Das Engadin ist schon länger eines meiner Traumziele innerhalb der Alpen. Die Lage in jenem Hochtal, dazu die phantastischen besonderen Lichtverhältnisse umrahmt von felsigen Gebirgsstöcken, die sich in den romantischen, farbintensiven Seen wiederspiegeln. Die frische, klare Luft des Malojawindes weht bei einem Spaziergang entlang der Seenplatte ins Gesicht, man genießt die prächtigen Blicke. Eine Etage weiter oben führen tolle, einfach zu begehende Wanderwege immer entlag des grandiosen Panoramas auf Seen, Berge und Gletscher, während sich noch etwas höher schöne Möglichkeiten für Bergtouren bieten. Das ist es, was den Reiz des Engadins ausmacht und was mich dazu veranlasst, endlich ein paar Tage dort zu verbringen. Die Berichte zweier User hier im Forum tragen hierzu sicherlich auch einen nicht zu gerinen Teil dazu bei.
Das Bereisen des Oberengadins stellt den Abschluss eines gut zweiwöchigen Urlaubs in Norditalien dar, der uns zuvor über Venetien und Mailand an den Lago Maggiore führt. Mit den unterschiedlichen Eindrücken aus Strandurlaub in einem Städtchen mit pulsierendem abendlichen Leben, das dennoch seinen gewachsenen Charakter bewahren konnte, dem Aufsaugen des Mailänder Großstadtflairs und den landschaftlichen und kleinstädtischen Eindrücken Cannobios am Lago Maggiore im Gepäck führt uns die Reise in die Schweiz. Zunächst steht die italienisch geprägte Durchquerung des Valle Mesolcina auf dem Plan, bevor wir mit der Überwindung des wenig freuqentierten, dafür landschaftlich umso reizvolleren San Bernardino das Gebirgsflair der Schweiz erstmals genießen können.
^ das abendliche Leben pulsiert in einem der angenehmeren Orte entlang der oberen Adria
^ der Dom vom Mailand ist eine der insgesamt eher wenigen Sehenswürdigkeiten der Stadt, dafür aber eines der beeindruckendensten und gewaltigsten
Gotteshäuser der Welt, nach dem Petersdom, dessen Kopie an der Elfenbeinküste und der Kathedrale von Sevilla die viertgrößte
^ Das Städtchen Cannobio ist eines der schönsten am Lago Maggiore, besitzt reichlich Flair und eine nette Kombination aus fein rausgeputzter und renovierter
Seepromenade und eng verwinkelten Altstadtgässchen
^ Neben einem etwas in die Jahre gekommenen Hospiz gibt es an der Passhöhe des San Bernardino einen schön gelegenen Bergsee, an den umgebenden Felsen
vergnügten sich einige Felsmännchenbauer
^ Willkommen SchweizDas Hinterrheintal führt anschließend entlang der Autobahn bis nach Splügen, einem alten Patrizierdorf, das seinen diesbezüglichen Charakter gut bewahren konnte, wo wir rechts in Richtung Splügenpass abbiegen. Die harmlose Nordrampe führt recht schnell zur Passhöhe an der nur tagüber geöffneten schweizerisch-italienischen Grenze, von der es über einige Haarnadelkurven bergab zum Lago di Montespluga geht, bevor der fahrtechnisch interessanteste Teil folgt: die Südrampe hinab nach Campodolcino ist geprägt von schlechtem Straßenzustand, vielen Serpentinen, die zum Teil noch in unbeleuchteten Felstunnels liegen.
Über Chiavenna und das Bergell geht es nun in zügiger Fahrt über den Malojapass ins Oberengadin, wo wir erstmals von der prächtigen Seenplatte um Silser, Silvaplaner und Champfèr See empfangen werden und in Celerina unser Quartier beziehen.
^ Blick über den See hinweg in Richtung Suretta
^ Blick zurück über den See in Richtung Passhöhe (mitte), auf das Surettamassiv (rechts) und den Monte Cardine (2467 m, links); für höhere Auflösung auf das
Bild klickenAls Wanderrouten suchen wir zwei eher einfache nicht allzu lange Halbtagestouren aus, die den Ansprüchen der Mitreisenden am ehesten gerecht werden. Gerade für nicht ganz so amibitionierte Bergsteiger bietet sich im Oberengadin eine Vielzahl von einfacheren Wandermöglichkeiten, was sich u.a. auch im Publikum wiederspiegelt. Der Anteil älterer Wanderer und Spaziergänger ist meinen Beobachtungen zufolge durchaus als überdurchschnittlich einzuordnen. Es ist aber geradezu ideal, im Talboden gibt es eine Vielzahl von Spaziermöglichkeiten entlang der Seenplatte, etwas höher viele einfache Höhenwanderwege, vielfach mit Seilbahnunterstützung.
