Registriert: Sa, 17.02.2007, 8:22 Beiträge: 117 Wohnort: Bern/Sedrun
Rechtzeitig zu meinem letzten Skitag diesen Winter (ich sitze in Zermatt und hoffe auf Sonne morgen) kommt hier der längst fällige Rückblick auf zwei coole Skitage bei den meeresnächsten Skigebieten Frankreichs, über die starli schon berichtet hat.
Das ganze hat eine Vorgeschichte: Seit den frühen 1960er Jahren reist unsere Familie regelmässig nach Südfrankreich, da meine 1956 aus Ungarn geflohenen Grosseltern gute Freunde hatten, die sich in der Nähe von Cannes niedergelassen hatten. So lag es nahe, jeden Sommer vollbepackt in den Süden zu fahren und auf dem Grundstück der Freunde zu campieren. Die Normal-8-Filme von damals muss ich endlich mal professionell digitalisieren lassen - sensationelle Filmchen aus den Zeiten Brigitte Bardots!
Meine Grosseltern haben sodann auch ihren Lebensabend im kleinen Dörfchen Seillans bei Fayence verbracht, und seit ihrem Ableben sind nun die kommenden Generationen da unten am Heimwerken, Gärtnern und natürlich auch eine Webcam betreuen.
In der Nähe des Familienzufluchtsortes au midi befinden sich auch zwei Skigebiete – und was liegt für einen provenceliebenden Skifreak näher als hier einmal Ski zu fahren?
Dummerweise ist man nicht so schnell in Nizza, also muss schon eine ansehnliche Schneemenge liegen, die sicher bis zum Ende der Reise überlebt, wenn man nicht gleich losdüsen kann. Das war letztmals 2010 der Fall – Murphy schlug aber zu, und statt Skitage gabs Kranksein und Wolkenwetter.
Beim zweiten Versuch im Februar 2012 lief aber alles perfekt: Schöner Schnee, viel Sonne, Sicht bis Korsika!
Beide Skigebiete liegen an Nordhängen und sind vergleichbar mit kleinen Alpen- oder mittleren Juraskigebieten in unseren Breiten. Die erste Station heisst L’Audibergue (Wikipedia-Eintrag), sie liegt rund 40 Autominuten von Grasse bzw. etwa eine Stunde vom Meer entfernt. Die Luftdistanz von der Bergstation zum Meer (Cannes-La Bocca) beträgt 23 Kilometer.
Etwas komisch ist es schon, Skis nach Nizza einzuchecken...
... aber da man schon beim Abflug aus Basel auf die schneebeeckten Vogesen blickt, verfliegen diese Gedanken schnell.
Beim Anflug auf Nizza erkennt man die schneebedeckten Bergrücken (mit Gréolières und Audibergue) kurz vor der Küste...
… und am nächsten Morgen ist die Vorfreude umso grösser beim ungewöhnlichen Bild “Skis am Olivenbaum”:
Kurz zuvor erstrahlten vor dem Haus bereits die Gipfel Korsikas im Morgenrot hinter dem Meer:
Von Seillans aus geht die Reise durchs schon langsam gebirgige Hinterland der Côte d’Azur...
... mit einem kurzen Stück Route Napoléon über Hochebenen, wo man schön langlaufen kann:
Schnell kommt der Wegweiser nach Andon, Seranon, Caille und Audibergue…
… schon nach wenigen Minuten klicken die Bindungen, und auf der ersten Fahrt mit dem über 50 Jahre alten “Téléski de l’Aups” gelangt nach wenigen Minuten bereits das Mercantour-Massiv im Osten ins Blickfeld:
Zuoberst dann der Augenblick, auf den ich mich seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, freue – mit den Skis an den Füssen das Meer und dahinter die Berge Korsikas aufblitzen sehen. Am 23. Februar 2012 war es endlich soweit – Bergstation Montagne de l’Audibergue… hinter dieser Krete gehts zum Meer hinunter!
Und tatsächlich – hier sieht man nicht vom Jura auf die Alpen oder ins nächste Bergtal, da unten glänzt wahrhaftig das Mittelmeer, da liegen die Iles des Lérins vor Cannes…
… da schweift der Blick über das Esterel-Massiv zur Bucht von St-Rapahaël, da hinten liegt St-Tropez...
... ganz weit weg thront der Coudon gleich neben Toulon, da vorn liegt der Segelflugplatz von Fayence, hinten die Préalpes de Castellane und im Osten die Alpenkette mit den hintersten Gipfeln bereits in Italien.
Ergreifend! Da vergisst man glatt das Skifahren.
