4. Foppolo / Carona; 31.12.2005
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Am Sylverstermorgen, unserem letzten Tag in Mezzoldo und damit den westlichen Bergamasker Alpen, starten wir relativ früh ins etwas weiter entfernte Schigebiet von Foppolo. Dieses größte Schigebiet der Region ist zugleich das hochalpinste und besteht aus einer Schischaukel zwischen der aus einem Dorf gewachsenen und seit ca. 50 Jahren renomierten Skistation Foppolo und dem relativ authentischen, etwas verschlafenen Dorf Carona. Letzteres erreichten wir nach einer guten Stunde Fahrt gegen elf Uhr. Carona liegt recht hochalpin in einem engen, von massigen Felsmauern nach Süden begrenzten Tal, das eher westalpin als bergamaskisch anmutet. In diesen südlichen ziemlich weitläufigen Felsmassiven finden sich einige alte Stauseen mit Werksseilbahnen, die in ihrer verlassenen Gestalt dem ganzen Tal etwas zeitloses geben - ähnlich dem Talschluss des Val Formazza.
In Carona kurvten wir wie üblich erstmal zehn Minuten durch den Ort, bis wir die Straße zur - wohlgemerkt die ganze Zeit sichbareren - Sessellifttalstation gefunden hatten. In so einem gewachsenen Dorf ist eben nicht immer der direkte Weg der richtige...
Von Carona aus führt eine Nascivera DSB von 1982 hinauf in ein sonniges, nach Süden hin offenes Hochtal, dessen weite baumfreie Hänge ideal zum Schifahren sind, was man vom Tal aus gar nicht vermuten würde. Eine Talabfahrt gibt es offiziell nicht, allerdings wird ein Ziehtweg zur Talstation zurück als solche genutzt, von dessen Befahrung wir aber aufgrund des später aufkommenden schlechten Wetters aber absahen. An der Talstation der DSB hängt ein mehrfach überarbeiteter Liftplan, der Aufschluss über die Vergangenheit des Gebietes gibt.
Unten rechts auf 1500m liegt Carona mit seiner Zubringer DSB, die Talabfahrt ist gestrichelt eingezeichnet. Im Anschluss finden sich nach rechts hinauf mehrere SL, die mittlerweile als einzige diesen Sektor erschließen. Im Talschluss link hinauf wird die Verbindung nach Foppolo durch einen weiteren SL hergestellt. Zu dessen Bergstation führen Foppolo seitig zweie Fixer 4er Sesselbahnen, auf dem Plan davor und quasi parallel liegt der berühmte supersteile Val Gussera ESL von Sacif. Ganz hinten die beiden SL, die an sich auch interessantes Gelände erschließen, existieren nur noch auf dem Plan respektive als Ruinen.
Die Talstation der oberhalb von Carona gelegenen Zubringer DSB.
Während der Auffahrt konnten wir mehr und mehr interessante Einblicke in das wirklich schöne und ansonsten ziemlich unberührte Hochtal gewinnen. Ansonsten hab ich mich zu diesem Zeitpunkt noch richtig gefreut, einen Nasciveralift vorzufinden. Foppolo - das sehr bemüht ist sich einen modernen Touch zu geben - zeigt im Netz nämlich meistens nur Bilder von seinen beiden 4er Sbs. Insofern rechnete ich mit einem Schigebiet mit höchst mäßig interessanten Liften. Dass das genaue Gegenteil der Fall sein sollte, stellte ich mit noch größerer Begeisterung erst oben fest... aber ich greife vor. Dennoch: selbst vom legendären Val Gussera ESL erfuhr ich mehr zufällig auf funivie.org in einem Sacif Topic!
Auf halber Strecke in der DSB, die gerade über ein Haus führt.
Von der Bergstation der DSB eröffnet sich der Blick in ein schönes, glattweißes Hochtal, welches - oh Wunder - ausschließlich von den mittlerweile wirklich recht raren Nasciveraschleppliften erschlossen wird. Dazu kommt, dass deren Trassierung noch so richtig Italo-Oldschool-Style ist: sehr dicht dem Gelände folgend, ohne große Trassenarbeiten und fast immer etwas zugewachsen - soweit Vegetation existiert jedenfalls. Dazu die formschönen Nasciverastützen und perfekt verwitterte Betonsockel.
