Grindelwald, 6.-8.12.1996 - Tradition und Moderne
Grindelwald - einer der wirklich traditionsreichen Ferienorte in Europa. Der Ruf als einer der führenden und traditionellen Ferienorte resultiert vermutlich noach aus der Zeit des späten 19. Jahrhunderts, als sich Grindelwald als "Gletscherdorf" einen Namen gemacht hatte. Diese Bezeichnung hat sich teilweise noch bis in die jüngste Vergangenheit hinein gerettet, lässt aber den ursprüngliche Prägnanz nicht einmal mehr ansatzweise erahnen. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hat sich der Untere Grindelwaldgletscher mit ordentlich Eisnachschub von den Fischerhörnern gegen das Felstor gedrückt, welches das Gletschertal vom Haupttal trennt, hat sich nach dem Felstor eindrucksvoll verbreitert und ist das Haupttal unterhalb des Dorfes Grindelwald noch ein Stück weit mit flacher Geltscherzunge hinabgeflossen bis nahezu Grindelwald-Grund. Grindelwald lag damals also faktisch am Ufer des Unteren Grindelwaldgletschers. Diese Attraktion dürfte den Bau der klassischen Hotels in der Gründerzeit stark forciert haben. Als Folge dieses Booms wurden die Wengenalpbahn über die Kleine Scheidegg bis Wengen-Lauterbrunnen und im Anschluss auf das Jungfraujoch gebaut. Damit war eine richtungsweisende Basis-Infrastruktur geschaffen, von der die Region bis heute profitiert und die der Region damals einen unvergleichlichen Wettbewerbsvorteil geschaffen hat. Beim Aufkommen des alpinen Skilaufs war dies sehr nützlich. In Form der Zahnradbahn war eine Skischaukel enormer Ausdehnung und mit hoher Leistungsfähigkeit automatisch vorhanden, dies bescherte von Beginn an Höhendifferenzen von mehr als Tausend Metern, Abfahrten von vielen Kilometern Länge und das fantastische Panorama vor der Eigernordwand als Zugabe obendrein.
Diesen Wettbewerbsvorteil hat man lange Zeit effektiv genutzt und gehalten. Während andere Skigebiete mühsam die Infrastruktur und die Gästebindungen aufbauen mussten, konnte Grindelwald zusammen mit Wengen auf der soliden Grundlage weiter optimieren. Mit der Männlichenerschließung von Wengen aus wurde ein Skigebiet respektabler Größe geschaffen, das sich Anfang der 70er Jahre immer noch von vielen Wettbewerbern absetzen konnte. Zu dieser Zeit holten die neuen Französischen Skistationen zu einem "entscheidenden Schlag" aus, der das Gebiet von Grindelwald/Wengen zwar schlagartig zu einem "Zwerg" degradierte; aber bezüglich Ambiente und Landschaft hatte die Jungfrauregion nach wie vor einen Trumpf im Ärmel, der eine ernsthafte Konkurrenz durch die französischen Stationen verhinderte. Wenige Orte in der Schweiz und in Österreich hatten einige Gebiete einigermaßen den Anschluss geschafft, auch im Hinblick auf die anviesierte Gästegruppe, dies war jedoch kein ernsthaftes Problem für die Jungfrauregion. Mit dem Bau der Männlichengondel ab Grindelwald als längster Umlaufbahn Europas wurde 1976 kam die Erschließung des Gebiets zum Abschluss. In der folgenden Zeit haben die anderen Skiregionen in den Alpen von der Größe und Leistungsfähigkeit den Anschluss geschafft. Sowohl in der Größe als auch in der Leistungsfähigkeit des Skigebiets, konnte sich Grindelwald/Wengen nicht länger von großen und mittleren Begieten absetzen.
Um 1990 holte das Gebiet dennoch zu einem neuen "Schlag" im Kampf um die Kunden aus. Der lange investitionsfreie Zeitraum hat dem Gebiet ermöglicht, um 1990 den Anlagenpark maßgeblich zu modernisieren. So wurden 4 kuppelbare Sesselbahnen aufgestellt und die wichtigsten Hänge an Männlichen und der Kleinen Scheidegg wurden maschinell beschneit. Dies war keinesfalls eine Selbstverständlichkeit und man hatte wiederum Zeichen gesetzt und ein ungewöhnlich modern-komfortables Gebiet geschaffen. Aus dieser Perspektive ist der vorliegende Bericht über das Gebiet entstanden. Allerdings war der Vorsprung vor den anderen Gebieten bei weitem nicht mehr so groß wie in früheren Zeiten.
