Etwas früher als am Tag zuvor klingelt uns der Wecker aus den Federn. Für 8.30 Uhr haben wir uns mit Dani am Bahnhof in Sierre verabredet, den wir trotz einer kleinen Odyssee durch das Stadtzentrum einigermassen pünktlich erreichen. Doch auch der Rest der Anreise nach Vercorin gestaltet sich alles andere als reibungslos. Das Dorf, auf einem Balkon oberhalb des Rhônetals gelegen, ist über zwei Wege erreichbar. Einmal über die Hauptzufahrtsroute ins Val d'Anniviers, wo in Vissoie eine Strasse nach Vercorin abzweigt. Der wesentlich kürzere Weg aus dem Rhônetal kommend ist aber die Variante von Chalais im Talboden, die mehrmals die Zubringerseilbahn nach Vercorin kreuzt. Eine Anreise mit selbiger wäre zwar möglich gewesen, aber äusserst umständlich, da sie am anderen Ende des Dorfs endet als das Skigebiet und zu guter Letzt auch deshalb, weil wir nach dem Aufenthalt in Vercorin auch noch das nahe gelegene Nax besuchen wollen.
Fälschlicherweise leitet uns das Navigationsgerät aber bereits in Chippis von der Hauptstrasse ab und folgt einer dritten Route, die jedoch keinem von uns bekannt vorkommt. Trotz einiger Zweifel biege ich in die schmale, steil ansteigende Strasse ein. Da die Richtung aber durchaus himkommen könnte, vermuten wir zunächst, dass wir uns doch auf der richtigen Strasse nach Vercorin befinden. Nach mehreren Kehren treffen wir jedoch auf ein Schild, das uns die Weiterfahrt untersagt - scheinbar ist die Strasse nur über die Sommermonate vollständig geräumt. Noch während dem Wenden entdeckt mein Vater einen Bauern am Strassenrand, den wir nach dem richtigen Weg fragen. Zu unserem Erstaunen empfielt er uns, die Strasse weiter hoch zu fahren. Auch auf Nachfrage, dass die Strasse doch gesperrt sei, bekommen wir die klare Ansage "on peut monter quand même". Gesagt, getan und so lassen wir die nächsten Kehren hinter uns. Nach einiger Zeit wird die Fahrbahn noch ein wenig schmäler und es wird deutlich, warum diese Route im Hochwinter eigentlich geschlossen ist. Die Strasse ist völlig vereist, überall liegen Gesteinsbrocken herum, die es zu umfahren gilt und so wird die Reise trotz 4x4 zu einer rechten Rutschpartie. Nach knappen 10 Minuten treffen wir nach dem Dörfchen Briey endlich auf den offiziellen Weg nach Vercorin.
Trotz der frühen Tageszeit ist der Parkplatz bereits gut gefüllt, doch wir finden noch eine Lücke direkt vor dem Talstationsgebäude der Giovanola-Kabinenbahn zum Crêt du Midi. Die 1970 erbaute erste Sektion stellt heute den einzigen Zugang in das kleine Skigebiet mit seinen insgesamt acht Anlagen dar, was allerdings nicht immer der Fall war. Schon lange vor der Kabinenbahn existierten in Vercorin zwei Schlepplifte, die in etwa die selben Pisten erschlossen wie die heutige Bahn. Die erste Sektion startete an der Bergstation der Pendelbahn Chalais-Vercorin und erschloss einen eher flachen Hang, während der zweite, deutlich längere und steilere Skilift durch den Wald trassiert eine Vielzahl an Abfahrten zugänglich machte. Seine Bergstation besass er rund 200 Höhenmeter oberhalb der heutigen Mittelstation Siegeroulaz. Beide Anlagen wurden höchst wahrscheinlich von der Firma Bühler erstellt, die hier zwei ihrer ganz frühen Eigenkonstruktionen erbaute. Während von der ersten Sektion heute nichts mehr zu sehen ist, da die Trasse inzwischen von Chalets überbaut wurde, existiert die Talstation der zweiten Sektion samt Stationstechnik noch immer. Sie wurde höchst wahrscheinlich beim Bau der zweiten Sektion Kabinenbahn zum Crêt du Midi 1973 aufgelassen, während die erste Sektion noch lange Zeit als sehr sinnvoller Zubringer von der Pendelbahn zur Talstation der Kabinenbahn verwendet werden konnte. Auch ein weiterer Skilift an der Ostseite des Hangs in der Nähe der heutigen Talabfahrt wurde ersatzlos stillgelegt.
