Valtorta / Barzio; 30.12.2005
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Pistenplan Pian di Bobbio:
http://www.pianidibobbio.com/bobbio_pia ... ampare.jpg
Ein weiterer strahlender Morgen... nach dem eher geruhsamen Tag gestern in San Simone folgt heute unser erster richtiger Skitag. Da wir nicht schon wieder soweit fahren wollten (zur Erinnerung unser Domizil, das durchaus zu empfehlende
Albergo del Sole, liegt in Mezzoldo unterhalb des Passo San Marco) entscheiden wir uns heute für Barzio, das von uns aus recht nah über die Liftanbindung von Valtorta zu erreichen ist und heben uns Foppolo, das vis-à-vis von San Simone liegt, für den morgigen Tag auf. Auf der Karte oben sieht man außer Mezzoldo und Foppolo weiterhin Piazzatorre, wo ich letztes Jahr die Marchisio Eiergondelbahn besucht hab, sowie talabwärts im Val Brembana das berühmte San Pellegrino, wo auch das Mineralwassser herkommt. Rechts zweigt dort das Val Serina ab, das über den Pass bei Oltre il Colle mit dem Val Seriana (nicht verwechseln) verbunden ist. In Oltre il Colle finden sich die stillgelegten Schigebiete von Alpe Arera und Conca dell'Alben, die ich ebenfalls letztes Jahr besucht habe. Links sieht man Barzio im Val Sassina, über das wir vom Comer See aus angereist waren. Südlich davon, zwischen Barzio und Vedeseta liegt Moggio mit seinem stillgelegten Schigebiet Pian di Artavaggio, von dem ich am ersten Tag berichtet hab. Die Straße von Moggio nach Vedeseta ist im übrigen auch jenes abgelegene Gebirgssträßchen, wo sich ausgerechnet unser Keilriemen verabschieden musste....
Auf dem Weg nach Valtorta habe ich ein weiteres Mal Gelegenheit, die Bergmasker Alpen zu bewundern. Ihre Mischung aus steilen Bergen mit tiefen Tälern und ihrer gleichzeitigen lieblichen Ausstrahlung aufgrund ihrer für den südlichen Alpenrand so typischen Vegetation aus lichten Laubwäldern in den so schön nach Süden offenen Tälern, ist bestechend. Nimmt man ihre mittlerweile zumindest außerhalb der Südwest-Alpen rar gewordene Ursprünglichkeit hinzu, so lassen sich doch immer wieder schnell gute Gründe finden, diese Gegend zu lieben. Die in gesunden Maßen gewachsenen Dörfer, die sympathischen Bars und gemütlichen Alberghi - das alles hat schon irgendwo etwas, ein Stück weit eine Ruhe, die andernorts nur allzu oft der Hektik des modernen Schibetriebs weichen musste... und wenn es nur die Tatsache ist, dass es hier noch enge, beeindruckende Bergstraßen gibt, die nicht solange verbreitert und ausgebaut wurden, bis auch der letzte Touribus unbeschwert den Großparkplatz erreicht. So wird schon die Anfahrt zu einem schönen Erlebnis; es gibt wie immer viel zu sehen.
Typische Bergmasker Alpenstraße; es macht Spaß dort hinaufzufahren, vor allem auch wegen der tollen Aussichten, die sich immer wieder bieten.
Typische Bergamasker Alpenlandschaft, die Vegetation gibt den teilweise sehr steilen Bergen etwas liebliches, die authentisches Dörfer schaffen eine Athmosphäre der Ursprünglichkeit, die nach Süden offenen Täler sorgen oft für eine schöne Illumination...
Valtorta selbst besteht vor allem aus einem Parkplatz und einer kleinen Hütte / Bar, die jedoch nicht zu empfehlen ist! Erstens ist es ein ungemütliches SB-Restaurant was qualitativ nicht gerade überzeugen konnte (wir hatten noch etwas Zeit, bis der Halbtagespass galt) und zweitens lief da die ganze Zeit deutscher Jodeltechno - wie sich der ausgerechnet hierher verirrt hat ist mir ein Rätsel, aber ich fahr bestimmt nichts ans halbe Ende der Welt, um mir dann diesen Schrott anzuhören.