Wie ging es weiter? Durch zähe Investitionstätigkeit im Bereich der Anlagen und eine sträfliche Vernachlässigung des weiteren Ausbaus der Beschneiungsanlagen ist der Vorsprung inzwischen völlig aufgezehrt, im Gegenteil: Heutzutage bemüht man sich, um mit dem Skigebiet den Anschluss an ähnlich große Konkurrenzgebiete zu schaffen. Der Name Grindelwald ist immer noch klangvoll - dies resultiert aus dem alten Ruf als Gletscherdorf und dem außergewöhnlichen Ambiente für Sommergäste (Jungfraujoch), aber als Skigebiet ist es eines unter vielen. Denn es gibt einen weiteren Aspekt: Außer der Weltcup-Abfahrt am Lauberhorn bieten die Pisten nur Durchschnittskost. Es gibt noch ein paar kleine Highlights - beispielsweise die Black Rock unmittelbar vor dem Eigergletscher - aber dies reicht nicht, um pistenmäßig Akzente zu setzen. Früher war das vorhandensein langer Pisten an sich eine Attraktion. Heute kommt es darauf an, wie die Pisten sind.
So hat Grindelwald heutzutage einige Vorzüge - die attraktive Landschaft, das stilvolle Ambiente mit Zahnradbahn und Gründerzeithotels, die überdurchschnittliche Öffnungsrate im Frühwinter und einige hübsche Freerideschmankerl. Die Nachteile sind aber das qualitativ nur durchschnittliche Pistenangebot, das teilweise fast schon langweilig ist, eine anerkannt schlechte Präparation und Wartezeiten in den Hauptzeiten. So empfiehlt sich Grindelwald meines Erachtens (nur noch) bei frühem Wintereinbruch im Frühwinter, wo auf frischem Schnee viel geöffnet ist, Vorsaisonpreise locken und schon der ein- oder andere Tiefschnee-Abstecher möglich ist. Weiters taucht die golden scheinende Dezembersonne die Landschaft mit dem breühmten Dreigestirn in ein phantastisches Licht. Ab den Winterferien würde ich Grindelwald eher meiden.
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Am Donnerstag, dem 5. Dezember 1996 kommt einer meiner ehemaligen Lehrer zu mir, er bringt einen Tennisschläger, den ich für ihn bespannen soll. Er meint, dass er morden (Freitag) mit drei Kollegen nach Grindelwald fahre und fragt, ob ich nciht mitkommen wolle. Was für eine Frage!?! Selbstverständlich bin ich dabei. Es hatte bereits gut geschneit, am aktuellen Tag war leider Regen bis 1500 Meter angesagt, doch das Wochenende sollte wieder kälter und wechselhaft werden. Am nächsten Tag starten meine drei Lehrer und ich und via Strasbourg geht es flott ins Berner Oberland. Einer der Lehrer hat mit unrasiertem Gesicht und düsterem Schlapphut dafür gesorgt, dass der schweizer Grenzer etwas genauer wissen will, wo wir hinwollen und was wir dort treiben
. Unterkunft beziehen wir im konkurrenzlos preisgünstigen Mountain-Hostel an der Talstation der Männlichenbahn, wo ich später noch einige Male logieren sollte.
Zunächst ist das Wetter suboptimal, es hat einige Wolken und teilweise Niederschlag, aber es ist so kalt, dass kein Regen mehr dabei ist.
^^ Zunächst geht es mit der Wengernalpbahn zur Kleinen Scheidegg, in diesen Anhänger kommer unsere Skier
^^ Als ausgesprochener Schmalspurfan interessiere ich mich zunächst für die Bahnanlagen - hier die Schneefräse auf Kleine Scheidegg
^^ Der Zug hat die wetterresistenten Sportler nach oben gebracht.
^^ Die Schneefräse der Jungfraubahn baut noch auf den alten Holzlokomotiven auf.
^^ Es geht zur 4KSB Lauberhorn, wo ein kleiner, aber strammer Fußaufsteig erforderlich ist, alternativ hilft ein Seillift.
^^ Bei diffuser Sicht liften wir in Richtung Männlichen - hier im Tschuggen-Lift
^^ Am Männlcihen erwartet uns ein Wetter-Lichtblick in Form einer interessanten Wolkenkonstellation. Erstmals wird die Eigenirdwand halbwegs frei.
Wir fahren einige Male am Männlichen und ich bin begeistert über die Modernität in Form der Präsenz von 4 kuppelbaren Sesselbahnen. Diesen Lifttypus hatte ich bislang in Skigebieten nur als "Einzelgänger" angetroffen. Außerdem haben mir die Von-Roll-Konstruktionen den Eindruck höchster Solidität vermittelt. Bei den fixgeklemmten Sesselbahnen und Schleppliften gibt es eine erdrückende Habegger-Dominanz...
^^ ... was sich auch hier äußert - im alten Gummilift, der kurze Zeit später durch eine 4KSB ersetzt wurde. Der alte Gummilift fährt genau hier ein Stück abwärts; er ist sehr idyllisch trassiert, im Gegensatz zu seinem Nachfolger, der kurz und steil über die Felsen zieht. Der neue Gummilift dürfte einer der ersten Von-Roll-Anlagen unter Doppelmayer-Herrschaft sein.
