Eine Reise in die Vergangenheit: La Plagne vom 2. bis 9. Januar 2011Pistenpläne:
Offizieller Flashmüll-Pistenplan ParadiskiHochauflösend gescannter Pistenplan La Plagne1. VorgeschichteNach neun Jahren stand für mich Anfang Januar 2011 wieder einmal
La Plagne auf dem Programm. Nach fünfmal Trois Vallées und einmal Espace Killy eine sehr willkommene Abwechslung, auf die ich mich ganz besonders freute, weil La Plagne im Jahr 2000 den unvergesslichen Beginn unserer seither jährlichen Frankreich-Skiwoche markierte. Neuschnee am Tag der Ankunft und anschließend eine Woche lang keine Wolke am Himmel, perfekte Verhältnisse auf und neben den Pisten. Dazu die großzügige, typisch französische Erschließung wie sie z.B. in Österreich kaum anzutreffen ist und die vielen naturbelassenen, schwarzen Buckelpisten. Ich konnte gar nicht anders als zum Fan dieses Skigebiets zu werden.
Seit damals hatte sich viel verändert. Ich habe viele neue Skigebiete kennengelernt, meine Vorlieben haben sich weiterentwickelt, mein Blick auf die Skigebiete wurde - auch bedingt durch die Diskussionen in den Foren hier und anderswo - wesentlich kritischer. Und so war ich im Vorfeld äußerst gespannt, ob sich mein positiver Eindruck von damals bestätigen würde.
Doch das war noch nicht alles. Bekanntlich ist La Plagne seit 2004 mit
Les Arcs zu "Paradiski" verbunden, wozu ich ebenfalls einen besonderen Bezug habe. In Les Arcs verbrachte ich mit meinen Eltern 1987 im zarten Alter von knapp fünf Jahren meinen ersten richtigen Skiurlaub (einige Eindrücke:
Klick), erlebte die ersten kuppelbaren Sesselbahnen, freilich ohne mit dem Begriff irgend etwas anfangen zu können, und kam zum ersten Mal mit einer Seilbahn auf über 3000 m. Ich erinnere mich noch gut, wie es mich im Stangenschlepplift durch den Ruck beim Anfahren einen halben Meter hoch durch die Luft katapultierte und wie mir auf dem Rückweg von der Aiguille Rouge völlig platt vor Anstrengung übel wurde, so dass mein Vater mit mir längere Zeit neben der Piste Pause machen musste - wir waren wohlgemerkt mit der Seilbahn wieder hinunter gefahren. Woran ich mich nicht mehr erinnere, ist, dass ich aus dem Sessellift Beifall bekam als ich mit meinen kurzen Latten durch die steile Buckelpiste cruiste, wie mir mein Vater letztens erzählte.
Seither war ich nicht mehr in Les Arcs, und so war ich auf diesen Teil von Paradiski mindestens ebenso gespannt, auch wenn bereits im Vorfeld klar war, dass wir dort wahrscheinlich nur den einen Tag verbringen würden, der im Skipass
Découvertes enthalten ist. Denn der Gesamtskipass von Paradiski ist, vor allem im Vergleich zu den benachbarten Trois Vallées, unverschämt teuer und meines Erachtens auch nicht unbedingt notwendig, so dass wir uns im Wesentlichen auf La Plagne beschränken wollten.
Aber je näher der Abfahrtstermin rückte, desto mehr verschlechterten sich die Vorzeichen. Bereits im Vorhinein war klar gewesen, dass der Termin Anfang Januar ein gewisses Risiko hinsichtlich der Schneelage in sich bergen würde. Der Frühwinter begann jedoch gut, Mitte November lagen um die 80 cm Schnee im Gletschersektor. Anfang Dezember kam jedoch ein schwerer Föhneinbruch mit Regen bis 2500 m, woraufhin bis Weihnachten nur noch wenig Neuschnee folgte. Die letzte Wetterprognose vor der Abfahrt sagte für die ersten beiden Tage gutes Wetter voraus, dann jedoch vier Tage Regen bis in große Höhe. Zudem fesselte mich zwischen den Jahren ein fiebriger Infekt ans Bett, und nur mit viel Glück gelang es mir, bis zum Tag der Abfahrt wieder einigermaßen fit zu werden. So startete ich mit meiner Familie am 2. Januar - aufgrund der diesjährigen Lage des Jahreswechsels ein Sonntag - dann doch mit stark gedämpfter Erwartung.
