Belgische PralinenAlle zehn Jahre, so die Annahme eines Kollegen, könnte man in Belgien Schifahren. Aber für die 50 Höhenmeter brauchst du doch nicht so weit fahren, bekam ich wieder und wieder zu hören. Wir saßen vor dem Monitor meines Laptops und studierten die topographische Karte, irgendwo würden sich doch noch ein paar Höhenmeter finden. Als sich der Maßstab änderte und das Bild neu geladen war, waren ein mehr Höhenlinien eingeblendet und siehe da, wir hatten die zusätzlichen Meter gefunden. Mit einem verächtlichen Raunen verschwand mein Kollege wieder an seinen Platz und murmelte dabei noch etwas von „Viel Spaß!“.
Nach knapp drei Stunden Fahrt durch ein verschlafenes Land, kam ich um 08:58 Uhr am ersten Hang in Ruy an. „Mont de Brumes“ nennt sich das Gebiet, auf 850 m kann man um die 150 Hm überwinden. Der Hang wird durch einen Seillift und zwei KSSL von Montaz Mautino erschlossen. Mangels eines kleinen Hügels zur Beschleunigung, kann hierbei der bekannte Katapultstart genossen werden. Der Hang selbst ist - gerade bei diesen Schneeverhältnissen - als selektiv zu bezeichnen. Das blaue Flachstück zu Beginn bietet ein paar schöne Schwünge, nach der Kurve geht es in einen hellroten Abschnitt über und dann folgt eine rote Passage mit viele Kanten, Eisplatten und Furchen. Gerade ein durchziehender Waldweg bedarf einer gewissen Aufmerksamkeit.
Es ist 9 Uhr, eigentlich sollten die Lifte ab jetzt laufen. Interessiert schauen die ersten Einheimischen auf mein Kennzeichen, trotzdem werde ich mit einem herzlichen „Bonjour“ begrüßt. Man begibt sich gemeinsam zur „Streckenbesichtigung“, nach wie vor ist kein Liftpersonal zu sehen. Nach einigen Minuten kommt ein Jeep den Übungshang hinauf geschossen, gemütlich steigen ein paar Belgier aus und beginnen mit den Vorbereitungen. Die Hütte wird aufgeschlossen, man macht eine Probefahrt mit einem uralten Ski-Doo hinauf zur Bergstation und es wird viel diskutiert. Kurze Zeit später halte ich auch meine Tageskarte für 15 Euro in den Händen. Einer der Mitarbeiter schließt einen kleinen Verschlag auf, in dem sich die Steuerung für den langen KSSL befindet, und schon kann es losgehen.
Gewohnt schnell geht es den Berg hinauf und zu meiner Überraschung hat man im oberen Teil großflächig abgeholzt. Präsentierte sich die Abfahrt auf alten Aufnahmen noch in einer engen Waldschneise, kann man heute ein schönes Panorama über die belgischen Ardennen genießen. Zudem wärmt die Sonne und macht die morgendlichen Minusgrade erträglich.
Im oberen Teil und auf ein paar Metern der Hauptpiste genießt man den Pulverschnee, danach wird es anstrengend. Buckel, Wellen, Eisplatten und Kanten folgen vollkommen willkürlich und machen die kurze Abfahrt zu einem echten Erlebnis. Schon nach der zweiten Runde ist mir richtig warm, die -8° kühlen auch nicht mehr genug.
Nun stößt auch endlich meine heutige Begleitung dazu. Während wir am Ausstieg ein wenig über das Gebiet philosophieren, kommt einer der Liftler nach oben gerauscht und wirft einen kritischen Blick auf die fliegende Umlenkscheibe. An nur zwei Stellen fixiert, schwingt diese munter hin und her, was zu einem rhythmischen Anschlagen führt. Es scheint aber den Betrieb nicht wirklich zu stören, also geht es weiter mit den Katapultstarts.