Das Wetter wird bald wieder schlechter und wir steuern Brandegg an, wo der Schneefall so stark wird, dass für die dortige Hütte ansteuern und den Rest des Skitages und einiges vom Tag darüber hinaus verbringen
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^^ Am Brandegg
Die Bilder aus der Hütte spare ich aus. Wir treten im Dunkeln nach draußen, wo ich - gut erheitert - spontan ein freihändiges Bild mit langer Belichtungszeit versuche:
^^ Brandegg-Hütte und Grindelwald nach einem langen Hüttenaufenthalt.
Wir fahren im Dunkeln ab. Einer der Lehrer hat doch tatsächlich mehr getrunken, als notwendig gewesen wäre - er verfehlt des öfteren die Piste und noch öfter küsst er unfreiwillig den Schnee.
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Am Sonntag Morgen wollen dei Lehrer-Herrschaften nicht so recht aus den Duvets. Dunkle, tiefe Wolken hängen über dem Tal. "Was wollen wir bei diesem Wetter da oben?", konttern sie. Ein Blick auf meinen Höhenmesser lässt mich ganz stark vermuten, dass es obheiter sein muss. Ich überzeuge meine Kumpanen und wir schreiten nach kurzem Frühstück flott zur Männlichenbahn.
^^ Nach 300 Höhenmetern zeigt sich, dass ich Recht habe!
- Blick aus der Männlcihengondel auf Bussalp und Faulhorn.
^^ Blick zurück aufs Wetterhorn
^^ Oben angekommen: 4EUB Männlichen und 4KSB Männlichen
^^ 4KSB Männlichen (heutzutage mit Hauben ausgerüstet) im Morgenschatten und die Schynige Platte in der Sonne.
^^ Blick auf die Wolkendecke über dem Thuner See; rechts die Bergstation der PB von Wengen
^^ Es geht los bei besten Schneeverhältnissen. Kulisse: Eiger, Mönch,Tschuggen
^^ Jetzt in der 4KSB Lauberhorn: Freeriden steht auf dem Programm!
^^ Blick zur Kleinen Scheidegg
^^ Es geht los im staubigen Element!
^^ Der Kollege kommt näher.
Da ich bislang nur ganz selten Tiefschnee gefahren bin, sind diese Abfahrten am Lauberhorn für mich ein ganz großes Erlebnis. Einer der Kollegen hat bereits Carvingskis dabei, ich bewundere auch auf der Piste seine Radien. Diese Momente (Tiefschnee, Carving) sind ein entscheidender Wendepunkt in meinem Skifahrerleben. Skifahren war für mich inzwischen ziemlich langweilig geworden. Ich habe mich immer mehr zum Berwandern und -steigen sowie zum radsport verlagert und fand es überhaupt nicht mehr abwegig, das Skifahren eines Tages agnz einzustellen.
Dieser Tag ist für mich die Rückkehr zum Skifahren!
^^ Mit dem Ambiente der alten Hotels kommt das goldene Dezemberlicht besonders gut zur Wirkung.
^^ An der Bergstation des Wixiliftes - eine stationsschienenlose Von-Roll-KSB.
^^ Blick vom Wixilift auf Mürren und das Schilthorn; rechts untern ein eingegrabener VW-Käfer, der sein Dasein als Sprungschanze im Park fristet.
^^ Mittagessen auf Kleine Scheidegg - natürlich essen wir Röstizza!
^^ Das Honegg-Gebiet - habeggerbeschleppert - Heute werkelt hier die neue Honegger-6erKSB.
^^ Oberer Bereich Honegg-Lift
^^ Im Honegg-Gebiet
^^ Leer - Lehrer - Skifahrer!
^^ Winteridylle nahe der Talstation Tschuggenlift
^^ Im Nachmittagsschatten machen wir unsere letzte Talabfahrt hier im Bereich Brandegg
^^ Zum letzten Mal passieren wir die Brandegg-Hütte, die wir dieses Mal links liegen lassen.
Fazit: Kein berauschendes Skigebiet, aber ich habe die Freude am Skifahren wiedergefunden. Beste Verhältnisse haben natürlich dazu beigetragen und das Powdern war (fast) perfekt. Leider hat mir ein Stein in der noch nicht sonderlich soliden Frühwinterschneedecke ein Stück aus meinen relaitv neuen Skiern herausgerissen. Allerdings steht für mich ohnehin fest: Ich brauche eine stärkere Taillierung. Meine aktuellen Skier sind nur eien Tick stärker tailliert als die früheren Modelle. Das Gebiet kann man für den Frühwinter empfehlen; es ist schon viel geöffnet und die goldene Dezembersonne gibt im Verein mit dem stilvollen Ambiente ein perfektes Bild. Im Hoch- und Spätwinter-Rummel gibt es sicherlich lohnenswertere Ziele.
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Nicht sterben wollende Tradition, ergraute Moderne und ein unbestreitbarer Stil, der Unzulänglichkeiten kaschiert - so präsentiert sich Grindelwald heute.