Wie geschrieben: Chronologisch ist es nicht ganz korrekt, dass nun der
Col de Rousset dran ist. Aber es ist eben der am schnellsten zu erstellende Bericht, da ich es nur gerade drei Stunden aushielt in der sibirischen Kälte. (Etwas ärgerlich ist, dass inzwischen in Gréolières und Audibergue die Saison auch losgegangen ist und wir längst wieder in der Schweiz sind, aber was soll's.)
Das kam so...
Nach zwei Wochen Familienhausarbeiten in Seillans (Pays de Fayence) begann es plötzlich heftig zu schneien. Das war zwar angekündigt, aber an einem Ort, wo es Olivenbäume und Palmen hat, erwartet man nicht unbedingt 15cm Neuschnee in zwei Stunden.
Das gab's aber am Montag... und wir wussten: Aus terminlichen Gründen müssen wir heute hier weg. Oder wir sagen alles ab und bleiben bis Freitag - denn erst auf diesen Tag sollte die "episode neigeuse" enden. Schneeräumung ist natürlich nicht die Stärke der Südfranzosen. Sprich: Die Nebenstrassen - und wir wohnen an so einer - werden weder gepflügt noch gesalzen.
Schlussendlich wurde es knapp: Wir mussten noch ein paar Pflanzen für eine neue Hecke in der Gärtnerei holen - Oleander im Schneesturm verladen hat schon etwas leicht Bizarres. Nach dem Ausladen wussten wir: Nun müssen wir weg! Also, Gepäck rein, los geht's.
Die Fahrt zur A8 durch das Pays de Fayence und entlang dem Lac de St-Cassien war heikel - die meisten hatten wohl Winterreifen, der Schnee begann auf der Strasse zu haften, auch auf der Autobahn gen Westen war es nicht besser. Strassenschilder, die an Sommerferien erinnern, verschneit zu sehen - mal was anderes!
Es gibt hier unten zwar rund alle 10-15 Jahre einmal einen rechten Haufen Schnee, bislang hatte ich das aber nicht live erlebt. Trotz allem: Cool!
Bei Trets (etwa am Übergang zum Département 13, Bouches du Rhône) wechselte das Wetter innert weniger Kilometer bzw. Fahrminuten von "Schneesturm" zu "wolkenlos" - die Störungszone war wie mit dem Messer abgeschnitten zu Ende.
Von einer Tankstelle aus konnte man einen Blick zurück auf die Wolken werfen, die das Chaos an der gesamten Côte d'Azur und deren Hinterland angerichtet haben:
So fuhren wir an diesem 26. Februar noch zum gemütlichen Städtchen Die (Drôme) mit seinem Öko-Chic und dem wunderbaren Sekt "Clairette de Die", die an Moscato d'Asti erinnert (was heisst: man kann sehr schnell sehr viel davon zu sich nehmen, wenn's sein muss...).
Hier war es zwar sternenklar, aber ebenfalls bitterkalt - es war die Fortsetzung dessen, was die Grossbuchstabenmedien als "Russenpeitsche" bezeichneten in diesen Tagen, einfach nun auch im Süden. Wir fanden eine gemütliche Kneipe und assen nach diesen hektischen Tag was Feines.
Am nächsten Morgen kamen Erinnerungen an 2014 auf, als ich starlis 2013er-Tipp "Col de Rousset" schon ausprobieren wollte. Damals landeten wir in Villard-de-Lans, da am Col de Rousset dichter Nebel herrschte.
Wenn der Ostwind die Wolken bzw. den Hochnebel nach Südwesten drückt, bleibt er genau im Kessel hängen, bevor's steil in die Provence runter geht - schön in jener Senke des Vercors-Massivs, in dem das Skigebiet Col de Rousset liegt. Am Grat oben sah man jedenfalls den Hochnebel schon winken:
Die Webcams sagten allerdings aus, dass es diesmal klappen könnte - wechselhaftes Wetter mit Nebelfetzen, aber auch viel Blau. So nahmen wir in einem Café einen Crème, mampften ein Croissant, warfen noch einen Blick auf die malerische Stadt...
... und fuhren dann los. Eilig hatten wir es nicht - laut der Website war es oben auf dem Berg -13 Grad (mit Windchill -28). Auch wenn wir in den 1980ern im Engadin ständig bei -30 herumfuhren - I'm getting too old for that shit!
Die Fahrt führt zuerst aus dem Ort hinaus Richtung Valence und dann nach rechts nach Chamaloc:
Lavendelfelder einmal anders - im Winterschlaf quasi:
Langsam schlängeln wir uns fast 1000 Höhenmeter zum Col de Rousset hinauf, die Landschaft wird nun deutlich gebirgiger.
Nach etwa 25 Minuten waren wir auf dem höchsten Punkt - gleich hinter diesem kurzen Scheiteltunnel ist die Talstation:
Von hier aus sieht man schön ins Diois runter, wie die Gegend um Die genannt wird:
Und... ja, wie MINDESTENS minus 30 Grad fühlte sich das dann auch an, als ich auf dem Parkplatz ausstieg und in die Skischuhe wechselte...
Die Spuren auf dem nicht sehr vollen Parkplatz verraten es schon: In Bern würden wir sagen "mir hei e tüchtigi Bise" - so nennt man in der Schweiz den Ostwind, der natürlich meistens kalt ist, sich entlang des Juras verstärkt - und irgendwann ein paar Kilometer weiter dann eben auch auf den Vercors prallt...
