Schon über zehn Jahre ist es her, dass ich zweimal im Sommer den Kaunertaler Gletscher besucht habe. Erstmals 2004 auf der Sommertour mit FF, dann noch einmal 2005 für die Besteigung der Weißseespitze. Beide Male habe ich mir fest vorgenommen, den Kaunertaler auch mal zum Ski fahren zu besuchen, allerdings konnte ich es nie in die Tat umsetzen.
Bis sich jetzt endlich eine Möglichkeit ergab. Etwas Herbstschnee hatte es bereits gegeben, nicht üppig zwar, aber ausreichend, die Depots waren verteilt und der Kaunertaler meldete - für die Jahreszeit bemerkenswert - eine geöffnete Abfahrt bis zur Ochsenalm auf 2100 m. Zudem war bestes Wetter angesagt. Also samstagabends auf nach Lindau, dort übernachtet (einmal mehr vielen Dank dafür an den Gastgeber!) und am nächsten Morgen auf ins Kaunertal.
Ich mag dieses Tal und diesen Gletscher. Das Tal deshalb, weil es landschaftlich außergewöhnlich schön ist und der Massentourismus hier noch recht wenig verschandelt hat - Stausee hin oder her. Und auch der Gletscher ist von vielen modernen Auswüchsen bisher verschont geblieben, was wohl vor allem seiner Abgelegenheit und seiner eher schwierigen Topographie geschuldet ist, die - bisher jedenfalls - kaum nennenswerten Ausbau zugelassen hat.
Nach der Ersterschließung 1980 mit Weißsee-Schlepplift und Karlesspitzlift sowie Doppelsesselbahn Wiesjaggl (1981) werden 1989 der Bereich Nörderjoch (I und II) erschlossen und 1991 bzw. 1994 die kuppelbaren Ochsenalm-Sessellifte erstellt. Der kurzzeitige Versuch mit dem Schlepplift Nörderjoch III scheitert an den Gletscherbewegungen, so dass dieser Lift fortan als Falginlift neu aufgestellt wird. Erst 1998 dann die Doppelung des Weißseeliftes durch eine Parallelanlage. Im selben Zeitraum wird die Idee, den Westgrat der Weißseespitze ab Bergstation der Weißseelifte mit einem Sessellift zu erschließen, von den Behörden nicht genehmigt. Statt dessen muss die Wiesjaggl-Sesselbahn erst stillgelegt und im Sommer 2004 schließlich sogar ganz abgebaut werden, weil der Bodenabstand durch die Abschmelzung des Gletschers zu hoch wird.
Um die selbe Zeit rückt das Projekt Weißseespitze mit Erschließung Gepatschferner in den Fokus, das bereits seit der Ersterschließung des Skigebiets immer wieder als Projekt im Pistenplan auftaucht. Zudem geistern erste Ideen einer Zubringerbahn aus dem Langtauferer Tal durch die Presse. Doch das Projekt Weißseespitze scheitert letztlich, sowohl als Skigebietserweiterung mit zwei Schleppliften am Gepatschferner als auch als reine Ausflugsbahn nur für Sommertouristen, nachdem 2011 höchstrichterlich festgestellt wird, dass es zunächst einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss, bei der es wohl keine Chance hat. Eine Erweiterung ab der Ochsenalm nach unten ins Fernergrieß verschwindet schnell wieder in der Schublade und auch um die Anbindung aus dem Langtauferer Tal wird es bald wieder ruhig, wohl auch, weil dem chronisch klammen und mehrfach durch öffentliche Mittel geretteten Skigebiet auch nach der Übernahme der Mehrheit durch die Nachbarn aus dem Pitztal 2006 die notwendigen Finanzmittel fehlen.
Einzige signifikante Änderung am Kaunertaler Gletscher ist 2008 der Bau einer 8er-Gondel als Ersatz des Karlesspitzliftes. Seither herrscht weitgehend Stillstand, während anderswo munter die Millionen vergraben werden. Schlimmer noch, nach einer Lawine im April 2015 muss der Schlepplift Nörderjoch II abgebaut werden - wie sich abzeichnet, wohl ersatzlos. Dafür wird seit einiger Zeit wieder munter für die Anbindung des Langtauferer Tals geworben, deren Finanzierung angeblich gesichert ist. Und auch das Projekt Weißseespitze ist immer noch im Pistenplan eingezeichnet.
Nun also mein erster Besuch im Kaunertal als Skifahrer. Wir parken unten an der Ochsenalm, wo noch genügend Platz ist an diesem Sonntagmorgen gegen 9 Uhr. Dass man die Skipässe aus dem Auto heraus an der Mautstelle kaufen kann, finde ich äußerst praktisch. Zumal weil dort wenig los ist, nur ein oder zwei Autos sind vor uns. Kein Gedränge an irgendwelchen überlasteten Kassenschaltern, alles geht ruhig und entspannt zu. Selbstverständlich gibt es auch an der Sesselbahn keine Wartezeiten, die Liftkapazität passt zum trotz bestem Wetter nicht vorhandenen Andrang.
Leider liegt ein Großteil des Gletschers um diese Jahreszeit morgens noch im Schatten. Nur der Bereich Karlesspitz bekommt um diese Zeit etwas Sonne ab. Dies und die Tatsache, dass es sich bei der Gondel um die modernste und bequemste Anlage am Gletscher handelt, sorgt dafür, dass es hier zu kurzen Wartezeiten kommt. Aber was sind 2-3 Minuten anstehen, wenn es dafür genug Platz gibt auf der Piste? Ich kann jedenfalls gut damit leben. So wechseln wir erst nach ein paar Fahrten mit der Gondel zum ersten Mal zu den Weißseeliften, die heute die einzige Alternative sind, weil der Bereich Nörderjoch noch geschlossen ist. Bemerkenswert ist der Steilhang im letzten Stück vor der Bergstation. Ich glaube nicht, dass diese Trasse noch lange so bleiben kann, denn anfänger- und snowboardertauglich ist dieses Stück sicher nicht mehr. Entsprechend steigt auch mancher vorher aus. Und mit zunehmender Gletscherschmelze wird der Hang an dieser Stelle wahrscheinlich noch steiler werden in den nächsten Jahren, so dass die Tage der Schlepplifte vermutlich bald gezählt sind.
Später fahren wir auch das eine oder andere Mal zur Mittelstation der Ochsenalmbahn ab. Dank Depotschnee befindet sich die Abfahrt in einem für die Jahreszeit bemerkenswert guten Zustand. Freilich sind die Verhältnisse nicht vergleichbar mit den perfekten Pisten an der Karlesspitzbahn, es ist teilweise sehr hart und eisig, aber es befindet trotz des felsigen Untergrundes kein Steinchen auf der Piste.
Beim Mittagessen beobachten wir den Abgang einer Lawine vom Bereich des Westgrates der Weißseespitze in den Trainingsbereich der Stangenfahrer. Ein Rettungshubschrauber rückt an, etwas später auch ein Hubschrauber der Alpinpolizei mit einem Suchhund. Wie später entsprechenden Medienberichten zu entnehmen ist, gibt es aber zum Glück keine Verschütteten. Und auch die Stangenfahrer lassen sich nicht abhalten und trainieren munter weiter.
Wir beenden unseren Skitag bald darauf, setzen uns noch ein bisschen an der Ochsenalm in die Sonne und treten früh die Heimreise an.