2. Ankunft und erster EindruckLa Plagne empfängt uns zunächst wie vorhergesagt bei strahlendem Sonnenschein. Auch die Pisten scheinen auf den ersten Blick in recht gutem Zustand zu sein, auch wenn für die Station nur eine Schneehöhe von 40-50 cm angegebene wird. Unser Quartier in Plagne Soleil erweist sich als hervorragend gewählt: Zentrale Lage im Skigebiet auf 2000 m und, wie in den französischen Skistationen üblich, mit Tür vom Skiraum direkt auf die Piste, die in diesem Fall am Sechsersessellift Bergerie endet und so einen optimalen morgendlichen Einstieg ins Skigebiet ermöglicht.
Balkonblick zur Bergstation Bergerie
Der Plan sieht vor, am ersten Skitag eine Einfahrrunde durch La Plagne zu drehen. Am zweiten Tag wollen wir uns Les Arcs vornehmen, da die Wetterprognose wie erwähnt für den Rest der Woche recht düster aussieht. Für den Rest der Woche sind wir dann auf La Plagne beschränkt und machen unsere Ziele vom Wetter abhängig.
Die beißende Kälte treibt uns am ersten Morgen hauptsächlich auf die Südhänge im Sektor von Champagny. Die präparierten Pisten erweisen sich als weitgehend ordentlich fahrbar, jedoch an einigen Stellen mit kleinen und nicht immer sichtbaren Steinen gespickt. Die Erkältung steckt mir noch in den Knochen, so dass ich mir keine konditionsfordernden Aktionen zumuten will und mich auf die blauen und roten Pisten beschränke. Dennoch wird mir auf dieser ersten Runde bereits langsam klar, dass La Plagne für mich immer noch eine Menge zu bieten hätte, sofern ich nur fit genug wäre.
Sehr angetan bin ich zum Beispiel von der Piste
Geisha vom Col de Forcle hinunter nach Champagny: Eher flach, aber Kurven, Kuppen, Engstellen - genial. Auch die drei blauen Abfahrten entlang des Sechsersessellifts Rossa sind herrliche Cruiserpisten, die man locker in einem Zug von oben bis unten hinunter carven kann. Dabei handelt es sich jedoch nicht um breite, mit dem Bulldozer modellierte Pistenautobahnen sondern um eher schmale Pisten, und vor allem im Fall von
Le Sérac ganz rechts um eine toll kuppierte, teils auch schräg hängende Piste. Hier kann man es problemlos für vier bis fünf Wiederholungsfahrten aushalten ohne sich zu langweilen.
Schenken kann man sich dagegen die Abfahrt nach Champagny via
Les Bois, die aufgrund des steilen Geländes fast ausschließlich als Ziehweg geführt ist. Ich war sie bei meinen vorhergehenden Besuchen nie gefahren und habe damit definitiv nichts verpasst. Die alternative und vermutlich wesentlich interessantere Talabfahrt über den Mont de la Guerre ist wegen Schneemangel leider geschlossen.
Blick von der Grande Rochette zu einem bekannten, weiter südlich gelegenen Bergmassiv, an dessen Fuß einmal eine große Sommerskistation entstehen sollte
Ein erster Blick gen Gletscher, der noch im Schatten liegt
Der Dent du Géant und die Grandes Jorasses sind im Tele zum Greifen nah und auch in Wirklichkeit nicht so weit weg. Im Sommer ist man über den Petit St. Bernard ruckzuck dort.
Ein Standardmotiv, auf das man in dieser Gegend niemals verzichten kann
Sechsersesselbahn Rossa mit zwei der drei beschriebenen Pisten, die erst unten in einer breite Autobahn enden.
Weiter oben sind die Pisten schmaler und kuppierter (links
Le Sérac, rechts ein Boardercross)
Bei der Bergstation TSD6 Rossa. Im Hintergrund Courchevel.
Die Talabfahrt nach Champagny lohnt nicht
Blick auf Verdons Sud, eine sehr lange, fix geklemmte Sesselbahn die im Sommer '11 endlich ersetzt werden soll. Unten rechts sieht man den äußerst schneearmen und daher gesperrten Schlusshang der Abfahrten in diesem Sektor, der über einen beschneiten Ziehweg im Talgrund umfahren werden kann.