Wie sollte ich so vernünftig fotografieren? Nun gut, immerhin das Wetter stimmte diesmal. Und die 16.50 Euro für die Morgenkarte fand ich auch OK.
Hier sieht man zugleich, dass es in der Drôme noch andere nette kleine Skistationen hat. Die grösseren Vercors-Skigebiete von
Lans und
Villard-Corrençon (weiter nördlich) liegen allerdings in der Isère.
Der Col de Rousset und seine Berggräte sind nicht nur klimatisch und geographisch wichtige Trennlinien. Hier befindet sich gewissermassen auch die emotionale Grenze zwischen "Gefühl Nord" und "Gefühl Süd". Kommt man von Norden her, meist aus Grenoble, und durchquert das faszinierende Kalkgebirge des Vercors, so fühlt man sich auf der Nordseite des kurzen Scheiteltunnels noch fast wie in der Schweiz, jedenfalls dominiert die Gemütslage "Nord"...
... kaum ist man aber auf der anderen Seite...
... blickt man in die Provence, die Lavendelfelder beginnen, im Sommer zirpen die Grillen, und kaum ist man in Die unten, kommt Urlaubsstimmung auf: Hier ist man definitiv im Süden angelangt.
Die Fotos zeigen es: Inzwischen waren wir auch schon zwei, dreimal im Sommer hier.
Das Vercors-Massiv war auch für die Résistence im Zweiten Weltkrieg eine wichtige Basis, zahllose Denkmäler und auch Museen erinnern an den Widerstand gegen die Besatzer:
Weiter südlich, z.B.
in den Baronnies der Drôme Provençale, wimmelt es nur so von schönen Ecken und den "Klassikern" wie "Lavdendelfelder mit Ruinen" und solcherlei.
Ich kann eine Reise durch diese Gegend also nur wämstens empfehlen.
Zurück in den Winter 2018: Skifahren auf dieser geographischen, aber eben für mich auch gefühlsmässig "magischen Grenze" hat mir viel bedeutet - es war wohl DER Skimoment dieses Winters. Die Übergänge vom Lebensgefühl zu Hause im Norden hin zum unbeschwerten Süden - und wieder zurück - begleiten mich seit frühester Kindheit. Die zahllosen Reisen nach Südfrankreich (zuerst mit den Grosseltern, ganz zu Beginn noch mit der Urgrossmutter) sind fest im Gedächtnis eingeprägt.
Genau auf dem Grat zwischen diesen beiden Welten mein liebstes Hobby auszuüben (Skifahren, und das erst noch auf antiken Schleppern) und diese Grenze auch noch wie heute durch knirschenden Pulverschnee und den Kontrast zum braungrünen Süden symbolisiert bekommen - sehr, sehr schön.
Das Skigebiet Col de Rousset, auf dem Gemeindegebiet von Saint-Agnan gelegen, wurde wie so viele in Frankreich mit staatlicher Hilfe aufgebaut.
In diesem PDF ist nachzulesen, dass der erste KSSL anno 1952 erbaut wurde. Schon 1938 gab es ein Rope Tow mit Benzinmotor. Interessant ist, dass der letzte Schlepper (Econdus, der "hinterste" und attraktivste) erst 1999 aufgestellt wurde. Die teuerste Erweiterung war zweifellos der Bau der 4KSB im Jahr 1991, die schon bei der Kasse gefietschert wird:
Gleich hintendran beginnt die 1980 erbaute breite Strasse "hintenrum" aufs Plateau de Beure.
Diese Hochebene ist auch in der Diretissima per 4KSB zu erreichen:
Rechts führt der erwähnte KSSL "Vallon" hoch, der 1952 erbaut und laut RM wohl 1958 ersetzt wurde.
Die Poma-Sesselbahn
wird auch auf RM ausführlich vorgestellt. Sie ersetze eine Zweiersesselbahn von Montaz Mautino (1964) mit fliegender Umlenkscheibe, die im Bericht bildlich dokumentiert ist. Weitere Fotos dieser Anlage
hat es auf dieser Seite.
Im Bereich des "Front de neige" auf 1254m liegen auch ein paar klassische Retorten-Apartmenthäuser aus den frühen 1980ern (
hier schön beschrieben als " immeubles sans vie aux appartements toujours fermés, dominant la place de leur tristesse infinie") und der verschlossene Eingang des früheren Scheiteltunnels (erbaut 1866). Der aktuell befahrene Tunnel stammt von 1979.
Bilder aus vergangenen Zeiten hat es hier.
Mit der Sesselbahn geht's also zum Hochplateau, auf dem sich einige KSSL befinden. Hier sieht man auch die Bemühungen für den Sommerbetrieb (Rodelbahn):
Und JA; es war wirklich schweinekalt! (Fanden auch meine Vintage-Stöcke aus dem Jahre 1991.)
Weiter oben bekommt man eine schöne Übersicht über die Waldschneisen des KSSL Vallon...
... der genau an dieser ominösen Grenze zwischen "Gefühl Nord" und "Gefühl Süd" endet - dahinter gehts es steil nach Die runter:
Die 4KSB bietet auch die einzigen wirklich schweren Abfahrten des Gebietes, allerdings leider schlecht oder nicht präpariert:
Kurz vor der Bergstation dann die ersten Aussichten à la starli anno 2013 nach Süden - darauf hatte ich geplangt!
Leider war es nun Zeit für eine Leichenschau.
Ich dachte: Whow, ein schönes Hochplateau. Doch da warteten extrem brutale, tragische Anblicke.
(Fortsetzung folgt demnächst in diesem Kino)