Neben den beiden angesprochenen Sektionen Kabinenbahn werden die Skipisten heute durch insgesamt fünf Poma-Schlepplifte auf der Ostseite des Crêt du Midi erschlossen, ein weiterer doppelt in kurvenreicher Trassierung die zweite Sektion der Kabinenbahn. Pistenmässig präsentiert sich Vercorin nicht unbedingt herausragend, die zahlreichen Varianten der Waldtalabfahrt sowie eine knackige schwarze Piste im Bereich Tracuit sorgen aber für durchwegs interessante Höhepunkte.
Ein Blick von unserem Stellplatz auf die Kabinenbahn Vercorin-Siegeroulaz, die im kommenden Sommer einer 10er Kabinenbahn weichen soll - der ersten im Wallis seit 24 Jahren. Der Besuch dieser letzten Giovanolabahn in zwei Sektionen ist daher auch der Hauptgrund unseres Besuchs, kommt sie doch noch immer im Stil der 70er Jahre daher. Unter der Bahn ist das rustikale Ende der Talabfahrt zu sehen.
Das Innenleben der Talstation mit ihrer Gewichtsabspannung - beide Antriebe der Sektionen befinden sich in der Mittelstation. Heute wird die Bahn in den Stationen mittels Reifen und Ketten vollautomatisch befördert.
Eine der formschönen Giovanola-Klemmen passiert die Ausfahrblende und erreicht die ersten Sonnenstrahlen des Tages.
Unterwegs in der ersten Sektion schweben wir Richtung Siegeroulaz. Glücklicherweise haben wir es noch vor dem grossen Ansturm nach oben geschafft.
Unterwegs in der zweiten Sektion, die Giovanola-typisch grosse Spannfelder und eine enorm hohe Trassierung aufweist. Bereits hier ist die Aussicht ins Rhônetal einmal mehr ein Genuss.
Im Inneren der Bergstation - im Gegensatz zur optisch toll in Schuss gehaltenen Bahn in Aminona wirkt die Bahn in Vercorin schon fast etwas heruntergekommen. Schade, denn technisch gesehen handelt es sich hier um eine interessante Anlage, wenngleich man die Giovanola-Bahnen schon fast als Uni-G der 70er bezeichnen könnte .
Der kleine Schlepplift Chardons, der einzige fix geklemmte Poma-Skilift im ganzen Gebiet. Niemand fährt mit diesem kurzen Übungslift zu dieser frühen Stunde, auch wir machen uns zunächst zum tiefsten Punkt im östlichen Gebietsteil auf, zum Schlepplift Tracuit.
Die beiden Talstationen der Skilifte Mont Major (vorne) und Crêt du Midi, die beide noch aus der Gründerzeit des Skigebiets stammen und quasi alle nennenswerten Hänge im oberen Teil des Crêt du Midi erschliessen. Letzterer hat vor einigen Jahren eine neue, moderne Talstation erhalten.
Auf der sehr ansprechenden Piste unterwegs zur Talstation des Skilifts Tracuit. Wer genau hinsieht, erkennt rechts im Bild einen anderen Forumanen an mir vorbeirauschen.
Angekommen an der Talstation des Skilifts Tracuit. Da die Station mitten im Nirwana liegt, ist es wenig verwunderlich, dass hierhin nicht extra eine Stromversorgung gelegt wurde, sodass sich der Antrieb dieses Poma-Schlepplifts am Berg befindet. Gleich zwei Mal trifft man diese seltene Ausführung bei Skiliften in Vercorin an.
Malerisch führt die Strecke durch den lichten Nadelwald.
Nach der einzigen Kurve geht es zunächst steil den Berg hinauf, an der netten Landschaft entlang der Trasse ändert sich allerdings nichts.
