Montreux hatte ich letzten Samstag nicht ins Navi eingegeben, als ich mich am Morgen auf den Weg zum Skifahren machte. Irgendwo südlich vom Thunersee wollte ich hin, dort erschien mit die Kombination aus dem Wetter am Vortag, den aktuellen Temperaturen und der Vorhersage am vielversprechendsten. Am Vorabend war ich nicht mehr zu einer Entscheidung gekommen, aber bis Thun sollte ich das hinbekommen. Kurz vor Bern, als eine Fahrt nach Montreux die Fahrzeit sogar ein wenig verkürzt hätte, geriet ich wieder ins Grübeln.
Letzte Woche Mittwoch hatte ich einen der vielen Versuche gestartet, der MOB eine Aussage darüber zu entlocken, ob am Wochenende Vollbetrieb am Rochers-de-Naye sein würde. Einen ganzen Tag, fünf Mails und drei Ansprechpartner später hatte ich die gewünschte Auskunft. Doch ich traute dem Braten nicht. Kein weiteres Mal wollte ich in der kleinen Schalterhalle von GoldenPass stehen und mir anhören müssen, dass die Lifte mal wieder nicht geöffnet sind. Aber jetzt, wo ich nur noch wenige Kilometer entfernt war, könnte ich den Abstecher vielleicht doch riskieren. Ich würde nicht mehr den ersten Zug um 08:17 Uhr schaffen, aber das wäre dann auch egal.
Erst um kurz nach 8 Uhr ging jemand ans Telefon.
Bonjour! Pahrläwuallmon? Ja, ein wenig. Gut. Wie schaut's aus, alles in Betrieb? Weiß ich nicht. Eventuell der Lift dessen Namen ich auf Deutsch nicht kenne. Sowas wie ein T. Aber rufen Sie später wieder an, so ab 9 Uhr wissen wir es vielleicht. Soll ich jetzt schreien, lachen oder weinen? Ihr habt nicht mal kurz vor dem ersten Zug eine Ahnung davon, welche Lifte laufen? Ich holte erstmal ein paar Franken am nächsten Geldautomat, überlegte noch ein paar Minuten und drehte dann um. Nebenbei drückte ich ein letztes Mal auf aktualisieren und plötzlich waren alle Lifte auf grün. Was für ein Chaosverein.
Um 08:45 Uhr lief ich in den vollkommen überfüllten Bar-Schalter-Toiletten-Bereich von GoldenPass/MOB. Der Mitarbeiter am Schalter fragte mich nach meiner Reservierung und verzog kurz das Gesicht, als ich ihm sagte, dass ich keine Reservierung habe. Es folgte ein zehn Minuten langes Hin und Her mit der Kollegin am Schalter nebenan. Der Weihnachtsmann saß in der Gipfelgrotte und entsprechend wie die Hölle los - Einheimische und Touristen wollten auch nach oben, was aber nur mit Reservierung möglich war. Irgendwann verkaufte mir der Mitarbeiter den Skipass für 35 CHF, aber nicht ohne mich darauf hinzuweisen, dass er nicht garantieren könne, ob ich überhaupt einen Platz im Zug bekomme. What?!
Ich stelle mich also in die aktive Masse asiatischer Touristen und wartete darauf, dass der Mitarbeiter von MOB mein Ticket kontrollierte. Mit den Ski in der Hand wurde ich irgendwann vorbeigewunken und sollte diese in den kleinen Beiwagen legen. Da stürmte ein zweiter Mitarbeiter heran, es gab eine wilde Diskussion und am Ende stellte sich heraus, dass man einen zweiten Zug einsetzte, der nur die Skifahrer nach oben bringen würde. Was für ein Chaos. Gegen 09:30 Uhr, mit einer für die Schweiz doch ungewöhnlichen Verspätung, ging es endlich los.
Ich glaube wir saßen anfangs zu fünft im Wagen, an den einzelnen Haltestelle stiegen immer wieder ein oder zwei Skifahrer dazu und ein lautes Bonjour! schallte durch den Wagen, gefolgt von einem regen Austausch. Ich bin zwar kein Freund von Zahnradbahnen, einem Zugspitze-Trauma aus der Kindheit sei Dank, aber das langsame Gerumpel auf den Berg war heute zur Abwechslung mal ganz nett.
Langsam ging es bergauf und ich versuchte den SL Caux zu entdecken, ohne zu wissen, ob er aus der Bahn überhaupt zu sehen sein würde. Dann wurden die ersten Skifahrer langsam nervös und es war klar, dass wir uns wohl im letzten Tunnel vor Jaman befinden.
Wir stiegen zu viert aus, schnappten und das Wintersportgerät und schon setzte sich der Zug wieder ruckelnd in Bewegung.
Hier war man noch im Schatten, ich wollte trotzdem zuerst den steilen Tellerlift fahren. Das Thermometer zeigte knapp über 0 Grad, hoffentlich würden die Pisten bald auffirnen.
Das berühmte talwärts fahrende Seil, davor die noch pickelharte Abfahrt
Die Abfahrt war weit entfernt von einem Genuss, die Aussicht und die Lifttrasse im Moment deutlich interessanter. Auf dem Weg nach unten durchfuhr man mehrere Luftschichten, in dem halbrunden Kessel war es in der Summe aber deutlich kälter. Von hier hat man drei breite Carving-taugliche Abschnitte, dazwischen jede Menge wild trassierte und recht schmale Ziehwege (plus das Gelände).