Bereits der erste Lift, ein kurzer Übungs- und Rückbringerlift zur DSB, hatte es mit angetan. Er führt - ziemlich flach - durch die erste Mulde, um dann am Ende kurz und ziemlich steil seinen gesamten Höhenunterschied zu machen und an der steilsten mit dem Ausstieg zu „überraschen“. Diese hat natürlich nicht etwas eine extra aufgeschüttete Ausfahrt, sondern der Lift endet mehr auf einer Art Vorplatz der DSB Bergstation. Sehr stylisch, sehr roots, heute ist der Tag der Anglizsmen - schon gemerkt?
Hier läuft jener eben beschrieben RückbringerSL aus... ist doch nett oder?
Blick in das weite Hochtal von Carona. Links vorne der Rückbringerlift, rechts dahinter der DoppelSL ins Schigebiet, links hinten - nicht sichtbar - der Übergang nach Foppolo.
Talstation des Rückbringerliftes.
Und Gegenrichtung: Rückbringerlift und DSB Bergstation. Hat doch was der kleine Lift oder? So eine gewisse Gemütlichkeit, und so Trassen durch lichten Wald - ohne den heute üblichen Kahlschlag - find ich auch sympatisch. Und wenns auch nur so ein kurzes Stück ist.
Im Rückbringerlift. Sehr typisch auch die Trafostation der Drehstromleitung. Ach ja, das gute alte Italien... Mittlerweile gibt’s sicher eine EN 1213xxxx wonach diese Station in der ganzen EU einheitlich aussehen müssen....
Der beschriebene Ausstieg... sowas gefällt mir auch. Ist irgendwie so herrlich simpel.
Nach dieser ersten Runde des Übungslifte zu Liebe, machten wir uns an die Erkundung des Hochtales. Um es gleich zu sagen: die Stimmung da oben ist beeindruckend. Ein einzige Schleppliftkette in ein ansonsten ziemlich verlassenes, sehr weitläufiges Hochtal, noch dazu Nasciveralifte... hier ist ein typisch italienisches Schifahren von vor 30 Jahren konserviert. Genauso muss es mal in den 70er Jahren am Passo Tonale gewesen sein. Und wieder einmal stellte ich dort fest, dass es irgendwie eine andere Stimmung hat, wenn nur so ein paar einzelne SL rumstehen und die Pisten abgelegen irgendwo hinten rum durchs Nichts runter führen. Das fand ich in Frankreich schon immer sehr faszinierend, und hier hat es mich auch wieder beeindruckt. Wobei man Frankreich lassen muss, dass die Stangenschlepper die Stimmung noch mehr bringen, weil sie zum einen sich meist noch krassen dem Gelände anpassen (müssen) und zu anderen keine leeren Bügel auf der Strecke haben, was die ganze Sache nochmal einsamer macht. Trotzdem: das Hochtal von Carona ist auch schon sehr stylisch!
Der untere Lift der SL Kette. Also wenn das nicht das Italien der 70er ist, dann weiß ich auch nicht... ;)
Nascivera Antrieb mit vieeeel Italostyle...
Bilder aus dem Lift. Rechts hoch sieht man den stillgelegten SL Panoramica (Name ist verdient!). Sein Piste wird heute vom oberen SL aus erreicht, was etwas umständlich ist, die Piste aber auch verlängert hat, so dass es durchaus seinen Wert hat.
Was ich bei dieser Gelegenheit auch wieder festelle: SL mögen vielleicht nicht für jedermanns Komfortanspruch ausreichen (ich aber z.B. hab kein Problem mit Sls), aber sie sind schnell. Das denkt man gar nicht. OK, eine KSB ist schneller, aber die fixen 4er Sbs, die meist als Ersatz gebaut werden, sind meisten lahme Krücken gegebüber den SL!
Die oberen Stützen des kurzen und stillgelegten SL Panoramica.
