Sölden Oktober 1985 - Der erste Herbstschilauf
Normalerweise habe ich ja mit Motorsport überhaupt nichts am Hut, aber wenn sich motorsport motorlos auf zwei Kufen abspielt, dann kann ich mich doch dazu erwärmen.
Im Sommer 1985 fragte mich mein Nachbar, seines Zeichens Vorsitzender des hiesigen Motorsportclubs, ob ich nicht Lust hätte beim herbstlichen Ausflug seines Vereins teilzunehmen. Er kannte nämlich meine Vorlieben auf weißem Untergrund und dachte, das Reiseziel Sölden mit 3 Tagen Herbstskilauf könnte passen. Ich habe nicht lange überlegt und zugesagt. War doch Herbstskilauf eine für mich bis dato unbekannte Erfahrung; und außerdem war ich erst im April in Slölden gewesen und stellte es mir durchaus aufschlussreich vor, das Gebiet aus der Perspektive zweier diametral verschiedener Jahreszeiten kennenzulernen. Als ich meinem Vater von dem Vorhaben berichtete, meldete sich dieser kurzerhand auch noch an. Man darf ja schließlich nichts verpassen und muss mitreden können
. An dieser Stelle darf ich schon mal vorausschicken, dass ich in den folgenden 22 Jahren nur noch einen einzigen Tag Herbstskilauf erleben sollte - im Oktober 2004 in Saas Fee.
Die Einschätzung der in den Skigebieten vorherrschenden Verhältnisse war damals etwa - Glaskugel. Im Winter druckte die regionale Tageszeitung wöchentlich Schneehöhen ab, aber im Herbst war es kaum möglich, Informationen zu bekommen. Computer waren nur in großen Firmen vorhanden, und ob das Internet überhaupt schon erfunden war, entzieht sich meiner Kenntnis. Irgendwie waren dennoch Informationen durchgesickert, dass der Winter auch im Hochgebirge noch nicht Einzug gehalten habe, und so habe ich - vorsichtig wie ich bin - ein Sportgeschäft aufgesucht, um mir ein paar Skis zu leihen. Meine eigenen Kanten wollte ich auf Gletschereis jedenfalls nicht ramponieren; im Nachhinein eine kluge Entscheidung - nicht nur wegen der Kanten, aber dazu später mehr.
Dann ließ die Wetterlage doch noch darauf schließen, dass ein ordentliches Niederschlagsgebiet einen Tag vor unserer Abreise die Alpen überqueren würde. Würde es einen Pulver-Traum in weiß geben? *hoff*
Die Ankunft brachte erstmal Ernüchterung.
^^ Sölden: Skifahren? Irgendwie deutet gar nichts darauf hin.
Am ersten Tag ging's zum Parkplatz Rettenbachferner. Bei der Auffahrt war nichts von dem erhofften Neuschnee zu sehen. Erst kurz vor Erreichen der letzten Kehren waren ganz oben im Schattenlagen Spuren von Anzuckerung zu sehen.
^^ Parkplatz Rettenbachferner: Der Gletscherbereich ist wenigstens überwiegend weiß, mit einigen "Gletschereisapplikationen". Neben der Piste nullinger.
^^ Ausstieg der DSB Rettenbachjoch: Blick auf Schlepplift Schwarze Schnei und Schwarze-Schneid-Gipfellift (rechts hinten). Man würde einigermaßen Skifahren können. Das war jetzt erst mal die Hauptsache.
^^ Blick zurück auf den DSB-Ausstieg
^^ Am Schwarze-Schneid-Lift. Die etwa 20 cm Schnee stammen tatsächlich von dem Schneefall vor 2 Tagen und sind hier auf dem Rettenbachferner im oberen Bereich bretthart mit dem Gletschereis verschmolzen. Gute Kanten sind hier von Vorteil, was mit meinen geliehenen, frisch gewarteten Skis kein Problem darstellt. Als "alter" Frühjahrsskifahrer komme ich mit den Bedingungen bestens zurecht.
^^ Jetzt geht's ganz hinauf zum höchsten Punkt: Links der Schwarze-Schneid-Gipfellift (Seillift), rechts der nicht so hoch hinaufführende "Normallift". Auch hier oben im Schatten: Bretthart !
^^ Der Pistenzustand hinunter zum Parkplatz ist dann bei genauerer Betrachtung schlechter als beim Blick von unten erwartet. Das ist schon ganz schön ernüchternd hier. Immerhin "stimmt" hier das Gefälle. Auch ist es immer recht nett, auf Ski zu stehen; aber eintönige Gletscherpisten bei diesen Bedingungen sind halt nicht die wahre Freude.
^^ Hier am Seiterjöchl ist es teilweise schattig und richtig hart - genau richtig für diese Jungs hier: Mehrere Nationaltemas üben das Springen bei hohem tempo für die kommende Weltcup-Saison.
Der Tag war für einen ersten Tag auf Ski nach halbjähriger Pause ganz nett; aber aus eigenen Antrieb hätte man die Reise hierher sicherlich nciht unternehmen sollen.
^^ Nächster Tag am Parkplatz Tiefenbachferner: Ich bin überrascht - aufgrund eigener Fehleinschätzung. Beim genauen Betrachten im April hätte mir auffallen müssen, dass das Gletschereis nciht bis ganz hinunter zum Parkplatz geht. Jetzt bin ihc aber dennoch überrascht, das dies so ist. Irgendwie hatte ich mich auf die schönen weißen Pistenpläne des Sommerpanoramas verlassen.