Morgendliche Bergfahrt mit Ox 1. Der Depotschnee hat sogar gereicht um hier zwei Abfahrtsvarianten zu präparieren.

Panorama bei der Bergstation Karlesspitz, dem "neuen" Dreiländerblick. Der alte befand sich bekanntlich oberhalb der Bergstation des alten Wiesejaggl-Sessellifts. Im Hintergrund die Berninagruppe, von vielen fälschlicher Weise für den Ortler gehalten. Rechts unten blitzt der Reschensee hervor.

Starthang Karlesspitz. Ob hier noch Eis drunter ist wie 2004?

Perfekte Piste - nicht nur im Starthang.

Blick zurück zur Bergstation der EUB. Mit dem alten Schlepper würde hier zugegebener Maßen noch nichts gehen.

Weißseelifte. Der rechte lief durchgehend, der linke ein gutes Stück vor dem Steilhang mit Zwangsausstieg und Einstieg für den oberen Teil ein Stück weiter oben. Etwas blöd gelöst, weil der neue Snowpark sich rechts der Weißseelifte befindet und oberhalb des Zwischenausstiegs beginnt. So war der rechte, durchgehende Lift den ganzen Tag von Schaltafelfahrern blockiert, die dann vor dem Steilhang ausgestiegen sind, und am linken Lift mit Zwischenausstieg war kaum jemand.

