, wir sind nicht in Sölden, aber diese 3SB heisst ebenfalls La Lande (M). Piste Lande mit La-Chaume-Talstation.
^^ In der "Heidebahn" (M) mit roter Piste "Lande"
^^ Blick zurück auf die 4SB Petit Artimont (P) und das Stade Slalom. Unten ebenfalls die Talstation der kastelberg-Schlepper.
^^ Der Powder schaut lecker aus.
^^ Es geht hinauf zum Kastelberg (O+N)
^^ Blick zum Punkt 1262 mit 5 Bergstationen.
Oben drücken von Osten Wolken gegen den Berg. Der Blick auf die Felsabbrücke des Rainkopfs bleibt leider verwehrt. Fotographieren in der windigen Kält ohne Sicht sinnlos.
^^ Piste Goutte vom Kastelberg; unten ist das Dach der Ferme Auberge Breitzhousen zu erahnen. Links der Bildmitte der Speichersee La Lande, rechts davon die Hochfläche mit der Muskelkraft erfordernden Piste "Traversée" sowie der Ferme Auberge Schmargult.
^^ Links die Pistenschneise Feigne von der Bergstation der beiden 4SB Petit Artimont (P) und Belle Hutte (U). Rechts davon ist die Bergstation der 4KSB Grand Artimont (S) zu erkennen. Kurios: Während die KSB Grand Artimont auf den Petit Artimont führt, endet die SB Petit Artimont auf dem Grand Artimont.
^^ Blick nach rechts auf die schöne und unbeschneite Naturpiste Duchesse, die voll in der Sonne liegt. Unten führt sie idyllisch durch ein kleines Tal.
^^ Piste auf Höhe der Breitzhousen.
^^ Piste Goutte inmitten der weissen Wüste
^^ Auf der grünen Piste Crête steuern wird direkt auf der Bergstation der 4KSB Grand Artimont (S) zu. Links der Schlepplift Schildkappe (Casquette (R)).
^^ Die Talabfahrt Blanchemer kreuzt hier die an diesem Tag nur gering frequentierte und ewig lange 4SB Belle Hutte (U). Diese Talabfahrt - wie auch die Talabfharten Belle Hutte, Gabi Curien und Mur waren hart wie Beton. Unten ist die Station mit den Funktionsgebäuden zu erahnen, welche in den kommmenden Jahren komplett umgekrempelt wird.
Fazit: Ausser dem harten Schnee auf den Talabfahrten gibt es fast nichts zu bemängeln. Der untere bereich der Talabfahrten entspricht nicht so recht meinem Geschmack. Die Landschaft oben fasziniert mich seit meiner Kindheit und bietet richtiges Genussskifahren ohne grosse sportliche Ansprüche. Das Gebiet ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Die Bewertung wird je nach persönlichen Vorlieben durchschnittlich bis hervorragend ausfallen.