Das was von verschiedenen Seiten über Alagna dem Freeride-Paradies berichtet wird, hört sich verführerisch an: Ausgezeichnete Möglichkeiten für Varianten sowie Touren und dazu eine großartige Kulisse mit vielen Viertausendern. Unwissend darüber, das im Skigebiet in Alagna sich die Anzahl der Liftanalagen kontinuierlich verringert und vor allem dadurch die Abfahrtsmöglichkeiten, die durch die Gondeln erschlossen werden, auch immer eingeschränkter werden, machen wir uns Ende Februar 2006 auf in die Region mit der höchsten Alpenhütte Europas und der verführerischen Abfahrt nach Zermatt und der damit verbundene Blick auf das Matterhorn über den Lyskamm. Da die Kunde über die Stillegung der Gondel Punta Indren (obwohl noch im diesjährigen Pistenplan eingezeichnet) und des Balmakorbliftes sich nicht bis zu uns durchschlägt stehen wir etwas überrascht an unserem ersten Skitag an der Talstation und lassen uns mit der Auskunft das in der Abfahrt zu wenig Schnee liege vertrösten und erkunden das durch die vorhandenen Liftanlagen erschlossene Skigebiet.
Bei schönsten Wetter und immer noch geschlossener Indren-Gondel machen wir uns am nächsten Tag auf und wollen mit Tourenski zur Bergstation aufsteigen. Die Chancen das die Gondel noch im Laufe der Woche geöffnet wird, wie von einigen Bergbahnmitarbeitern verkündet schätzen wir als gering ein. Da bis Mitte Februar fast kein Schnee gefallen ist, liegen die vielleicht 60 ? 80 cm des in den letzten Tagen gefallenen Schnees noch ziemlich unkomprimiert im kaum verspurten Gelände. Eine Aufstiegsspur gibt es nicht, so spuren wir kräfteraubend im Tiefschnee bergauf.
Etwa zur Hälfte des Aufstiegs setzt sich der Schnee aufgrund der nun auf ihn wirkenden Last mit lauten und deutlich zu spürenden Wumm-Geräuschen. Dieses Warnsignal hinterlässt bei uns Spuren und wir beschließen den Aufstieg abzubrechen, ziehen die Felle ab und fahren einzeln aus dem Tiefschneefeld heraus und hinunter Richtung Balmakorblift.
Weiter unten ist das Areal deutlich verspurter, viele Skifahrer fahren nach einem kurzen Aufstieg vom Passo Salati in das Gebiet ein.
Überhalb des Balmakorbliftes bestehen zwei Möglichkeiten; zum einen kann man in Richtung Bochetta delle Pisse queren und danach zur Gondelstation aufsteigen oder den Spuren talwärts folgen. Zwei passierende Skifahrer versichern uns, dass das der Weg Richtung Alagna ist und dieser mit ausreichend Schnee ausgestattet sich zur Abfahrt eigne. So fällt die Wahl auf den Aufstieg zu verzichten nicht schwer. Wir fahren weiter und passieren die Talstation des Balmakorbliftes, ein Monstrum aus Beton, das völlig funktions- und regungslos in diesem nun ziemlich verlassenen Tal steht. So folgen wir den Spuren, kämpfen uns durchs Gebüsch und müssen uns konzentrieren um das unwegsame Gelände unversehrt zu passieren.
Kurz vor einigen Häusern verpassen wir den Abzweig, zwanzig Minuten später und um die Gewissheit reicher, das der andere Weg ins Nichts führt setzen wir die planmäßige Abfahrt fort. Da die Abfahrt sehr viel Zeit beansprucht, sehen wir schon die letzte Gondel in Richtung Gressoney entschwinden und lassen es auf dem schmalen und eisigen Wanderweg so gut es geht laufen. Unten angekommen merken wir, das die Abfahrt nördlich von Alagna geendet hat. Wir folgen der Straße Richtung Alagna, erst auf seitlich liegenden Schneeresten fahrend dann die Skier tragend. Wir fahren in der Gondelbahn auf zur Pianalunga und freuen uns das die letzte Bergfahrt zum Passo Salati noch mit uns stattfindet. Hinter uns wird die Station zugesperrt, nichts geht mehr.
