Wendelstein – 24.03.2008 – Begeisterung auf Bayrisch
„Skifahren am Wendelstein ist einfach etwas Besonderes“, so steht es in der Broschüre der Wendelsteinbahnen. Leere Worte? Im Gegenteil! Das Skigebiet am Wendelstein ist tatsächlich etwas Besonderes. Entweder man hasst es oder man liebt es. Die Broschüre meint: „
Hier treffen sich Naturliebhaber und Individualisten, die auf den Rummel der großen Ski-Schaukeln verzichten möchten“. Wer ohne Express-Shuttle-Jets, Pistenautobahnen und Schirmbars nicht glücklich wird, sollte den Wendelstein im Winter höchstens aus der Ferne bewundern. „
Wer am Wendelstein skifahren möchte, sollte sicher auf seinen Brettern stehen. Reine Anfänger tun sich schwer, denn los geht´s für alle an der Bergstation mit dem Hotelhang, einem kurzen Stück schwarzer Abfahrt“ warnen die Bergbahnen ehrlich. Eine Umfahrung oder einen Skitunnel gibt es hier nicht.
Mehr Infos auf http://www.wendelsteinbahn.de. Für einen umfassenden Eindruck vom Gebiet verweise ich gleich noch auf Starlis excellenten Bericht (siehe Inhaltsverzeichnis).
Obwohl ich mich selbst zu den angesprochenen Individualisten zähle (trotz gelegentlicher Ausflüge auf Kunstschneepisten und mit Dödljets) und nur eine Stunde Anfahrt habe, hat es für mich bisher nie mit einem Besuch am Wendelstein geklappt. Relativ häufig vereiteln auch die sonnige Lage und das steinige Gelände den Skibetrieb.
Als vor Ostern der Winter zurückkehrt, werde ich unruhig. Vielleicht geht ja noch was in dieser bisher zumindest quantitativ wegen Diplomarbeit, Grippe und Erkältungspech sehr mäßigen Saison. Zunächst Ernüchterung: Die Schneefälle reichen scheinbar nicht für eine Wiedereröffnung der bayerischen Individualistengebiete, die für mich mangels Auto mit dem Zug erreichbar sind. An Ostern dann die Überraschung: Der Wendelstein meldet Skibetrieb. Vielleicht geht da ja auch am Ostermontag noch was.
Es ist viertel vor neun, als ich im Bett hochschrecke. Verdammt, total verpennt! Schnell den Computer angeworfen und den Anlagenbericht vom Wendelstein gecheckt. Da steht zwar Skibetrieb am Montag, aber beim Betriebsstatus der Anlagen ist noch der Sonntag angegeben. Die Webcam zeigt nur graue Nebelsuppe. Also bei der Bahn anrufen. „Wissen wir noch nicht, ob heute Skibetrieb stattfindet“ lautet die ins Hochdeutsche übersetzte Info. Die erste Zahnradbahn sei unterwegs, ich solle kurz vor 10 Uhr noch mal anrufen. Um halb zehn surfe ich wieder auf die Homepage. Nun heißt es „Anlagen derzeit geschlossen, momentan kein Skibetrieb“, beim Anlagenstatus aber steht Skibetrieb Mo 24.03. Der Anruf bringt Klarheit: „Um 11 mach ma auf!“, das ist das Startkommando für mich.
Mit der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) geht es nach Osterhofen, vom Bahnhof sind es nur wenige Meter bis zur Talstation der Wendelsteinseilbahn. Alles wirkt ausgestorben, mir kommen Zweifel, ob heute wirklich Skibetrieb stattfindet. Im Wartebereich nur sind zwar nur Halbschuhtouristen, aber für 19 Euro bekomme ich meine 4-Stunden-Skikarte. Ich bin unglaublich erleichtert. Bei der Fahrt nach oben bin ich mit Skiern der Exot. Schon als ich im Warteraum meine Skischuhe angezogen habe, schauten mich alle verständnislos an. Alle Dialekte nördlich der Donau sind vertreten, aus Oberbayern kommt niemand in der Kabine (jaja, die oberbayerischen Vorurteile…). „Guck mal das Panörama an“ tönt es durch die Gondel. Die Urlauber sind aufgeregt und fasziniert zugleich, obwohl eigentlich alles in Wolken steckt. Die Kinder werden zurechtgewiesen, brav zu sein, die Mütter kauern mit Höhenangst in der Ecke und die Väter hantieren mit der Videokamera. Ich stehe einfach nur da und bewundere das Schauspiel. Als sich die Blicke von mir und dem jungen Kabinenführer treffen, müssen wir beide grinsen.
