5. Collio / Val Trompia; 01.01.2006
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Das untere Val Trompia ist sicher keine Schönheit, im Gegenteil, es ist reichlich unansehnlich. Dabei ist das so nicht einmal korrekt ausgedrückt: das Tal mit seinen lichten Laubwäldern und Felsen, seinem Südalpencharakter und seiner eher mediterranen als alpinen Vegetation hat durchaus seine Reize. Der menschliche Einfluss hingegen ist erschreckend. Eine öde Durchfahrtsstraße, deren angrenzende Häuser schon vor langer Zeit von ihren Besitzern aufgegeben wurden oder aber zumindest derart vernachlässigt wurden, dass sie sich von den verlassenen kaum unterscheiden. Daneben einige hässliche neuere Bauten, viele Industriebaracken und Brachflächen. Weder Verkehr noch Industrie haben die Ortschaften bereichert, manchem Haus erkennt man noch einen Schatten einer längst vergangenen besseren Epoche an: unter dem Dreck des stätigen Verkehrs erkennt bis beinahe zur Unkenntlichkeit verblasste Wandmalereien, unter dem Rost der Jahre alte, schmiedeeisernere kunstvolle Geländer aus einer Zeit als Italien noch für seinen Stil, sein Ambiente berühmt war und nicht für seine viel zu schnell gewachsene Wirtschaft. Das untere Val Trompia ist quasi ähnlich hässlich, wie das untere Val Brembana, das wir auf der Fahrt von Mezzoldo nach Bergamo - wo wir auf die Autobahn nach Brescia fahren - durchqueren. Auch hier Dreck, Rost und halb verfallene Industriebauten neben alten Gemäuern, die erst bei genauem Hinsehen mit viel Phantasie den Glanz alter Zeiten erahnen lassen und für die sich heute niemand mehr interessiert.
Nach einem grandiosen Sylvester in Mezzoldo, was ähnlich wie im Jahr zuvor von einem 15+ Gänge Menü über mehrere Stunden begleitet wurde, wechseln wir heute unser Domizil für den zweiten Teil unserer Reise durch die Südalpen. Die nächsten Nächte werden wir in Gaver, in einem entlegenen Winkel der weiter östlich gelegenen Brescianer Alpen verbingen. Unsere ursprüngliche Route von Mezzoldo über San Pellegrino di Terme ins Val Serina und von dort über Oltre il Colle ins Val Seriana, wo mehrere Schigebiete am Talende warten, haben wir mangels Unterkunft, aber auch wegen des schlechten Wetters aufgegeben. Mittlerweile ist die Warmfront, die sich schon in Barzio ankündigte, vollends eingetroffen und bringt leichten Schneefall, aber auch eine Wolkengrenze bei schätzungsweise1500m. Die höher gelegenen Schigebiete im Val Seriana scheiden damit aus, auch die Rundfahrt durch die östlichen Bergamasker Alpen heben wir uns für eine spätere Tour auf. Schlussendlich gibt es in diesen Schigebieten auch keine interessanten Anlagen mehr, sie wurden bereits alle modernisiert, wenn auch teils mit ungewöhnlichen Anlagen, wie MEB und SACIF Liften. Da dieser aber allesamt jüngeren Datums sind, werden sie wohl auch noch in künftigen Wintern anzutreffen sein.
So entscheiden wir uns also für den Tag der Überfahrt das kleine wiedereröffnete Schigebiet von Colliò am Monte Pezzeda aufzusuchen. Das Val Trompia übte schon bei meiner ersten Flash-Trash-Tour im Winter 2004 / 2005 einen gewissen Reiz auf mich aus, vor allem das ehemalige Passschigebiet am Passo Maniva, was für mich im Rahmen mit Internetsuche nach Destinationen aufgrund seiner Lage aber auch seines typischen alten Stils, zu einer kleinen Legende wurde. So fuhren wir also von Mezzoldo das Val Brembana nach Süden aus den Alpen heraus und dort von Bergamo über die Autobahn nach Brescia. In Brescia führt wiedeum das Val Trompia nach Norden und knickt dann rechtwinklig nach Osten ab, wo es auf den Passo Maniva trifft, der das Tal von demjenigen von Bagolino und Gaver westlich des Lage Idro trennt. Der Übergang zwischen Brescias Vororten und dem Val Trompia ist fließend... nein, das Tal ist wahrlich keine Schönheit, es erinnert mich stark an das Romanchetal bei Les deux Alpen bzw. Alpe d’Huez. Zumal die ersten fünfzehn Kilometer quasi eine einzige geschlossene Ortschaft sind - hässliche Straßendörfer, noch dazu anstrengend zu fahren.