3. GletschersektorDen Nachmittag dieses ersten Tages will ich dafür nutzen, den Gletschersektor zu dokumentieren. Dieser 1978 erschlossene Teil des Skigebiets ist eines der Highlights von La Plagne. Den Zubringer bildet die insgesamt beinahe sieben Kilometer lange Kabinenbahnkette ab Plagne Bellecôte, die vom Roche de Mio aus zunächst talwärts zum Col de la Chiaupe und von dort hinauf zum gleichnamigen Gletscher auf rund 3000 m Höhe führt. Vom Roche de Mio her gibt es einige steile Rinnen, über die der Sektor alternativ per Ski erreicht werden kann. Diese erfordern jedoch sichere Verhältnisse und ebenso sichere Skitechnik.
Von der Bergstation am Glacier de la Chiaupe starteten einst zwei Schleppliftanlagen (davon ein Doppelschlepplift) für den Sommerskibetrieb. Sie wurden 2003 durch den fixen Vierersessellift Glacier ersetzt, der am Rand des stark zurückgeschmolzenen Gletschers über einen Felsriegel führt. Noch original ist dagegen der Télésiège de la Traversée, eine herrliche alte Doppelsesselbahn, die den Übergang zum ehemaligen Glacier de Bellecôte herstellt. Letzterer ist leider inzwischen weitgehend abgeschmolzen.
Doch auch der Glacier de la Chiaupe hat sich in den neun Jahren seit meinem letzten Besuch sehr verändert. Wo einst ein durchgehender, gleichmäßiger Eishang bis nahe an die Bergstation herangereicht haben muß, hat sich heute ein durchgehender Graben gebildet. Dieser hat 2002 so extrem noch nicht existiert. Der Abbau der Schlepplifte, die bei meinem Erstbesuch Ende März 2000 bis zur Hälfte im Schnee versunken und deshalb im Winter ohnehin grundsätzlich außer Betrieb waren, verwundert daher nicht.
Auch die Abfahrten im Gletschersektor sind anders geworden.
La Chiaupe, früher ab der Bergstation der Télécabine rot markiert, ist auf schwarz umgewidmet geworden in den letzten Jahren und wird offenbar nicht mehr präpariert. Heute ist sie ab der Bergstation des Vierersessellifts Glacier fahrbar und durchgehend Buckelpiste.
Le Combe, die rote und präparierte Standardpiste, verfügt inzwischen über einen noch stärker ausgeprägten Umfahrungsziehweg als 2002, und durch den Rückzug des Gletschers gibt auch der unpräparierte Starthang nicht mehr viel her.
Interessant ist auch die Geschichte der beiden schwarzen Abfahrten
Bellecôte und
Le Rochu von der Bergstation Traversée hinunter zum Chalet de Bellecôte. Bis zum vorletzen Jahr waren sie noch im Pistenplan enthalten und offenbar auch markiert und gesichert, jedoch nicht präpariert. Sogar die Zufahrt vom Traversée-Lift her wurde vor einigen Jahren anscheinend vereinfacht - heute ist der Zugang jedenfalls viel einfacher möglich als bei meinem letzten Besuch, hier sind unzweifelhaft die Bulldozer am Werk gewesen. Vor neun Jahren existierten die Abfahrten dagegen praktisch nicht, wurden aber regelmäßig befahren und waren im Plan aufgeführt. Heute sind sie offiziell aus dem Pistenplan verschwunden, werden aber natürlich nach wie vor als Varianten befahren. Erst weg, dann aufwendig reaktiviert und jetzt offenbar endgültig Geschichte - schade!