Unseren ersten Tag starten wir unweit des Hotels in Punt Muragl, von wo wir uns von der gut freuquentierten über hundertjährigen Standseilbahn aus dem Hause von Roll auf die Muottas Muragl befördern lassen. Die recht gemütliche Fahrt führt zunächst durch dichte Nadelwälder, die mit zunehmender Höhe lichter werden. Bald schon verlässt die Bahn den Wald und das letzte Stückchen führt über Almwiesen, die gleissende Sonne sorgt schon vormittags auf diesem süd-südwestseitig exponiertem Hang für äußerst angenehme Temperaturen, zur Mittagszeit wird es richtig heiß.
Oben an der Bergstation auf 2453 m mit dem alten, derzeit im Umbau befindlichen Berghaus, genießen wir zuerst die prächtige Aussicht auf die oberengadiner Seenplatte bis zum Malojapass einerseits und andererseits Richtung Val Bernina und dazugehöriger Berggruppe. Das Wetter hält, was es verspricht: strahlender Sonnenschein versüßt uns den Tag, die Vorfreude auf die Wanderung und die weiteren Erlebnisse steigt, die wenigen sich im Bergell haltenden dichteren Wolken trüben diese Ausblicke keineswegs.
^ Blick zurück auf die Trasse der Standseilbahn mit ihren schönen roten Wägen, oben rechts im Bild ist Celerina
^ die oberengadiner Seenplatte mit dem kleinen Lej da Staz links vorne, mittig dem St. Moritzer-See und hinen dem Silvaplaner und dem Silser See
^ Piz Nair (3056 m) rechts, mittig Piz Julier (3380 m), links Piz Albana (3100 m), im Vordergrund ein Blick ins Corviglia-Skigebiet
^ Blick auf die andere Talseite, die Pyramide rechts im Bild miüsste der Piz Ot (3246 m) sein
^ Berninagruppe mit Piz Bernina und Piz Palu u.a.
^ Blick ins Val Roseg mit den dazugehörigen Gletschern
^ neben dem schönen Berghaus auf der Muottas Muragl ist vor kurzem eine Bauseilbahn errichtet worden, die zum Materialtransport für den bevorstehenden
Umbau des Hauses benötigt wirdNachdem wir ausführlich den Ausblick genossen haben, starten wir unsere heutige Wanderung, den äußerst beliebten und demnach viel begangenen Höhenweg über den Unteren Schafberg zur Alp Languard. Zunächst schlängelt sich der Weg am Hang entlang weitgehend eben, dann leicht fallend hinab ins Val Muragl. An einer Alm vorbei, die Kuhherde durchquert, erreicht man schließlich nach einigen Minuten den Wildbach im Val Muragl, wo wir den linken Abzweiger hinauf Richtung Piz Vadret jedoch liegen lassen und weiter – in etwa die Höhe haltend – am Hang entlang marschieren.
^ in dieses Tal führt unser Weg zunächst bis zur Brücke über den Wildbach, im Hintergrund müsste der Piz Muragl zu sehen sein
^ Blick zurück zur Bergstation des gerade ausfahrenden Bähnlis
^ so lässt es sich leben
^ die schweizer Flagge darf natürlich auf einmal vor dem Seenpanorama posieren
^ Gebirgsbach und Piz Muragl
^ Panorama über St. Moritz, Piz Julier, Corviglia, Piz Ot, Val Bever und Piz Üertsch (?); für höhere Auflösung auf das Bild klickenDer Weg führt nun unschwierig immer am Berghang entlang, das prächtige Panorama verbleibt stets im Blickfeld. Langsam umrunden wir den Schafberg und erhalten immer neue Blicke ins Val Roseg, Val Bernina und in Richtung der markanten Erhebungen des Berninamassivs. Am mächtigen, vergletscherten Piz Palü bleiben die Augen immer wieder hängen.