Im oberen Teil, hinter Bovegno, wird das Tal interessanter. Man durchfährt eine Art Schlucht, die zwar nicht spektakulär, aber doch reizvoll ist. Aufgrund der tiefhängenden Wolken ist die Landschaft allerdings für uns ohnehin nur beschränkt einschätzbar. Auf diesen letzten Kilometer fallen die Reste riesiger Anlagen der Eisen- und Fluoritminen auf, die links uns rechts der Straße in die Felsen gebaut wurden. Wohl auch schon lange aufgeben, strahlen diese Gebäude im Gegensatz zu den rostigen Wellblechhallen des unteren Talverlaufs, einen gewissen Reiz aus. Sie sind zwar auch kaum schön, aber in ihrem Gigantismus zumindest dennoch faszinierend. Riesige Anlagen, die noch aus einer viel früheren Industrialisierungsepoche stammen, als die üblichen Werkshallen und Schrottplätze, die Italiens jüngere Großindustrialisierung mit sich brachte. So sind die alten Minenanlagen architektonischer deutlich interessanter - wenn eben auch nicht schön - und haben außerdem so etwas geisterhaftes an sich, was einen an dunkle, halb voll Wasser gelaufene, längst vergessene Stollen, verrostete Loren und in unbekannte Tiefen führende Schächte denken lässt. Ein bisschen Moria eben. Beinahe hört man das Wasser tropfen, das die Schächte hinabrennt und auf den unteren, verlassenen Ebenen in künstliche Seen triff und dort minutenlang nachhallende Echos hervorruft.
Colliò selbst ist auch ein alten Bergbaustädtchen, das durch den Tourismus in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts eine gewisse Renaissance erfuhr. Allerdings ist auch dieser bereits wieder verstrichen. Dem touristischen Boom der 50er und 60er Jahre, folgten in den letzten beiden Jahrzehnten schwierigere Jahre, zumal der Schnee in diesen Lagen wohl auch nicht immer optimal war. Vergleicht man das Tal, den Ort und seine Schigebiete allerdings mit anderen der Brescianer und Bergamasker Alpen, scheint auch eindeutig ein Missmanagement für den touristischen Niedergang des Tales verantwortlich zu sein. Es steht seiner Konkurrenz an sich nämlich in wenig nach, seine dichte Lage zu Brescia ist sogar gegenüber den langen Seitentälern der Bergamasker Alpen ein deutlich Vorteil. Dennoch lag um die Jahrtausendwende der Tourismus quasi völlig danieder. Das Schigebiet von Colliò - der 1951 durch eine avantgardistische kuppelbare Kabinenbahn von Ceretti e Tanfani erschlossene Monte Pezzeda - schaffte es nicht einmal durch die 90er Jahre: um 1998 herum schlossen die Lifte endgültig. Das oberhalb am Pass erst 1975 erschlosse Schigebiet Passo Maniva - das auch noch gut vom Lago Idro über Bagolino erreicht werden konnte - musste ebenfalls etwa 2001 den Betrieb einstellen. Ein bereits beschaffte und gelagerte 3er Sesselbahn, die das Gebiet nach Norden hin beachtlich erweitern sollte, wurde schließlich verkauft und sollte in Slowenien - in Kransja Gora glaube ich - wieder aufgebaut werden (allerdings erzählte Miki, dass sich auch dort auf einem Parkplatz ruht). Eine Wiederinbetriebnahme des Schigebietes ist zwar offiziell vorgesehen, aber höchst zweifelhaft. Die nötigen Gelder können wohl nicht aufgetrieben werden, obwohl es sich um für dieser Branche lächerliche einige hunderttausend Euro handelt.