Blick zurück zur Gegenseite des Hochtales: der berühmte Monte Valgussera. Auf dessen Rückseite führt von Foppolo aus der ESL herauf. Ein genialer Berg mit einer herrlich exponierten und dem entsprechend traumhaften Piste, wie sie heute kein Mensch mehr anlegen würde: viel zu windgefährdet, viel zu problematisch vom Schnee her. Trotz: dieser Berg ist das Highlight des Gebietes. Und wenn ich mir deren Gewohnheiten so anschau, würd ich mal stark vermuten, dass - wenn 2008 der Lift seine Konzession verliert - kein Erastz folgen wird...
Der zweite, obere Lift der SL Kette. Wiederum ein Nascivera.
Dieser einsame alte SL perfektioniert den Italostyle dieses Gebietes. So Retro wie in dieser Ecke waren wir echt schon lang nicht mehr unterwegs. Für mich ein Hochgenuss. Als wär man in einen alten DSV 1978 eingetaucht, nachdem man die Seite Passo Tonale aufgeschlagen hatte. Und ehrlich gesagt - mir gefällts in solchen Fällen so besser als mit KSB-H. An anderen Orten vielleicht nicht - hier schon! Was mir auch gefällt, ist dass der Lift durch diese Mulden führt. Damit entsteht eine räumliche Trennung zwischen der Anlage und den Pisten, die dann immer plötzlich um eine Kurve biegen, wo man dann mitunter überrascht ist, den Lift wieder vorzufinden. Das gibt der Anlage, aber vor allem den benachbarten Pisten, dieses weite einsame Feeling, das ich so mag. Irgendwie find ich das viel reizvoller, als direkt unter dem Sessellift um dessen Stützen rumzukurven.
Die Anlage hat natürlich ein passendes Kontrollhäuschen an der Bergstation. Yeah - das ist mein Schigebiet.
Von der Bergstation dieses oberen Liftes bieten sich diverse sehr schöne Abfahrtmöglichkeiten. Zum einen geht es mehr oder weniger parallel zum Lift zu dessen Talstation bzw. zur Talstation des unteren Liftes hinab. Dann kann man südlich über einen exponierten Grat über die zu recht als ‘Panoramica’ bezeichnete Abfahrt zurück zu DSB fahren und schließlich nördlich entlang eines weitere stillgelegten Sls, in den Talschluss des Hochtales fahren, von wo aus man nach Foppolo wechseln kann. Letzeres ist unser Plan.
Die Pisten wie die SL folgen sehr elegant dem ziemlich kupierten Gelände. Das bewirkt anspruchsvolle, abwechslungsreich Trassierungen, die nicht so schnell langweilig werden wie die klassische Autobahn und bei denen sich Panorama und Perspektive mit jeder Kurve, Mulde und Welle jedesmal wieder ein bisschen ändern. Herrlich!
Der stillgelegte SL. Effektiv ist aber nur ein Minimum an Piste verloren gegangen. Mit seinen orangen Stützen fasziniert mich allerdings dieses Motiv! Im Hintergrund bei diesem Bild wieder die Pisten vom Valgussera.
Interessanter Kontrast! Hier auch sehr schön zu erkennen, wie interessant die Anlage dem kupierten Gelände folgt. Das tut sie sogar so gut, dass ich eine Wette gegen meine Freundin verloren hab, weil ich nämlich zuerst mal behauptet hab, es sei eine DSB gewesen. Huch war das peinlich, als wir dann an der Brücke über die Piste angekommen sind...
Nach einer herrlichen langen Abfahrt kommt man schließlich nur wenige hundert Meter weiter hinten im Tal heraus als man ursprünglich bei der DSB gestartet ist. Von hier führt ein kurzer SL hinauf auf einen Sattel, der den Übergang nach Foppolo darstellt. Auch dies ist eine sehr nette Anlage: rot-orange Stützen (Yeah!
), keine präparierte Schleppspur, teil fast quer zum Hang und mitten durchs Gebüsch und quasi keine Trassierung - super Teil. Sieht aus wie auf den alten Bildern!
Der Verbindungslift.
^^Talstation des davor dokumentierten stillgelegten Sls. Sowohl bei dieser Anlage wie auch bei dem Verbindungslift nach Foppolo konnte ich mir aus den Stützen keinen Reim machen. Allerdings sehen die Rollenbattieren nach sehr alten Leitner aus... irgendwelche Vorschläge??