^ Blick über die Seenplatte hinweg Richtung Malojapass, im Bergell hielten sich den ganzen Tag über etwas dichtere Wolken, die uns hier aber nicht
stören konnten
^ der vielbegangene Wanderweg bietet herrliche Blick auf den Roseggletscher…
^ … und das gesamte Val Roseg
^ zusammen mit dem Piz Bernina gehört der Piz Palü zu den eindrucksvollsten GebirgsstöckenTeils durch den lichten Wald, teils über Almen erreichen wir schließlich die Jausenstation Unterer Schafberg. Von hier führt der Weg wieder leicht bergan und wir kommen nach einer knappen weiteren Stunde auf der Alp Languard an.
^ an dieser Stelle hat der Weg sogar ein kleines Tunnel unter dem Gebirgsbach und Wasserfall hindurch
^ schließlich kommt die mittels einer Doppelsesselbahn erschlossene Alp Languard ins BlickfeldVor der Alm hat man erneut einen prächtigen Ausblick, die einladenen Bergwiesen oberhalb der Seilbahnstation laden uns zu einer ausgiebigen Rast ein. Hinzu kommt die musikalische Untermalung durch einen traditionellen Chor, der hier einige Stücke zum Besten gibt.
Der Blick schweift von der Bergkette hinter uns um den Piz Languard über den Ausblick zum Piz Palü Richtung Pontresina, wir saugen die wärmenden Sonnenstrahlen ein. Die bündner und die schweizerische Fahne an der Bergstation der Sesselbahn wehen im leichten Wind, der uns eine angenehme Abkühlung nach der zwar nicht allzu anstrengenden Wanderung bringt.
^ Ankunft auf der Alp Languard
^ Talblick nach Pontresina, hinten die Corviglia
^ der Chor gibt einige Stücke preis, später stoßen noch einige Alphornbläser hinzu, rechts wieder der Piz Julier im Blickfeld
^ die Fahnen stehen im Wind, die Sesselbahn dreht geräuschslos ihre Runden
^ Panorama von der Alp Languard, die wenigen Schönwetterwolken stören nicht
^ nur Fliegen ist schöner…Während der Pause auf der bequemen Almwiese besprechen wir das weitere Tagesprogramm und entschließen uns nach der Talfahrt mit der Sesselbahn und der Busfahrt zurück zum Auto unser Gratis-Bergbahn-Ticket noch für eine Fahrt auf die Diavolezza auszunutzen.
^als Besonderheit weist diese Poma-DSB eine BACO-Kurve auf
^ Talfahrt mit der DSB Alp Languard
^ die Umfahrung der BACO-Kurve lässt trotz des gemütlichen Tempos ein leichtes Achterbahn-Feeling aufkommen
^ Talstation made in FranceUnten angekommen suchen wir die nächstgelegene Bushaltestelle in Pontresina, schnell werden wir fündig, der Bus kommt praktischerweise auch schon angefahren. Der Fahrer entspricht mit seiner Unfreundlichkeit hingegen nicht den Vorstellungen des sonst so zuvorkommenden Servicepersonals der Schweiz.
^ GPS-Track der Wanderung, 6,8 km lang, Gehzeit ca. 2 Stunden
^ Profil der Wanderung, Achtung stark überhöht, es ging nicht sonderlich viel bergauf und bergab…Nach wenigen Minuten gelangen wir wieder an der Talstation der Standseilbahn an und fahren mit dem Auto in Richtung Berninapass vorbei am Morteratschtal mit Ausblick auf seinen Gletscher, der sich in den letzten Jahrzehnten stark zurückgezogen hat. Vor 150 Jahren reichte seine Ausdehnung noch bis zur heutigen Haltestelle der Rhätischen Bahn.
^ Rhätische Eisenbahn und MorteratschgletscherNach wenigen Minuten Autofahrt gelangen wir an der Talstation der Pendelbahn hinauf in die Berninagruppe an. Aufgrund der schon fortgeschrittenen Tageszeit sind wir bei der Bergfahrt auf über 2900 Meter mit einigen anderen Leuten zusammen die einzigen Fahrgäste, die Sonnenterrasse an der Bergstation ist jedoch gut gefüllt. Die Pendelbahn selbst ist eine beeindruckende Seilbahn, ist sie doch über 3,5 km lang und überwindet dabei knapp 900 Höhenmeter. Heute zieht sich die Fahrt durch die von Geröllfeldern geprägte Landschaft eine ganze Zeit lang hin, beträgt das Tempo dem Sommerbetrieb angepasste 6 m/s.