Die Talstation des Skilifts Mont Major, der zum höchsten Punkt des Gebiets in 2374 Meter Höhe führt, unter Beobachtung des Forums. Vom Gipfel aus sind alle Pisten Vercorins erreichbar, ein grosser Teil kann in Kombination mit dem Skilift Tracuit als erste Sektion auch als direkte Wiederholungsfahrt genutzt werden. Schon hier wird deutlich: viele Lifte wurden hier am selben Hang gebaut und erschliessen auch mehr oder weniger die gleichen Abfahrten. Dennoch gibt es einige Variationsmöglichkeiten, die uns diesen Vormittag definitiv nicht langweilig erscheinen lassen.
Der Crêt du Midi mit der Kabinenbahn, dem gleichnamigen Skilift sowie dem kurzen Schlepplift Chardons am linken Bildrand.
Angekommen auf dem Mont Major mit dem Blick zurück auf die Bergstation des gleichnamigen Skilifts. Diese ist neuer als der Rest des Lifts und weist wie nahezu alle anderen Skilifte in Vercorin einen kuppelbaren Ausstieg auf.
Der Skilift Mont Major, dahinter Vercorin und das Rhônetal - die Aussicht ist hier oben fabelhaft!
Die Talstation des Skilifts Cabanon, der mit Baujahr 1990 neuesten Anlage im Gebiet. Der Lift erschliesst eine eigene Abfahrt an der Nordostseite des Mont Major und endet wenige Meter neben dem gleichnamigen, weiter oben bereits bebilderten Skilift.
Die Stützen des Skilifts Cabanon sind allerdings definitiv älter als das eigentliche Baujahr. Vermutlich handelt es sich zumindest zum Teil um Occasionsbestände?
Als letzten Schlepplift auf der Ostseite fahren wir den Skilift Crêt du Midi. Er bringt uns wieder zurück zur Bergstation der Kabinenbahn, von wo aus auch die Talabfahrt erreichbar ist. Selbige kann auch vom Mont Major aus erreicht werden, nicht aber von der Bergstation des Skilifts Tracuit.
Unterwegs im mehrheitlich sehr flachen Skilift Crêt du Midi. Bereits hier steht fest, dass der Skilift Tracuit im oberen Teil des Gebiets definitiv die interessanteste Abfahrt bedient. Die restlichen Hänge sind zwar dank der Kombinationsmöglichkeiten mit den vielen Skiliften phasenweise abwechslungsreich, aber zu kurz, als dass sie wirklich positiv in Erinnerung bleiben würden.
Von der Bergstation des Skilifts Crêt du Midi aus kommend suche ich mir einen geeigneten Fotostandort, um einige Fotos und Videos der markanten Drillingsstütze der Kabinenbahn zu machen. Es sind leider gleichzeitig meine letzten, die diese formschöne Fachwerkkunst bebildern. Im Tal ist am rechten Bildrand das in einem Kessel gelegene Vercorin sichtbar, dahinter wieder das Rhônetal.
Auf diesem Foto kommen die spektakulären Tiefblicke etwas besser zur Geltung.
Ein Überblick über das Skigebiet von Vercorin mit dem Skilift Crêt du Midi links, Chardons rechts und dahinter der Lift zum Mont Major. Am Gegenhang grüssen Chandolin und Saint-Luc.
Wunderschön versteckt sich die Bergstation der Kabinenbahn auf dem Crêt du Midi.
Ein Blick auf die letzte noch zu bebildernde Anlage des Skigebiets: Der Skilift Siegeroulaz-Crêt du Midi, der die zweite Sektion der Kabinenbahn doppelt und somit entlastet. Die Besonderheit des Lifts wird bereits auf diesem Foto deutlich, verläuft er doch zunächst in eine scheinbar völlig falsche Richtung, ehe er dank mehrerer Linkskurven am Ende doch noch auf den Gipfel zusteuert.
Auf den wunderschön gelegenen und ebenso zu fahrenden Pistenvarianten im Bereich Siegeroulaz. Den bislang oft kritischen Stimmen über Vercorin muss ich hier insofern widersprechen, als dass diese Abfahrten auf der Nordseite wirklich fahrenswert sind. Der Osthang mit den vielen Skiliften mag etwas kurz und uninteressant sein, aber die Abfahrten entlang der Kabinenbahn entsprechen genau meinem Geschmack.
