Kapitel 2: Die Magie des Lichts im Herzen SchwedensNach fünf Tagen in Stockholm beginnt nun der nächste Abschnitt auf der Reise in den Norden. Es beginnt endgültig das Abenteuer Nordschweden, etwas Ungewisses ist enthalten, denn einerseits bin ich von nun an alleine unterwegs und andererseits habe ich das Gefühl, die Zivilisation ein wenig zu verlassen und ins Outback aufzubrechen. Gleichzeitig beginnt an dieser Stelle auch der für das Forum relevantere Teil der Reise.
Die Straßenverhältnisse werden schnell winterlich, es beginnt zu schneien, der Wind bläst zusätzlich Schnee von den Feldern auf die Fahrbahn. Die linke Spur der Autobahn wird bald unbrauchbar, schneller wie 90 km/h kann man ebenfalls nicht mehr fahren. Doch lange bleibe ich nicht auf der E4, der wichtigsten Nord-Süd-Verbindung Schwedens. Ein Stückchen hinter Gävle biege ich ab, verlasse die Autobahn für den Rest der Reise. Es geht weiter in den Westen, durch Wälder, leichte Hügel hinauf und hinab. Der Schneefall und die winterlichen Straßenverhältnisse bleiben mein treuester Begleiter an diesem Tag.
An sich kommt man in Schweden auf Landstraßen recht gut voran, meist sind 90 oder 100 km/h erlaubt, die Straßen sind flach und haben nur wenige Kurven. Der Schnee und das Eis auf den Straßen sind für den Mitteleuropäer etwas ungewohnt, aber sie lassen sich erstaunlich gut fahren; lediglich in den Kurven muss man aufpassen.
Nach einer anstrengenden und ermüdenden Fahrerei bin ich froh, nach Einbruch der Dunkelheit endlich Åre zu erreichen, mein erstes Skiziel hier in Schweden. Das Hostel ist nicht einfach zu finden, liegt irgendwo oben auf einem Berg und ist nur sehr unzureichend ausgeschildert. Erster Versuch, falsches Haus. Mist, da ist’s sauglatt. Nein, ich will nicht Ketten anlegen. Also nochmal zurück. Schwung holen, ein bisschen in den Tiefschnee am Straßenrand rein und geradeso hochkommen. Puh... Streusalz gibt’s in Schweden übrigens überhaupt nicht, Streusplitt nur an wenigen ausgewählten Orten (eigentlich nur an innerstädtischen Kreisverkehren und auf ausgewählten Gehwegen). Das Hostel selbst ist recht schön, typisch schwedische Holzhütten, leider bin ich auch so ziemlich der einzige Gast.
Åre. Spätestens seit der Skiweltmeisterschaft 2007 ist dieser Ort den meisten Interessierten ein Begriff. Aus diesem Grund ist das Gebiet auch das modernste, größte und mitteleuropäischste Skigebiet Schwedens, vermutlich sogar Skandinaviens. Dennoch habe ich es ausgewählt, weil es einerseits einfach eines der wenigen Gebiete mit einer ordentlichen Größe ist, andererseits einen der höchsten Berge der Umgebung erschließt und somit sowohl landschaftlich als auch skifahrerisch mit am interessantesten in Mittelschweden sein dürfte.
Das Erscheinungsbild erinnert mich jedoch zunächst eher an vergleichbare Gebiete in Österreich. Unten gibt es eine moderne Kombibahn, die Parkplätze, die Infrastruktur, die Hütten, all das sieht erstmal sehr gewohnt aus. Landschaftlich und skifahrerisch wird sich dieser Eindruck im Laufe der beiden folgenden Tage aber durchaus noch ändern.
Leider sind die Verhältnisse derzeit nicht optimal, da recht wenig Schnee liegt. Es sieht zwar alles sehr winterlich aus, aber insgesamt liegen nicht mehr als unten 50 cm und oben vielleicht ein Meter. Deswegen sind noch einige Abfahren und Lifte geschlossen, darunter auch der wichtige Tusenmetersliften. Einerseits ist der Winter bislang offenbar (laut Einheimischen) recht mäßig, andererseits merkt man deutlich (z.B. daran, dass nichts los ist, die Infrastruktur ist definitiv für mehr ausgerichtet), dass der Saisonschwerpunkt hier im Frühjahr, also März und April liegt, wenn auch die Tage wieder deutlich länger werden.