Von Valtorta führt eine DSB ins Schigebiet von Barzio. In der Hochsaison hat man dort schon mal um die Mittagszeit eine kleine Schlange, die zehn Minuten warten haben mich aber allenfalls deshalb gestört, weil es hier am Tal noch dazu im Schatten recht kalt war ( - 13°C). Die Pisten hierunter sind nett und gehören mit den anspruchvollsten des ansonsten ziemlich flachen Hochflächenschigebietes. Steile Pisten sind aber auch nicht der Grund, warum man nach Barzio färt. Der Grund, warum man nach Barzio fährt, ist die Tatsache, dass es eines der wenigen Winterurlaubs- (und nicht
Schi-)gebiete ist, die den Zahn der Zeit überlebt haben. Sonnig, gemütlich, voller Menschen, die spazieren gehen, in der Sonne sitzen, rodeln, mit den Bambini flanieren, Langlauf machen oder sich an einem der diversen Stände tummeln, in den Bars auf den Sonnenterrassen sitzen - oder Abfahrtsschilauf betreiben.
Durch lichte Laubwälder und über Almwiesen geht es hinauf zum Pian di Bobbio - der Hochfläche oberhalb Barzios.
Italienische Lösung des Problems mit der europäischen Norm (max. Überfahrtshöhe).
Schöne Waldabfahrten im teilweise fast toskanisch anmutenden Laubwald.
Blick zurück in die Bergamasker Alpen. Rechts neben dem linken Seil erkennt man eine weiße Hochfläche, das Pian d'Avaro. Dort steht ein einsames Rifugio mit mehreren SL, wo ich eigentlich wohnen wollte. Leider ist alles dicht mittlerweile. In den hohen Bergen dahinter liegen die Schigebiete von Piazzatorre und dahinter Foppolo und San Simone.
Blick auf das Pian di Bobbio. Rechts auf den Rücken außen führt der alte Marchisio ESL (CCM-restauriert), im Tal davor kommt die EUB aus Barzio an. Links an die (nicht sichtbaren) Felsen heran, führen diverse Schlepplifte und eine fixe Vierersesselbahn.
Von dem Ziehweg, der hinüber ins Schigebiet von Barzio führt, hat man einen tollen Blick hinab ins nördlich Val Sassina (Barzio und Mggio liegen links außerhalb des Sichtfeldes hinter dem Bergrücken). Im Nornden mündet das Tal auf den Comer See.
[i]Im Zentrum des Schigebiets, Blick nach Westen Richtung Barzio. Der Haupteil des Schigebietes liegt direkt hinter dem Betrachter. Rechts des Restaurants liegt außerhalb des Blickfeldes die Bergstation der EUB, links runter geht es zur Talstation des 4er Sesselliftes.
Blick aus dem Sessellift in die Felsen von Barzio. Vorne nach rechts hoch verläuft der Marchisio ESL, geradezu in die Fels zwei Schlepplifte, wovon allerdings der linke, der bis ganz hinaufführt, stillgelegt ist.
Sonnige Genusshänge auf dem Pian di Bobbio. Weltcuprennen wird man hier wohl eher nicht fahren, aber das ist wie gesagt auch nicht die Stärke des sonnengefluteten Hochplateaus.
Blick aus dem Vierersessellift.
Der Marchisio ESL erschließt den einzigen steileren Hang.
An der Bergstation des 4er Sesselliftes. Typische Landschaft des Schigebietes von Barzio.Der Lift ist im oberen Abschnitt als „Oktopus“ ausgelegt, ob die Parallelanlage noch gebaut wird... ich bin mir nicht sicher.
Blick hinüber zum Sessellift von Valtorta. Die weißen Höhenrücken im Hintergrund stellen eine typische Landschaft der südlichen italienischen Alpen dar, sie haben etwas ruhiges, einsames, wie ich finde, wofür ich diese Landschaft so liebe...