Der dritte Skitag bringt in zweierlei Hinsicht Ernüchterung: das Skigebiet in Richtung Champoluc bietet wenig Möglichkeiten und Begeisterung und abends erklärt ein Bergführer in Stafal, das man die Abfahrt nach Zermatt aufgrund Schneemangels auf Zermatter Seite nicht durchführen kann. Die Lawinengefahr schätzt er als gering ein, deshalb entschließen wir uns am nächsten Tag den Aufstieg zur Punta Indren erneut zu versuchen und machen uns bei wechselhaften Bedingungen auf.
Die vor zwei Tagen gelegte Spur ist durch Schneefall und- verwehungen nicht mehr vorhanden, so dass wir erneut im Tiefschnee aufsteigen. Besonders anstrengend ist so ein Aufstieg für Snowboarder, da man mit den Schneeschuhen doch immer sehr tief in den Schnee einsinkt und somit sehr viel Kraft aufwenden muss. Endlich nähern wir uns der Gipfelstation, doch oben auf dem Gipfelgrat empfängt uns ein eisiger Wind. Wir müssen die ersten sein, die seit langen hier oben angekommen sind, keinerlei Spuren auch in windgeschützten Bereichen. Eine Pistenraupe steht funktionsuntüchtig nahe der Bergstation und die umgefallenen Liftmasten der ehemaligen Gletscherschlepplifte bieten einen bizarren Eindruck und verweisen auf bessere Zeiten, die weit zrück liegen müssen.
Alles was nicht mehr funktionstüchtig ist bleibt hier oben als Mischung aus Museum und Müllhalde. Die Bergstation ist komplett abgeschlossen, so dass aufgrund der extremen Kälte die Pause relativ kurz ausfällt. Von der Gondelstation aus queren wir bibbernd in Richtung der Schlepplifte und passieren diese. Die oberhalb gelegenen Hütten Rifugio Mantova und Rifugio Gnifetti erreichen wir aufgrund der fortgeschritten Zeit und fehlender Zeit nicht mehr. Wir machen uns zur Abfahrt auf und genießen einen unverspurten Hang für uns ganz alleine. Im Gegensatz zu den tiefer gelegenen Partien, die sehr harschig sind, zeigt sich hier Alagna von seiner besten Seite.
Da wir nicht weit genug in westliche Richtung gefahren sind verpassen wir die Skitour um den Telcio herum nach Stafal und fahren durch einen Couloir in Richtung Gabiet.
Eine herrliche Tour, die durch eine fahrende Indren-Gondel sicherlich um viele weitere Möglichkeiten für weitere Aufstiege bereichert worden wäre. An unseren letzten Tagen schneit es ununterbrochen (mindestens 90 Zentimeter), durch die schlechtre Sicht, starke Winde und hoher Lawinengefahr können wir leider keine weiteren Touren durchführen.
Alagna hat sich durch den Wegfall der wichtigsten Liftanlagen für Freerider weit davon entfernt das Freeride-Paradies zu sein. Die Einschnitte, die mit dieser Beschränkung verbunden sind, wirken schwer und reduzieren die Möglichkeiten Varianten zu fahren gewaltig. Für Tourengeher sind die Möglichkeiten natürlich noch immer vorhanden, doch man startet weitaus tiefer (ca. 2.700 HM) und ist somit deutlich eingeschränkter. Da mittlerweile (fast) alle Liftanlagen von der Aosta-Seite stammen, muss man sich wohl damit abfinden, das es ?das Alagna? nicht mehr gibt ? auch wenn es schwer fällt, denn eine Fahrt im Korblift klingt doch sehr verlockend. Mit der Punta-Inden-Gondel verliert Alagna sein Herzstück. Von dem her kann man eigentlich nur darauf hoffen, dass die Gondel zur Cresta Rossa gebaut wird und zwar eher als Freeride-Variante und nicht als Massenautobahn ? klingt zwar eher unwahrscheinlich aber ein bisschen Hoffen muss man doch.[/img]