Nachdem Weihnachten nun vor der Tür steht, empfand ich es an der Zeit, so langsam in die Saison zu starten. So fuhr ich am Freitagnachmittag nach Konstanz, wo ich dank familiärer Connections übernachten konnte. Die Wahl des Skigebiets fiel auf Lenzerheide, da das Wetter in Richtung Alpenhauptkamm besser sein sollte. Außerdem zog ich zum Pisten cruisen ein einigermaßen weitläufiges Skigebiet vor. Schlussendlich gab es auch die Möglichkeit, die Skipässe bereits am Freitagabend in Konstanz zu besorgen, zum extremst fairen Preis von 37 Euro für den Vollzahler-Tagesskipass. Studenten bezahlen sogar nur 25 Euro, doch obwohl ich noch einen Ausweis hätte, angesichts dieser Politik habe ich gerne den vollen Preis bezahlt. So viel zum Thema teure Schweiz.
In den 90er-Jahren war ich häufig am ersten Januarwochenende in Lenzerheide. Was ich dort mag, ist die Möglichkeit, die Talseiten zu wechseln. Morgens nutzt man die Sonne auf der westlichen Talseite zwischen Stätzerhorn und Scalottas, nachmittags wechselt man auf die Ostseite am Rothorn. Das Skigebiet auf der Westseite ist größer und weitläufiger, bietet hauptsächlich kuppelbare Sesselbahnen und mittelsteiles Almgelände. Seit meinem letzten Besuch Anfang 2004 wurde die Beschneiung noch einmal deutlich ausgebaut, was nicht überall ohne Kollateralschäden vor sich ging. Die Lanzenwälder halten sich jedoch in Grenzen, meist kommen herkömmliche Propellerkanonen zum Einsatz. Extreme Pistenmodellierungen konnte ich nicht entdechen, im Gegenteil fielen mir so einige Geländekuppen auf, die anderswo vielleicht schon lange für das carvende Publikum platt gemacht worden wären.
Wir schenken uns die eisige, alte Dreiersesselbahn ab Churwalden und fahren am Morgen mit dem Auto bis hinauf nach Parpan. Der Parkplatz am Poschierilift ist schon gut gefüllt, doch die Leute verteilen sich später im Skigebiet sehr gut. Wartezeiten haben wir den ganzen Tag keine. Erwartungsgemäß ist es kalt, -12 °C zeigt das Thermometer am Auto. Dafür scheint die Sonne. Wir beginnen unsere Runde bei den Allerweltshängen an der Alp Stätz, früher eine lange und manchmal eisige Doppelschleppliftanlage, heute ein komfortabler Sechser-Bubble. Aber wenigstens noch aus der Zeit vor der Erfindung der Sitzheizung. Über die Alp Lavoz, wo eine ähnlich moderne Anlage steht, arbeiten wir uns langsam nach hinten gen Scalottas. Dazwischen steht mit dem Schlepplift Gertrud noch ein Relikt aus der Zeit vor der großen Modernisierung. Nach dem Mittagessen im Berghaus Tgantieni nehmen wir den Skibus und wechseln die Talseite.
Die Ostseite am Rothorn ist deutlich hochalpiner als die Westseite. Der Gipfel selbst ist durch eine klassische Pendelbahn erschlossen. Leider hat man die alte Totälpli-Sesselbahn von Habegger im Gipfelkar vor einigen Jahren dann doch abgebaut, obwohl es beim ersten Stillegungsversuch noch Proteste gegeben hatte. Neu erbaut wurde zudem die untere Sektion von Lenzerheide auf Scharmoin. Die alte Viererkabinenbahn - auch ein schönes, historisches Exemplar von Habegger (später modernisiert durch Garaventa) sowie die erste Pendelbahnsektion, die nur noch selten in Betrieb war, wurden ersetzt durch eine moderne Achtergondel aus Wolfurt mit LCD-Bildschirmen in den Kabinen. Als faszinierend empfand ich die extreme Laufruhe dieser Bahn, keine Vibrationen, kein Geräusch ertönt wenn man gen Berg schwebt. Auch die Stationen wurden großzügig umgebaut, mit Rolltreppen in der Talstation und ähnlich modernem Komfortkram (vgl. Baubilder im AF). Leider sieht die Mittelstation nun ein bisschen nach Gewerbegebiet Kleinkleckersdorf aus.
Dank der vorerst gescheiterten Verbindung nach Arosa hat meine Lieblingsecke am Schwarzhornsessellift noch einmal eine Gnadenfrist bekommen. Die äußerst flotte, kuppelbare Doppelsesselbahn erschließt einen überaus sonnigen Südwesthang mit reinem Naturschnee, der um diese Jahreszeit ein Genuss ist. Dort oben scheint auch die tiefstehende Dezembersonne bis zum Schluss.
Wir erstürmen zu allererst den Gipfel. Die Totälpli-Piste ist immer noch genial, bietet naturgemäß auf dieser Höhe auch den besten Schnee des Tages, doch die beißende Kälte dort oben trübt den Genuss doch etwas. Am Weißhorn-Sessellift ist es nicht mehr so kalt, und weil die Piste im oberen Teil nicht beschneit ist, ist es hier in der Nachmittagssonne herrlich zu fahren. Außerdem wird hier nicht so wild gecarvt wie gegenüber. Offenbar scheint diese Unart sich so langsam auch in der Schweiz breit zu machen. Dann nehmen wir den Skilift zur Mottahütte und drehen noch einige Runden am Schwarzhorn.
Wir beenden den Tag mit der Abfahrt über den Heimberg nach Parpan. Dessen weltcuptauglicher Umbau brachte vor allem jede Menge Schneekanonen mit sich - kein Genuss an diesem Tag. Ich frage mich, wie es im sonst dörflich-beschaulichen Parpan aussieht, wenn hier das Weltcupfinale stattfindet. Irgendwie passt diese Veranstaltung nicht so richtig hier her, wo man beim Gang durch das Dorf noch deutlichen Kuhstallgeruch wahrnimmt.
Aufgrund der eisigen Kälte habe ich nur wenig fotografiert. Dennoch ein paar Eindrücke:
Morgendlicher Blick vom Stätzerhorn ins weiße Rheintal
Am Hang gegenüber grüßen Schwarzhorn und Mottahütte. Wäre es nach den Bergbahnen gegangen, würde dort nun eine 3S-Bahn nach Arosa starten.
Das Rothorn liegt noch im Schatten
An der Alp Lavoz. Im Hintergrund reicht der Blick gen Tiefencastel und Julierpass.
Neue erste Sektion der Rothornbahn
Zweite Sektion, schöne schweiztypische 60er-Pendelbahn von Garaventa
Kabine talwärts
Gipfelkar am Rothorn. Keine Totälplisesselbahn mehr. Im Hintergrund zu erkennen das Weißhorn in Arosa. Links unten der Eingang in die Lawinengalerie, die den Skifahrer zurück ins Skigebiet führt.
Zum Wetter sind keine weiteren Kommentare nötig.
Der Autor hat sich nach zehn Jahren endlich mal neue Skiklamotten rausgelassen.
Rothorn. So muss eine Seilbahn sein. Keine Werbung wie anderswo.
Nochmal, hoch über dem Tal.
Schwarzhorn. Schöne Holzstation.
Kuppelbare Doppelsesselbahn. Hat sich leider als Bahntyp nie wirklich durchgesetzt.
Auch die Piste macht Spaß. Hier ist das Verhältnis aus Lift- und Pistenkapazität perfekt abgestimmt.
Bergstation und Starthang
Bergstation
Wunderbare Stimmung am Nachmittag