Weite flache sonnige Autobahnen und mehr Restaurants als Lifte: das ist das Schigebiet von Barzio. Hat was...
Nach einem ersten Rundumblick werde ich doch etwas neugierig, was den vorderen Teil des Schigebietes angeht. Offiziell ist es bei der Bergstation der EUB zu Ende. Inoffiziell hat es aber früher eine Talabfahrt gegeben. Diese zu finden reizt mich ja irgendwo schon... spätestens nach meinem stillgelegte Pisten Topic hier, üben solche aufgegeben Talabfahrten einen besonderen Reiz auf mich aus. Und wer weiß, wann man mal wieder so viel Schnee hat wie jetzt. Andererseits ist es natürlich schon ein Abenteuer. Ich kenne das Gelände nicht und weiß nicht wo die Piste ankommt. Die Neugier siegt. Und trotzdem: der Einstieg in diese Piste will erstmal gefunden sein, es ist ja nichts ausgeschildert. Wir fahren zu EUB Bergstation und schauen uns um: nichts zu sehen. Unterhalb der Bergstation finden sich Unmengen Wanderwege, Rodelpisten, Spaziergänger. Aber ob einer dieser Wege zur Piste wird und wenn ja welcher? Ein paar Spuren einige Meter abwärts machen mich neugierig. Ich fahren hinab, um mir das mal näher anzusehen. An der Geländekante erwartet mich eine großartige, noch gut erhalten Waldschneise am Nordhang, die einen tollen Blick hinab ins Val Sassina verspricht. Dazu kommt, dass sich die Piste dank reichlicher Frequentierung in eine herrlich weiche Naturschneepiste verwandelt hat: skifahren wie vor 40 Jahren, aber ich liebe das ja. Keine Buckelpiste, aber auch keine platte Autobahn. Man muss schon ein bisschen fahren können, aber wenn man erstmal den richtigen Rhythmus gefunden hat, dann ist diese ständig wechselnde Kombination aus Kompression und Entlastung bis zur Schwerelosigkeit schon atemberaubend. Carving hin oder her: das hier ist mein Ding...
Bergstation, der eher so là-là hünschen EUB (noch dazu mit Stehgondeln!). Etwas unterhalb muss man die Bahn queren, um auf die alte Piste zu kommen.
Der oberste Abschnitt der Bahn. Hier gibt es dutzende Wege, wo man sicher auch herrlich spazieren laufen kann.
Einstieg in die Piste mit Blick ins Val Sassina.
Eine herrliche Abfahrt, genau mein Style. Leicht verbuckelt, aber weich. Mal eng, mal weit, mal steil, mal flacher, wobei im großen und ganzen doch eher etwas steiler - mit Sicherheit, die mit Abstand anspruchsvollste Piste im Gebiet, nicht zuletzt aufgrund ihres Höhenunterschiedes von über 900m! Sie ist übrigens sogar als Skiroute auf dem Pistenplan angedeutet, aber das macht es ohne Schilder und Ortskenntnis auch nicht leichter, sie zu finden.
Im unteren Teil verwandelt sich die Piste dann in eine herrliche Genussabfahrt durch lichte Laubwälder, ein ständiges Spiel mit Licht und Schatten. Fernab des Skitrubels gleitet man sanft vorbei an alten Almweilern, kleinen Steinmauern und Weidezäunen. Wie eine kleine Reise durch eine urprüngliche Landschaft, ich liebe solche Abfahrten.
Am Ende wird es dann aber doch etwas steinig, die letzten paar hundert Meter müssen wir tragen, was uns angesichts der herrlichen Landschaft und des schönen sonnigen Wetters aber nichts ausmacht. Außerdem ist es diese tolle Abfahrt allemal wert! Und wann fährt man schon mal bis auf 800m ab? Urplötzlich taucht dann auch die Seilbahn von Barzio mit ihrem Parkplatz vor uns auf. Unten erwartet uns noch eine kleine Überraschung: die Skipass, den man in Valtorta kauft, gilt nicht an der EUB, weil es die Abfahrt ja offiziell nicht gibt! Macht aber nichts, der freundlich Herr an der Bahn öffnet uns das Drehkreuz einfach trotzdem. Auch dafür mag ich Italien.
