Es ist kurz nach Acht als ich an diesem Junimorgen, wie er strahlender und klarer nicht sein könnte, meinen Weg auf den kleinen Landstraßen oberhalb Innsbrucks, wo ich bei Kris übernachtet hatte, in Richtung Autobahn suche. Das satte Grün der Wiesen steht in wundervollem Kontrast zum tief blauen Himmel, die Sonne - um diese Jahreszeit bereits hoch am Himmel- scheint durch das geöffnete Schiebedach und ein starker Geruch von Sommer und Leben weht durch die Fenster herein, während kju: und Appleseed Cast meinen ganz pesönlichen Sommersoundtrack liefern. Elegant gleitet die Blackbird die kurvigen Straßen hinab ins Inntal, von der frisch bezuckerten Nordkette flankiert, wo ich wenig später auf die Autobahn fahre. Nur ein kurzes Stück allerdings ist es bis ins Zillertal.
Dieses am Eingang schön weite und offene Tal präsentiert sich in herrlicher Frühsommerfrische, jung und unverbraucht wirkt alles, während in der Ferne bereits strahlend weiß die Gletschergipfel, die ewigen Firne des Alpenhauptkammes grüßen. Für die in ihrem perfekten Ausbauzustand an sich langweilige Straße nach Mayrhofen bin ich heute eher dankbar - nicht des Pässefahrens in entlegenen Südalpenschluchten halber, sondern zum Schifahren bin ich schließlich hier. Da kann man gegen eine schnelle Überbrückung der Distanzen wenig sagen. Die etwas albern ausschauende neue Penkenbahn mit ihren vielen Spielzeuggondeln hoch in der Luft lasse ich bald hinter mir, als ich die nun anspruchsvollere Strecke durch das teils enge, kurvige Tuxertal in Richtung Finkenberg fahre. Dreimal zuvor war ich bereits hier. Einmal vor Jahren, Anfang der 90er im Winter, wo aufgrund des schlechten Wetters lediglich das damals noch nicht verbundene Minischigebiet am Lämmerbichl besucht wurde. Zweimal später dann versuchte ich noch in den letzten Jahren, den Hintertuxer Gletscher zu erreichen - beide Male scheiterte dieses Vorhaben an der Tatsache, dass der Gletscher trotz Funitels wegen Windes geschlossen war - obwohl die anderen Gletscherschigebiete Tirols allesamt geöffnet gewesen wären! Dies hat mich nicht nur in meiner Abneigung gegen Funitels bestätigt, sondern auch dazu geführt, dass ich fortan den Tuxer Gletscher nicht mehr in Erwägungen was mögliche Skidestinationen angeht, einbezogen habe.
Da aber kein Groll ewig währt und das Schigebiet objektiv gesehen wohl zu den herausragenden Gletscherschigebieten gehört, sah ich es dieser Tage an der Zeit, dem Ganzen eine weitere Chance einzuräumen. Sehr positiv gestimmt hatten mich im Vorfeld insbesondere zwei Tatsachen. Zum einen, dass der Gletscher überhaupt um diese Jahreszeit geöffnet ist (und zwar nicht nur mit einem Alibilift), wo andernorts der perfekte Junischnee mangels Nachfrage ungenutzt dahin schmilzt und dafür dann teilweise das Blankeise im August malträtiert wird. Eiskunstlauf auf Skiern, mehr darf man später im Jahr wohl kaum erwarten. Jetzt jedoch liegt nach einer Woche ergiebigen Schneefalls der perfekte Sommerschnee. Dass die Hintertuxer diesen auch mit ihrem Sommerschigebiet zur Verfügung stellen, während die meisten anderen Gletscher ganz oder beinache vollständig geschlossen haben, rechne ich ihnen hoch an.
