Vor vielen vielen Jahren, sagen wir mal von 1953 bis 1969, hatten die glücklichen Schifahrer, die von Plan Maison mit der kühnen, stützenlosen Pendelbahn auf den Furggenkamm hinauffuhren, einmal oben angelangt die Qual der Wahl, welche Piste sie nun hinunterfahren sollten.
Der erste Steilhang:
Pistenpanorama 1966. Die Furggen-Pisten sind mit den Nummern 11, 12 und 13 gekennzeichnet:
Auf diesem Pistenplan (besten Dank an Kris!) ist eine vierte Piste eingezeichnet (die sogenannte Oriondè-Variante):
Ab den siebziger Jahren verschwindet aber eine dieser Pisten aus den Panoramakarten. Es handelt sich um die im ersten Pistenplan mit der Nummer 11 gekennzeichnete Piste, die Furggen-Plan Maison (passaggino).
Was war passiert? Warum war diese Piste so plötzlich abhanden gekommen? Und, vor allem, wo hätte eine Piste mitten in der steilen Felswand unterhalb der alten Furggen-Bergstation überhaupt verlaufen können?
Es scheint schier unmöglich in diesem Felsenmeer eine Piste auszumachen.
Dabei, wenn man ältere Fotos etwas genauer beobachtet, könnte sich ein klareres Bild ergeben:
Im obigen Foto sieht man tatsächlich einen geschlossenen Schneestreifen, der die Felsen fast waagerecht mit nur einer Unterbrechung überquert.
Vor paar Jahren sind diese Herrschaften:
auf die brillante Idee gekommen die alte Furggen-Bergstation zu begutachten, wobei sie die alte "Hauptpiste" hinaufgegangen sind. Die sehr eindrucksvolle Reportage kann
hier abgerufen werden. Während des Ausflugs wurde ihre Aufmerksamkeit von an den Felsen herabhängenden alten Sicherungen (
"Reste von etwas, das Stahlseile, Holzplanken und Metallträger sein könnten") erregt:
War der Passaggino also eine richtige, gesicherte Piste gewesen und nicht etwa ein Produkt der Fantasie einiger Zeichner von Panoramakarten?
Persönlich hatte ich auch Ende der sechziger Jahre von dieser mythischen Piste gehört. Nachdem ich den Bericht von Kris, Trincerone und Gerrit gelesen hatte, begann ich, von der Neugier gepackt, auf Spurensuche zu gehen. Schrieb an die "
Funivie del Cervino" und sprach schlussendlich mit einem ehemaligen "
direttore di pista", welcher mir bestätigte, dass jene durch die Felsen verlaufende Piste in der Tat existierte und war sogar abgesteckt und regelmäßig präpariert. Die heikelste Stelle wurde dank eines Tunnels, das heißt einer natürlichen und später von Menschenhand erweiterten Öffnung im Gestein, bewältigt. Diese Piste wurde bis Ende der sechziger Jahre befahren. Deren Aufgabe soll mit einem riesigen Lawinenabgang, der unter Anderem die ehemalige K2-Hütte zerstörte, in Zusammenhang gestanden sein. Durch die Permafrostschmelze verursachte wiederholte Bergstürze haben jene Trasse nach und nach unpassierbar gemacht.
Auf folgender Vergrößerung eines der vorangegangenen Fotos ist die Strecke des ominösen Passaggino eingezeichnet:
Auch auf folgenden von Mt. Cervino im Alpinforum veröffentlichten Aufnahmen kann man den Tunnel im Gestein gut ausmachen:
Den Passaggino endlich mal mit eigenen Augen zu begutachten und nach Möglichkeit eventuell auch zu begehen war schon lange ein starker Wunsch bei mir.
Letztendlich, als ich eines Tages wegen verschiedener Verpflichtungen nach Italien fahren musste, nahm ich dabei die Gelegenheit wahr um einen Schitag in Cervinia einzulegen. Am Sonnabend dem 25. Juni, dem geplanten Öffnungstag für Sommerschi von der italienischen Seite kommend, war es soweit. Mein Plan war bis zwei Uhr am Plateau Rosà schizufahren, um dann bis unter die Furggensche Felswand via Teodulo-Bontadini zu fahren. Nach einem kurzen Aufstieg wäre ich an den schicksalhaften Punkt P gelangt.
Es sollte aber anders zugehen. Die Witterung erwies sich leider unbarmherzig und Zermatt machte nicht auf. Kurz vor neun Uhr, nach einer Stunde vergebenen Wartens, entschloss ich mich auf das Sommerschifahren zu verzichten und kaufte stattdessen eine Hin- und Zurückkarte nach Plan Maison, von wo aus ich anfangs zu Fuß und später mit aufgezogenen Fellen in Richtung meines angestrebten Ziels aufbrach.
Einmal so nah wie nur möglich am Passaggino angelangt, erschlossen sich mir die Überreste jener glorreichen Piste:
Nachdem mir die tatsächliche Unwegsamkeit der Gegend um den Passaggino schließlich klar geworden war, zog ich die Felle ab und machte mich auf den Weg nach unten. Inzwischen hatte es zu regnen und mitunter zu graupeln angefangen. In der Ferne hallte bereits der Donner.
^ Die Ankunft in Plan Maison.
Die Trasse meiner Abfahrt (mit nur einmal Abschnallen):