Blick von der Talstation nach oben
An der Bergstation liegt noch alles im Nebel. Ohne noch weiter auf die Touristen zu achten, laufe ich zum Start der Abfahrt am steilen Hotelhang. Als ich die Skier angeschnallt habe, sind die ersten Touris angekommen. „Schau dir das an, der will jetzt tatsächlich mit seinen Skiern da runter fahren“ erläutert eine Mutter ihren Kindern keine zwei Meter neben mir und kichert nervös. Bin ich Basejumper oder Extremskifahrer oder was? Egal ich freu mich drauf! Nur wenige Spuren verschwunden im Nebel, bin ich jetzt um 12:30 Uhr wirklich fast der einzige Skifahrer hier oben?
Am Weg zum Start der Abfahrt
Blick in den Nebel am Hotelhang
Ich habe noch keinen Schwung gemacht, da ist plötzlich der Hang voller Skifahrer. Alle kommen sie aus dem unscheinbaren Ausgang der Zahnradbahn. Am Rand des steilen Hotelhangs bleibt trotzdem noch Platz für eine eigene Spur. Ein Glücksgefühl erfüllt mich, dass den ganzen Nachmittag anhält.
Gelungener Auftakt am Hotelhang
Mag der Schnee am Lacherlift auch kein luftiger Powder mehr sein, es ist einfach großartig. Dass der Bocksteinlift nicht läuft und die Talabfahrt nach Osterhofen verständlicherweise geschlossen ist: Nebensache! Obwohl mein Slalomcarver am Wendelstein eigentlich nicht ganz in seinem Revier ist, habe ich jede Menge Spaß.
Nach der großartigen Ostabfahrt geht es von der Mitteralm mit der Zahnradbahn auf spektakulärer Trasse wieder rasch hinauf zum Hotelhang. Jedes Mal finde ich hier wieder Platz für eine eigene Spur.
Letzter Steilhang der Ostabfahrt zur Mitteralm
Ein paar Bilder von der nächsten Runde:
Oberste und sanfteste Abfahrtsmulde der Ostabfahrt
Besser wird das Licht erst ganz am Schluss, davon noch ein paar Bilder:
Hotelhang von oben
und von unten mit Wendelsteinkircherl
Zahnradbahn am Hotelhang und unterhalb
Rückblick von der Abfahrt zum Lacherlift zum Wendelstein
Butterweiche Naturschneeabfahrt am Lacherlift
An der Bergstation Lacherlift
Zum Schluss geht es auf der geschlossenen Westabfahrt bis direkt zum Bahnhof Osterhofen. Obwohl der Schnee teilweise schwer ist, bleibt auch hier immer wieder Platz für einige schöne Schwünge. Erst ganz unten schaut die Wiese durch, aber es reicht bis ans Gleis. Restlos zufrieden trete ich die Heimfahrt an.
Westabfahrt
Mit Skiern bis zum Bahnhof
Der Wendelstein ist wirklich etwas Besonderes. Die Bergbahnen vermarkten den Berg zwar nicht als Freeriderevier, aber nichts anderes ist er. Nur dass das hier einfach Skifahren oder vielleicht noch abseits fahren heißt. Hier fährt man einfach noch Ski auf der Unterlage, die da ist: Piste, Buckel oder Tiefschnee. Und alle fahren ziemlich gut, Einige sogar verdammt gut. Aber fast alle, egal ob cooler Freerider mit neuestem Equipment oder alter Hase mit Oldschool-Ausrüstung, sind Einheimische. Als Münchner bin ich fast schon ein Tourist. Aber auch das ist egal: Hier zählt nur Skifahren oder Snowboarden, aber richtig.
Bis zum nächsten Mal!