Die andere Tatsache, die mich bewogen hat, hier her zu fahren - obwohl es von den in Frage kommenden Gletschern der am weitesten entfernte ist - ist die überragend gute Webseite. Klare Infos, gut aufbereitet, schnell auffindbar. Kein Schnickschnack, keine Scripte, die nicht laufen, keine ewiges Suchen, um überhaupt Infos zum Sommerski zu finden. Sommerski ist hier kein peinliches Randphänomen, das allenfalls neben Ponyreiten und und Heimatabenden promotet wird - Sommerschi ist hier noch Philosophie. Na und da kommt Captain Retro doch gerne vorbei!
Außerdem hat ich bei der Konkurrenz irgendwann einfach keine Lust mehr mich durch virtuellen Informationsmüll zu wühlen, um irgendwann mal zu erfahren, ob die Lifte überhaupt offen sind. Die Webseite der Hintertuxer bietet alle nötigen Informationen hervorragend aufbereitet, es gibt aussagekräftige Webcams, einen erstklassigen und detaillierten Wetterbericht (nicht fünfmal Sonne mit Wolken und Schnee für alle kommenden Tage) und eine klare Ansage, welche Anlagen wann offen sind. Öffnungzeiten von 8.30 Uhr bis 17.00 Uhr können sich ebenfalls sehenlassen. Mein alter Groll ist jedenfalls vergessen!
Hintertux präsentiert sich ähnlich unspektakulär wie immer, und nicht anders als die meisten Talbasiskomplexe anderer Gletscherschigebiete auch. Nicht ganz der Style von Kurzras oder Val Claret, nicht ganz die Authentizität von Mittelberg: ein bisschen kunterbunt durcheinander gebaut ist alles, aber dafür kann man zur Abwechlung mal bis an die Talstation fahren, wo ein erstaunlich großes unterirdisches Parkhaus bereitsteht. Na, das ist doch mal was. Nicht mehr 20 min vom Parkplatz an die Bahn laufen wie andernorts. Man hat sogar daran gedacht, auf Treppen zu verzichten und stattdessen schräge Gänge mit Gummimatten gebaut: perfekt, um mit den am Wagen angezogenen Schischuhen zur Bahn zu kommen. Die Wege sind kurz und ohne große Höhenunterschiede: da hat jemand nachgedacht - was man leider nicht gerade von vielen Parkhäusern in Talstationsbereichen sagen kann.
Der Tagespass kostet 30, €, es gibt aber auch diverse günstigere Staffelungen, was den meisten Sommerskifahrern sicher sehr entgegen kommt. Einzig ein Vormittags oder Mehrstundenpass, wie er um diese Jahreszeit praktisch wäre und zum Beispiel am Presenagletscher angeboten wird, fehlt. Da ich ohnehin den ganzen Tag unterwegs sein werden, finde ich das aber kaum tragisch. Festzuhalten ist noch, das von der Kassiererin bis zu den Liftwarten sämtliche Angestellten der Hintertuxer Gletscherbahn einen freundlichen und aufgeschlossenen Eindruck machen, überhaupt wird hier der Sommerschi und der Sommerschigast genauso ernst genommen, wie der Winterschilauf und die Wintergäste - eine schöne Angewohnheit, die auch nicht gerade allen Gletscherschigebieten zu eigen ist. Die Tatsache, dass oberhalb des Tuxerfernerhauses (TFH) sämtliche Anlagen außer den Kasererliften geöffnet sind, obwohl nur mäßig viele Schifahrer unterwegs sind, spricht eine deutliche Sprache. Dafür fahre ich auch gerne ein paar Kilometer weiter. Den ganzen Tag nur Eisjochlift am Stubaier fahren hätte es wohl kaum gebracht. Sölden und Pitztal sind komplett geschlossen und beim Kaunertaler ließ sich leider nicht ermitteln, welche Anlagen denn nun geöffnet sind und von wann bis wann. Gut, bin ich eben hier. Un ich bereue es nicht!
Ich genieße noch kurz auf dem Vorplatz der Bahn rauchernderweise die Sonne und schaue mich ein wenig um. Zuerst entdecke ich die berühmt berüchtigte Hohenhaustenne. Au ha... Schwarzwaldexport, hm??