Nun, wegen der Pistenqualität muss man auch nicht hierher kommen. Von “Nachts Walzen, damit’s am Morgen schön ist”, hat man hier noch nie was gehört – die Pistenbullys sind zwar zeitgemäss, aber man müsste sie halt auch einsetzen und nicht solche Äcker entstehen lassen:
An vernünftiges Carven ist da kaum zu denken, auch wenn die Pistenneigung ideal wäre. Für 13-18 Euro pro Skitag darf man sich allerdings nicht beschweren. Auch nicht über die grottenschlechte Website, die angeblich seit Jahren neu gemacht werden soll (immerhin versucht es die Dachorganisation der “Stations des Alpes Maritimes” besser zu machen).
Faszinierend ist vor allem das Setting: Hier macht man sonst entspannte Sommerferien, geniesst Kurzhosentage von März bis November, hört die Grillen zirpen, erntet Oliven und riecht Lavendel – an Skilifte würde man zuletzt denken.
Doch schon anno 1960 summte hier oben zwischen 1350 und 1650m der erste Poma-Tellerlift. Inzwischen sind weitere Schlepper sowie eine Sesselbahn (La Moulière, mit fliegender Umlenkscheibe) hinzugekommen. Die war leider geschlossen, aber als Freund antiker Skilifte gefallen einem diese Tinguely-Kunstwerke eh besser:
Das Highlight aus Skiliftsicht ist der Téléski “La Charbonnière”, ein wilder, rasanter Ritt in einer steilen, vereisten Waldschneise (siehe im Video ab 3:40), wobei einem schon beim Ruckzuck-Start beinahe das Genick gebrochen wird.
Die Probleme der tiefer gelegenen Skigebiete sind überall die gleichen – das ist in Langenbruck BL nicht anders als an der Côte d’Azur: “Im französischen Skiort Audibergue hat man vor zwei Jahren eine neue Pistenraupe angeschafft, aber noch nie eingesetzt. Denn der Schnee bleibt neuerdings aus – und die Touristen zu Hause” lautet die Headline dieses Videobeitrags von N24. Allerdings gibts auch hier die Tage mit 150cm Pulverschnee, wie diese Fotos aus einem Forum zeigen, wo sich Audibergue-Fans austauschen.
Ansonsten wäre das Einzugsgebiet von Monaco bis Fréjus riesig; nicht alle mögen bis rauf nach Valberg, Isola 2000 & Co. fahren, und auch Küstenbewohner wollen durchaus Skifahren.
Und sich fein verköstigen – bei Huguette im “Christiana” neben der Talstation gibts bei Huguette natürlich kein Schnipo, sondern währschafte französische Küche in familiärer Atmosphäre.
Das gibt Kraft für weitere Abfahrten und noch einen Spaziergang im Gipfelbereich, wo man hinter dem Skilift-Spanngewicht sieht, wie sich Korsika höchstpersönlich aus dem Meer erhebt, sich Monte Cinto & Co. klar zeigen wie selten…
… und die Kalksteinwüste einen beinahe schon sich auf einem anderen Planeten wähnen lässt:
Aber wieso nur wähnen? Dieser Skitag am Meer war tatsächlich ausserirdisch gut. Hier das Video dieses Tages:
Es gab aber nicht nur den Skitag in Audibergue, es gab auch einen in Gréolières-les-Neiges.
Ist in Audibergue alles klein und überschaubar, kommt in Gréo fast schon ein wenig das Gefühl der französischen Retorten-Alpen-Skistationen mit der hässlichstmöglichen Architektur auf, wenn auch in sehr geringem Ausmass.
Darum sollte man das kleine Dorf Gréolières auf der anderen Seite des Hügels nicht mit Gréolières-les-Neiges verwechseln. Und vor allem nicht im Sommer her kommen, wenn die modellierten Pisten wie plattgewalzte Geröllautobahnen nackt den letzten Berg vor dem Meer runter kommen, was sich schon im Winter andeutet:
Die Gesellschaften von Audibergue und Greo arbeiten eng zusammen, was man an der auch hier mangelhaften Pistenpflege merkt, die gemessen an den Hochalpen-Standards bestenfalls ein “knapp genügend” (auf 1-2 Pisten) und ein “ungenügend” (im Rest des Gebietes) bekommt.
Aber auch heute (am 27. Februar 2012) denkt man sich schnell: Darf man für eine 22-Euro-Tageskarte mehr erwarten? Immerhin surrt hier sogar eine fixgeklemmte GMM-4er-Sesselbahn...