Dies alles ist an Colliò nicht spurlos vorrübergegangen. Viele Fassaden von Hotels habe lange keine frische Farbe mehr gesehen, bei nicht wenigen Gebäuden werden Fensterläden wohl so bald nicht mehr geöffnet. Trotzdem ist Colliò in meinen Augen nicht so hässlich, wie andernorts beschrieben. Ein typisch italienischer Ort eben, der seinen Glanzzeiten etwas nachtrauert und der genauso gut überall sonst in der Lombardei, Venetien, Friauls oder Piemont liegen könnte. Was man ihm allerdings deutlich ansieht, ist die Tatsache, dass er eigentlich nicht wirklich Touristenort geworden ist, sondern immer Industriestadt blieb. So erinnert sein Ambiente auch weniger an ein kleines Bergnest, als an so manche Örtlichkeit der neuen Bundesländer, deren Industrie endgültig verfallen ist. Nicht der Charme der Ursprünglichen, sondern die Tristesse der Hoffnungslosigkeit und Aufgabe prägen seine Stimmung. Darin dürfte wohl der Hauptgrund liegen, warum hier kein richtiges Urlaubsgefühl aufkommen mag. Selbst den Bewohnern merkt man diese Resignation deutlich an. Viele junge mittleren Alters hängen ohne Beschäftigung in der Bars rum und selbst die in der Tourismusbranche Tätigen, machen nicht den Eindruck, besonders viel Erfahrung mit Touristen zu haben. Entgegen der sonst in diesen Gegenden vorgefundenen authentischen Herzlichkeit, treffen wir hier eher auf reservierte Bedienungen und Tourismusangestellte. So schweifen meine Gedanken eher zu Vereinsgastätten und Trinkhallen auf der Schalke als eine Trattoria Bella Italias zu erkennen.
Dennoch ist in jüngster Zeit sogar wieder etwas Leben in den Ort gekommen: 2002 konnte nach Finanzhilfe (seitens der Gemeinde (?)) und Neustrukturierung der Betreibergesellschaft das Schigebiet am Monte Pezzeda wiedereröffnet werden. Zu diesem Zeitpunkt bestand es aus dem Nascivera Doppelsessellift Colliò - Roccolo Crispe, dem anschließenden Einersessellift Monte Pezzeda sowie drei Schleppliften, von denen mir allerdings nicht klar ist, ob sie nach der Wiederinbetriebnahme noch einmal gelaufen sind. Der Einersessellift wurde 2004 durch eine MEB DSB ersetzt, die mit verlängerter Trasse jetzt fast bis zum Gipfel führt. Die ehemaligen drei Schlepper sind mittlerweile jedenfalls definitiv nicht mehr in Betrieb, einer von ihnen ist allerdings auch durch die längere Trasse der DSB beinahe obsolet geworden. Ihrem Aussehen nach sind sie schon länger nicht mehr gelaufen, obwohl zumindest der rechts - der Schlepplift Larici - noch angeblich bis 2004 in Betrieb war. Die beiden Schlepper links der DSB und ihr erschlossenes Terrain scheinen vorerst verloren, Investitionen in das Schigebiet gehen in andere Richtungen. So wurde - sinnvollerweise - in eine Beschneiungsanlage auf der Hauptabfahrt investiert, außerdem ist wohl ein Ersatz des Schleppliftes Larici durch eine DSB geplant. Ich glaube allerdings, dass vorerst Schluss ist mit weiteren Investionen: die jetzigen müssen sich einfach erst einmal armotisieren. An diesem Tag sind trotz Neujahr und Gratisschipässen für Frauen wohl keine fünfzig Schifahrer im Gebiet. Bedenkt man, dass das es bis heute keinen Pistenplan am Lift gibt - geschweige denn eine Internetseite - fragt man sich etwas, ob am Ende der Tourismus im Val Trompia nicht den gleichen Weg nehmen wird wie beim letzten Versuch.