Die Geschichten, die ich so hörte, werden bildhafter. Ansehnlich geraten ist die gesamte Talstationsanlage. Ein wenig unspektakulär allenfalls, jedenfalls aber sehr praktisch: kleine Gebäude, ebenerdige Zustiege (großes Lob!), kurze Distanzen. So ein bisschen schaue ich ja nach Drehorten der guten alten Saga - schon während der Fahrt durch Tuxertal - , aber ich kann nichts so hundertprozentig dem Film zuordnen, obwohl doch alles irgendwo vertraut erscheint.
Und natürlich muss ich mal ein bisschen Leute schauen: wer ist an so einem Tag alles am Gletscher? Interessanterweise ist das Klientel hier sehr bunt gemischt. Waren ein paar Tage zuvor am Stelvio noch primär Skiclubs und Skischulen der Region unterwegs, sieht man heute die unterschielichsten Leute am Hintertuxer Gletscher: Skifahrer, viele Boarder, Briten, Skandinavier und Amis. Aber alle haben irgendwie auch etwas gemeinsam: dieses etwas extravagant-elitäre Gefühl, zu den Sommerschifahrern zu gehören! Da geht es nicht so sehr rein um den Sport oder das Kilometerfressen, nicht um Riesenschigebiete und gefahrene Höhenmeter, ja eigentlich geht es nicht mal so wirklich primär ums Skifahren: es geht um Sonne, Pulver und Style, Gletscherfirn, Sommerluft und Extravaganz. Der Luxus, im Pulver vor den blühenden Wiesen zu gleiten, die Klasse jenes offene Geheimnis zu kennen, warum es sich lohnt an einem solchen Tag nicht an irgendeinem Baggersee, sondern hier zu sein.
So ist das Publikum auch eher individualistisch angehaucht: jung und stlylish. Ein paar Skandinavier liefern sich lachend eine Art Freestyle-Battle durch ein mitgebrachtes Megaphon, die Stimmung ist entspannt und gechillt, ich mag das. Es fehlt der biedere Ernst, den Skipass möglichst effizient abfahren zu wollen, das mitgebrachte Vesperbrot vor der Hütte auszupacken, um die 5,- für Spaghetti zu sparen, das Bedürfnis, in der Schlange am Lift möglichst zügig voran zu kommen und diejenigen, die eine Kabine nicht füllen oder zu lange am Drehkreuz stehen, mal so richtig zur Sau zu machen. Sommerschifahrer sind anders. Uns geht es nicht um die Bilanz des Tages, und geht es nur um den Moment. Wen interessiert es schon, ob man eine Kabine früher oder später oben ist, 5.000, 10.000 oder 20.000 Höhenmeter gemacht hat? Wen interessiert es, ob man heute drei Fahrten mehr vor Liftschluss gemacht hat? Oder ob man es geschafft hat erfolgreich ein Vesperbrot vom morgendlichen Hotelbuffett rauszuschmuggeln? Mal ehrlich, am Ende ist es doch der einzelne Moment der zählt und allein die Summe dieser Momente ergibt die Bilanz des Tages und nichts sonst. Und Momente, großartige Momente, Momente, die einem in Erinnerung bleiben, die kann man beim Sommerskifahren erleben. Die Exotik, die Extravaganz - all das macht es aus. Nur unter dem Strich zählt letztendlich der Spaß des jeweiligen kurzen Momentes, egal worin der besteht. Ob man sich nun in die gleißende Gletschersonne vor die Hütte packt, bisschen chillt und sich überlegt, ob Wurstel e Crauti in Tux wohl besser schmecken als in Sappada... oder den Pulver zum Stauben bringt und - später am Tag - den Firn zum Spritzen - egal ob zwei oder zweihundert Pisten, sechs oder sechzig Lifte: was zählt, ist den Moment zu genießen! Der Genuss, hier zu sein, der Genuss, all das zu erleben, das Privileg, diesen Tag zu zu bestreiten, aufgrund dessen Dich alle anderen für verrückt erklären. Das ist es und nichts sonst. Sommerschi ist geil! Geiler als viele Winterschitage. Geiler als Baggersee und Meeresbrandung. Eine der geilsten Sachen, die es gibt. Man muss so einen Tag mal erlebt haben, um das zu verstehen - auch wenn Verständnis in unserer verkappt toleranten Welt ja leider heute nicht mehr eine Vorraussetzung für's Mitdiskutieren ist. Wie dem auch sei: geht doch alle baden, ich geh gleiten und stylen! Und nicht allein. So ein bisschen mag man jedem in der Gondel sagen: "
Du bist Sommerschi!?
