Oberalppass-Pazolastock: Komtemplation und Adrenalin
Für unseren letzten Tag wählten wir das Gebiet um den Oberalppass. Zum einen wollten wir letztlich doch alle Skigebiete rund um Andermatt kennen lernen (Gemsstock, Winterhorn, Nätschen-Sedrun) und zum anderen bietet sich der auch im Winter per Zug erreichbare Oberalppass (2040) als hochgelegener Ausgangspunkt für eine kleine Skitour an.
Die Wetter- und Schneeverhältnisse stellten für die Wahl des Zieles allerdings eine gewisse Herausforderung dar. Für den ganzen Tag wurde sonniges, warmes Frühlingswetter vorhergesagt. Unser zunächst anvisiertes Ziel – die Fellilücke (2478m), nördlich des Passes – strichen wir wieder von der Liste, als wir die schon von der Morgensonne bestrichenen Hänge sahen.
Fellilücke
In der Hoffnung auf bessere Schneeverhältnisse wählten wir als Alternative den Pazolastock (2740m), südlich des Oberalppasses. Wir waren nicht die einzigen, die dieses Ziel gewählt hatten und so konnten wir auf schöner Aufstiegsspur rasch an Höhe gewinnen.
Rückblick zum Oberalppass
Im (langsamen) Aufstiegsrythmus bleibt immer Zeit für kontemplative Betrachtungen. Manche mögen das „Hinaufkriechen“ mit den Tourenskiern eintönig empfinden, für mich ist es eine der schönsten Arten der Fortbewegung in den Bergen.
Etwas zu schaffen machte uns die Hitze, verstärkt durch die doch schon kräftige Märzsonne. Es hieß also Haushalten mit den Flüssigkeitsreserven. Auch passten wir unsere Kleidung den Temperaturverhältnissen an. Alsbald stülpten wir unsere Skihosen bis über die Knie hoch, was uns bei modebewussteren Zeitgenossen sicher dem allgemeinen Gelächter preisgegeben hätte.
Weiter oben dann die einzige „Schlüsselstelle“ des Aufstiegs. Ein steiler Südhang muss in mitunter heikler Querung (Lawinengefahr) überwunden werden. Bei uns waren die Verhältnisse allerdings hervorragend.
Der Pazolastock kann bis direkt auf den Gipfel mit Ski erklommen werden. Oben macht sich dann ein tolles Panorama breit.
Auch Gerrit und Sabine freuen sich über den Gipfel (und wohl auch darüber, dass der Aufstieg nun zu Ende ist).
Am breiten Gipfel fällt mir ein Snowboarder auf, der an einer kleinen Wechte am Nordabbruch des Pazolastocks steht und so konzentriert nach unten blickt, dass er auf mein Grüssen nicht reagiert. Also sehe ich mir die Sache etwas näher an. Tatsächlich findet sich einige Dutzend Höhenmeter weiter unten ein Kumpel des Snowboarders. Offensichtlich haben die beiden also eine interessante Abfahrtsvariante entdeckt, die im Skitourenführer nicht vorkommt. Die Abfahrt des Snowboarders durch diese Variante will ich mir natürlich ansehen. Vorsichtig fährt der Snowboarder nun von der kleinen Gipfelwechte runter in den steilen Nordhang, der sich rinnenartig durch Felsgelände windet.
Erst jetzt kommt mir der Gedanke, selbst auch diese Variante zu wählen. Nordseitig ist der Schnee sowieso sicher besser als auf den ost- bis südorientierten Hängen der Standardabfahrt. Gerrit murmelt noch was wie „Da fährst du aber nicht runter, oder?“ als ich mich bereit mache. Mit angeschnallten Skiern an der Kante stehend merke ich, dass sich der Snowboarder nicht zu Unrecht versucht hat sich für die Abfahrt speziell zu konzentrieren. Das felsdurchsetzte Gelände sieht doch etwas heikel aus. Die ersten paar Höhenmeter geht es mehr abwärtstastend denn fahrend runter bis ich über eine annähernd gerade, gedachte Linie durch die Felsen stehe. Mit wenigen Kurzschwüngen ist der heikelste Teil dann bald überwunden und ich höre von oben Gerrit rufen, ob alles in Ordnung sei. Da ich das bestätigen kann, richten sich die beiden für die Standardabfahrt her und ich kann dann die restlichen steilen Meter so richtig genießen.
Unterhalb der steilen Nordflanke mache ich dann eine kleine Pause um meine restlichen Flüssigkeitsvorräte zu vernichten.
Die übrige Abfahrt runter zum Oberalppass ist dann Genuss pur. Im schattigen oberen Teil noch pulvrig ändern sich dann die Schneeverhältnisse im unteren Teil zu schönem Firn. Viel zu rasch ist die Abfahrt vorbei.
Aufstieg und Abfahrt in der Übersicht
Da die von Gerrit und Sabine gewählte Abfahrt länger ist (sie führt runter bis nach Tschamut, 1645m, von wo man mit der Bahn zurück zum Pass fahren kann) nutze ich die Wartezeit um mir das Skigebiet von Sedrun-Dieni anzusehen. Wenig Leute und breite Carvingpisten (siehe
Chasserals Bericht) laden zum unbeschwerten Schwingen ein. Auch die Talabfahrt ist auf sulzigem Natur-Kunstschneegemisch noch gut möglich.
Nach dieser Erkundung durch das Sedruner Skigebiet treffe ich auf dem Pass wieder Gerrit und Sabine, die von nicht wirklich optimalen Schneebedingungen in der Standardabfahrt erzählen. Während die Beiden sich ebenfalls noch kurz das Sedruner Gebiet anschauen wollen, fahre ich rüber zum Nätschengebiet und genieße dort bei Abfahrten im schönen Gelände der 4-KSB zum Gütsch.
Bahnhof Nätschen
Neben dem netten Gelände (man kann bei entsprechenden Verhältnisse praktisch überall fahren) beeindruckt einmal mehr der schöne Blick auf den Gemsstock sowie auf das breite Hochtal Urseren.
Gemsstock mit 4KSB Stöckli im Vordergrund
Urseren – Andermatt und Hospental
Die Talabfahrt erfolgt dann – mit Ausnahme des ersten Hanges – auf der Oberalppassstrasse, wobei der Reiz darin bestand, dass diese durch bereits vollständig apere Südhänge führte und man einige Male entlang der Bahntrasse fahren kann.