So sah das Schigebiet vor seiner Schließung und bei Wiedereröffnung 2002 aus, wobei man bei den SL oben wohl Abstriche machen darf.
Der heute wohl offizielle Pistenplan. Der obere Sessellift führt deutlich höher hinauf als der alte ESL, der rechte SL Larici ist verschwunden. Die beiden linken SL existieren noch auf dem Plan, machen aber nicht den Eindruck, als würden sie bald wieder geöffnet.
Das alte Maniva-Schigebiet. Rechts hinauf sollte eine 3SB das Gebiet erweitern, die nach mehreren Jahren Lagerung aus Geldnot nach Slowenien verkauft wurde, wo sie jetzt ebenfalls lagert.
Immerhin merkt man einen gewissen Hoffnungsschimmer durchs Tal gehen: mehrere Hotels haben neue oder renovierte und durchaus geschmackvolle Fassaden, sämtliche Rifugien im Gebiet machen einen gepflegten und einladenden Eindruck (der dann durch das mürrische Personal allerdings zum Teil auch wieder zu Nichte gemacht wird). Auch sind die Pistenpflege und -anlage ist überdurchschnittlich gut, wir sind positiv überrascht. Breite, leichte bis mittelschwere Almwiesen und Waldabfahrten in sehr gutem Zustand sollten Familien aus den nahen Großstädten nahezu einladen. Teilweise wurde es mit der Pistenbreite natürlich maßlos übertrieben, so dass man sich dann auf den riesigen kahlen Hängen wieder geradezu verloren vorkommt, zumal die DSB selbst bei Vollauslatung wohl kaum solchte Pisten füllen könnte. Da es aber nicht einmal an der Liftstation einen wirklichen Prospekt gibt, bleibt dieses neue Colliò ohnehin wohl vorerst ein Geheimnis. Beinahe schade eigentlich.
Ein bisschen was hat sich doch getan, manch einer hat anscheinend durch die Wiedereröffnung motiviert, investiert.
Die Dorfkirche.
Nach einem Kaffee in einer Bar, kaufe ich den Halbtagesschipass: 14 € ab 12.00 Uhr finde ich völlig in Ordnung, allerdings gibt es keine offzielle Talbfahrt aber der Mittelstation. Über die Almwiesen sollte jedoch eine schöne inoffzielle Talabfahrt möglich sein (teilweise existieren wohl auch noch die Schneisen einer früheren offiziellen Talabfahrt), aus Zeitgründen kommen wir aber heute nicht dazu, das genauer zu untersuchen.
Ins Schigebiet kommt man mit dem renovierten, nicht gerade schnellen Nascivera Doppelsessellift. Vorbei an hübschen Bauernhäusern führt er gemütlich nach Roccolo Crispe. Seine etwas langsame Fahrgeschwindigkeit stört weniger, da er quasi nur Zubringer ist und die hübsch trassierte Anlage hat durchaus ihren Reiz hat.
Talstation des Nascivera DSB.
Talstation und Colliò.
Kurz vor der Mittelstation Roccolo Crispe kreuzt die DSB eine gigantische Freileitung, die sich quer durch das Schigebiet zieht. Abgesehen davon, dass die auch nicht gerade hübsch ist, macht sich bei diesem Wetter auch sehr deutlich der Coronaeffekt bemerkbar: ein extrem lautes Knistern erfüllt die Luft und in den Bereichen, wo die Piste dicht an die Leitungen führt, hört man sogar ein 50 Hz Brummen, was ich bei Freileitungen bisher noch nie selber erlebt habe. Einerseits fasziniert mich sowas ja, anderseits ist es auch irgendwie unangenehm. Manchmal meint man fast, man könne das Ozon riechen, was natürlich Blödsinn ist.
Restaurierte Rifugios an der Mittelstation Roccolo Crispe.
Dachlawine in Zeitlupe...
Nasciveraspinnenstation in Roccolo Crispe, dahinter MEB DSB.