Ich fahre zur Sommerbergalm. Nur ein paar Blicke gelten den stylischen Betonstützen der alten 4er EUB parallel zur 8er Gondel, in der ich sitze. Dann widme ich mich dem Gletscherpanorama, das oben ins Blickfeld rückt. Ich war ja noch nie hier und trotz Grundkenntnissen des Geländes, will ich mir mal einen Überlick über das Gelände machen. Ist schon sehr weitläufig, vielleicht sollte ich auch mal einen Winterbesuch in Erwägung ziehen. Die Höhenunterschiede sind jedenfalls beachtlich, und das verwinkelte Schigebiet mit seinen diversen Geländekomamern verspricht Abwechlsung. Ab der Sommerbergalm folgt von 2100m auf 2660m der Gletscherbus II, das große Doppelmayr Funitel. Gut, das Gondeldesign - von außen - ist eine Katastrophe. An den Ohren aufgehängte Ostereier könnte man sagen. Au weia. Von innen präsentieren sich die Gondeln hingegen sehr komfortabel - kein Vergleich zu den Massentransportkonserven der französischen Funitels. Vernüftige Sitzbänke, Halter für die Ski - das kann sich sehen lassen. In diesem Punkt gilt dann doch Klasse statt Masse, erfreulich. Nun, ich bin immer noch kein Freund der großen Stützen und der hohen Seilführung mit exponierter Trasse. Insgesamt kann man aber festhalten, dass beide Anlagen - Gletscherbus II und III - in das weite offene Gelände mit seinen großen Distanzen durchaus sinnvoll passen - ganz anders als dass bei so manchem französischen Kurzfunitel der Fall ist, die mit ihren kurzen Strecken einfach nur übertrieben wirken. Hier jedoch oben machen diese Anlagen schon Sinn. Die erstaunlich kleinen und dezenten Stationen können ebenfalls als Vorzeigeobjekt dienen. Und ehrlich gesagt: so lustig ich den über zwei Kilometer langen Einersessellift vielleicht gefunden hätte - als Wiederholungsbahn dürfte er wenig getaugt haben. So betrachte ich diese Anlage mit gemischten Gefühlen: praktisch ist sie allemal und vor allem in Form des Gletscherbus III auch eine beachtliche Ingenieursmeisterleistung - allein der Verankerung der obersten Station halber. Optisch kann ich mich immer noch weniger damit anfreunden, obwohl die Trasse der obersten Sektion schon faszinierend ist. Dort stört mich eigentlich nur, dass die letzten Stützen unbedingt in die künstlich eigeschnittene Bergflanke gebaut werden mussten - dieser künstliche Kante gefällt mir gar nicht. Was mir hingegen mit einem kleinen Lächeln aufgefallen ist: der Gletscherbus II ist ja doch etwas trashiger, als ich es bei einer DM Anlage erwartet hätte. Da gibt es auch bereits Witterungsspuren, Stützen die unten und oben schmaler sind als in der Mitte, und zumindest bei meiner Gondel gehen die Türen auch nicht mehr und mussten per Hand geöffnet werden. Ist mir aber eher sympathisch - in der übertechnisierten modernen Welt, wird mir allem Komfort zum Trotz immer so schnell langweilig. Funiteltüren selber aufmachen müssen - das hat schon wieder was.
Der ESL war übrigens ursprünglich als Doppelsesselbahn geplant und gebaut worden, wie man mir sagte. Die DSB wurde wohl anscheinend jedoch nicht genehmigt, so dass man Einersessel verbaute, um die Konzession direkt von der Gemeinde zu bekommen und sie nicht vom Land einholen zu müssen (oder so ähnlich).