Als Ersatz für die beiden geschlossenen Abfahrten gibt es seit dieser Saison neu die Piste
Le Dérochoir vom Chalet de Bellecôte in den Sektor von Les Coches - eine Verbindung, die bisher bereits inoffiziell als wilde Abfahrt möglich war, jedoch eine gewisse Vorsicht bezüglich der Lawinen vom Roche de Mio her erforderte. Durch die Verbindung der geschlossenen Abfahrten mit der neuen Piste könnte man heute eine sehr attraktive, beinahe 2000 Höhenmeter-Abfahrt durch nahezu liftlose Geländekammern haben, wenn man nicht mit
Bellecôte und
Le Rochu den oberen Teil seit dieser Saison stillgelegt hätte. Leider war
Le Dérochoir aufgrund von Schneemangel geschlossen. Die beiden Ex-Abfahrten wiederum will ich mir aufgrund meines Gesundheitszustandes am ersten Tag nicht zumuten, zumal die Schneelage keinen besonderen Genuss verspricht. Daran ändert sich auch im weiteren Verlauf der Woche nichts, so dass ich diesen Teil leider nicht ausführlicher dokumentieren konnte.
Für echte Freerider bietet der Gletschersektor schließlich noch zahlreiche weitere Möglichkeiten. So kann nach einem kurzen aber steilen Aufstieg von der Bergstation Glacier hinauf zum Grat auf knapp 3300 m über die Rückseite der Bellecôte bis hinunter nach Champagny (1250 m) abgefahren werden. Auch die Bellecôte-Nordwand bietet diverse steile und weniger steile Routen. Die Rückkehr erfordert jedoch Felle oder Taxi, bei guter Schneelage könnte laut Karte auch eine Traversierung nach Peisey zum Korblift Lonzagne möglich sein.
Fazit dieses Nachmittags: Der Gletschersektor besticht immer noch durch seine Abgelegenheit, die vergleichsweise ruhige Atmosphäre und das Panorama, das bis ins Flachland reicht. Die (teilweise) präparierten und gesicherten Pisten sind überdurchschnittlich interessant und die Möglichkeiten im Gelände sind äußerst vielfältig. Eine solche Kombination findet man meines Erachtens weder in der Trois Vallées noch im Espace Killy!
Blick vom Roche de Mio auf den Gletschersektor. Bei der Bergstation der Télécabine der Glacier de la Chiaupe (oder was davon übrig ist), von dort ausgehend nach links der Traversée-Lift. Am rechten Rand des Glacier de la Chiaupe auf dem Felsgrat die Vierersesselbahn Glacier. Am linken Bildrand im Schatten der Einstieg in die Ex-Abfahrten
Bellecôte und
Le Rochu. Unten die Mittelstation Col de la Chiaupe und von links der Sessellift Chalet de Bellecôte.
Start am Roche de Mio mit der alten Télécabine von 1978
Die Mittelstation Col de la Chiaupe (entgegen der Fahrtrichtung gesehen)
Blick zurück über den Col hinauf zum Roche de Mio.
Die Bergstation am Gletscher, die vor einigen Jahren abgebrannt ist, wurde mit nagelneuen Teilen nach der alten Technik wiederaufgebaut. Nur die Abspanneinrichtung funktioniert jetzt hydraulisch statt per Spanngewicht. Die Kabinen hat man wiederum in einem ganz speziellen Stil renoviert.
Télésiège de la Traversée, die Verbindung zum Bellecôte-Gletscher
Blick über die Reste des Chiaupe-Gletschers. Am linken Bildrand stand früher entlang der jetzigen Piste der TK de la Chiaupe, während die Doppellifte Col 1 und 2 parallel dazu in einger Entfernung bis knapp unter den Felsgrat führten.
Als Ersatz fungiert seit 2004 diese Vierersesselbahn ganz am Rand des Gletschers, die seither den Kulminationspunkt von La Plagne (ca. 3150 m) erschließt.
Wir schweben dem Höhepunkt entgegen
Oben reicht der Blick weit ins Land. Die Bellecôte ist, ähnlich wie z.B. die Grandes Rousses, das erste Bollwerk nach Westen, das die vorgelagerten Berge um bis zu 1000 m überragt.
Blick hinunter zur Bergstation der Télécabine und zur Talstation Traversée (3000 m)
Noch einmal der Blick zurück über die kurzen, breiten Gletscherpisten
Vom Grat aus kann man über die Rückseite des Massivs in einem weiten Bogen bis hinunter nach Champagny-en-Vanoise abfahren (erfordert aber Führer oder alpine Erfahrung).
Mit dem Traverséelift schweben wir anschließend hinüber zum nicht mehr vorhandenen Bellecôtegletscher. Ein bisschen 3300er-Feeling kommt auf angesichts der im oberen Teil recht exponierten Trasse.
