Riksgränsen – most legendary? (April 2013)Als die anderen vor ein paar Wochen in Riksgränsen waren, konnte ich leider nicht. Zurück kamen sie voller Begeisterung. Umso mehr war ich mir sicher, dass ich in den verbleibenden Wochen der Saison noch dorthin will. Wir hatten eigentlich den Plan, das Mitte Mai angebotene Mitternachtsskifahren dort mitzunehmen. Eigentlich. Letzte Woche tagelanger Dauerregen an der schwedischen Küste, dazu plus acht Grad. Trotz der höheren und nördlicheren Lage bezweifeln wir langsam, dass Mitte Mai dort noch brauchbare Skiverhältnisse vorliegen. Ich werde ein bisschen nervös.
Der Tag in Narvik tags zuvor war zwar ganz nett, ließ aber auch durchblicken, dass ein zweiter Tag dort (auch bei geöffneter Gipfel-Sesselbahn) langweilig werden würde. Der Wetterbericht meldete zudem besseres Wetter in östlicheren Bergen. Daher fasse ich abends spontan den Entschluss, trotz bescheidener Zugverbindung, umständlicher Anreise und kurzem Skitag hinauf – wieder ein Stück zurück nach Schweden zu fahren. Der eigentliche Plan, beide Tage in Narvik skifahren zu gehen, wurde über den Haufen geschmissen.
Es sollte die richtige Entscheidung werden.
So sitze ich sonntagvormittags als so gut wie einziger Fahrgast im Zug Nummer 95. Nach Riksgränsen braucht er trotz der nur etwa 45 km eine knappe Stunde, es geht steil bergan auf einer spektakulären Eisenbahnstrecke. Enge Kurven, Tunnel, steile Abhänge, Schluchten, Blicke auf Fjorde und schneebedeckte Fjälle. Immer im Hinterkopf, dass dort tausende Tonnen schwere Güterzüge fahren und dass die Strecke vor weit mehr als hundert Jahren unter widrigsten Bedingungen errichtet wurde. An den vielen gezimmerten Tunnelportalen sowie Gallerien wird dies auch heute noch mehr wie deutlich.
Geworben wird in Riksgränsen mit dem Spruch „Sweden‘s most legendary skiresort“. Es mag etwas übertrieben sein, dennoch ist es zusammen mit Åre, welches durch größere Ausdehnung und Höhenunterschiede freilich mehr Möglichkeiten und Abwechslung bietet, das beste Skigebiet, das ich in Schweden kennengelernt habe. Und ein Fan von Orten besonderer Lage oder Abgeschiedenheit bin ich sowieso. Als ich gegen elf Uhr am Bahnhof, der direkt an der Talstation liegt, aus dem Zug steige, scheint die Sonne und es ist angenehm frühlingshaft warm.
Das Skiareal erstreckt sich um den 909 m hohen Riksgränsenfjället. Auf die Vorderseite führen vom Hotelkomplex und Bahnhof zwei Sektionen Sesselbahn, der Nedre und Övre Stollift. An selbigen gibt es zwei Hauptabfahrten und dazu, wie im gesamten Skigebiet, großräumiges freies Skigelände, welches zum Offpiste-Fahren dienen kann und soll. Genauso wie im benachbarten Riksgränsen oder Narvik werden hier zahlreiche Routen kartiert, die lawinenkontrollierten Zonen markiert und der Skifahrer bewusst zum Freeriden aufgefordert.
Nedre Stollift
Övre Stollift
Letzte Nacht hat es knapp 10 cm geschneit, was den Pisten und dem freien Gelände sehr gut tut. Entlang der beiden Sessellifte geht es neben der Piste besser wie auf ihr, daher bewege ich mich zunächst meist abseits. Auf den Gipfel führt von der anderen Seite aus, von Katterjak, einer von zwei kuppelbaren Stangenschleppern.
Das Panorama ist ähnlich wie in Abisko, deshalb verliere ich nicht mehr allzu viele Wörter darüber. Nur eines: unendliche Weiten, zugefrorene Seen, Unbesiedeltheit.
Wie bereits erwähnt, ist der pistennahe Bereich vor Lawinen geschützt bzw. kontrolliert. Entfernt man sich etwas weiter, gibt es auch hier eine Art „Tor“, die einen vor dem Verlassen des kontrollieren Bereichs warnt und auf die eigene Verantwortung hinweist. Ich finde dieses hier praktizierte System gut. Hier zu sehen ist das Tor, das den Eingang zur Branten weist, einer Route direkt hinunter Richtung Hotel, extrem steil und bei viel Schnee sicher auch sehr lawinengefährdet.
Aber auch unter der DSB geht es gut.
Gegen 13 Uhr zieht das Wetter leider zu, die Sonne wird von grauen Wolken verhangen, die Kontraste werden schlechter, Konturen auf Pisten und vor allem abseits davon sind nunmehr kaum erkennbar. Da (mein) Skitag noch nicht einmal bei der Hälfte angelangt ist, geht diese Wetteränderung leider doch spürbar in die Tagesbewertung mit ein...
Deshalb folgen nur ein paar wenige Bilder von der Rückseite des Gebietes, das von einem recht kurios zusammengewürfelten Haufen an Schleppliften erschlossen wird: zwei Mal gibt es die kuppelbare Stangenvariante (Katterjåkkliften, Nordalsliften), einmal den Tellerlift (Solliften) und einen normalen Bügelschlepper mit (sinnloser?) Kurve (Vinkelliften). Das Gelände bietet auch hier Platz für interessante Abfahrten und Varianten, leider lässt die Sicht das nur sehr eingeschränkt zu.
Vorne Nordalsliften, dahinter Solliften.
Kåtterjakkliften mit eigenem Bahnhof. Die Landstraße ist auch hier irgendwie nicht wirklich in der Nähe.
Spätnachmittags reißt es doch nochmal ein bisschen auf, die Sicht nach Westen wird freier. Ist das dort am Horizont das Meer oder nur eine graue Wolke?
Unten in Riksgränsen habe ich nun mehr als eine Stunde Zeit bis mein Zug mich zurück nach Narvik bringt. Die Fahrpläne sind hier wirklich nicht auf Skifahrer zugeschnitten, der Bedarf hierfür aber offenbar auch nicht vorhanden. So gut wie alle Gäste wohnen im Hotel-, Hostel- und Campingkomplex, auf dessen Terrasse ich eine Weile dem Treiben zusehe.
Schließlich nähert sich die Abfahrt meines Zuges langsam und ich mache es mir die letzten Minuten auf dem etwas eigenwilligen Bahnsteig, halb in einer Gallerie gelegen und geschottert, halb aus Holzplanken gezimmert, gemütlich.
Entspannt geht es per Zug zurück nach Narvik. Zwischendurch halten wir dreimal an verlassenen Holzhütten, die zumindest im Winterhalbjahr nicht per Straße oder Fahrweg erreichbar sind. Jedes Mal steigen Menschen ein und aus. Mit Skiern.