Am Tuxer Fernerhaus trifft man auf ein breit gemischtes Publikum. Da sind erstaunlich viele Ausflügler, vor allem ältere Menschen, die einfach das Exotische und die Sonne genießen. Irgendwie auch schön so etwas, das gibt dem ganzen etwas lebendiges, was den geisterhaften Sommerschigebieten anderswo trotz morbindem Charme dann doch wieder fehlt. Und die Schifahrer natürlich. Ein paar ältere, etwas bieder wirkende Typen aus Deutschland, dann eine Mitt-Dreißiger tief gebäunte Yuppie-Generation, die wohl Sommerschilauf schon zu der Zeit betrieb, als es noch genauso in Mode war wie Tennis im Poloshirt und mit neuesten Bogner Collectionen aufwarten kann - na ja, und die stylish verspielte, etwas Boardlastige Generation, zu der ich mich gerade noch zählen darf. Und hey, verdammt, der Typ ist doch der Kerl von der einen aus der Gondel. Hm.. na ja, egal, bin ja selbst auch versorgt. Aber die Optik hier oben passt schon, meine Fresse, nicht schlecht. Und hier oben kannst Du mit Schlagjeans, mühevoll ergatterter 70s Colanischijacke und Stylepilot Spiegelsonnenbrille auflaufen - Du fällst doch nicht auf. Obwohl... na, egal. So ein bisschen Selbstverliebtheit, die mir ansonsten im richtigen Leben (
) höchstens mal auf der Bühne und gelegentlich in meinen Berichten zu eigen ist, könnte man hier oben jedenfalls getrost ausleben, ohne groß aufzufallen - eher wird sie quasi fast schon ein bisschen erwartet. Sommerschi halt. Gut, Mädels weg, dann mal schauen, was hier Hangtechnsich so am Start ist. FLASH!! EIn gigantischer Pulverschneehang über viele hundert Höhenmeter von unterhalb des Geforene Wand IV Sessellifts (oberste Sektion) bis ans Tuxer Fernerhaus. Der ganze Bereich zwischen der DSB Gefrorene Wand III und dem Gletscherbus III - wegen Revision heute übrigens außer Betrieb - erstrahlt im weißen Pulverglanz ergiebiger Schneefälle der letzten Woche. Alles klar dann Captain - Auffahrt.
Am Tuxerfernerhaus, links der Funitel, rechts die DSB Gefrorene Wand III, mit der aufgeständerten Talstation und den Gletscherstützen.
[i]Funitel - wegen Revisionarbeiten außer Betrieb - von der DSB aus gesehen.
Talstation des SL Gefrorene Wand III (eingeschneit), Talstation der DSB Gefrorene Wand IV (ebenfalls aufgeständert, mit Traversen über Brücken (!)), im Hintergrund Olperer mit gleichnamigen SL.
DSBs Gefrorene Wand III und IV.
DSB Gefrorene Wand 4.
Blick zu den Olpererliften.
Eingeschneite Stütze des SL Gefrorene Wand III.
Gletscherstützen.
Im oberen Teil der DSB, wo diese parallel der Flanke verläuft, um den Fels für die Stützengründungen zu nutzen
.
[i]Gefrorene Wand - der höchste Punkt am Tuxer Gletscher.
SL Gefrorene Wand IV a und b und im Hintergrund Olpererlifte.
Diese beidenen DSBs sind schon geniale Anlagen! Mit was für einer Raffinesse sie in dieses widerstrebende Gelände plaziert wurden! Die wenigen Felsinseln geschickt ausgenutzt, technisch faszinierende schwimmende Gletscherstützen (seinerzeit Pionierleistungen, sowas hatte noch niemand vorher gewagt), die an die Felsten wie Adlerhorste montierte Stationen, mit ihren aufgeständerte Einstiegen, Brücken und Traversen à la 3300 in Val Thorens - das hat Klasse! Allein wie sich die Sektion IV an der Bergflanke entlang tastet. Ich weiß nicht, mich kann das immer noch faszinieren, wenn eine Anlage cool ins Gelände gebaut ist und es mach gleich nochmal so viel Lust aufs Skifahren. Und das Panorama ist sowieso gigantisch! Dieser weite vergletscherte Talkessel zwischen Kaserer, Olperer und Gefrorener Wand - beeindruckend!