... und damit das Küstenvolk sicher Schnee vorfindet, wurde vor einigen Jahren eine Kunstschneeanlage gebaut:
Faszinierend für Besucher, die bisher noch nie in der Provence Ski gefahren sind, ist hier oben vor allem, dass überall Lavendel, Thymian und andere Kräuter wachsen – unter dem Skilift, neben der Piste und zeitweise sogar auf der Piste.
Nicht sehr anspruchsvoll, aber karstlandschaftlich anregend ist die Abfahrt (im Video unten ab 6:05) "um den Berg herum" - und wie in Audibergue bieten sich wunderbare Ausblicke auf die Alpes Maritimes oder die Fortsetzung der Kalkketten der Préalpes de Castellane.
Beim Téléski du Haut Cheiron darf man dann wieder mal Poma-Feeling à la française vom Feinsten erleben: Eine mit Gräben, Furchen und tiefen Fussabdrücken durchzogene Eispiste mit so manchen Blutspuren. Knallhart, steil, ruppig, rasant – so hat man Skilifte gern (im Video unten ab 7:50)!
Meersicht gabs diesmal nur knapp: Im Gegensatz zum Korsikablick vom 23. Februar dominierte am 27. Februar in Gréolières der Dunst. Dabei könnte es so schön sein – hier wäre ein aus Gréo aufgenommenes Bild mit Korsika am Horizont.
Im Vordergrund sichtbar sind die Gorges du Loup – den Blick aus dem Tal zu uns hinauf durften wir im letzten Herbst bei Le-Bar-sur-Loup geniessen:
(Die Bergkette von Gréolières-les-Neiges (Hintergrund rechts), im September 2011 aus Le-Bar-sur-Loup gesehen, mit einer früheren Eisenbahnbrücke im Vordergrund - die Linie wurde nach dem 2. Weltkrieg stillgelegt)
Via Mons…
... wo am Anschlagbrett noch deutlich an die kürzliche Kälteperiode erinnert wird...
... und wo im Hintergund La Montagne de l'Audibergue im Abendrot glänzt...
… ging es nach diesem einmal mehr aussergewöhnlichen Frühlingsskitag in Meeresnähe zurück nach Seillans, wo sogleich das Video zurechtgeschnitten wurde:
Sehr schöne Bilder! Bei dieser Setting würde mir der schlechte Pistenpflege weniger stören, hört vielleicht sogar dazu, zum 'mediterranen' Feeling. Übrigens hast Du zweimal den selben Video verlinkt...
Ein kleiner Tipp wegen dem Sound: ein stückchen Plüsch von einem Küscheltier abtrennen und dann übers Mikro kleben, und weg sind die WIndgeräusche!
Genial. Audibergue und Greolieres sind wirklich zwei außergewöhliche Skigebiete. Die für Skigebiete exotische Vegetation, die Nähe zum Meer und das entsprechende Panorama beigeistern mich sehr. Leider ist die Saison doch immer arg kurz dort. Vermutlich dürfte sich in beiden Skigebieten die Saison im Wesentlichen im Januar und Februar abspielen und außerhalb dieser Monate Skifahren nur im Ausnahmefällen möglich sein.
Ui. Heimatfeeling. Nach Gréolières N. kurbelte ich in meinem ersten Sommer dort 1998 sofort mit dem MTB rauf. Am östlichen Rand des Skigebietes fand sich ein LSAP (*g*) Pomaschlepper in einem in meinem Augen desolaten Zustand. So bot es sich an, das schicke Poma Emailschild an der Talstation in den Rucksack fallen zu lassen, welches die Skifahrer auf die korrekte Haltung beim "Départ" hinweist. Im folgenden Winter fuhr ich dann mal mit dem Auto rauf, eben um Skizufahren. Ich staunte nicht schlecht, als ich den vermeintliche LSAP Lift regulär in Betrieb vorfand. Ohne Hinweisschild für den Départ...
Vive la France.
Achja, feine Zeiten... Dieser krasse Schnitt zwischen der megaurbanisierten (und m.M.n auch banbalisierten) endlosen Küstenlinie, und der fantastischen Wilderness im Hinterland. Gorges du Loup waren wie mein Spielzimmer, der Beginn vom Hinterland in einem hunderte Meter tiefen Taleinschnitt fast à la Verdon.
