Danke, intermezzo.
In diesem Teil geht es um eine etwas überladene Tagestour, die zum Abschluss in einer Fahrt mit der neuen Kleinpendelbahn Pranzaira-Albigna gipfelte. Wie immer gilt natürlich auch hier, dass mir die alte Habegger-Anlage lieber gewesen wäre. Aber die neue Bahn hat einen nicht zu unterschätzenden Vorteil, wie man später noch sehen wird: fast komplett verglaste Kabinen.
Es war mein vermutlich erster Besuch im Engadin und mir war vorher nicht bewusst, dass es sich um ein Hochtal handelt. Insofern ist die Anreise für einen Kurzbesuch eigentlich zu lang. Man sollte sich die Zeit nehmen und eine Übernachtung einplanen. Im Gegensatz dazu war mir die hauptsächliche Klientel des Tals durchaus bekannt, auch wenn erst neulich ein Bericht über die Probleme von St. Moritz mit ausbleibenden Touristen im TV zu sehen war.
Auf dem Albulapass war ich gedanklich noch mit den Eindrücken der zuvor besuchten Sesselbahnen beschäftigt, die zur Hochsaison teilweise nur eine Handvoll Besucher pro Tag zählen und den Sommerbetrieb nur mit „Frondienst“, absoluter Minimalbesetzung und stündlichen Abfahrten wirtschaftlich betreiben können. Auch die Eindrücke aus dem TV-Bericht hatte ich noch im Kopf und erwartete so eine relativ entspannte zweite Tageshälfte.
Doch kurz nach Bevers hatte sich das bereits erledigt, als ich mich einem Korso von Wohnwagen und hochpreisigen Autos mit ausländischen Kennzeichen anschloss. So wurde aus dem kurzen Zwischenstopp in Pontresina ein schneller Pflichtbesuch (Bilder folgen) und ich saß nur eine Stunde später wieder im Auto in Richtung Italien. Für die letzte Fahrt des Tages entschied ich mich für eben jene Seilbahn zum Albignasee und verlegte eine Fahrt mit einer der das Landschaftsbild durch die großen Stützenkonstruktionen weithin prägenden Großkabinenseilbahn auf einen Herbst- oder Winterbesuch.
An den diversen Seen fand sich auf die Schnelle kein geeigneter Fotostandpunkt und so verlegte ich auch dieses Anliegen gedanklich auf einen erneuten Besuch. Nur in Maloja schaffte ich es, von der Straße aus, ein schon sehr lange ins Auge gefasstes Ziel abzulichten.
Über den Malojapass ging es bis Vicosoprano fast 800 Höhenmeter nach unten, doch bereits nach Casaccia ist sie Staumauer gut zu erkennen. Die Seilbahn führt, auf dem Foto leider nur schwer auszumachen, auf der rechten Seite über die Flanke in einer beeindruckenden Trasse bis an den Fuß der Mauer.
Dass sich im Oberengadin die Touristen tummeln, hatte ich für mich abgehakt. Aber an so einer Seilbahn zu einer Staumauer wird es doch wieder ruhiger zugehen. Ich rechnete mit Verhältnissen wie bei den Holzkisten im Uri, auch wenn beim Betrachten der Dimensionen der Anlage aus der Nähe erste Zweifel an meiner Theorie aufkamen.
So kam es dann auch, dass die Schotterplätze rechts und links der Straße komplett gefüllt waren - und da hatten wir es bereits 15:45 Uhr. Zum Glück spuckte die Bahn aber mittlerweile mehr Fahrgäste aus als sie nach oben beförderte, was mir einen Parkplatz fast direkt am Eingang bescherte.
Die beeindruckenden Dimensionen des ersten Spannfelds sind aus der Nähe kaum fotografisch einzufangen, hier wäre wohl eine Teleaufnahme aus der Entfernung mit entsprechenden Gröenvergleichen das Motiv der Wahl. Bis zu ersten Stütze müssten es fast 640 Höhenmeter sein.
Ich war zum Glück der einzige Fahrgast auf der nun folgenden Bergfahrt, für die 22 CHF retour zu bezahlen sind. Ich hatte mich hingestellt, um einige Fotos zu machen. Nach ein paar Metern wurde es dann zu einem sehr eindrücklichen Erlebnis:
Die Rundumsicht, die kleine Kabine und das tolle Panorama in Richtung Italien sorgen für einen besonderen Seilbahnmoment, den man so selbst in den offenen Holzkisten des Uri nur äußerst selten findet.
Gab es auf der Gegenseite früher Skibetrieb?
Wie der Meteorologe des SRF bereits am Morgen vorhersagte, sollte es sehr „tüppig“ werden und sich die Wolken des durchziehenden Tiefs nie ganz von den Gipfeln lösen. So war es auch auf der gegenüberliegenden Seite. Tatsächlich mal ein richtiger Hundstag.
Nach etwa 2/3 des Spannfelds beginnt die Bahn abzubremsen, die Gegenkabine passiert die zweite Stütze. Zeit für einen kurzen Blick in Richtung Casaccia. Nach einer weiteren Verzögerung kommt die Kabine vorbei.
Kurz nach der ersten Stütze folgt die nächste Überraschung, als die Bahn eine ca. 300 m tiefe Schlucht überquert. Auf Bildern erneut kaum festzuhalten, aber vor Ort doch ein interessanter Ausblick.
Zwischen zweiter und dritte Stütze bieten sich nicht minder beeindruckende Ausblicke, auch wenn die Trasse nun deutlich abflacht. Die Staumauer selbst hat mich nach all' den Eindrücken irgendwie am wenigsten interessiert.