Vermutlich die bestmarkierteste Piste der Alpen zur Zeit

Hauptabfahrt morgens noch im Schatten

Nach dem Ende des Wiesjaggl-Sessellifts wurde die ehemalige Abfahrt von dort in Richtung Ochsenalm im vergangenen Jahr mittels eines Skitunnels wieder aktiviert. Diesen hätte ich allerdings noch ein gutes Stück weiter oben vermutet.

Der Snowpark, einst ganzer Stolz des Kaunertaler Gletschers, musste inzwischen vom Nörderjochlift weg zu den Weißseeliften verlegt werden. Für eine Halfpipe ist es da aber wohl zu flach.

Am Nörderjochlift sieht es so aus. Zu wenig Schnee für den Gletscherlift, während andererseits dank Schneedepots und Beschneiung bis zur Ochsenalm auf 2100 m abgefahren werden kann.

Immerhin, die Vorbereitungen laufen und vermutlich könnte der Lift beim nächsten Schneefall in Betrieb gehen. Es sind aber andererseits noch nicht mal Bügel montiert...

...was vielleicht auch mit noch laufenden Versetzungsarbeiten an den Stützen zusammenhängt?

Der Gegensatz: Abfahrt zur Mittelstation Ochsenalm. Freilich noch hart am Morgen, aber sonst in gutem Zustand und ohne Steine!

Langsam kommt nun auch die Sonne über den Grat

Falls sich jemand fragt, was aus Nörderjoch II geworden ist - der liegt am Parkplatz herum

Im Pistenplan ist der Lift noch drin. Man darf aber getrost bezweifeln, dass der Lift jemals wieder in Betrieb geht.

Irgendwie finde ich es ja cool, dass man am Kaunertaler mit dem Auto bis auf 2700 m hoch fahren kann

Noch ein Vorteil am Kaunertaler: Platz auf der Piste

Tolle Herbststimmung

Zwischendurch mal wieder mit der EUB fahren

Eine Runde mit dem Falginlift (ca. 1997 kurzzeitig Nörderjoch III) gehört selbstverständlich auch dazu

Ein Relikt von Felix Wopfner

Vorschriftsmäßige Sicherheitseinrichtungen

Auch hier ein großzügiger Bereich für die Stangenfahrer

Dagegen ein eher schmales Band für die Normalsterblichen

Habe ich schon das grandiose Wetter erwähnt?




Nörderjochlift mit den Resten des alten Snowparks. Ob man den im Hochwinter wieder herrichtet? Bemerkenswert jedenfalls, dass hier auf dem Gletscher noch kein Liftbetrieb gestartet werden kann, während die Abfahrt zur Ochsenalm bereits in voller Länge befahrbar ist.


Ein Blick auf die - vermutlich ehemalige - Trasse von Nörderjoch II darf natürlich nicht fehlen

Tunnelblick. Leider befindet sich der Eingang sehr viel weiter unten als ich dachte. Der obere Teil der alten Wiesejaggl-Abfahrten ist damit wohl endgültig aufgegeben worden und allenfalls noch als Variante befahrbar.

Später am Tag: Lawinenabgang auf den geöffneten Trainingsbereich. Zwei Hubschrauber (Rettung und Polizei) rückten an, auch ein Suchhund war im Einsatz. Abgesperrt wurde aber nichts und auch die Stangenfahrer hat es nicht gestört. Die haben munter direkt unterhalb einfach weiter trainiert.

Wie man später lesen konnte, gab es zum Glück keine Verschütteten

Bei der letzen Abfahrt wurde mir dann irgendwann klar, dass hier mal die Talstation des Karlesspitzliftes stand. Und dass der Gletscher mal bis hier heran reichte! Eine kurze Recherche in starlis Alpengallery ergibt, dass man diesen Punkt bis zum berüchtigten Sommer 2003 auf Skiern vom Gletscher her erreichen konnte. Heute ist das undenkbar.

Nachmittäglicher Abschiedsblick

Nun ist die Abfahrt zur Mittelstation aufgefirnt und sehr gut zu fahren

Abfahrt bis auf 2100 m. Und auch der Füllgrad des Parkplatzes hält sich in Grenzen.

Blick zurück. Ich komme wieder.