Ovronnaz, 11.3.2007
Der starke Charakter unter den Kleinen
Ovronnaz ist neben Crans-Montana und Anzère das dritte Skigebiet an den Südhängen des Rhonetals im französischsprachigen Wallis. Diese Station hatte mich bis zum Beginn dieses Jahres nie interessiert. Dies hat sich dann aber in weniger als 2 Monaten gründlich geändert. "Schuld" waren zwei Ereignisse: Erstens starlis Forums-Bericht mit genialen Bildern einer tollen Fels- und Muldenlandschaft; dazu vergleichsweise modern mit 2 KSB und einer recht umfangreichen Beschneiung – so etwas hatte es doch verdient, mal näher unter die Lupe genommen zu werden. Zweitens die Beobachtung der Schneehöhen und Webcams im Wallis. Während sich in anderen Walliser Stationen nur langsam aber immerhin kontinuierlich eine solide Schneedecke aufbaute, galoppierte in Ovronnaz die Schneehöhe im oberen Skigebietsteil im Februar rasant auf die 3-Meter-Marke zu. Ende Februar waren dann auf der Homepage aktuelle Bilder des Tsantonnaire-Liftes zu sehen, bei deren Anblick es mir fast die Sprache verschlug. Die Lifttrasse musste förmlich ausgefräst werden, damit die Menschheit Platz unter dem Förderseil hat. Die Webcam an der Talstation auf 1390 Meter Höhe (Südost-Hang!) zeigte dauergeparkte Autos total zugeschneit, so dass sie kaum noch zu erkennen waren. Wahnsinn, so dachte ich - da muss ich hin! Letztgenannte Szenerie war jedoch bis zu meinem Besuch dank zwei sehr warmer Wochen förmlich dahin geschmolzen und Ovronnaz präsentierte sich in "freundlichem" Grün. Dies war jedoch nicht weiter tragisch. Das Grün neben der Piste betraf nur die untersten 50 Höhenmeter. Ab 1450 Meter Höhe war alles weiss und zwar dann direkt sogar anständig freeridetauglich. Die untersten 50 Höhenmeter waren auch kein Problem. Dank kompletter Beschneiung der Talabfahrt und sonnengeschützer Muldenlage waren die Verhältnisse bis zur Talstation hervorragend. Erst direkt am Stationsgebäude brennt die Sonne voll rein. Hier hat sich für mich bereits zum drittem Mal ein Wallis-Phänomen gezeigt, das ich mittlerweile für typisch halte (vielleicht kann ein Meteorologe dazu etwas sagen): An den Südhängen auf der Nordseite des Rhonetals liegt auf gleicher Meereshöhe deutlich mehr Schnee als auf den Nordhängen der Rhone-Südseite. Dies erscheint kurios ist aber wohl eher die Regel als die Ausnahme. Die Schneegrenze liegt zwar an den Südhängen höher, aber sobald ab einer bestimmten Höhe Schnee liegt, "geht’s dann richtig ab", während das auf den Nordhängen bis hoch auf 3000 Meter eher so "hindümpelt".
Um es vorwegzunehmen: Der Besuch hat sich absolut rentiert. Die bizarre kleinräumige Felslandschaft mit variantenreichen Geländekammern, die grandiose Schneelage und die geniale Trassierung der Pisten - überwiegend in natürlichen Muldenlagen - haben mich voll überzeugt. Allerdings ist es trotz aller Vorzüge immer noch ein eher kleines Gebiet und starlis höherer Bewertung im Vergleich zu Grimentz kann ich nicht ganz folgen. Die Grimentz-Messlatte liegt aber aus meiner Sicht auch verdammt hoch, da nicht ganz mitzuhalten ist kein Makel.
Genug der Vorrede - beginnen wir mit der Dokumentation und dort sinnvollerweise mit dem Pistenplan:
^^ Pistenplan: Skigebiet in drei Etagen
Das Gebiet besitzt grob betrachtet eine Rautenform. Nach einem einzigen Zubringer teilt es sich in der zweiten Etage auf drei Schienen auf (Lifte F/G, KSB B, Lift D). Die dritte Etage bildet dann wieder nur Lift E, der ausschliesslich über Lift D erreichbar ist. Die Lifte F und D zieren sonnige Bergrücken, während die Lifte B, E, G attraktive Geländekammern erschliessen, die malerisch von formschönen Felsen eingerahmt sind. Die 4-KSB Col-Express (B) ist als einzige Anlage redundant; ihr Bergstation kann sowohl über die Liftkette F/G als auch über die Liftkette D/E erreicht werden. Freilich ist das Benutzen der 4KSB weit weniger umständlich, wenn man zum Col möchte. Jeder Lift hat nur 1-2 Pisten, aber es gibt viele attraktive Variantenmöglichkeiten im Gelände und auch als Startpunkt für Skitouren scheint das Gebiet geeignet zu sein; zahlreiche Tourengeher lassen diesen Schluss zu.