Hier die 3SB Tiefnbachferner und der Zufahrtsweg für die Pistenwalzen.
Der größte Schock kommt aber beim Blick nach rechts:
Auch beim Befahren des herrlich glatten Hangs am Seiterkar (Carving gabs noch nicht) wähnte ich micht im April auf Gletschereis. Weit gefehlt! Der glatte Hang ist Ergebnis brachialer Einebnung im Sölden-Style! Die etwa 100 Meter breite Piste hebt sich optisch radikal von Kontur und Oberfläche der Bereiche links und rechts der Piste ab. Ich hatte mir nie zuvor irgendwelche Gedanken über Landschaftsschutz im Zusammenhang mit Pistenbau gemacht. Dieses einschneidende Erlebnis hier hat diese Einstellung grundlegend geändert. Diesen Eingriff erachte ich als unnötigerweise völlig überdimensioniert und einfach maßlos. Dies und die irreführende Werbung brachten Sölden in meiner persönlichen Wertschätzung viele Minuspunkte, die auch bis heute nicht mehr eliminiert wurden. Den Dingen, die ich lese zufolge gibt's dafür auch keinen Anlass. Zur irreführenden Werbung: Nach Erschließung des Skigebiets am Tiefenbachferner hatte Sölden mit einer Gletscherskischaukel geworben. Ich dachte in meiner Naivität und Gutgläubigkeit wirklich, man könne da auch in der warmen Jahreszeit hin und zurück schaukeln. Man betrachte das folgende Bild, das diesen gesamten Absatz auf einen Blick untermauert:
^^ Seiterkarhang mit 3SB und der künstlich geglätteten Piste; vorn steht mein älterer Herr.
^^ Nach wenigen hundert Metern Bergfahrt mit der 3SB Tiefenbach erreicht man das Gletscherende. Hier sieht man auch neben dem Eis noch die "Zuckerspuren" des jüngsten Schneefalls. Exakt bis hierher sollte ich auch am Ende dieses Skitages abfahren - den geliehenen Skis sei Dank
. Den Weg zu Fuß hinunter zum Parkplatz kann man aufgrund des komfortablen Pistenwalzenzufahrtsweges gut bewältigen. Im dem dünnen Gletschereis hier unten sind natürlich einige fiese Steine eingelagert. Der Skiverleih kam nicht um einen neuen Skiservice umhin.
^^ Blick von Sommereinstieg des Schleppliftes Mutkogl (die Trasse hat unterhalb keinen Schnee) auf den traurigen Zustand der Hauptpiste. Oberhalb der Markierungen für die Zufahrt zum Zustieg überwiegt eine minimale Bedeckung des Gletscherises, unterhalb gibt es kaum noch Bedeckung und die Piste ist gesperrt (logischerweise - es ist ja dort auch keine Lifteinstiegszufahrt mehr möglich). Wie gesagt - das hindert mich nicht daran, meine Leiski bis ganz hinunter zum letzten Meter der Gletscherzunge zu steuern.
^^ Die Motorsportfreunde am Ausstiegl Mutkogl
^^ Blick vom Ausstieg Tiefenbach-3SB zum Sl Mutgkogl
^^ Piste am SL Tiefenbachkogl. Genau in der Bildmitte ist die Bergstation der 3SB Tiefenbachferner zu sehen. Diese Piste hier hatte den besten Pistenzustand im gesamten Skigebiet. Hier war die Auflage noch mindestens 20 cm dick und nciht bretthart, sondern irgendwie butterartig - so eine Mischung aus Pulver und Weichschnee, wie sie typischerweise auf Gletschern zu finden ist.
^^ Meine Wenigkeit zwischen den beiden Schleppliften. Die Laune ist ganz gut - wenigstens Skifahren bei schönem Wetter und angenehmen temperaturen und hier oben ist der Schnee auch einigermaßen. In diesem Moment denkt man nicht so sehr darüber nach, dass das alles hier nicht so der skifahrerische "Brüller" ist hinsichtlich der gesamten Bedingungen und des Skigebiets selbst.
^^ Noch ein "versöhnlicher" Ausblick in Richtung Wildspitze (die ist es doch, oder?) von der Bergstation aus.
Am nächsten Tag geht es dann nochmals zum Rettenbachferner und der erste Tag wiederholt sich. Fazit: Wen man sich um nichts kümmern muss, dann kann man auch so etwas bei solch fragwürdigen Bedingungen mitmachen. Aus eigenem Antrieb würde ich es nicht tun. Die Bedingungen waren sicherlich nicht repräsentativ. Aber auch das Skigebiet hat micht nicht vom Hocker gerissen - im Herbst noch weniger als im Frühjahr, wo man hier fast alleine war, während im Winterskigebiet die Hölle los war. Wenig abwechslungsreiche Gletscherhänge sind am Tiefenbachferner noch eine ganz Ecke langweiliger als am Rettenbachferner, wo zumindest der Seiterjöchl-Hang einen gewissen Reiz ausübt. Einen weiteren Beitrag zum fahlen Beigeschmack hat der Anblick der völlig überdimensionierten und sehr unschön anzuschauenden Pistenbaumaßnahmen geleistet, sowie die Erkenntnis, dass die Werbung und das Pistenpanorama einen weit besseren Skispaß suggerieren, als er wirklich geboten wird. So ist Sölden dann auch aus meiner persönlichen Liste bereisenswerter Skigebiete verschwunden ...