Der Hang kann sich sehen lassen, hätte aber nochmal gute 20 cm Schnee verdient
Später wurden die Karten kontrolliert und den Kinden beim Einsteigen geholfen, KSSL-üblich blieben die Stangen auch gerne mal hängen oder verklemmten sich
Der neuere der beiden Ski-Doo
Mit der Zeit wurde es etwas voller und die Piste zusehends schlechter. Wir beschlossen daher, mit Ovifat (dt. Fischvenn) das nächste Ziel anzusteuern. Gefühlt war an diesem Tag halb Belgien in der Region unterwegs, es war viel los auf den Straßen und an den diversen Wintersportplätzen jede freie Parklücke sehr begehrt.
Beim Einbiegen in die Zufahrtsstraße dann ein kleiner Schock: eine lange Schlange stand bis zur Einfahrt des Parkplatzes. Dort wurde man erstmal um zwei Euro erleichtert und ein paar Jungs versuchten das Chaos in geordnete Bahnen zu leiten. An einem Container auf dem Parkplatz stand die nächste Schlange, geschätzte 30 Minuten Wartezeit waren garantiert. Wir beschlossen daher erstmal, uns den Zustand des Gebiets anzuschauen. Nach ca. 200 m Fußweg über einen weiteren Parkplatz erreicht man den zentralen Einstieg: ein überfülltes Gelände mit vielen Warteschlangen (schon wieder!), Liftstationen und Absperrzäunen. 1,50 Euro Eintritt kostet das Betreten des Areals, Liftkarten gibt es separat zu erwerben. Die 40 cm Neuschnee machen hier den Unterschied, die Pisten sehen richtig gut aus - zudem gibt es noch zwei Holzstützen-SSL. Nun stellt sich auch heraus, dass die Schlange auf dem Parkplatz zum Schiverleih gehört.
Die Liftkarten gibt es erst auf dem Gelände zu kaufen, man bekommt 18 Fahrten für 10 Euro (oder alternativ 1 Euro pro Fahrt). Es geht zu wie auf dem Jahrmarkt, das Gelände ist extrem verbaut und ein starker Kontrast zum ruhigen Mont de Brumes. Wir nehmen als erstes die grüne Piste in Angriff, welche an einem KSSL „Poma“ und dem SSL „Gazon 1“ endet (Gazon war der Erbauer des ersten Schilifts).
Es dauert eine Zeit, bis wir das zweite Kuriosum erkennen: die „Blockabfertigung“ am Lifteinstieg. Am Poma kann man sich von zwei Seiten anstellen. Der Liftler zählt und knipst die Leute ab, dann wird der Zugang für genau diese Menge geöffnet. Am SSL daneben gibt es drei Anstellbereiche, die reihum abgearbeitet werden.
Die Lifttrassen sind wie das Gebiet selbst abgesperrt, was auf Grund der vielen Anfänger sicherlich Sinn macht. Am linken Rand steht noch ein fixgeklemmter Anfängerlift, den, ganz zum Leidwesen der Liftler, die vielen unerfahrenen Schifahrer links liegen lassen. So kommt es an den Einstiegen, insbesondere am KSSL, immer wieder zu Stürzen. Auf den Pisten links und rechts der Lifttrasse geht es hingegen recht gemütlich zu, beide sind auch in einem sehr guten Zustand.
Wir wagen uns auf die ruhige Seite, zur einzigen roten Abfahrt. Auf ca. 400 m werden hier maximal 80 Hm durch einen zweiten Holzstützen-SSL erschlossen. Der obere Teil ist angenehm geneigt und gut präpariert. Nach der Kante folgt das unpräparierte Steilstück, wo sich Buckel, Ziehwege und Eisplatten abwechseln. Eine harmonische Abfahrt ist nicht möglich, was das Vergnügen doch deutlich schmälert.