Der ehemalige Glacier de Bellecôte. In Blickrichtung muss von 1978 bis ca. 1995 ein Schlepplift gestanden haben, von dem aber leider noch niemand je ein Bild auftreiben konnte.
Blick zurück vom Col de la Chiaupe aus hinauf zur Bellecôte und zum Gletscher
Selbiges im Zoom. Rechts der Buckelhang der früher roten, heute schwarzen
La Chiaupe.
Einen Tag später ergibt sich ein abendlicher Blick auf die stillgelegten schwarzen Abfahrten, die offenbar immer noch rege befahren werden.
4. Les ArcsAm nächsten Tag nehmen wir morgens den direkten Weg nach Les Coches, steigen dort in den Vanoise Express und dann ist es soweit: Nach 24 Jahren bin ich wieder in Les Arcs. Wir nehmen den Sechersessellift in Peisey und queren ohne Zwischenlift hinüber nach Arc 1800, um via Télécabine Transarc nach Arc 2000 zu gelangen. Unser Ziel ist die Aiguille Rouge, denn das Wetter ist längst nicht so gut wie angekündigt und soll sich gegen Nachmittag möglicherweise noch verschlechtern, so dass wir diesen Gipfel möglichst schnell abhaken wollen. Doch die Strategie funktioniert nicht besonders gut, Transarc ist der Hauptzubringer in den Skigebietsteil von Arc 2000 und so hat sich dort eine lange Schlange gebildet - die mit Abstand längste, die wir in dieser Woche erleben. Später auf der Aiguille Rouge ist es stürmisch und eisig kalt. Wir müssen warten, weil ein Teil der Gruppe erst eine Kabine später kommt. Der Ziehweg, der auf die Reste des Glacier du Varet führt, ist extrem steinig. Wir verbleiben schließlich zu dritt auf der Abfahrt nach Villaroger, während der Rest der Gruppe vor den Verhältnissen kapituliert. Bis zur Bergstation des Sessellifts Lanchettes folgen wir dem äußerst steinigen, aufwendig in den Berg gesprengten und völlig zu Unrecht schwarz markierten Ziehweg. Doch danach öffnet sich das Gelände, die nun blau-rote Piste ist trotz des wenigen Schnees hervorragend fahrbar bis hinunter auf 1200 m und es ist kaum ein Mensch in diesem Sektor unterwegs!
Trotz des völlig entgegen der Prognose stark bewölkten Wetters und diffuser Sicht ist diese Abfahrt - immerhin eine der ganz wenigen echten 2000-Höhenmeter-Abfahrten der Alpen - das gefühlte Highlight der Woche.
Vom Ende der Piste sind es nur ein paar Schritte ins Dorf - ein echtes, gewachsenes Dorf (eigentlich mehr eine Ansammlung von Häusern oder ein Weiler), wie man es in den großen französischen Retortenstationen sonst kaum findet, und das auch nicht, wie beispielsweise Val d'Isère, à la Disneyland umgestaltet wurde. Wir kehren ein im Restaurant La Ferme, wo nicht viel los ist an diesem Tag. Wo in den 80ern laut Aussage meines Vaters noch die Hühner in der Küche herumspazierten, vor dem Haus der Misthaufen dampfte und man sich maximal traute, ein Bier zu kaufen, ist inzwischen die Zivilisation angekommen.
Mit den drei fix geklemmten Sesselliften benötigt man ungefähr eine halbe Stunde, um zurück nach Arc 2000 zu gelangen. Wir wollen noch zum Grand Col, wo immer noch ein eisiger Wind pfeift. Dann reißt es plötzlich auf, die Sonne kommt heraus, schlagartig wird die Sicht besser. Eine oder zwei Wiederholungsfahrten am Arcabulle gehen sich noch aus, dann müssen wir an den Rückweg denken. Mit der Sechsersesselbahn Bois de l'Ours gelangen wir zurück auf die Vorderseite und queren unter Zuhilfenahme des Sessellifts Grand Renard zurück zum Vanoise Express. Gerne hätten wir noch die Waldabfahrten von Peisey-Vallandry mitgenommen, verzichten jedoch sicherheitshalber, was sich später als richtige Entscheidung erweist, denn der Rückweg benötigt wesentlich mehr Zeit als ich dachte. Um 16:42 Uhr, drei Minuten vor dem offiziellen Liftschluss, steigen wir in Plagne Bellecôte in den letzten Rückbringerlift. Genialerweise laufen in Frankreich die Lifte auch Anfang Januar bis um kurz vor fünf - man kann sich das hier auch deshalb erlauben, weil es aufgrund der südlicheren Lage um diese Jahreszeit etwa eine halbe Stunde später dunkel wird als am Alpennordrand: Die Skigebiete der Tarentaise befinden sich immerhin bereits auf dem geographischen Breitengrad von Venedig.