Gleich die erste Abfahrt ist der Hammer - der Schnee ist ein Hochgenuss! Weich und cremig wie Butter, aber leicht und staubig wie im Januar, dazu perfekte Pistenpräparation (fast etwas zu perfekt für meinen Gemschmack) - in wenigen Sekunden Sommerskirausch bin ich wieder an der Mittelstation der beiden DSBs. Ich wiederhole die Abfahrt ein paar Mal in ihren Varationen, ehrlich - solchen Schnee findet man im Winter auch nur selten. Und wenn die gleißende Gletschersonne dann noch danach schreit, die Jacke auszuziehen und einfach nur in Jeans und T-Shirt zu fahren. Dann erwische ich mich dabei mich zu fragen, warum ich eigentlich überhaupt noch im Winter schifahre... zum Glück fällt mir das rechtzeitig Anfang Dezember jedes Jahr wieder ein.
Nach diesen ersten Abfahrten zum warm werden, reizt mich jetzt aber doch der Gletscherhang zwischen Funitel und DSB zurück zum Tuxer Fernhaus. Ich frage den Liftangestellten nach dem Tiefschneehang. "Ist gesperrt" - "Schade" - "Hm ... wärst aber nicht der erste der dort heute fährt." . Und was heißt das jetzt? "Nehmt ihr den Skipass weg, wenn man trotzdem fährt?“ - "Nein nein, mit uns kriegst sicher keinen Ärger. Kannst schon fahren. Viel Spaß!" Grinst. Danke, das wollte ich wissen! Also Haftungsausschluss und nicht Sperre, alles klar dann.
Eine weitere Auffahrt mit dem obersten Sessellift, dann kreuze ich den gleichnamigen SL Gefrorene Wand IV. Bereits hier im oberen Bereich ist neben der abgestekcten Piste ein Tiefscheehang parallel zu der Felsbastion, an deren Flanke sich die DSB krallt. Perfekt, um die Bedingungen abzuschätzen. Ich steige über das Band - FLASH!! Perfekt. Harter Untergrund, weiche Pulverauflage. Besser gehts nicht. Ein absoluter Traum.. verspurt zwar, aber nicht zu sehr.
Nach der Hälfte des Hanges quere ich unter der oberen DSB und dem alten SL hindurch in den Hang zwischen Funitel und der unteren DSB. Was jetzt kommt, stellt alles zuvor ohnehin in den Schatten: ein gigantisch breiter Hang, gut steil und mit phantastischem Schnee - die blühenden Almen vis-à-vis... noch Fragen?? Ich bin so geflascht, dass ich kaum Photos mache und die auch noch überbelichte... aber egal, man muss nicht alles dokumentieren, denn einzig auf den erlebten Moment kommt es an, erinnert ihr Euch? Und der war groß, ganz groß!
Ab der Hälfte des Hanges quert man über das kleine Platt unter DSB Gefrorene Wand IV hindruch, hier eine ihrer Gletscherstützen.
Style...
Im Tiefscheehang gibt es tolle Blicke auf den Funitel - leider habe ich nicht auf die Belichtung geachtet, so dass nur wenige Bilder zu retten waren...
Der untere Teil des Tiefscheehanges von unten.
Hier werden Länge und Höhenunterschied dieser grandiosen Abfahrt in etwa deutlich.
