1. Spittal, Goldeck, Österreich, 4.1.2006
Zurück zur Übericht der Tour.
Neue Tour, neue Zeit, neues Ziel, 3 h Stunden Schlaf später, tausend Kilometer vom Gardasee entfernt, die Bilder immer noch eingebrannt vor Augen. Nacht, wieder Obenschwaben, wieder breche ich im Dunkeln auf, wieder liegt Schnee, doch diesmal fahre ich nach Norden. Waldsee, Biberach, Ulm. Hier werde ich k2k wieder treffen, genau einen Tag weniger als ein Jahr nach unserer Alagna-Tour... was wird diese Tour bringen? Ich bin durchaus gespannt, Alagna wird kaum zu toppen sein, die Morgende am Guglielmina schon gar nicht. Dafür haben mich Mikis Bilder vom Kanin nachdrücklich beeindruckt. Vielleicht muss man nicht auf 3500m Skifahren, um das Gefühl der Höhe zu bekommen, wenn nur die Täler tief genug sind? Vielleicht müssen es nicht 4000er sein, wenn die Kulisse trotzdem beindruckende Landschaftsbilder enthält? Sicher, den Kanin wird man nicht mit dem Monte Rosa vergleichen können, das Massiv wirkt auf Miki Bilder aber schon beeindruckend! Hoch, steil, exponiert, einsame Gipfel, einige verlassen wirkende Lifte in Mitten dieser beeindruckenden Landschaft... als ich die Bilder das erste Mal sah, dachte ich der Berg müsse so um die dreieinhalb tausend Meter hoch sein. Das in Wirklichkeit das Schigebiet bei etwa 2200m endet, sieht man diesem Berg nicht an. Und diese Erfahrung habe ich schon früher gemacht: auch in den Bergamasker fährt man selten auf 2000m Ski, die teils aber nur wenige hundert Meter hochgelegenen Talorte vermitteln aber gleichermaßen ein Gefühl von Weite und Tiefe, das dem anderer Schigebiete wenig nachsteht. Ich bin gespannt. Schwieriger werden sich die anderen Ziele rund herum gestalten - es gibt nicht soooo viel interessantes in der Gegend. Sappada habe ich ausgesucht, weil es einen der letzten in Betrieb befindlichen Marchisio ESL bietet, der noch dazu seine letzte Saison hat. Sella Nevea am Kanin selbst bietet sich an, weil wir ohnehin von dort aus mit den Tourenschi ins slowenische Schigebiet wollen, bevor irgendwann der letzte Verbindungslift gebaut wird. Ohne diesen ist aber andererseits das Gebiet von Sella extrem unspektakulär... Man wird sehen müssen, was es taugt.
Mit leichter Verspätung erreiche ich Ulm, wer genaueres über meine Verspätung wissen will, lese k2ks Bericht, der es sich nehmen ließ, ausdrücklich darauf hinzuweisen.
Cool sich wiederzusehen, viele alte Erinnerung werden wach, die Zeit in Alagna war schon extrem geil! In drei Tagen haben wir schon echt so einiges zusammen erlebt - das vergisst man nicht! Schade, dass Michi dieses Jahr nicht mitkommt. Dafür werde ich Gerrit kennenlernen, auch darauf bin ich sehr gespannt.
Wir fahren durch den grau dämmernden Morgen in Richtung Salzburg. Massive Schneefälle im Osten Bayern haben den Schienenverkehr lahmgelegt. Bezüglich der Wintertauglichkeit der Blackbird muss ich mir keine Sorgen machen, das hat auch die Tour vom Val Sassina ins Val Brembana noch einmal eindrucksvoll bewiesen. Aber das hilft ja nichts, wenn die Autobahn dicht ist, weil irgendein LKW quer steht. Unsere Bedenken sind jedoch unbegründet, mit relativ geringer Verspätung erreichen wir die Grenze kurz vor Salzburg, wo wir auf Gerrit treffen. Die Ski werden umgeladen, ein sicherer Abstellplatz für die Blackbird wird in einem nahen Dorf gefunden. Weiter gehts, nach Süden, die Tauernautobahn entlang. Schon lustig, hier bin ich doch eher selten unterwegs.
Das neue Trio passt, mit Gerrit kann ich eben so gut rumalbern und lachen wie mit k2k. Zur Begrüßung hat Gerrit erstmal die wohl bekannteste Ambros-Veröffentlichung am Start. Sehr geil! Dennoch: meinem hartnäckigen Drängen im Verlauf der Tour, doch lieber in die Sporwelt Amadé zu fahren, die doch viel näher ist und dazu perfekte Schneeverhältnisse bietet, wollen beide nicht nachgeben. Ignoranten! Aber auch schon auf der Autobahn beeindruckt die aktuelle Schneelage in den Ostalpen. Nun gut, der Kanin meldet auch drei Meter, also das soll uns nicht aufhalten.