Im Anschluss daran findet sich der neue MEB Sessellift. Diese DSB ist in meinen Augen als Nutzer, in Sachen Komfort und Fahrgefühl mit einer aus dem Hause Doppelmayr oder Leitner vergleichbar, sie läuft sehr ruhig und ausreichend schnell knapp unterhalb des Gipfels des Monte Pezzeda. An diesem Tag sind wir bei Schneefall auch für die gut isolierenden Schaumstoffbezüge der Sessel dankbar. Während der Auffahrt reißt zwischenzeitlich der Neben auf und gewährt geniale Blicke in das weite Hochtal mit seiner einsamen Passhöhe am Passo Maniva.
MEB DSB und Roccolo Crispe.
Der obere Teil des Sesselliftes. Rechts erkennt man die Bergstation, in der Mitte, dort wo der Wald beginnt, liegt die Mittelstation, die der alten Bergstation des ESL in ihrer Position entspricht und dieser vermutlich auch wiederverwendet. Oben links der Monte Pezzeda mit dem nächsten der beiden linken SL, die beide nicht mehr in Betrieb sind.
Monte Pezzeda mit Gipfellift.
Blick zurück auf die Mittelstation der oberen DSB.
Almgelände un Rifugi.
Kurz vor der Bergstation.
Die Bergstation der oberen DSB.
Vom Monte Pezzeda bieten sich für die eine Anlage erstaunlich viele Pistenvarianten, die von links nach rechts talwärts gesehen schwieriger werden. Die rechten Abfahrten laufen quasi ausschließlich im Wald auf breiten Schneisen, die linken Pisten oben über die weiten Almwiesen, die an sich vom SL Larici erschlossen werden, und dann über Ziehwege zurück zur Mittelstation. Der Pisten ganz rechts können ohne die alte Schlepper nicht mehr erreicht werden.
Wir fahren ein paar mal über der äußeren Almwiesen am ehemaligen SL Larici zurück nach Roccolo Crispe. Auf den weiten Almwiesen lässt es sich heute herrlich im Tiefschnee fahren.
Bergstation des Ex-SL Larici unterhalb der neuen DSB Bergstation. Ein seltsames Fabrikat...
Weite Almwiesen am Laricilift mit gleichnamigem Rifugio.
Ausstieg SL Larici.
Talstation des SL Larici beinahe versteckt im Wald.
Blick auf die mittlerweile sehr zugewachsene Trasse des SL, ich denke er war - entgegen der Behauptung der Wirtin auf dem Rifugio - nicht bis 2004 in Betrieb, sondern ist seit der Schließung des Gebietes um 1998 schon nicht mehr gelaufen.
Auf abgelegenen Pisten folgt man der laut prasselnden Freileitung zurück nach Roccolo Crispe.
Manche Pisten hier sehen so...
... andere so aus. Zwei extreme, die wohl beide nicht sein müssen. Zumal Pisten wie diese hier in ihrer enormen Breite wohl selbst bei Vollauslastung der DSB nicht genutzt werden können. Dafür bringen sie aber etwas Großstadtflair ins Schigebiet, was dem kleinen beschaulichen Areal eher schadet. In Cervinia wärs wohl anders, aber hier in Colliò erscheinen solche Pisten schon eher deplaziert. Interessant aber auch folgendes: relativ moderne Lifte, großflächige Beschneiung und zumindest großteils remodellierte Pisten ändern nichts daran, dass ein Schigebiet, dass nur 30km von einer Großstadt entfernt liegt, selbst in der Hochsaison menschenleer ist. Am Ende kommt es eben doch nicht nur auf die Generalüberholung des gesamten Areals an...
Nochmal Roccolo Crispe.
Da es sich mit der Zeit immer mehr zuzieht, folgt recht bald die Mittagspause auf dem Rifugio Larici. Das Rifugio ist eher weniger zu empfehlen. Die Gastfreundschaft ist mit Ausnahme der alten Wirtin eher mäßig, außerdem ist es nicht gerade gemütlich und noch dazu teuer bei viel zu kleinen Portionen. Die anderen Rifugi im Gebiet machten im Nachhinein einen deutlich besseren Eindruck.
Rifugio Larici.