Von der Rhône-Autoroute gondelt man in unzähligen Kurven zum Ortseingang Ovronnaz auf 1300 Meter Höhe; dann geht’s lang durch den ein kleines Seitental säumenden Ort bis zur Talstation am Ende dieses nach Süden führenden Seitentals. Die unterste Sektion führt dann als Südost-Hang zum Skigebiet hinauf.
^^ Blick auf die grünen Sonnenhängen der untersten 50 Höhenmeter mit der 4KSB Jorasse (A) als Zubringer zum Skigebiet
^^ Ab Stütze 2 ein Flachstück mit Blick zum ersten grösseren Aufschwung der 1600 Meter langen Bahn (550 m HD)
^^ Blick aus der Sesselbahn auf eine der beiden Talabfahrten mit Schneilanzen. Bei genauem Hinsehen erkennt man ein leichtes Muldenprofil dieser Piste. Dieses natürliche Profil ist typisch für einen Grossteil der Pisten hier, wie ich im Laufe des Tages feststellen durfte, und diese Eigenschaft finde ich genial. Das Profil fördert ein schnelles harmonisches Schwingen mit leichtem Bobbahn-Feeling; darüber hinaus wirken die Pisten auch im gewalzten Zustand nicht so fürchterlich glattgehobelt und sehr natürlich und unauffällig.
^^ Im Mittelteil dieser Poma-Bahn. Wer erkennt die Besonderheit der Bahn auf diesem Bild?
^^ Blick auf den Tellerlift Châtillon (F), der bis ganz auf den Höhenrücken (Horizont) hinaufführt und den anspruchsvollsten Hang des Gebietes erschliesst. Auch auf diesem Bild ist wieder das typische Muldenprofil zu erkennen - sowohl bei der Piste links des Liftes als auch auf der breiteren Piste am rechten Bildrand, wo das Profil im Kuppenbereich sogar ganz deutlich zusehen ist. Wirklich sehr schön zu fahren.
^^ Bergstation Jorasse mit formschönem Poma-Modul (klar - ist Geschmackssache). Im Hintergrund der charakteristische Felskopf der Six Armaille, die wuchtig mitten im Skigebiet thront und komplett umfahren werden kann.
^^ Zweite Etage des Skigebiets: Die 4KSB Col-Express (B) links und der Teller-SL Bougnonne (D) rechts nehmen die Six Armaille "in die Zange". Diese Landschaft mit dem lockeren Baumbestand und den Kalkfelsen finde ich klasse. Die Schneelage ist hier auf 1850 m Höhe mit deutlich über einem Meter bereits makellos.
^^ Blick zum "Col" mit Variantenhängen und - wie sollte es anders sein - Piste in unauffälliger Muldenlage
An diesem Bougnonne-Lift haben wir erstmal eine Wiederholungsfahrt gemacht und dies kann ich Nachahmern empfehlen aus folgendem Grund: Die Piste 3 liegt im Gegensatz zu fast allen anderen Pisten nicht in schöner Muldenlage, sondern offen auf einem Sonnenhang. Dieser Hang würde im Laufe des Tages weich werden (was sich bestätigt hat). Deshalb sollte man hier morgens auch frisch gewalzter Piste eine Wiederholungsfahrt machen - frei nach dem Motto: Besser wird’s nicht mehr.
^^ Blick über die Umlenkscheibe des Bougnonne-Lifts auf die dritte Etage des Skigebiets im Hintergrund: Der Tsantonnaire-Lift (E) passiert ein grosses Felstor mit fast senkrechten Wänden.
^^ Trasse des Tsantonnaire-Lifts (1655 m lang) bis zur Kurve.