Es ist mittlerweile 11.30 Uhr, die Sonne knallt mediterran aus dem azurblauen Himmel und die Sonnenterrasse am TFH füllt sich - da will ich dabei sein. Style und Spaß, nicht Kilometerfressen ihr wisst ja - und Sonne genißen passt da genau rein! Die Küche ist bereits geöffnet und es gibt noch keine Schlangen - sehr gut, ich bin ja schon recht lang wach und hab nichts gefrühstückt. Na ja, gut Currywurst plus Pommes war nicht die beste Wahl. Wenn auch unsere norddetusche Küche der süddeutschen und österreichischen wohl sicher nicht das Wasser reichen kann: Currywürste gehen südlich des Mains gar nicht!! Ich weiß nicht warum, es ist mir absolutes Rätsel, aber man bekommt sie einfach nicht. Da gibt's rote Würste, G'schlagene, Currybratwürste und was nicht alles - aber die ganz normale gute alte Riesencurrybockwurst, die gibt's einfach nicht. Dafür ein zillertaler Bier und ja - Almdudler. Ja, ihr habt richtig gehört. Trinc steht auf Almdudler. Und da könnt ihr Euch jetzt bepissen wir ihr wollt, ich steh dazu. Und wer in Amadé skifahren gelernt hat, darf auch auf Almdudler stehen! Basta! Muss nicht immer Expresso und Chianti sein...
Obwohl: die CCM Bonbons sind gut. Kris hat so welche. Gabs auf der Messe. Sogar CCM Ostereier, aber die hatte er leider schon aufgefressen. Na ja, egal, ich schweife ab...
Nachdem Essen in der Sonne fallen mir heute zum zweiten Mal diese Leute mit den Modellpistenraupen auf. Und irgendwas dämmert. Modellpistenraupen... Tuxer Gletscher. War da nicht mal was? Dann fällt mir ein, dass ich vor Ewigkeiten mal was im Alpinforum zu einem Fantreffen am Hintertuxer Gletscher gelesen hatte, Claus hatte da was organisiert. Aber da ich in den entsprechenden Unterforen kaum noch lese, hatte ich davon nichts mehr gehört. Sollte das nicht im Mai sein? Na ja, Fragen kostet nichts.
Und ja, zu meiner großen Überraschung treffe ich tatsächlich Claus, JürgenP und einige andere Alpintechnik Fans und Modellbauer. Ich schaue im Laufe des Tages öfter mal vorbei und erfahre viel über die Geschichte der Erschließung des Tuxer Gletschers, hochinteressante technische Details und Anekdoten, und über dieses beachtliche, mit hochkarätigem Programm aufwartende Treffen. Auch mal so ineteressante Details, die man normalerweise nicht mitbekommt. Z.B. die erwähnte Geschichte, warum aus der DSB TFH ein ESL wurde. Oder dass die Bergstation des GB III nur auf einem extrem schmalen und schräglaufen Grat verankert ist. Geschichten über den Bau der Gletschersessellifte, dass man zwei Jahre lang den Gletscher beobachtete, um die Trasse zu planen, dass man anfangs überlegte, die Sützten versetzt zur Trasse aufzustellen, damit sie in zurück in die Mittelachse schwimmen. "Das hätte aber Scheiße ausgeschaut". Also wurden die Stützen vernünftig fluchtend aufgestellt - bei bis zu 12m Versatz pro Saison, ist der Wartungsaufwand natürich ennorm! Zumal das ja keine kleinen Schleppliftstützen sind, die man mal eben mit einer kleinen Raupe umsetzt! Gigantische Konstruktionen. Schwierig auch die Stromversorgung: um Freileitungen in dieser Höhe verlegen zu können, die den Schnee und Eislasten trotzen können, entwickelte der Elin - aller Kritik und allen Zweiflern aus der Branche zum Trotz - ein System, den Bedingungen des Hochgebirges Herr zu werden. Irgendwann kam auch mal jemand auf die schlaue Idee, unterhalb des Spannagelhauses Material für Bau abzubauen und sorgte für einen Wärmekanal in den Permafrostboden, auf dem die EUB Stützen in der Endmoräne stehen. Die begannen sich aus der Achse zu drehen und musste neu gerichtet und der Wärmekanal versiegelt werden. Gigantisch auch der Aufwand, die extrem langen Funitelseile dort hinauf zu bekommen. Während das GB III Seil noch auf LKWs bis zum Tuxer Fernhaus geliefert werden konnte (ein an sich schon gigantisches Unterfangen, angeblich gab es nur eine einzige Spedition, die sich das überhaupt zutraute), war das des GB II zu schwer. Simpel aber faszinierend war die Lösung dieses Problems: das Seil wurde über die alten Stützen des Sessellifts (?) der ersten Sektion geführt, an der Sommerbergalm umgelenkt und dann direkt auf die Trasse des Gletscherbusses II eingefädelt. Na ja, solche und viele andere hoch interessante Geschichten erfahre ich hier.
