Teil 1 - Seltene PlagiateBeim Betreten der Pizzeria empfing uns die Dame am „Order here“ Schalter mit ein paar kräftigen Niesern. Auch ihre Kolleginnen in der Küche schnieften vor sich hin, während sie das Essen zubereiteten. Ich versuchte, die Situation mit Humor zu nehmen, denn so viele potentiell ansteckende Menschen sind mir im Winter bisher nie in so kurzer Zeit begegnet (oder ich wusste nicht davon). Um es vorweg zu nehmen: wir haben uns bei niemandem infiziert. Hier war es auch egal, da die Pizza direkt aus dem Ofen ohne weitere Kontakte an den Tisch gebracht wurde.
Im Anschluss an das Essen machten wir uns wieder auf den Weg ins Skigebiet. Auf dem Parkplatz hatten sich ein paar Autos verirrt, aber voll würde es vorerst nicht werden. Nach dem Kauf einer Halbtageskarte (gültig bis 17 Uhr, danach Flutlichtskifahren) musste ich noch ein paar Minuten auf den Liftstart warten. Die Liftler waren etwas mürrisch, so dass die
ski patrol mir zu verstehen gab, dass es nun losgehen kann.
Kelly Canyon liegt im Südosten von Idaho, ist ca. eine halbe Stunde von der nächstgrößeren Stadt Idaho Falls entfernt und das letzte Gebiet vor Wyoming. Auch wenn das bereits erwähnte Grand Targhee auf dieser Seite der Tetons liegt, gehört es doch bereits zu Wyoming. So bilden insgesamt vier kleine Skigebiete in einem Bogen durch Lifte erschlossenen Wintersport im Grenzgebiet zwischen Idaho, Wyoming und Utah. Ganz im Westen macht
Magic Mountain den Anfang, wo eine Heron-Poma-DSB aus den Siebzigern die einzige Aufstiegsmöglichkeit bietet und gute 200 Hm erschließt (
https://skiliftblog.files.wordpress.com ... g_8623.jpg). Etwas weiter östlich trifft man auf
Pomerelle Mountain. Zwei fixe Dreiersessel aus unterschiedlichen Dekaden bieten Abfahrten mit einem Höhenunterschied von ca. 290 Metern (
https://skiliftblog.files.wordpress.com ... g_4370.jpg). CTEC konnte eine Anlage in den Achtzigern errichten, Skytrac den zweiten Dreier vor wenigen Jahren. Nahe der Stadt Pocatello folgt als nächstes
Pebble Creek. Zwei ältere Yan-Dreier erschließen mit einer CTEC-3SB etwas über 600 Höhenmeter. Der längste Lift erreicht dabei knapp 2.600 m, was eine schöne Aussicht auf die weiten Ebenen Idahos ermöglicht (
https://skiliftblog.files.wordpress.com ... g_3579.jpg). Am Ende der Kette, ganz im Osten, folgt schließlich Kelly Canyon, das mehrere Besonderheiten aufweist.
Ungewöhnlich sind bereits die Öffnungszeiten, denn das Gebiet ist sonntags geschlossen. Dafür hat man jeweils Freitag und Samstag ganze 12 Stunden Betrieb. Eine weitere Besonderheit ist das Plagiat eines Liftes. Ein früherer Besitzer ließ mit den Konstruktionszeichnungen einer bereits 1957 erstellten Riblet-DSB eine Kopie des Lifts anfertigen. Riblet war davon vermutlich nicht besondersn angetan, allerdings ist über den Ausgang aus rechtlicher Sicht nichts bekannt - der Lift jedoch noch in Betrieb. Neben einer weiteren DSB von Riblet gibt es hier zudem eine DSB aus der Kategorie seltene Sessel. Die kurze Anfänger-DSB wurde von einem kleinen, auf das Biegen von Blechen spezialisierten Betrieb in Utah gebaut, der heute noch existiert:
Hjorth Bros. Es ist nicht der erste Fall in dieser Kategorie, wo ein kleines lokales Unternehmen mit dem Bau der Teile beauftragt wurde, man jedoch über den Auftraggeber nichts weiter in Erfahrungen bringen konnte. In einem anderen Fall, bei dem es um einen kleinen Stahlbauer in der Nähe von Los Angeles ging, wurde das Unternehmen Anfang der 1960er von zwei Schweizern besucht, die in das Skiliftbusiness einsteigen wollten und einen Partner für die Herstellung der Teile suchten. Nach einer gemeinsan gegründeten Unternehmung und zwei produzierten Liften war jedoch bereits wieder Schluss, da die Männer zahlungs„unwillig“ waren. Im Gewerberegister des Ortes suchte ich vor einigen Jahren nach den Namen der beiden Männer, leider erfolglos. Die Tochter des Firmengründers konnte sich an die Geschichte in einem persönlichen Gespräch zwar noch daran erinnern, hatte jedoch auch keine Unterlagen mehr. Aber zurück zur aktuellen Reise und dem heutigen Ziel, Kelly Canyon.
Leider blies der Wind doch stärker als gedacht und so waren die Riblet-DSB mit ihrem parallel verlaufenden Plagiat für den Moment außer Betrieb. Laut einer Windapp sollte sich an der Situation bis zum Abend nichts ändern, weshalb ich eine Fahrt mit diesen Lift abschreiben konnte. Ursprünglich wollte ich dort 2016 schon im Sommer vorbeischauen, allerdings blieben sämtliche Anfragen damals wie heute unbeantwortet. Vielleicht hielten sie mich für einen Nachfahren Riblets, der nochmal Kasse machen möchte.
Am Ende fand ich den anderen seltenen Sessel deutlich spannende, der zum Glück in Betrieb war. Ansonsten bietet das Gebiet mit 240 Hm zwar einige nette Hänge, aber so richtig überzeugen konnte es mich nicht. Das lag aber sicher auch an der Übermüdung und den noch ungewohnten Leihski.