Am Tsantonniare-Lift gibt es zwei carvingtaugliche Pisten und einige Tiefschnee-Hänge. Vor allem gab’s hier ganz lockeren Pulverschnee vom Feinsten. Der Schnee war so locker, dass gar das Carven nicht optimal klappt. Bei diesem Schnee fehlt bisweilen etwas der Gegendruck des Untergrundes. Die Schneehöhe in dieser attraktiven Geländekammer betrug 250-300 cm. Hier tätigten wir mehrere Fahrten hintereinander. Freilich erklärten auch viele andere sonntägliche Gäste diesen hang zu ihrem Favoriten, so dass sich an der Talstation dieses Stangenschlepper 5-10 Minuten Wartezeit etablierten. Es ging jedoch alles ganz gesittet zu und ohne jede Form der Drängelei. An allen anderen Liften gab es keinerlei Wartezeiten.
^^ Überall Tiefschneespuren und wilde Felszacken
^^ Blick vom Tsantonnaire-Lift auf die Durchfahrt (Piste 5) zum Petit-Pré-Lift (G)
^^ Snowotz ganz oben im Tsantonnaire-Lift im Bereich der Schneebar auf knapp 2500 m Höhe. Hier gibts dann auch gewaltige 2000-m-Tiefblicke in Richtung Rhonetal.
^^ Hauptpiste 4 am Tsantonnaire-Lift mit leichtem ?? - Ja richtig geraten! Mit leichtem Muldenprofil!
Diese Piste war immer mit einigen Leuten frequentiert - gerade so, dass es nicht störend war, wenn man sich ein bisschen von den Pulks gelöst hat. Die Alternativpiste auf der anderen Liftseite war dagegen immer menschenleer.
^^ Piste 5 zur "Kleinen Wiese" (Petit Pré); in diesem Bereich deutlich remodelliert, was in diesem Skigebiet erwähnenswert ist, weil sehr selten.
^^ Eine Kathedrale mitten im Skigebiet? Geniale Felslandschaften
^^ Im Petit-Pré-Lift (G)
^^ Passgenau: Bergstation der Garaventa-KSB Col Express (B) mitten auf dem Sattel mit Übergang ins andere Teilgebiet
^^ Schöne Piste vom Col - schwarze Variante der Piste 6 - mit herrlichem, deutlich ausgeprägtem natürlichem Muldenprofil. Diese Mulden garantieren perfekten Schnee (keine Abwehungen, relativer Sonnenschutz) und geniales Schwungvergnügen.
^^ Blick aus der lawinensicher aufgeständerten Bahn auf den obersten Abschnitt der Piste 6 - Muldenprofil inclusive
^^ Hier unten kommen mehrere Pisten zusammen - da wird’s dann doch relativ störfaktorisch. Das ist aber die einzige Stelle im Gebiet, die diesbezüglich problematisch ist. Daneben hat’s noch auf der Tsantonnaire-Hauptpiste einiges an Leuten; der Rest ist nahezu menschenleer.
^^ Kurve des sehr steilen Tellelifts Châtillon (F); bergseits mit horizontalen Rollen, talwärts mit schrägen Rollen
^^ Ganz oben fällt das Trassée seitlich stark ab. Hier sinds jetzt Schräg-T-Stützen. Vor der Kurve waren’s Müller-Portalstützen. Wurde der Lift mal verlängert bis ganz rauf auf den Grat?
^^ Blick von der Bergstation auf Ovronnaz und das Rhonetal
^^ Schwarze Piste 8 in ? - Richtig ! In toller Muldenlage ! Dem Fahrer ganz rechts sieht man den Spass in diesem Bobbahnähnlichen Profil richtig an.
Auch wenn’s nervt: Ich habe selten so viele genial profilierte Pisten auf einem Haufen gesehen wie hier! Andererseits ist die Anzahl der markierten Pisten insgesamt nicht soo doll.
^^ Weiter unten: Muldenprofil !! Yeahh !
^^ Nochmals Bergstation Bougnonne (D); und nochmals ging es zur Talstation Tsantonnaire (E). Aber jetzt Augen auf und nicht gleich den gewalzten Ziehweg links herum gedüst, sondern geschaut, wo man wirklich gut fahren kann. Ganz einfach: Direkt die gerade Linie hinunter über den extrem steilen und super pulvrigen Variantenhang im Gelände! Snowotz war bereits in vorauseilendem Gehorsam auf dem Ziehweg losgefahren. Diese Chance hat er verpasst.
^^ Blick zurück auf den schönen Hang, den ich gerade gefahren bin.