^ Talstation der Pendelbahn von Garaventa (1980 erbaut) auf 2107 m
^ Blick auf die stützenreiche Trasse der Pendelbahn
^ Kabine
^ Lej Pitschen, Lej Nair, Lago Bianco, Blick Richtung Poschiavo
^ die drei Seen, dazwischen das rote Bähnli (alle Bilder aus der Kabine, deswegen leicht unscharf)
^ Blick auf das vermattete Skiareal an der 4-KSB, interessant wie sich die Firnfelder auch am Rand neben den Matten gehalten habenOben angekommen bietet sich ein grandioses Panorama in alle Himmelsrichtungen, wobei die Berninagruppe im Süden natürlich klar beherrschend ist. Zunächst wage ich einen Blick zurück auf die Seilbahntrasse und in die Bergwelt Richtung Piz Languard, bevor meine Augen die Gletschersesselbahn begutachten: hier wurden umfangreiche Vermattungsarbeiten getätigt, um das Firnfeld möglichst gut über den Sommer konservieren zu können, damit der Skibetrieb im Herbst schnellstmöglich aufgenommen werden kann.
^ Blick vom Perron auf die Trasse
^ Bergstationskomplex auf der Diavolezza
^ ausfahrende Kabine
^ letzte Stütze vor der Bergstation
^ Panorama nach Norden
^ 4-KSB Diavolezzafirn mit MCS-KompaktstationenIch verlasse die Station und marschiere ein wenig nach links, erklimme einen kleinen Felsen, von wo sich ein prächtiges Bild ergibt: der Piz Palü mit seinen drei Felsen, daneben die ebenfalls aus drei Gipfeln bestehende Bellavista und rechts der Piz Bernina mit seinem weltberühmten Biancograt. Es muss einer der besten Grataufstiege der Alpen sein, wenn nicht sogar der allerbeste. Wir blicken auf die am Fuße der Felsgiganten beginnenden, spaltenreichen Gletscher herab, die später den Morteratschgletscher bilden und erkennt einmal mehr, wie klein der Mensch in Wirklichkeit ist.
^ das gewaltige Panorama von der Diavolezza auf die Berninagruppe: Piz Palü (3900 m), Bellavista (3888 m), Piz Argient (3854 m), Piz Bernina (4049 m),
Biancograt (v. l. n. r.)
^ der Piz Palü in seiner ganzen Pracht, für mich einer der schönsten Berggipfel
^ die Bellavista im Zoom, ganz rechts könnte der Piz Zupò (?) sein
^ Piz Bernina (4049 m) im Zoom
^ Vergrößerung auf Piz Bernina und BiancogratNachdem wir dieses Panorama aufgesaugt und ausführlichst genossen haben, bewegen wir uns wieder in Richtung Seilbahnstation, wo eine aufgrund reichlich fernöstlicher Touristen wesentlich vollere Kabine auf die Talfahrt wartet. Die Fahrt zieht sich wieder über einige Stützen und endlose Schotterhalden, bis wir in der Nähe des Berninapasses wieder den grünen Almboden unter den Füßen haben. An der Bahnstation fährt sogleich der Zug Richtung Süden ein, mit dem das Hochgebirgsabenteuer der Japaner endgültig beendet ist.
^ Rhätische Bahn Richtung TiranoWir fahren nun zurück ins Hotel, ziehen uns um und vertreiben uns die Zeit bis zum Abendessen mit einem Spaziergang durch Sankt Moritz, schauen uns das eine oder andere Schaufenster mit ein paar Nullen zu viel beim Preis an, beoachten den Chaffeur des Fünfsternehotels beim Umparken der Autos und fahren mit der endlos erscheinenden Suvretta-Rolltreppe hinab zum St. Moritzer-See, der sich im Abendlicht in den prächtigsten engadiner Farben zeigt. Einfach eine phantastische Lichtstimmung.
^ selten einen so farbintensiven Blick erlebt wie hier (Bild ist unbearbeitet)… St. Moritzer-See und die Berge oberhalb von Pontresina
^ nicht minder schön zeigt sich der Blick in die andere Richtung, Piz de la Margna und Signalbahn im Visier
^ zurück in Celerina spazieren wir von unserem Hotel am Inn entlang zum Abendessento be continued…