An der Talstation, in der sich wiederum eine fliegende Umlenkscheibe befindet, hat sich eine kleine Warteschlange gebildet, da es ein Problem mit dem Endschalter gibt, der den Kuppelvorgang auslöst. Fünf Minuten dauert es, bis der Liftwart das Problem beseitigt hat, dann geht es zügig durch den lichten Wald nach oben.
Angekommen auf dem Gipfel geniessen wir die Aussicht ins Tal. Das letzte Stück hat es nochmals in sich.
Unterwegs auf der Abfahrt nach Siegeroulaz.
Da es in der Zwischenzeit kurz nach Mittag ist, beschliessen wir, mit der Kabinenbahn noch ein zweites Mal ab der Mittelstation nach oben zu fahren und nach einer Fahrt mit einem der Skilifte unsere Karten in der Talstation abzugeben und uns auf nach Nax zu machen. An der Zwischenstation angekommen müssen wir jedoch feststellen, dass bereits ab der Talstation sämtliche Kabinen belegt sind und wir lange auf einen freien Platz warten müssten. So belasse ich es bei einigen Fotos und Videos der Zwischenstation mit ihren beiden lauten Antrieben, ehe wir uns ins Tal aufmachen, um von dort einen Versuch zu starten. Nach einigen Schwüngen kommt jedoch die Talstation des Skilifts Crêt du Midi in Sichtweite, an der sich nur eine kurze Warteschlange befindet. Auch mit ihm wäre eine Rückkehr auf den Gipfel möglich. Gemeinsam mit meinem Vater halte ich nach Dani Ausschau, den ich hinter uns vermute, um ihm den Vorschlag zu machen, auf diese Weise wieder nach oben zu fahren. Irgendwie muss er uns aber doch überholt haben, denn nachdem er auch nach einigen Minuten Warten nicht auftaucht, setzen wir den Weg entlang der wunderschön zu fahrenden Talabfahrt fort. Etwa auf halber Höhe treffen wir dann auch wieder auf Dani, der hier auf uns gewartet hat und die Zeit mit Fotografieren der Kabinenbahn verbracht hat.
Im Inneren der Zwischenstation Siegeroulaz. Bis hier hin ist die Bahn auch während der Sommermonate geöffnet, da sich an dieser Stelle ein Seilgarten und einige weitere Attraktionen befinden. Die zweite Teilstrecke zum Crêt du Midi war in den vergangenen Jahren nur während der Sommerschulferien und an Wochenenden geöffnet.
Mit dem Ende der Talabfahrt sind gleichzeitig auch alle Hoffnungen schnell begraben, noch einmal auf den Gipfel zu gelangen. Bis weit aus dem Gebäude heraus ragt die Warteschlange, eine halbe Stunde müssten wir schätzungsweise verbringen, bis wir die Fahrt antreten können würden, was aufgrund der fortgeschrittenen Tageszeit keinen Sinn mehr macht. In der Summe würde es äusserst knapp werden, die Kasse vor 13 Uhr wieder zu erreichen, um unsere Vormittagskarten zurückzugeben, sodass wir uns schweren Herzens dazu entschliessen, doch schon etwas früher als geplant nach Nax zu fahren - was wir am Ende aber nicht bereuen.
Die Talstation samt Parkplatz in Vercorin. Man erahnt die Warteschlange entlang des Ausstellungsobjekts links der Talstation. Manch einer kann sich einen sehnsüchtigen Blick in Richtung der 10er Kabine nicht verkneifen, wir trauern eher um das Exemplar aus den 70ern.
Registriert: So, 18.12.2005, 19:12 Beiträge: 8031 Wohnort: Nicht mehr im Forum
Hab ja selbst schon mal ewig gewartet an der Talstation, weil die Bahn einfach eine extrem geringe Förderleistung hat. Aber muss es gleich eine 10EUB sein?
Immerhin ist es dann (vmtl.) das einzige Nur-Schlepper-Skigebiet, das eine 10EUB als Zubringer hat :-)
Registriert: Fr, 29.06.2007, 14:47 Beiträge: 265 Wohnort: VS
Mhmm...danke für den Bericht. Er bestätigt meine Vermutung, dass Vercorin mit Abstand der langweiligste Sektor des VdA ist. Gott sei Dank haben wir uns seinerzeit die Gurkerei von Chandolin rüber gespart
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