Dass die Bahn ununterbrochen fährt, kann eigentlich nur bedeuten, dass viele Fahrgäste für die Talfahrt anstehen. Und tatsächlich ist das Perron bereits gut gefüllt, als ich in die Station einschwebe. Ich überschlage kurz die Zahl der Wartenden und komme auf 2-3 Fahrten, die ich später anstehen muss. In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit sollte ich mich mit der Besichtigung des Stausees wohl besser beeilen.
Kunst an der Mauer
Der ehemalige Fahrweg hoch zur Mauer ist bereits stark überwachsen und in Teilen auch verschüttet. Auf den Monitoren in der Station sind noch Bilder aus der Bauzeit zu sehen, die damalige Bauseilbahn konnte wohl sogar ganze LKW befördern.
Schnellen Schrittes geht es hinauf zur Staumauer, der Weg bietet interessante Ausblicke auf die Umgebung.
Leider bleibt am Ende nur wenig Zeit, die Bergwelt hier oben in Ruhe zu erfassen und die Stille zu genießen. Vielleicht im Herbst mal wieder... Eine ganze Heerschar an Bergsteigern, vollbepackt mit Sicherungsseilen und anderen Ausrüstungsgegenständen, ist in der Ferne bereits auf dem Weg zur Bergstation zu erkennen. Ich sollte mich also beeilen, wenn ich nicht noch zwei Stunden auf die Talfahrt warten möchte.
Kunst ist am Berg verteilt, als Fotomotiv eignet sich wohl am besten die an der Staumauer befestigte Vespa.
7
Von allen Seiten sind nun plötzlich Wanderer, Bergsteiger und Flip Flop-Touristen zu sehen, die in Kürze ins Tal zurückgebracht werden wollen. Der schnelle Aufstieg hat sich gelohnt und ich kann die meisten Mitbewerber um einen Platz in der Bahn noch passieren. Sogar ein wenig Zeit bleibt für ein kurzes Foto am Eingang der Bergstation.
Auf dem Perron warten bereits 22 Personen vor mir, ich wäre also bei der dritten Fahrt dabei. Plötzlich kommt eine Bergsteigerin die Treppe nach oben, drückt sich ganz ungeniert an der wartenden Menge vorbei und stellt sich ganz nach vorne. War das nun extrem dreist oder gehörte sie irgendwo dazu, ich wollte es nicht mehr herausfinden. Für den zweiten seltsamen Moment sorgte ein junges Mädchen, vielleicht maximal 15 Jahre alt, das plötzlich mit einem deutlich! älteren Herren das Knutschen anfing. Auf der Alm, da gibt's koa Sünd!
Als wäre das noch nicht genug gewesen, fing eine Gruppe von Schotten plötzlich eine Diskussion ab, ob man denn nicht einen befreundeten Bergsteiger von ganz hinten in der Schlange nach vorne holen sollte. Ich hatte absolut keine Lust darauf, noch eine weitere Fahrt abzuwarten oder mit der Gruppe um den letzten Platz zu streiten. Zum Glück entschied man sich kurz vor der Einfahrt gegen die Ausführung des Plans. Während der Fahrt startete die nächste Diskussion, wie es in einem so durchgeplanten Land wie der Schweiz nur zu solchen Wartezeiten kommen kann. Tatsächlich ist die Kabine für 8 Personen relativ groß dimensioniert und es hätten locker 4 Personen mehr Platz. Vermutlich können damit aber auch noch Lasten transportiert werden oder hat das rechtliche Gründe?
Die vom Dunst eingerahmten Bergflanken boten noch ein schönes Motiv, doch leider war ich erneut auf der gleichen Seite gelandet und konnte daher nicht ganz störungsfrei fotografieren.
Ich hatte eigentlich mittlerweile genug von kurvigen Straßen und Alpenpässen, aber für die Heimfahrt Richtung Norden gab es keine andere Option. Das Navi entschied sich für die Route über den Julierpass, dann konnte ich mir immerhin noch Bivio und Savognin anschauen.
Eigentlich sind Pässe eine landschaftlich spannende Sache, wären da nicht immer diese Motorradtreffen auf der Passhöhe und die durchgeknallten Fahrer übermotorisierter Luxuskarossen. Ganz schlimm war das vor ein paar Wochen auf dem Klausenpass, da kamen noch eine wirklich schmale Westrampe und jede Menge Radler (die auf dem Drahtesel) dazu.
Die Nordrampe mit dem Skigebiet von Bivio im Hintergrund
Mein Lieblingsthema in der Schweiz ist es, ein hinreichend gutes Restaurant zum Essen zu finden. Die meisten gastronomischen Betriebe haben ein selbst für die Schweiz extremes Preis-Leistungsverhältnis und sehen teilweise schon von außen eher nach Frittenbude als nach guter Küche aus. Wer hier also Tipps hat, immer gerne.
Am Marmorera-Stausee machte ich die nächste Pause und versuchte so, die lange Rückfahrt etwas zu strecken. Es war mittlerweile recht ruhig geworden, was nach dem Trubel im Engadin einen schönen Kontrast bot. Nur die angekündigten Gewitter ließen auf sich warten.
Mit jedem Höhenmeter tiefer wurde es drückender, bei Chur zeigte der Thermometer bereits 27,5 Grad an. Mangels Alternativen oder der Lust danach zu suchen, drücke ich an der Glarnerland Raststätte am Ende 12 CHF für einen pappigen Burger ab. Immerhin hatte es kurz zuvor am Walensee die ersten Regentropfen gegeben und damit ein baldiges Abkühlen angekündigt.
FF