Keine präparierte Schleppspur, Talstation im Haus, leuchtend orange Stützen: so sollte ein SL aussehen!
Diese Anlage muss man einfach ablichten, schon wegen der tollen Perspektiven!
Blick zurück auf den Gegenhang mit seinen einsamen Pisten und dem stillgelegten SL von eben. Hat doch was französiches oder?
Die folgende Abfahrt nach Foppolo war dann wiederum weniger spannend. Recht flach, ziemlich voll, sehr standardmäßig. Interessanter ist der Ort selbst. OK, ich will nicht sagen schön, aber zumindest architektonisch schon sehr ungewöhnlich. Hm, ok, mir gefällts.
Andere Welt: die Foppolo Seite des Schgebietes.
Eine riesige Schlechtwetterfront, die sich schon gestern in Barzio ankündigte, zieht von Süden her in die Berge. Grandiose Stimmung!
Foppolo, im diesem Teil eine geplante Reisbrettstation - weiter unten gibt es aber auch einen alten Kern. Ganz früher führte von hier aus übrigens eine PB ins Gebiet, später dann ESL. Das hufeisenförmige Gebäude find ich ja schon sehr cool, nur das sehr gealterte Holz macht es nicht gerade schöner. Obwohl - düster hat auch was.
Der Grund, warum wir ursprünglich herkamen: der Valgussera Lift.
Blick nach Norden zu dem stillgelegten Teil des Schigebietes von Foppolo. Dort führen zwei SL in an sich recht interessantes Gelände, beide Anlagen werden aber nicht mehr betrieben, auch wenn man sie noch im Pistenplan findet. Links unterhalb des dunklen Gipfels rechts, erkennt man ein Stück Ziehweg und links oberhalb die Bergstation mit Stütze des obersten dieser SL.
Der Panorama von der Bergstation des Valgussera Liftes ist gigantisch! Nach Norden blickt man über das Tal von Sondrio hinweg auf die Berninagruppe! Ansonsten nur einsame weite Hochflächen, wie sie für diese Landschaft der oberen Bergamasker Alpen so typisch ist, steinig, felsig und einzig vom Wind besucht.
Nach dem Genuss des Panoramas erfolgt die nötige Verbrüderungsszene mit dem Liftpersonal.
Unter anderem erfahre ich, dass die Anlage 1968 von Sacif errichtet wurde und einen früheren Graffer ESL aus den frühen 50er ersetzte, bei dem man die Schi noch in die Hand nehmen musste mangels Fußraster. Ob mit Ablauf der 40 Jahresfrist 2008 noch einmal ein Ersatz gebaut wird, ist mehr als fraglich.
Die gigantischen Felsmauern südlich von Carona, die ich eingangs beschrieb. Eine völlig verlassene Landschaft mit ein paar einsamen Stauseen und Werkbahnen, die in ihrer Schroffheit eher westalpin anmutet.
Die Wetterfront kommt....
Blick ins Schigebiet von San Simone mit den im entsprechenden Bericht dieser Tour beschriebenen Anlagen.
Captain Retro findet sich mal wieder selber unglaublich schön und zwingt daher seine Freundin eine Million Photos von ihm und dem Lift zu machen. :)
Für unsere Technik Freunde.
Die Abfahrt vom Valgussera ist ebenfalls sehr sehr lohnenswert. Super exponiert, mit dementsprechend gigantischem Ausblick - würde wie gesagt wegen des Windes heut kein Mensch mehr so bauen. Gut, dass sie nicht heute, sonder früher so gebaut wurde.
Wir lassen den Tag mit ein paar Abfahrten an den beiden Sls in Carona ausklingen, allerdings haben wir von der Panoramica nicht mehr viel, da sie bei unserem Befahrungsversuch mittlerweile im Nebel verschwunden ist. Quasi gespenstisch ragen auf dieser abgelegenen stillen Piste dann plötzlich noch die toten Masten der alten SL gleichen Namens für kurze Momente aus dem Nebel und verschwinden wieder....
Es folgen ein paar letzte Eindrücke:
Nochmal jender einsame obere der beiden Caronalifte.
Reste des Panoramica...
Zum nächsten Tag: 5. Colliò / Val Trompia, 01.01.2006