Ansonsten hat man allerdings nirgendwo hier das Gefühl, dass man wirklich auf Touristen eingestellt ist. Es ist schwierig Informationen zu bekommen, sei es am Lift oder auf der Hütte, man hat oft den Eindruck, dass die Leute, wenn auch grundsätzlich freundlich, nicht übermäßig an einem interessiert sind. Das fängt beim Bestellen auf der Hütte an und endet beim Schipasskauf. Ansonsten hat uns das Schigebiet aber qualitativ positiv durchaus überrascht, sollten die alten Schlepper wieder aufmachen oder ersetzt werden, könnte das durchaus interessant werden, vor allem wenn die Wiederöffnung des Passo Maniva doch noch einmal stattfinden sollte.
Maniva.... welch klangvolles Wort... mit dem Augenblick, als ich die ersten Bilder vom Winterbetrieb des Gebietes gesehen habe, ist dieses Phantom meinem Geiste zu eigen. Die einsame weite Landschaft, der tiefe Blick in die dunstig verschwommen Täler zu beiden Seiten, die weiten weißen makellosen Hänge, die stylischen alten Anlagen und die einsamen lichten Höhen dort oben: diese Stimmung hat mich gebannt. Seit zwei Jahren denke ich an diesen Pass - und erreiche ihn doch nie! Lag er auf meiner letzten Tour zu weit abseits der Route, so ist er dieses Mal bei mittlerweile dichtem Nebel und starkem, in dichten Flocken herabfallenden Schneefall kein sinnvolles Ziel für den fortgeschrittenen Tag. Wir wollen an diesem Abend noch unser Hotel in Gaver erreichen und haben dafür noch ein ganzes Stück Weg vor uns - nicht zuletzt durch südlichen Täler der Brescianer Alpen auf dem Weg zum Lago Idro. Nach einer letzten Abfahrt wenden wir Colliò also für dieses Mal den Rücken und fahren das Val Trompia wieder abwärts nach Süden und Westen zurück. Ein paar Kilometer südlich von Bovegno steigt die schmale Passtrasse zum Übergang Richtung Lago Idro an.
Letzte Abfahrt und Talfahrt im Lift. Hochwinterliche Stimmung, besonders dieses nette Häuslein mit seinen Laufbäumen und Vorgarten hat es mir angetan. Die liebliche Landschaft der Südalpen hat auch im Januar ein gewissen, wenn auch versteckten Charme.
Nachdem wir die ersten Kilometer zurückgelegt haben und deutlich an Höhe gewonnen haben, reißt der Nebel plötzlich auf. Zwischen dem dichten Nebel im Tal und der dunklen Hochbewölkung strahlt die sinkende Sonnen über die westlich Grate auf die frisch verschneiten Hänge dieser Hochfläche: die Magie dieser Optik des Hochwinters ist beeindruckend.
Das Val Trompia hinab, die Stimmung wird märchenhafter...
Einen Augenblick denke ich, wie es wohl gewesen wäre, diesen Moment am Maniva oben zu erleben, wenn wir doch hochgefahren wären und ob die Wolken dort oben wohl auch aufgerissen sind. Der Gedanke ist schmerzhaft, und entscheide mich für die Variante, dass dort immer noch dichter Nebel herrschen muss. Und doch es ist zu spät: die kurze Vision, wie diese Stimmung wohl am Passschigebiet gewirkt hätte, hat das Phantom in meinem Geist endgültig eingebrannt. Ich werde eines Tages hierher zurückkehren. Nicht heute und nicht morgen, aber eines Tages. Weil es das ist, wofür ich Italien liebe.
In den Voralpen südlich des Val Trompia auf dem Weg zum Lago Idro, dort wo hinter dem Val Trompia die Sonne versinkt, liegt Brescia.
Durch eine sehr liebliche Almenlandschaft mit authentischen Dörfern völlig ohne Tourismus nähern wir uns dem Lago Idro. Von da fahren wir schließlich noch über eine Stunde im Winter quasi völlig vergessene Passtraße in Richtung des alten Passhöhe am Croce Domini, unterhalb derer unser Hotel in Gaver liegt.
Zum nächsten Tag: 6. Gaver 02.01.2006