Die langen Tunnel der Tauernautobahn sind durchquert, wir sind in Kärnten. Das heutige Ziel ist das Goldeck. Da ich erst vor knapp vierundzwanzig Stunden entschieden habe, nicht von Italien aus in Sappada dazuzustoßen, war ich an dieser Planung nicht beteiligt. Erst kurz vorher erfahre ich, dass der Grund dort hin zu fahren, die berühmte Kurvensesselbahn ist. Na gut, das könnte ja durchaus interessant werden. Ansonsten bin ich heut eh eher zurückhaltend gestimmt, der Schlafentzug steckt mir in den Knochen. Insofern ist mir das alles gerade recht. Wenn mich das Gebiet nicht sooo sehr interessieren sollte, chill ich einfach ein bisschen auf der Hütte, muss auch mal sein. Mal zur Abwechslung nicht mit fünfhundert Photos alles dokumentieren zu müssen, ist auch mal nicht verkehrt!
Von Spittal führt eine PB in zwei Sektionen hinauf zum Goldeck und überwindet dabei einen beachtlichen Höhenunterschied. Dass man vom Parkplatz aus relativ weit hinlaufen muss, stört mich nicht - dafür bin ich alte Schule genug.
Oben gibt es dann einige relativ steile Pisten, die durch SL erschlossen werden und die Kurvensesselbahn auf der Rückseite. Aber noch ist es nicht so weit, wir warten auf die Bahn und müssen erstmal die zwei Sektionen überwinden.
Talstation der PB zum Goldeck. PB - das find ich schon mal gut!
Stütze kurz vor der Mittelstation, von dieser aus gesehen.
Die zweite Sektion.
Blick von der Bergstation, mit Spittal im Hintergrund.
Blick von der Bergstation auf die Tauern.
Ein sehr cooles Feature von Gerrit ist, dass er zur Abwechslung mal wirklich in den 70ern Schifahren war, und mir mit Engelsgeduld alle Fragen beantwortet, wie das damals so war. Eben so all die Kleinigkeiten, die man nur miterlebt, aber nirgendwo nachlesen kann. Und wenn es nur um Erfahrungsberichte geht, welche Wartezeiten an Liften früher so üblich waren. Ein weiteres positives Feature von beiden meinen Begleitern ist, dass sie ziemlich gut fahren können. Nach den geruhsamen Skiausflügen in den Bergamasker Alpen macht es irgendwo auch wieder Spaß, mal wieder so richtig die Pisten runter zu brettern. Der Schnee ist hier natürlich perfekt. Ansonsten fehlt mir im großen und ganzen allerdings der Style, als dass so ein Schigebiet für mich jetzt an sich sooo interessant wäre. Die Schlepper sind technisch für mich uninteressant und landschaftlich ist das Gebiet, trotz nicht zu verachtender Höhenunterschiede, auch nicht unbedingt außergewöhnlich. Aber all das ist natürlich auch Geschmacksache, Schifahren kann man jedenfalls durchaus.
Im folgenden ein paar Eindrück vom Goldeck, mit zunehmender Bildbearbeitungszeit hab ich relativ laut die Kid A durchgehört, also nicht wundern. Ich habe eh sehr wenig Bilder gemacht und die waren nicht gerade spektakulär, also hab ich bisschen rumgebastelt. Macht ja manchmal auch Spaß.
Steffen am Gipfel des Goldecks.
Dieser Sendemast hat mich beeindruckt, ich finde Sendeanlagen auf Gipfeln optisch sehr faszinierend.
Auf dem Weg zur Rückseite, von wo die Kurvensesselbahn heraufkommt.
Aber eigentlich sind wir ja gar nicht wegen des Schigebiets an sich hier, sondern wegen der Kurvensesselbahn. Als ich über den Grat fahre, muss ich schon grinsen. Also eine alberner ausschauende Lifttrasse hab ich selten gesehen! Das ist natürlich nur reine Ignoranz von mir. In Wirklichtkeit macht die Trasse natürlich schon Sinn. Wenn man weiß, dass in der Mitte ein Naturschutzgebiet liegt, das von der Bahn nicht passiert werden durfte, versteht man die gewählte Spur. Und technisch interessant ist die Anlage allemal. Aber so auf den ersten Blick muss man schon schmunzeln - zumal die Piste auch nur ein Ziehweg ist, der genauso außen herum führt. Die Grenzen des Naturschutzgebiets sieht man eben in der Landschaft nicht!
Trasse der Kurvensesselbahn.
k2k auf dem Ziehweg.
Baco-Kurve - mit etwas anderen Farben als im Original.
Die Fahrt mit dieser Anlage ist jedenfalls schon ein Erlebnis, allerdings auch ziemlich lang und vor allem sehr holprig. Die achtziger Jahresessel werden in ihrer Unbequemheit wohl auch nur noch von den alten Pomalattenrostsesseln geschlagen. Trotzdem, es lohnt sich sicher die Anlage mal gesehen zu haben.