Links: Original, rechts: Plagiat; beide mit Unterflurantrieb
Links die Lodge mit der Skischule, dahinter ein Seillift und die beiden anderen Sessellifte
Natürlich drehte ich zuerst eine Runde mit der kürzeren Übungs-DSB, ehe ich mich anschließend an der ca. 1,4 km langen Riblet-DSB „austobte“. Die besitzt vor dem flachen Abschnitt eine Mittelstation und Riblet-typische
breakover Stützen. Nach weniger als zwei Stunden hatte ich dann genug und wir machten uns auf den Weg nach Sun Valley. Zum Glück blieben wir nicht länger und warteten auf eine mögliche Liftöffnung, da wir durch eine Straßensperre viel später als gedacht am Ziel ankamen.
Talstation des seltenen Sessels
SkiersIm Lift - links oben sind die beiden anderen Lifte zu erkennen
Bergstation Skiers
Trasse - die Stützen sehen mit dem abgestützen Joch auch etwas nach Riblet aus
Blick hinauf zu den anderen Liften, dort oben war es tatsächlich ziemlich windig. Die Abfahrten sind allerdings größtenteils auch von der langen DSB erreichbar.
Weiter geht es mit der langen Riblet-DSB
Powder - hier sind alle vier Lifte zu sehen
Leider kein Centerpole, wirkt aber durch die unterschiedlichen Lackierungen ziemlich fertig. Es blies ein eisig-kalter Wind, der mich allerdings hellwach rüttelte. Man hatte überall ein paar Raupenspuren präpariert, der Schnee war jedoch etwas stumpf (oder der Belag meiner Ski).
Das Flachstück nach der Mittelstation. Hier war nicht viel zu holen.
Umlenkung im eisigen Nichts. Nur die ski patrol fuhr bis hier hoch, der Rest stieg früher bereits aus. Etwas verwirrend war, dass es hier ein Netz an Biketrails gab, die tlw. wie Pisten ausgeschildert waren. Aber außer mir würden sich wohl nur wenige Touristen überhaupt hierher verirren, wie mir die Jungs von der Bergwacht zu verstehen gaben.
Im ersten Anlauf nahm ich den direkten Weg zurück zur Mittelstation
Riblet-typischer Stützenwald - da geht aber noch viel mehr:
http://www.skilifts.org/old/images/reso ... towers.jpgAb hier hat man mehrere Möglichkeiten...
Blick zurück vom Rückbringer der äußeren Abfahrten
Blick zur Base
Noch etwas für's Auge
Auf das Einhalten der Sitzposition als Einzelfahrer wurde extrem genau geachtet
Hier waren zumeist Anfänger unterwegs, aber eigentlich war so gut wie nichts los
Weiter oben, hinten sieht man wie windig es war
Auf einer der Abfahrten
Original vs. Plagiat
Zum Abschluss noch ein Bild der Mittelstation
Da es hier größtenteils um den Lift ging, war es ein netter Zwischenstopp mit Mittelgebirgscharakter auf dem Weg nach Sun Valley. Auch wenn die Hänge nicht so viel hergeben, mag ich diese Art der Erschließung mit ein paar alten Liften und viel Freiheit. Jeder kann sich dort austoben, wo es ihm passt. Und Pisten sind da, wo die Raupe lang ist.
Wieder hinter dem Lenkrad, steuerten wir die
Snake River Plain westlich von Idaho Falls an. Doch kurz hinter dem Ort tauchte eine elektronische Anzeigetafel auf, die auf eine Sperrung hindeute. Wir ließen den Wagen neben dem Pick-up des Sheriffs ausrollen und erhielten eine relativ präzise Auskunft, wie wir die Sperrung umfahren konnten. Gesagt, getan. Über die I-15 ging es zuerst Richtung Süden, ehe wir auf die 26 abbogen,
Atomic City und die Berge der
Bitterroot Range ins Visier nahmen.
Die Halbwüste ist tatsächlich nicht so uninteressant, wie es auf den ersten Blick scheint. Auf der Ebene erstrecken sich mehrere alleinstehende Gebäude, die alle zum Kernforschungszentrum
Idaho National Laboratory gehören. In diesem Zentrum wurde 1953 zum ersten Mal Strom aus Kernkraft erzeugt. Auch befinden sich auf der Ebene mehrere schlafende Vulkane sowie die fast-Geisterstadt
Atomic City. Wir waren mittlerweile fast alleine unterwegs. Einer der für mich großen Vorteile eines Urlaubs in den USA, wenn man abseits der großen Städte und touristischen Hotspots alleine unterwegs sein kann. An einer
Rest Area trafen wir auf einen Mann, der gerade von einer Skitour aus Sun Valley kam. Wir tauschten uns ein wenig über die Gebiete in der Gegend aus, insbesondere der alte Einzellift ganz in der Nähe hatte es ihm angetan. Aber dazu später mehr. Die Landschaft war noch schneebedeckt, was darüber hinwegtäuschte, dass die letzten Niederschläge schon länger her waren und es allgemein in dieser Gegend im Winter relativ wenig Niederschlag gegeben hatte.
Blick auf die Lavaströmen geformte Landschaft
So sieht es hier im Sommer aus...
Nachdem wir einen kleinen Pass überquert hatten, war es nicht mehr weit bis zu unserem Ziel. Am
Stanton Crossing ergab sich noch die Möglichkeit für ein paar Bilder der in die Abendsonne getauchten Berge der Umgebung. Eine gute halbe Stunde später waren wir, ziemlich erschöpft, im Sun Valley angekommen. Es wurde Zeit für den ersten richtigen Skitag.
FF