Laveno liegt am Ostufer des Lago Maggiore, schon relativ weit im Süden. Gegenüber - am Westufer - liegen die beiden bekannten und touristischen Städte Verbania und Stresa und dazwischen die Bucht, an die sich das Tal des Toce hinauf zum Simplon anschließt. Laveno ist - wie die meisten Orte am Ostufer des Lago Maggiore - weniger chic und weniger touristisch als die die berühmteren Nachbarn am Westufer. Das mag auch daran liegen, dass es aufgrund seiner Lage weniger sonnig ist, zumal hier die Berge sehr dicht an den See rücken und wenig Platz für den Ort ist. Direkt oberhalb von Laveno liegt der 1062m hohe Sass del Ferro, der den See somit gute 800m überragt und eine blendende Aussicht nach allen Seiten bietet - insbesondere auch nach Norden und Westen auf die Gletscher des Alpenhauptkammes und des Monte Rosa. Diese Lage dürfte dem Berg in den frühen 60er Jahren den Korblift, liebevoll 'bidonvia' (sprich: Kübellift, Tonnenlift, Fasslift) genannt, beschert haben, an dessen Ende sich eine großzügig angelegte Aussichtsplattform mit mehreren Terrassen, Bar und Restaurant befindet.
Sobald man nach Laveno reinfährt kann man die steile Korblifttrasse oberhalb des Ortes sehen. Dennoch brauchte ich drei Anläufe, um die Talstation zu finden. Wie viele italienische Orte ist auch Laveno relativ verwinkelt und geschickt an den steilen Hang gebaut, so dass für den nicht Ortskundigen nur schwer ersichtlich ist, welche der viele kleinen und sehr engen Straßen in etwa dorthin führt, wo man hin will. Die Schilder 'funivia' sind ebenfalls mit der hier üblich italienischen Liebe zum Detail versteckt. Die Talstation befindet sich in einem kleinen Seitental und ist aus Platzmangel in einer interessanten Konstruktion brückenartig über einen Fluss gebaut. Erstaunlicherweise bietet sie genügend Parkplätze. Allein die Talstation ist schon optisch ein Highlight - architektonisch und farblich ganz in der Tradition der klassischen großen italienischen Seilbahnen der 50er und 60er Jahre mit dem Schriftzug 'Funivia' in der klassischen und einst geradezu klischeehaften Typographie, die heute weitgehend vergessen scheint.
Man betritt die Station über eine weite Treppe und kommt in einen Wartesaal, wo ein älterer Herr die Fahrkarten verkauft. Berg- und Talfahrt für 8,- € - ein sehr angemessener Preis, wenn man bedenkt, dass man für langweiligen und hässlichen Dolomiten KSBs deutlich mehr bezahlt. Nachdem ich eine Fahrkarte erstanden hatte, wollte ich dann doch noch ein paar Details über den Lift wissen. Mit etwas Geduld und Freistilitalienisch konnte ich schließlich in Erfahrung bringen, dass der Lift 1963 gebaut wurde und 1983 komplett renoviert wurde. Für das nächste Jahr ist ein Neubau geplant, so dass ich jedem nur dringend empfehlen kann, dieses Unikum noch in diesem Jahr zu besuchen. Der Bedienstete, der beim Einstieg behilflich ist, bestätigte mir, dass der ursprüngliche Lift aus dem Hause Trojer stammt, dass aber außer den Stützen nichts mehr original sei. Der Lift ist klassisch im Tal abgespannt und wird am Berg angetrieben.
Faszinierend und ebenso typisch italienisch - vor allem für die klassischen Liftanlagen - ist die Trasse durch den Ort. Geschickt zwängt sich der Lift zwischen dem Bachbett und den Häusern durch, quert Vorgärtner und Hauseinfahrten, ist geradezu teil des Ortes. Typisch für die feuchtwarme Region des Lago Maggiore ist auch die extreme Flora, die geradezu tropisch anmutet. Der Efeu an den Wänden der Häuser und die umwucherte Liftrasse tragen ihren Teil zu der besonderen Atmosphäre des Ortes bei. Nach den ersten paar 100m lässt der Lift den Ort hinter sich zurück. Die Trasse wird nun schnell sehr steil und man gewinnt zusehends an Höhe, wobei mit jedem Meter der blick auf den See umso schöner wird.
Unter der Lifttrasse sind noch die Reste eines Steiges zu erkennen. Dessen Bedeutung wollte mich nicht ganz klar werden. Er scheint zu gut ausgebaut um lediglich dem Liftpersonal zu dienen, im Gegenteil er wirkt geradezu touristisch und erinnert an die gut ausgebauten Steige im Meraner Land, die in Südtirol für die oft auch schon älteren Besucher mit viele Mühe und Umsicht angelegt werden. Die Tatsache, dass auch eine relativ neue Beleuchtungsanlage installiert ist, verwunderte mich umso sehr, als dass der Steig definitiv nicht in dem Zustand ist, von nicht Bergerfahrenen mit entsprechenden Schuhen begangen zu werden, da der Hang sehr steil und das überwucherte Gestrüpp nicht nur unangenehm, sondern auch sehr rutschig ist. Vollends verwirrt hat mich dann die Tatsache, dass der Steig unverhofft abgesperrt ist, da er in bestimmten Bereich sich der Liftspur gefährlich nähert, die hier Überfahrthöhen von einem Meter und weniger hat. Also doch ein Versorgungsweg? Wozu dann die Beleuchtung?