Pendelbahn zur Aiguille Rouge (Habegger 1981). Das Vorbild für die ungleich berühmtere Seilbahn am Caron in Val Thorens.
Abfahrt nach Villaroger. Oben aufwendig in den Fels gesprengt. Nach rechts gibt es laut Plan einige unpräparierte, schwarz markierte Naturpisten, von denen aber angesichts des wenigen Schnees keine einzige markiert zu sein scheint. Dennoch: Bei besseren Verhältnissen dürfte man hier eine Menge Spaß haben können.
Nach dem Übergang von schwarz auf rot weitet sich der Hang in eine breite Genussabfahrt nach Villaroger
Villaroger (1200 m)
Was von außen ein bisschen wie die Dorfkneipe aussieht entpuppt sich innen als ansprechendes Restaurant
Anschließend folgt eine lange Rückfahrt in alten Sesselliften
Blick von l'Arpette über die Schneeschüssel von Arc 2000 und zur Aiguille Rouge...
...sowie zum Col de la Chal.
Dorthin (und noch weiter) müssen wir zurück - die Hänge von Montchavin/Les Coches gesehen von der Bergstation Grand Renard aus
Blick über das Isère-Tal in Richtung Aime und Moutiers. Unten rechts Les Coches.
Der Vanoise Express stellt die Verbindung her
Eine etwas eigenwillige Kombination aus Holzhütte und Sichtbeton
Löste den Twinliner in Samnaun als Rekordhalter bezüglich der Kabinengröße ab. Fassungsvermögen 200 Personen pro Kabine.
Ein Blick über die Strecke. Maximaler Bodenabstand um die 400 m.
5. La PlagneDas für die Folgetage prognostizierte Schlechtwetter fällt weitgehend aus - dabei hätte ich einen Ruhetag zwischendurch ganz gut gebrauchen können. Es wird deutlich wärmer, und einmal regnet es über Nacht bis auf 2500 m, was die Verhältnisse nicht gerade verbessert. So bleibt mir nichts anderes übrig, als weiter auf den fahrbaren Allerweltspisten herumzurutschen und die interessanten, aber schneearmen und steinigen Abfahrten nur aus der Ferne zu betrachten. Dabei bietet La Plagne immer noch jede Menge interessante Möglichkeiten, die ich teilweise an dieser Stelle nur aus alten Erinnerungen beschreiben kann, die aber immer noch so existieren:
- Rückseite Aime 2000
Auf der Rückseite von Aime 2000 befinden sich die schwarzen Abfahrten Les Etroits, Morbleu, Les Coqs und Palsembleu. Les Etroits ist nur unter Zuhilfenahme des Gratlifts Crêtes zu erreichen. Sie mündet nach längerer Querung in einem steilen Bachtobel weitab des übrigen Skigebiets und führt anschließend über eine lange Flachpassage wieder heraus. Bei Morbleu handelt es sich um eine durchgehend gleichmäßig steile Buckelpiste in Idealneigung. Les Coqs führt zunächst schmal über den Grat und öffnet sich dann weiter unten, während Palsembleu weiter unten abzweigt. Keine dieser Abfahrten wird präpariert, alle sind gewöhnlich zur Buckelpiste ausgefahren.
- Sektor Verdons Sud
Auch der Sektor Verdons Sud besticht immer noch, auch wenn die dortige Piste Hara-Kiri im Sommer 2010 als Vorbereitung auf den Ersatz des alten, langsamen Vierersessellifts aufwendig remodelliert wurde. Die blaue Umfahrung Bozelet, die oben noch etwas weiter über den Grat führt, ist eine der schönsten Pisten, die ich in dieser Woche fahren kann. Highlight sind jedoch Les Bosses (dt. "die Buckel"), eine unpräparierte schwarze Piste in einer nicht allzu breiten, mittelsteilen Rinne. Vom Roche de Mio her befindet sich neben der blauen Piste Le Levasset immer noch eine langgezogene Rinne, eventuell ein Bachbett oder ähnliches, das zur Genuss-Buckelpiste ausgefahren ist.