Mit Claus am Tuxerfernerhaus.
Zwischendurch drehe ich immer wieder mal ein paar Runden auf Schi, meist an der Gefrorenen Wand, die Olperer Lift - übrigens mit interessanter Abspannung talseitig - erschließen einen an sich interessanten, aber unten recht flachen Hang, der noch dazu mit dem Fortschreiten des Tages etwas schwer wird. Schön sind aber die diversen Rückwege zum Tuxerfernerhaus, die immer wieder mit doch nicht wenigen Höhenmetern und interessanten Variationen überraschen. Leider sind der Hang zum Schlegeislift und der Bereich Kaserer nicht offen, beides hätte ich gerne gesehen. Von einer Abfahrt zurück zur Sommerbergalm sehe ich ab, da man unten doch die letzten fünzig Höhenmeter in die Senke und den Gegenhang zu den Stationen hätte laufen müssen. Bei dem tollen Tiefschnee, den es oben hat, spare ich mir dies also. Für den Winter bleibt allerdings festzuhalten, dass auch mich auch der Bereich an der DSB Lärmstange eine interessanten Eindruck macht - zumal dort im Pistenplan keine Pisten eingezeichnet sind.
Blick auf den Schlegeislift - heute nicht in Betrieb.
Fundamente oberhalb des Liftes - stand da mal eine andere Anlage?
Grandioses Panorama nach Südosten, über den - nicht sichtbaren - Schlegeisstausee hinweg.
Olpererlifte - zwischenzeitlich zogen ein paar Wolken durch.
Funpark am Olperer.
Nach ein paar letzten Abfahrt - es hat sich auch mittlerweile dann doch etwas zugezogen - treffe ich nochmal Claus & Co: praktischer Einsatz ihrer ferngesteuerten Pistenraupenmodelle ist angesagt. Ist schon beeindruckend, was die z.T. so können. So manche Steigfähigkeit im Tiefschnee kann sich wirklich sehen lassen. Schnell sind auch einige der richtigen Raupenfahrer vor Ort, es entwickeln sich interessante Diskussionen. Beispielsweise, dass aus dem Modellbau wie aus der Praxis das Problem bekannt ist, das ein weiter Kettenabstand zwar mehr Platz für Technik und Mensch in der Wanne schaft, gleichzeitg aber nachteilig auf die Geländefähigkeit des Fahrzeugs wirkt. Und natürlich zählt bei groß wie bei klein vor allem anderen das Leistungsgewicht. So oder so ein lustiges Bild wie eine Armada kleiner Pistenraupen durch den Tiefschnee heizt, gelegentlich die eine der anderen zu Hilfe eilt, wenn doch mal eine feststeckt und hier und da auch mal ein großer Brude, eine echte Raupe, in der Mitte auftaucht. So finden sich bald ein ganzer Haufen Zuschauer, eine durchaus lustige Angelegenheit.
Ich drehe noch ein paar Filmchen und mache mich dann schließlich auf den Weg zurück ins Tal. Ich bin langsam etwas müde und muss noch nicht ganz tausend Kilometer autofahren, bis ich daheim bin. Jedenfalls ein großartiger Tag. Nicht ganz die Klasse vom Pitztaler Gletscher 2004 (siehe Bericht), aber auch nicht weit dahinter. Ich spiele langsam ernsthaft mit dem Gedanken, vor dem Herbst noch mal Sommerschi fahren zu gehen...