Ich habe an diesem Tag auch die Gelegenheit genutzt, viele Detailaufnahmen der Trojertechnik zu machen, so es mir möglich war. Auffallend wie immer die solide, massive Bauweise der Stützen und ihrer Gründungen. Ein weiteres interessante Detail: es gibt sowohl Rollenbatterien mit Speichenrollen wie auch solche mit Massivrollen in verschraubter Bauweise. Ob beide zur Originalbestückung gehören, oder wenn nicht, wann und warum die eine Sorte nachgerüstet wurde, kann ich nicht sagen.
Nach dem ersten langen Steilstück mit bemerkenswerten Spannfeldern folgt ein kurzes Flachstück, bis der Lift sich schließlich über einen immer schmaler werdenden Rücken, der Bergstation nähert. Auf den letzten Metern wird auch der Blick links und rechts über die steilen Bergflanken frei und beschert einen Vorgeschmack auf die geniale Aussicht, die einen oben erwartet.
Oben befindet sich der Antrieb und die Steuerung des Liftes.
Auch ein einzelner Materialkorb steht an der Gebäudewand herum - er scheint selten oder überhaupt nicht mehr genutzt zu werden.
Interessant ist die massive Betonbauweise der letzten Stütze direkt an der Bergstation. Sie erinnert stark an die entsprechende Stütze des Langkofelliftes, der ebenfalls von Trojer und aus der gleichen Epoche stammt. Dort wie hier weist die Trasse direkt vor der Bergstation eine starke Neigung auf, was wohl auch ein Grund für die massive Bauweise sein dürfte. Dennoch sind die Ähnlichkeiten der beiden Stützen, die ja anders als ihre stählernen Pendants nicht aus Normteilen, sondern individuell gefertigt wurden, schon erstaunlich.
Ein kleines Kuriosum ist mir bei der Talfahrt aufgefallen: in dem mittig gelegen Flachstück befindet sich eine Ein- und Ausstiegstelle! Warum diese ausgerechnet dort eingerichtet worden ist und wie man der Ein- oder Ausstieg ohne vollständigen Halt des Liftes bewerkstelligt werden soll, ist mir völlig schleierhaft.
Es folgen einige weitere Impressionen während der Talfahrt und an der Talstation:
Die Tatsache, dass ich gerne noch Detailaufnahmen der Stützentechnik eines Trojerliftes machen wollte und dass ich noch etwas zeit übrig hatte, bewog mich zu einem kleinen Spaziergang unter Liftrasse. Die dichte und wuchernde Vegetation machte diesen zwar etwas abenteuerlich (gibt es dort eigentlich Schlangen?), jedoch erweckt dieser geradezu tropische Bewuchs eine besondere und eigentümlich Atmosphäre, die ich sehr genossen hab. Ich bin in etwa das untere Drittel des Liftes hochgestiegen, es folgen einige Eindrücke.
Abschließend noch zwei Bilder, die ich unter Rubrik typisch italienisch einordnen möchte.
Ich möchte jedem den Ausflug nach Laveno empfehlen. Der Lift ist historisch und technisch sehr interessant und stellt eine der wenigen Gelegenheiten dar, noch mal einen echten Korblift zu fahren bzw. die gute und solide Tojertechnik zu begutachten (alternativ geht das meines Wissens nur noch in Vellau an der Leiteralm). Die Trasse durch den Ort und den dicht wuchernden Wald schafft eine besondere Atmosphäre, die etwas typisch italienisches hat, was heute in dieser Form selten geworden ist - eine Fahrt mit einer 8er EUB an dieser Stelle könnte diese Atmosphäre wohl nicht vermitteln. Schließlich ist auch die Aussicht über den See sehr imposant und ist die 8,- € sicher Wert. Wer mag, kann auch weniger zahlen und zurück nach Laveno wandern, was sicher auch ein reizvolles Erlebnis ist, auf das ich aus Zeitgründen verzichten musste. Schließlich sollte man bedenken, dass der Lift voraussichtlich Anfang nächsten Jahres abgerissen wird und - so vermute ich mal - durch irgendeinen geschmacklosen Leitnertrash ersetzt wird, der mal wieder versucht mit viel rosa Plastik und Plexiglas modern zu sein. Allerdings kenne ich die Pläne bezüglich einer Ersatzanlage noch nicht. Nichtsdestotrotz wird der Verlust dieses historischen Liftes schmerzlich sein. Daher möchte ich jedem ans Herz legen, bei Gelegenheit diesen Lift zu besuchen - es lohnt sich!