Leider ist der untere Teil von Verdons Sud auch aufgrund der Hangexposition extrem schneearm. Der direkte Südhang zur Talstation ist sogar nahezu aper, so dass man zwangsläufig den beschneiten Umfahrungsziehweg nehmen muss.
- Grande Rochette und Verdons Nord
Von der Grande Rochette führt eine gleichnamige schwarze Abfahrt hinunter nach Plagne Centre. Wirklich schwarz ist dabei nur der obere Steilhang, der später in eine allenfalls blaue, schön kuppierte und bei meiner Befahrung menschenleeren Genusspiste mündet. Nebenan im Bereich Verdons Nord haben wir abseits der Mercédès oft noch Pulverschnee finden können, wenn sonst bereits überall Sulz ist. Leider habe ich es dieses Jahr nicht dort hin geschafft.
- Les Inversens
Herauszuheben ist außerdem die rote Abfahrt Inversens am gleichnamigen Lift im Sektor Roche de Mio. Ein Idealhang, der leider - oder zum Glück - anschließend eine extrem langsame Sesselliftfahrt von beinahe 20 Minuten erfordert, sofern die schwarze Abfahrt Les Crozats, die ich leider noch nie befahren konnte, geschlossen ist.
- Waldpisten Les Coches
Nicht zu vernachlässigen sind schließlich die Waldpisten von Les Coches. Hier gibt es einige etwas abseits verlaufende Pisten wie z.B. Pierres Blanches, die vom Allerweltspublikum nicht immer gefunden und daher nicht allzu stark befahren werden. Gerade an Schlechtwettertagen bei diffuser Sicht eine sehr gute Alternative.
Leider nicht befahren konnte ich den Bereich La Roche, der vor einigen Jahren ausgebaut wurde. Hier dürfte die neue Sesselbahn noch einige weniger befahrene Randpisten erschließen.
Einige Eindrücke aus dem Skigebiet:
Abendlicher Blick auf den oberen Teil von Inversens
Télécabine Roche de Mio und Tunnelpiste im Vordergrund. Im Hintergrund Aime 2000.
Ankunft mit dem Inversens-Sessellift am Roche de Mio
Blick in die Geländekammer der ehemaligen Abfahrten im Gletschersektor. Heute freies Gelände, das problemlos vom Lift aus erreichbar ist.
Plagne Bellecôte
L'Arpette, der Übergang in den Sektor von Montchavin und Les Coches und weiter nach Les Arcs. Trotz des Ersatzes des alten Vierersessellifts durch einen Achtersessellift mit 4000 Pers./h immer noch ein Nadelöhr.
L'Arpette
Blick auf den Kernbereich von La Plagne. Sanftes Almgelände.
Grande Rochette
Ein Funitel gibt es auch, und meines Erachtens ist das Exemplar in Plagne Centre eines der interessantesten dieser Gattung. Die Bahn fährt grundsätzlich Vollgas (7,2 m/s und damit eine der schnellsten mir bekannten Anlagen) und hat vor der Bergstation ein ziemlich langes Seilfeld mit ordentlich Bodenabstand. Man fliegt förmlich in die Bergstation ein. Leider ist die Talstation nicht sonderlich schlau platziert. Während die Vorgängerbahn, eine Zweiseilumlaufbahn von Bell mit extrem stylishen Kabinen, direkt in Plagne Centre startete, hat man die Station des Funitels etwas oberhalb errichtet - insbesondere von Aime 2000 her kaum ohne anschieben zu erreichen, weil man die Front Neige als verantwortungsbewusster Skifahrer unmöglich mit dem notwendigen Schwung durchfahren kann.