Beindruckende Perspektiven bieten sich auf der Trasse der Bahn.Man sieht jedemenge Betonverbauungen, teilweise zum Lawinenschutz, teilweise alte Stützenfundamente der 2S Bahn aus dem Hause Badoni, die hier seit 1961 stand.
[i]Im oberen Drittel der Anlage, nach der Felstufe. Rechts der Bergrücken mit dem Marchisio ESL.
Die beiden SL, die in die Felsen gehen: rechts der noch betriebene, der auf halber Höhe endet, links der leider stillgelegte, der bis ganz hinauf in das Hochtal ging.
Als nächste steht der Marchisio ESL auf der Liste. Die charakteristische Niederhalterstütze - ungefähr auf jeder zweiten der 50er und 60er Jahre Postkarten auf Giovanni Tosi's genialer Webseite zu sehen - weckt so manche Erinnerung, die ich eigentlich gar nicht haben kann, weil ich ja viel zu jung bin.
Die Anlage wurde von CCM restauriert und wird vermutlich noch länger hier zu sehen sein. Ihre Kapazität ist für die wenig genutzte steile Piste hier auch völlig ausreichend.
An der Bergstation der Anlage. Oben wartet eine geniale Aussicht ins nördliche und südlche Val Sassina und zum Alpenrand.
Das weite südliche Val Sassina. Links außerhalb des Bildrandes liegt Moggio, von wo wir aus über den einsamen Pass ins Val Brembana gefahren sind und wo die restaurierte PB zum Pian di Artavaggio steht. Durch das enge Tal in der Mitte hinab kommt man nach Lecco an den Comer See (von einem dessen Vorseen man eine Reflektion erkennen kann). In der Ferne unter dem Dunst liegt Mailand.
Blick in das Hochtal, das der stillgelegte Schlepplift erschloss.
Moggio, das Pian d'Artavaggio liegt links außerhalb des Bildrandes. In der Mitte des Bildes etwa liegt der Pass hinüber in Val Brembana.
Nördliches Val Sassina mit Comer See am Ende (zu erahnen).
Die beiden SL im Hochtal: blau: in Betrieb; rot: stillgelegt. Deutlich zu erkennen die alte Piste.
Blick zurück zum ESL.
Talstation des stillgelegten Schleppliftes...
... und der noch betriebenen Anlage.
Ist das ein uralter Leitner? Kapitaen??
Bergstation des noch betriebenen Schleppers.. ein toller Ort, grandiose Stimmung.
Auf dem Rifugio etwas unterhalb des Sls gönnen wir uns eine späte Pause, während die Stimmung draußen aus Sonne und Wolken immer beeindruckender wird. Aber ein bisschen Grappa und Espresso muss schon sein in einem solchen Schigebiet.
Anschließend machen wir uns auf den Weg zurück nach Valtorta.
Die Stimmung ist gigantisch...
Glühende Bergamasker Alpen - leider nicht richtig fokussiert...
Leider ebenfalls unscharf. Das schattige Plateau in der Mitte ist das Pian d'Avaro mit seinen stillgelegten SL (nicht zu erkennen). Mittig links erkennt man das leider geschlossene Rifugio - dort hätte ich eigentlich wohnen wollen, vor allem über Sylvester...
Ein weiterer gigantischer Schitag geht vorbei... wie hätte ich noch vor fünf Jahren denken können, dass ich jemals einen Schitag wie diesen verbingen würde. In einem Schigebiet, das in keinem Schiatlas zu finden ist, wo es weniger als zehn Lifte gibt, fast alle Pisten quasi nur Schuss zu befahren sind und eine Talabfahrt, die niemals mehr geöffnet wird. Und dennoch: heute reise ich tausende Kilometer dafür und genau solche Schitage wie dieser machen mich glücklich...
Zum nächsten Tag: 4. Foppolo / Carona