Lange Wartezeiten, viel Betrieb und ein wenig zufriedenstellendes Angebot veranlassen uns zu einem schnellen „Abarbeiten“ des Gebiets.
Der zentrale Bereich - drei der vier Lifte enden hier oben, wobei die Umlenkung von Gazon 1 unterirdisch gebaut ist (jedoch unüberhörbar dieselbetrieben)
Der Einstiegsniederhalter am Gazon 2
Nachdem die weiteren belgischen Gebiete noch weniger Wintersportvergnügen bieten, entschließen wir uns zum Abschluss des Tages, das kleine Schigebiet im deutschen Monschau-Rohren zu besuchen. Da die Fritten hier angeblich aus Belgien kommen, bin ich gnädig und nehme es in die Reihe belgischer Pralinen mit auf. Knapp eine halbe Stunde stehen wir schon wieder in den Schischuhen…
Das Gebiet wird durch einen Leitner SL Bj. 1972 (Länge ca. 550 m, Höhendifferenz ca. 130 m) sowie einen Seillift erschlossen. Ein alter Pistenplan sowie entsprechende Gebäude vor Ort lassen vermuten, dass der Anfängerbereich früher durch zwei Seillifte auf der gegenüberliegenden Seite erschlossen wurde. Äußerst abwechslungsreich gibt es viele verschiedene Varianten, die in einem guten Winter das Gebiet sehr interessant machen und problemlos einen halben Tag „unterhalten“ können.
Inmitten der Laubwälder steht die einfache Talstation. Wartezeiten gibt es so gut wie keine, die Masse an Besuchern tobt sich auf dem Rodel- oder Anfängerhang aus. Die Nachmittagskarte kostet mit 12 Euro etwas mehr und ist für das Gebotene einen Tick zu hoch angesetzt (läßt man den Kultfaktor solcher Gebiete außen vor).
Auch hier wurde im Steilhang nicht gewalzt, entsprechend fährt man mehr auf Gras und Erde als auf Schnee. Bei jedem Schwung riecht es stark nach Gras/Heu, was dem Schifahren doch einen ganz eigenen Aspekt hinzufügt. Auf der anderen Liftseite gibt es eine schmalere Waldabfahrt, die leider im Mittelteil mit viel Eis gespickt ist und so einige Schifahrer von ihren Sportgeräten holt. Ganz grundsätzlich sind doch extrem viele Anfänger unterwegs und alle paar Meter liegt jemand am Pistenrand.
In der warmen Nachmittagssonne genießen wir die entspannten Liftfahrten
Blick zum Anfängerhang
Am zentralen Punkt des Gebiets ist erneut recht viel los. Spaziergänger, Rodler und Schifahrer tummeln sich zwischen den Gebäuden, dazwischen dreht der alte Leitner stoisch seine Runden.
Auf der Familienabfahrt - links und mittig rechts sind die alten Seillifthäuschen zu erkennen (der linke Lift wurde Tallift genannt, warum auch immer)
Der Schnee an sich war sehr gut zu fahren
Familienabfahrt mittlerer Teil, eigentlich ein Traumhang
Und der Schlusshang zurück zum Lift
Auf der anderen Seite am Übungslift
Etwas versteckt schlängelt sich die Schiroute hinter dem Übungslift ins Tal - auch wieder ein wirklich schöner Hang. Doch selbst hier trauten sich Anfänger runter - mit dem entsprechenden Resultat.
Das Schlussstück der Schiroute
Daneben die beiden Varianten „Steilhang“
Der Lift ist kaum zu erkennen, die Zufahrt auch schon recht kritisch
Damit geht ein interessanter Tag zu Ende. Mont de Brumes und Rohren sind zwei schöne Hänge, wobei v.a. letzterer viele abwechslungsreiche Abfahrten bietet. Ovifat konnte mich nicht wirklich überzeugen, da halfen auch die Holzstützen-Anlagen nichts mehr.
Au revoir!