Ausfahrt Talstation
Strecke
Mittlerer Streckenteil
Oberes Seilfeld vor der Bergstation
6. Die StationDass ich gerne nächtliche Streifzüge durch Retortenstationen unternehme, sollte seit meinen letzten Berichten aus Les Menuires hinlänglich bekannt sein. Auch im Skigebiet von La Plagne gibt es dazu reichlich Möglichkeiten. Die Erschließung begann 1961 auf den Resten einer alten Mine, deren Stillegung drohte. Es entstand mit Plagne Centre zunächst eine klassische, integrierte Skistation der dritten Generation. In Plagne Bellecôte und Aime 2000 folgten Ende der 60er bis Anfang der 70er-Jahre weitere Stationen im typischen Hochhausstil dieser Zeit. Erst deutlich später kam es zur Anbindung der sogenannten "Stations Villages" Montchavin/Les Coches, Montalbert und Champagny.
Wer sich für die Geschichte von La Plagne interessiert, dem seien die Seiten von Romain Guigon,
http://www.perso-laplagne.fr, wärmstens empfohlen. Dort finden sich diverse Anekdoten aus der Anfangszeit (frz.) sowie Unmengen an alten Fotos.
Anbei einige Eindrücke rund um Plagne Centre.
Talstation des Funitels in Plagne Centre
Wenn man anfängt, Pistenraupen zu fotografieren, wird man in Frankreich gerne mal zum Mitfahren eingeladen
Plagne Centre
Nächtlicher Blick von der Front Neige zur Grande Rochette
Die andere Seite von Plagne Centre
Hotel Le France mit Pistenunterführung
Aime 2000 - ein Monsterbau von 1968, dessen enorme Breite aus dieser Perspektive nicht ganz zur Geltung kommt. Musste angeblich mindestens 2000 Betten enthalten um den Bau der Straße dort hin subventioniert zu bekommen, was aus geologischen Gründen nicht anders realisiert werden konnte.
Die Rückseite von Aime 2000
Blick nach Bourg-St.-Maurice
Im Wartebereich der Télémétro, die Aime 2000 mit Plagne Centre verbindet
Télémétro
Plagne Centre
Einfahrt über den Hinterhof von Plagne Centre
7. AbendstimmungEin Vorteil um diese Jahreszeit ist, dass man problemlos die Abendstimmung auf den Gipfeln erleben kann, ohne allzu lange dort oben verharren zu müssen. Mit Liftschluss bricht die Abenddämmerung herein. Das konnte ich mir nicht entgehen lassen.
Mont Pourri (3779m, links) und Dôme de la Sache (3601 m, rechts)
Mont Pourri
Grande Motte (3653 m) und Grande Casse (3852 m)
Grande Motte
Grande Casse
Meije (3984 m) und Râteau (3809 m)
Vanoise-Gletscher
Glacier de la Chiaupe
Glacier de Bellecôte
Aiguille Rouge in Les Arcs, 3226 m
Grand Combin (4314 m) im Wallis
Cime de Caron, 3198 m
8. FazitGerne hätte ich an dieser Stelle die ultimative Gebrauchsanleitung für La Plagne gepostet, doch leider war das aufgrund der Schneeverhältnisse und meiner körperlichen Verfassung nicht möglich. Dennoch konnte ich in dieser Woche genügend Eindrücke sammeln, die mich in meiner ursprünglichen Einschätzung bestätigen - auch wenn ich die wenigsten davon bildlich festhalten konnte. Paradiski bietet großartige Möglichkeiten, die meines Erachtens von vielen Besuchern nicht wahrgenommen werden! Selbstverständlich handelt es sich um ein industrialisiertes Großskigebiet, das von modernen Auswüchsen wie Pistenmodellierungen und Achtersesselbahnen nicht verschont geblieben ist, und natürlich offenbaren sich die interessanten Abfahrten nicht auf den ersten Blick. Doch man sollte sich speziell von dem sanften und in der Tat ziemlich flachen Almgelände um die Stationen von La Plagne nicht täuschen lassen. Wenn man sich nicht auf blaue und rote Pisten beschränken will, wenn man Buckelpisten oder unpräparierte Abfahrten mag und auch mal ins freie Gelände ausweicht, ist Paradiski seinen renommierteren Nachbarn mindestens ebenbürtig, vielleicht sogar ein Stückchen überlegen. Ich brenne jedenfalls bereits auf einen Wiederholungsbesuch bei besseren Verhältnissen - wann immer das sein wird.