Da das Wetter nicht gerade besser wird und ich ziemlich fertig von der letzten Nacht bin, ziehe ich mich nach dieser kleinen Erkundung dann in die Gipfelhütte zurück, während Gerrit und k2k noch ein paar Runden drehen. Ist schon komisch, irgendwie hat es für mich geradezu eine Exotik, Knödel und derlei Dinge zu bestellen. Also nicht falsch verstehen, die schmecken toll, keine Frage. Aber ungefähr so fühlt sich vermutlich der Durchschnittstourist aus unseren Breiten, wenn er ausversehen im Dolomitisuperski den deutschsprachigen Raum verlassen hat und feststellt, dass Spaghetti Bolo dort "Ragu" heißen und Dinge wie Risotto und Polenta auf der Karte findet. Ich muss über mich selber lachen. Also wirklich, Knödelexotik. Aber ungewohnt ist es schon. Wie gesagt, die Hütte ist modern und sauber und auch gemütlich, der Wirt ist nett und das Essen klasse. Es ist nur einfach anders. Exotisches Österreich, wer hätte gedacht, dass ich eines Tages diese Seite an Dir entdecken würde?
Schlussendlich steht die lange Talabfahrt an und die macht wirklich Spaß. Ich weiß nicht mehr, wieviel Höhenmeter es sind - 1500? 1800? Jedenfalls eine tolle Abfahrt, wir fahren sie im Halbdunkel, auch das hat seinen Reiz. Es wird nicht die letzte Mondscheinabfahrt dieser Tour werden.
Ein lange Fahrt steht an. Von Spittal nach Sappada ist es ein langes Stück, eine Unterkunft muss auch noch gefunden werden. Ich mag es im Winter durch die Nacht zu fahren, wenn ich so müde bin wie jetzt, ist vor allem schön, wenn man selber nicht fahren muss. So gleiten wir höchst komfortabel in Gerrits Gefährt dahin durch die tief verscheite Winterlandschaft. Es bleibt viel Zeit zum Quatschen, die man beim Schifahren so natürlich nicht hat. Für mich interessant sind vor allem Gerrits Ausführungen auf mein Bitten zu verschiedenen landes- und regionalpolitischen Verhältnissen und Themen in Österreich. Ansonsten steht mir ja hier nur die Presse als Informationsquelle zur Verfügung.
Langsam wird die Landschaft einsamer und wilder. Zumindest in der Nacht und bei meterweise Schnee macht der Plöckenpass einen gottverlassenen Eindruck. Allerdings ist das nichts im Verhältnis zu dem, was uns auf der anderen Seite erwartet. Heruntergekommene Dörfer, dunkel, beinahe verlassen, hier ist wirklich der Hund verfroren! Ich war erst ein einziges Mal in dieser Region der italienischen Alpen und schon damals war mein Eindruck nicht berauschend. Man man man, ich hoffe, dass ich meine Begleiter mit Sappada nicht in ein solches verlassenes Nest führen werde...
Meine Befürchtung ist unbegründet, im Gegenteil, ich bin sehr überrascht. Nach Kilomtern durch gottverlassene Tallandschaften finden wir in Sappada plötzlich einen großen, sehr herausgeputzten und höchst vitalen Schiort! Wer hätte das gedacht und das mitten in dieser Einöde? Noch dazu, wo das wirklich ein Ort ist, von dem man ja quasi nie etwas hört (dafür dass er über verhältnismäßig viele Anlagen verfügt). Ich selbst habe den Ort erst vor wenigen Wochen per zufall auf der karte entdeckt, als ich schon meinte, eigentlich alle Alpen Skigebiete Italiens zumindest dem Namen nach zu kennen. Wirklich, das ist nicht das, was ich erwartet hatte, umso besser.
Der Begriff "mitten in der Einöde" stimmt denn so auch nicht. Bei der Weiterfahrt auf Quartiertsuche (in Sappada wurden wir nicht fündig), stellt sich schnell heraus, dass westlich von Sappada alle Ortschaften recht lebendig und für die Gegend verhältnismäßig wohlhabend sind. Lediglich östlich schließen sich diese verlassenen Täler an. Wie finden nach etwas Suchen ein meines Erachtens für zwei Übernachtungen durchaus taugliches Hotel. Allein Restaurants gibt es in dieser Gegend anscheinend kaum. Sehr ungewöhnlich für Italien! Wie suchen Ewigkeiten und dann finden wir auch nur eher eine Art Bar mit durchschnittlichem, aber kaum weltbewegendem Essen. Auch wird hier viel Deutsch gesprochen, ebenfalls sehr ungewöhnlich. Eine in dieser Hinsicht schon etwas bizzarre Gegend.
Ich falle wie ein Stein ins Bett - allerdings nicht ohen vorher noch auf dem Laptop die Bilder vom Vortag am Gardasee gezeigt zu haben. Schlafen kann ich jedenfalls gut. Und morgen - morgen werde ich das erste Mal seit 1985 wieder in einem Marchisiosessellift sitzen!
(edit: so ein Blödsinn, in Barzio stand ja auch einer... man, ich werde alt....
)
Zurück zur Übericht der Tour.
Zum nächsten Tag: 2. Sappada, Venetien, 5.1.2006.