Åre besitzt zwei Skigebiete. Das Hauptgebiet um den Åreskutan bis hinüber nach Björnen ist mit Liften untereinander verbunden. Einige Kilometer westlich gibt es noch ein kleineres Gebiet, Duved, das ich jedoch nicht besucht habe. Einen Pistenplan zur leichteren Orientierung findet ihr
hier!
Die Abfahrten sind alle west-, süd- und ostseitig exponiert, das Skigebiet zieht sich entlang des zugefrorenen Åresjön. Der Sektor Björnen ist nur mäßig interessant, da die Abfahrten hier teils grenzwertig flach sind, es gibt nur wenige, kurze steilere Hänge. Außerdem kommt in diesen vergleichsweise niedriegen Skigebietsteil im Januar nur äußerst wenig Sonne, sodass das Skifahren ein steter Kampf mit dem Frieren ist. Lediglich am Björnenliften und am Tottliften (hier ist’s aber seeehr kalt) sind die Hänge interessanter. Hier gibt es ausschließlich Schlepplifte, darunter auch einen (nichtkuppelbaren) Stangenschlepper.
Den wesentlich interessanteren Teil findet man am Hauptberg. Im Sektor Åre By gibt es eine DSB und eine 6er KSB, die steile, harte Abfahrten erschließen, sowie quer dazu eine lahme 4-SB, die sonnigere Hänge erschließt. Mit der bekannten Pendelbahn geht es von hier aus direkt zum Gipfel. Bei meinem Besuch ist sie jedoch aufgrund technischer Probleme außer Betrieb. Sie ist eingefroren. Scheinbar so arg, dass sie offenbar immer noch geschlossen ist (gut, vielleicht ist doch mehr kaputt, auf den Schildern stand jedenfalls was von Frost
). Von der anderen Seite führen die eingangs erwähnte Kombibahn und die wichtigste Beschäftigungsanlage des Gebietes, die EUB Gondolen auf den Gipfel. Hier gibt es gleichzeitig das beste Panorama, interessante Pisten und die Gelegenheit, sich im Lift wieder aufzuwärmen.
Der Sektor Rödkullen besteht auf mehreren, verstreuten Schleppliften, von denen zumindest der Stendalsliften und die Rödkulleliften interessante Abfahrten erschließen. Durch die verstreute Lage der Lifte (teils mitten im Nirgendwo) wirkt das Skigebiet hier sehr weitläufig.
Morgens geht es los mit einem Blick vom Hostel rüber ins Skigebiet, die beleuchtete Piste ist entlang der Kombibahn VM8:an.
Mit selbiger geht es wenig später hinauf ins Gebiet. Die ersten Abfahrten sind hier zu absolvieren, da die Kombibahn aufgrund der Flutlichtanlage vor den anderen Liften öffnet, als es noch nicht richtig hell ist.
Die weiteren Liftanlagen sind hier im Januar nur von 10 bis 15 Uhr in Betrieb, vorher bzw. nachher ist des dunkel. Dies bringt mich nun zum wichtigsten Puzzlestein des Skitages: dem Licht. Hier in Åre merkt man bereits deutlich die veränderte Tageslänge. Hell wird es heute um kurz vor 10, dunkel bereits wieder um kurz nach 15 Uhr. Die Sonne geht dabei nie richtig auf, steht nie im Zenit, sondern wandert langsam am Horizont entlang von Osten nach Westen. Genau genommen steht sie dabei jedoch dauerhaft im Süden.
Um die Wintersonnwende herum sind die Tage in solch nördlichen Gefilden schon ziemlich kurz, da erscheint es durchaus verständlich, dass die Schweden im Winter ein Depressionsproblem haben.
SZ-Magazin hat geschrieben:
Schweden kann brutal sein. Ikea versorgt uns ja nur mit den Gute-Laune-Klischees: ein Land voll blonder Kinder, die an funkelnden Seen rumspringen, Midsommar, endlose Tage, alles herrlich da oben im Norden. Dass die ganze Heiterkeit spätestens im Herbst in unglaubliche Trübnis kippt, wird in der Regel diskret verschwiegen. Och ja, bisschen dunkel halt, nå und?