Eze, Monte Carlo, Cannes...das ist schnell abgehakt, und im Sommer ob der Strassen-Verstopfungen und der Nepperei nicht so mein Hit. Hypermarché Carrefour mit seinen 40 Kassenlinien, MacDo Plage und Péage, Péage, Péage. Rond point. Sprechende Tanksäule - "Serverz-vous en Sans Plomb quattre-vingt-quinze". Marché des Fleurs. Praxisnah das freche wilde Parken in Nizza. Ein einziges Mal haben die Flics meinen Golf II abgeschleppt, als ich mich ob einer völlig unverparten Parverbotszone freute. Man muss wissen, dass man vor öffentlichen Gebäuden -hier ein pompöses Postamt- nicht parken dürfe wegen der Bombenattentate der FLNC. Zahlen musste ic nix, der Typ in Uniform am Polizeipräsidium meinte, das bürokratische Prozedere bei ausl. Kfz sei zu kompliziert und wirkungslos, er erspare mir das. Das ausl. Kennzeichen bei französoschen Wohnsitz störte auch nicht.Eigentlich wollte ich ja ein 05 Nummernschild, aber es ist mir nicht gelungen, denn der Golf II war aus der Sonderserie "Manhattan", und die könne in F nicht zulassen werden, weil es dieses Modell nicht gab in F. Glaube "Sonderserie" war allenfalls der klappbare Rücksitz oder der preislich inbegriffene rechte Aussenspiegel. Jahre zuvor mühten sich die ganze Scharen an Bürokratiearbeitern in den zuständigen Ämtern vergebens, um mir eine Sonderzulassung zu gewähren, aber vergebens. Denn der Franzose will ja helfen, er will dass es einem gut geht denn dann geht es ihm auch gut. Und die hoch über die Bahnlinie hingeknallte Stadtschnellstrasse. 70km/h angschrieben, es gehen auch locker 120. Hölle für die dort wohnenden, Segen für die Autoprolls. An der Küste muss man das sein, Autoproll. Heute lernen sie langsam, ganz langsam, die Nizzardarianer: Nizza gönnte sich neu eine Supermoderne und -Frankreich verpflichtet- elegante wie auch pfeilschnschnelle Tram. Der Automüll wurde jeweils in die angrenzenden Strassen verbannt, es wurden Märkte entlang der Linien genaut, die halbe Stadt umgestaltet, urbanes Lebens stellte sich dort ein. Aber damals hiess modernität noch Voie rapide, Minitunnel, Tunnel du Peillon und das Projekt der zweiten Küstenautobahn durch das ganze Hinterland. Heute planen sie stattdessen eine TGV Linie nach Marseille.
Das wilde Hinterland, viele hunderte Quadratkilometer gross, zog mich nahezu jedes Weochenende an, immer gab es neues zu entdecken, kein Reiseführer meinte glauben zu wissen, wo es Sehenswertes gäbe. Die kennen Grasse, Eze und die üblichen lieblichen provencalischen Kleindörfer mit ihren in der Hochsaison unendlichen Parplatzsuchenden übergewichtigen bleichen Gesichtern aus dem Norden. Oder in schwarzen Lederkombis, zu hunderten wie Schwärme an Bell UH 212 in Vietnam einfallend. Und unter den schatten spendenden Kastanienbäumen parken sowieso die Einheimischen und fahren daher von dort auch nicht mehr weg wie die verstaubten Windschutzscheiben zeigen, desöfteren zusätzliche mit einem Stapel an sich welkenden Strafzetteln unter dem Scheibenwischer. Loup de Mer, welche ein Festmahl. Und der gute Wein. Dann geht es wieder ins Auto.
Es genügte alwo einfach loszufahren. Abends nach der Arbeit. Durch die Strassen kurbeln. Franzosen fahren schnell, flüssig und kreativ, das ist praktisch. Französische Strassenbauer kennen keine Lineale, in Südfrankreich schon garnicht. Irgendwann ist man raus. Im Hinterland. Im Dunklen dann irgendwo parken, neben dem Auto Iso Matte ausrollen. Warmes Lüftchen schiebt durch Pinienwälder, Thymian, Rosmarin etc.pp. Pennen. Am nexten morgen aufwachen. Und staunen. IGN Karte aubreiten, Pain Bagnat geniessen. Rumtrödeln im angenehm frischen Morgen. Irgendwo raufwandern oder mitm MTB rumbolzen...entdecken, durchatmen, whow. Diese endlose Lockerheit...Sonntag Nacht dann retour. Ein Schwimmen unter den Sternen schnell noch im Meer und die Stranddusche erparen die Dusche zuhause. L'eau, elle es bonne. Sofern es keinen Gewitterregen gegeben hat die Tage zuvor, denn dann schwimmt die ganze Kacke der Küstenmetropole im blau wirkenden Meer.
Die Blaue Küste - man muss sie erfassen und domestizieren, dann macht sie Spass.
Na wenn jemand fragt warum ich in Tirol die Krise kriege immer wieder ... obig die Antwort ))
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