^^ Blick zum Mont Blanc und einer Spur mit Tourengehern
^^ Mittagspause mit roter Rivella an der Schneebar nahe der Bergstation des Tsantonnaire-Lifts. Inzwischen war heftiger Wind aufgekommen und Snowotz zog es vor, seine Kopfbedeckung an Ort und Stelle zu lassen.
^^ Mir ging es nicht anders.
Noch ein paar Eindrücke vom Tsantonnaire-Lift
^^ Die geringer frequentierte der beiden Pisten
^^ Hier kann man die Schneemassen einigermassen erahnen.
Bilder von den ausgesprochen schön zu fahrenden Talabfahrten habe ich nicht gemacht.
Fazit:
Das Gebiet hat einige ganz grosse Stärken:
- Die unterschiedlichen Geländekammern garantieren eine landschaftliche Abwechslung, die sonst bei nur 6 Hauptliften kaum zu finden ist.
- Die wuchtige Felslandschaft vermittelt ein einmaliges Landschaftserlebnis.
- Die Trassierung der Pisten in den natürlichen Mulden der variantenreichen Landschaft ist zum Fahren genial, darüber hinaus unterstützt sie eine gute Schneelage und fügt sich harmonisch in die Landschaft ein.
- Die Schneelage und Schneequalität ist offenbar generell hervorragend und in Kombination mit den sonnigen und eher südseitig ausgerichteten Hängen ist dies besonders erwähnenswert.
- Neben den schön zu fahrenden gewalzten Pisten gibt es sehr viele Freeride-Möglichkeiten im Gelände und auch als Ausgangspunkt für Skitouren schein das Gebiet geeignet zu sein.
Insbesondere die deutliche Ausprägung der 4 ersten genannten Stärken lässt das Gebiet ein Stück weit unverwechselbar werden und machen es zu einem wirklich sehenswerten (und fahrenswerten) Gebiet.
Daneben gibt es einen klaren Schwachpunkt:
- Jeder der 6 Hauptlifte bedient 1-2 Pisten; damit sind es halt nur 10 Pisten, und die hat man in einem halben Tag locker abgefahren. Für einen reinen Pistenfahrer ist es etwas schade, dass nicht noch weitere Pistenvarianten angelegt sind. Für diejenigen, die auch gerne ins Gelände gehen, wiegt dieser Nachteil freilich weniger schwer.
Erwähnenswert ist auch die Tatsache, dass das Skigebiet ziemlich zielgruppenneutral ist. Pistenfahrer werden genauso gut durch perfekte Pisten bedient wie Freerider durch kurze aber anspruchsvolle Varianten. Die Pisten weisen alle Schwierigkeitsgrade mit einer Häufung im mittelschwierigen Bereich auf. Und auch für Familien ist es meiner Meinung nach eine gute Adresse. Diese sollten beispielsweise im ruhigen Bereich Petit Pré mit flachen aber abwechslungsreichen Pisten das ideale Betätigungsfeld finden.
Mit zwei KSB und Beschneiung bis zum Col ist das Gebiet mit einigen modernen Errungenschaften ausgestattet. Schwachpunkt bei der Beförderungskapazität ist klar der Tsanonnaire-Lift, der den "Paradehang" bedienen muss. Vorstellbar ist auch, dass zu morgendlichen Stosszeiten Wartezeiten am Bougnonne-Lift als Zubringer zum Tsantonnaire auftreten. Diese Lifte durch Sesselbahnen zu ersetzen, wäre betrieblich gesehen sicherlich nicht von Nachteil. Am Bougnonne-Lift hielte ich dies auf jeden Fall für angebracht - in Verbindung mit einer Beschneiung an diesem Sonnenhang. Was den Tsantonnaire-Lift angeht, bin ich mir unschlüssig. Immerhain passt sich der Poma-Lift mit seiner Kurve harmonisch in diese geniale Landschaft ein. Eine KSB müsste rechts am Hang entlang führen und pass auffällig die Bergschulter passieren. Schön sähe das sicherlich nicht aus. Andererseits sollte das beim den derzeitigen 1655 m Schlepplänge zumindest zur Diskussion stehen.
Zumindest für einen Tagesausflug kann man dieses Gebiet guten Gewissens und uneingeschränkt empfehlen. Ich wurde durch den Besuch um eine schöne Erfahrung reicher und vom Landschaftserlebnis und der Pistentrassierung her rangiert Ovronnaz auf meiner "Liste der etwa 100 besuchten Skigebiete" jetzt unter den Top-Ten.