Und dann bereits im Lift mit dem Blick auf das erste Steilstück
Auf dem Weg zum Zwischeneinstieg. Hey, ein anderer Skifahrer. Es war schon etwas seltsam, wie alleine man hier war.
Seitenblick zum Liftseil
Nach dem Zwischeneinstieg geht es flach dahin, bis man zur berühmten Engstelle kommt. Mittlerweile kann man aber direkt danach nach rechts auf eine eigene schmale Piste ausweichen.
Nach ein paar Fahrten wollte ich rüber in die Sonne. Ich hatte noch 20 Minuten bis zu nächsten Zug, genug Zeit für einen kleinen Snack - eine süße Waffel mit Apfelmus. Alles andere von der interessanten Karte hätte viel länger gedauert.
Hier saß ich später in der Sonne
Blick hoch zum Halt La Perche. Die Piste war später leicht aufgefirnt und so schön zu fahren (außerdem nett trassiert).
Öhm, auch hier nichts los? Wo sind die alle hin?
Erstmal ganz runter zum Katapultstart, die Piste hier ist natürlich etwas flach
Noch so eine Engstelle, dafür mit einem netten Absatz danach
Na endlich, bin ich doch nicht ganz alleine hier oben
Selbst hier „unten“ ist die Aussicht fantastisch
Dass man alle Touristen in die Grotte schickt, erfuhr ich erst später. Bis dahin überlegte ich noch, wo die Leute aus den zwei langen Zügen alle hin sind.
Doppel-Totpunktausstieg
Ich testete auch mal die Obenrumabfahrt, war ganz nett
Der obere Teil der Abfahrt ist ein echter Sahnehang, hier war der Schnee auch perfekt
Am Ende des Skigebiets
Auch hier: Semiautomatik. Der Liftler hatte sogar ein zweites Seil in seinem Verschlag, was allerdings ständig klemmte. Irgendwann kam er genervt raus, bei dem geringen Andrang wohl auch kein Problem.
Pano vom Gipfel
Fotografie-Grundkurs: durchgefallen
Trotzdem eine tolle Aussicht!
Da geht es gut runter
Zwei Stunden tobte ich mich im oberen Kessel aus, dann hoffte ich darauf, dass die Pisten auf der anderen Seite weicher geworden waren. Leider war das nicht der Fall. Nur die Abfahrt von La Perche konnte überzeugen.
Die Sonne reichte auch nicht aus, um den Steilhang etwas aufzuweichen. Und weil wir gerade bei steil sind: was ist denn nun der steilste Schlepplift der Schweiz, doch nicht etwa Schonegg?
Endlich war mal ein bisschen was los
An ein paar kurzen Stellen zieht es schon ordentlich am Seil
Was für ein Bokeh
Der zweite Hang der Abfahrt - weiter oben stand dieses Warnding an einer Engstelle mitten im Weg...
Schlusshang. Unten stehen jede Menge verdächtige Fundamente rum, aber der kurze SL war ja weiter oben (hinter mir rechts hoch) und der lange ging auch früher nicht länger runter, oder?
Blick zurück - ein toller Hang
War hier früher auch die TS?
Nochmal der Blick zur Stütze
Gibt also auch in der Schweiz Chemtrails
Tiefblick vom Halt Jaman
Eigentlich wollte ich mit der Bahn zum SL Caux fahren, die Luft war so langsam raus und die Route konnte bei den Bedingungen doch nicht besonders angenehm zu fahren sein. Wie auch vorher, kam zuerst der große Zug mit den Besuchern von Papa Noël, kurz dahinter der kleine Triebwagen für die Skifahrer. Der große Zug hielt, propenvoll, den ließ ich lieber weiter. Der zweite Zug hielt und der Zugführer schaute mich groß an, als ich meine Ski in den Beiwagen legen wollte. Irgendwie konnte er mir mitteilen, dass er gleich wieder nach oben fährt und nicht nach Montreux. Aha, warum ändert sich das jetzt plötzlich? Ich kam danach ins Gespräch mit ein paar Locals, die meinten, dass es bei der MOB immer so chaotisch zuginge und ich mich nicht wundern soll. Ich wollte keine weitere Stunde warten, also ging es zurück nach La Perche.
Die Aussicht ist fantastisch, aber links geht es ganz schön steil runter
Ich ließ die Einheimischen vorfahren, auch hier war der Schnee noch viel zu hart
Aussicht 10, Abfahrt 0
Ist sowieso nicht so mein Fall, aber bei den Bedingungen war es einfach nur grauenhaft zu fahren
Blick zurück, bei Neuschnee sicher ein Traum
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich klatschnass und am Ende meiner Kräfte am SL Caux ankam. Auch hier: nichts los. Immerhin entschädigte der alte Brunner-SL dafür.
Noch nie einen so filigranen Antrieb gesehen
Tolle Stimmung auf der Talfahrt
Ich war zu platt, um noch ein Foto mit den Palmen an der Promenade zu machen, daher musste diese Mini-Version reichen - stilecht mit Flasche. Am Bahnhof wurde man mit Skiern angeschaut wie ein Außerirdischer.
Verrückt, dass es nun endlich geklappt hat. Ein total kurioses Skigebiet, landschaftlich wunderschön gelegen und mit einem sehr interessanten Liftmix (steil, abgelegen, Stange, Teller, Bügel...). Ich würde es gerne nochmal bei etwas besseren Bedingungen erleben. Nächstes Jahr dann, vielleicht.