Quelle und vollständiger Artikel: SZ-Magazin vom 18.01.2013Insbesondere im innerstädtischen Raum und bei länger anhaltenden Schlechtwetterperioden ist das nachvollziehbar. Ich betreibe heute wohl die beste Therapie gegen die Dunkelheitsdepressionen (besser als beleuchtete Bushaltestellen wie in Umeå) und bin den ganzen Tag an der frischen Luft, dazu noch bei strahlendem Sonnenschein. Und ich erfreue mich an dem flachen Licht der kalten Januarsonne, die trotzdem etwas wärmendes mit sich bringt, wenn man vom kalten, schattigen, nebligen See hinaufkommt. Es sind ganz besondere Lichtstimmungen zu Sonnenauf- und –untergang, die tief eingefrorenen Häuser, Hütten und Liftsstützen setzen das i-Tüpfelchen auf eine grandiose Stimmung, die mich über die objektiv nicht idealen Skibedingungen hinwegsehen lässt.
Wie ist das Skifahren im Norden nun im Vergleich zu den Alpen? Ja, es ist schon anders, auch hier in Åre. Zum einen die enorme Weite der Landschaft, andererseits vor allem im Januar eben die besondere Rolle des Lichts. Die Landschaftsformen sind wesentlich runder wie in den Alpen, eigentlich sind die meisten Berge bloß Hügel, richtig Felsspitzen gibt es gar nicht. Dazu befindet sich Åre am Rand der Berge, sodass man weite Aussicht in die Ebene mit ihren unendlich weiten Wäldern und zig zugefrorenen Seen genießt. Alles ist freilich winterlich weiß verschneit.
Die EUB mit Stehgondeln ist heute meine Hauptbeschäftigungsanlage, denn sie erschließt interessante Pisten (und gute Variantenmöglichkeiten, aufgrund des tiefgefrorenen Schnees heute aber nur sehr eingeschränkt fahrbar) und liegt als einzige Anlage ganztägig in der Sonne.
Die Talstation direkt am See liegt ganztags im Schatten, entsprechend kalt ist es hier auch bei knapp -20°. Über Mittag mache ich mich auf in den Gebietsteil Björnen, der allerdings wie eingangs beschrieben sehr flach ist. Mit Schneekanonen wird übrigens auch hier im hohen Norden Frau Holle intensiv unter die Arme gegriffen, leider liefen zahlreiche Kanonen den ganzen Tag über.
Aus Björnen sieht man im Rückblick gut die flachen Waldschneisen im Vordergrund und den Åreskutan, mit 1420 m Höhe den höchsten Berg der Umgebung, im Hintergrund.
Zurück im Hauptgebiet neigt sich der Tag bereits wieder dem Ende zu, weshalb ich euch noch mit weiteren Lichtstimmungsfotos quälen muss. Die Kabinen der Pendelbahn hängen übrigens fast genau mittig auf der Strecke...
Am nächsten Tag bin ich nochmal nach Åre gefahren, um den noch fehlenden Sektor um Rödkullen abzufahren. Am Stendalsliften gibt es mit die besten Offpiste-Bedingungen, leider liegt er sehr schattig, perfekt griffig ist der Schnee hier auch an den Pisten genauso wie drüben am Rödkulleliften.
Sektor Tväråvalvet mit Stendalsliften
Im Gegensatz zu gestern hält sich heute weit verbreitet eine dichte Nebeldecke. Die unendliche Weite der Seen-Wälder-Landschaft wird heute also durch die unendliche Weite des Nebels ersetzt.
Eine Kleinigkeit, die typisch für skandinavische Skigebiete ist, würde ich mir auch für unsere Areale wünschen: überall gibt es värmstugas. Dies ist eine Art Winterraum, der beheizt und (typisch skandinavisch) mit Mikrowelle etc. ausgestattet ist. Man kann dort zum Aufwärmen hinein und mitgebrachtes Essen und Trinken verzehren. Eine richtig gute Sache, die auch ganz stark angenommen wird. Im weiteren Verlauf der Reise habe ich diese värmstugas noch in zahlreichen Gebieten vorgefunden.
Abends bekomme ich im (internetlosen) Hostel dankenswerterweise noch etwas Gesellschaft, sodass der Abend kurzweilig vorübergeht. Im Anschluss packe ich zusammen, am nächsten Tag geht die Reise in den Norden weiter...
[to be continued]