Vorbemerkung: Ich finde die sich hier in diesem Thread entwickelnde Diskussion und die vorgebrachten Argumente sehr interessant. Mir scheint, dass sich DolomitiSuperski eignet sehr gut als Fallbeispiel, um das Spannungsfeld aus ökonomischen Interessen, Umweltschutz und Kundenzufriedenheit in dem sich der Skisport heute befindet, zu diskutieren.
Abgesehen davon ist jetzt Sommer
Also weiter geht´s...
::: trincerone hat geschrieben:
...Auch fällt mir immer wieder auf, wie unterschiedlich die Ansätze zum Freeriden sind. Mir geht es dabei zB meist weniger um die sportliche Herausforderung und auch nur sehr wenig um unverspurten Pulver (vielleicht bin ich dafür auch einfach nicht gut genug), sondern schlicht um das Ambiente, das alpine Erlebnis in der Landschaft. Eine zu Piste ausgefahrene Balmaabfahrt in der Landschaft des MonteRosa mit hunderten Schifahrern um mich rum gefällt mir zB durchaus sehr. Die Pordoi hat mich hingegen nie so sehr gereizt. Das soll nicht heißen, dass er nicht objektiv viel zu bieten hätte, aber es zeigt eben, wie subjektiv die Ansätze sind. Für Euch scheinen diese Anlagen in den Dolomiten ja einen ganz wesentlich Anteil an Eurem Eindruck von dem Schigebiet auszumachen, bei mir ist das zB anders, ob die Pordoibahn offen ist oder nicht bekomme ich normalerweise gar nicht mir. Vermutlich trägt das wesentlich auch zu unterschiedlichen Wahrnehmung des Gebietes wahr.
Deswegen bin ich auch der Meinung, dass es sich bei
Variantenfahren und
Freeride um zwei unterschiedliche Ausprägungen des Skisports handelt. Wahrscheinlich rühren viele Missverständnisse und unterschiedliche Wahrnehmungen des gleichen Skireviers daher. Wenn ich in den Dolomiten bin und Pordoi- und Marmoladabahn sind geschlossen oder der Schnee ist dort schlecht, steigt mein Rotwein- und Grappakonsum stark an. Aber nicht weil mir kalt ist
CV hat geschrieben:
::: trincerone hat geschrieben:
Was sich auch interessant zeigt, sind die oft sehr subjektiven Ansätze, die letztlich immer wieder durchscheinen und letztlich als eine Art Axiom bestehen bleiben. Das ist mir bei CVs Post aufgefallen, als er schrieb warum für ihn die Dolomiten unschlagbar sind. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, doch geht es mir persönlich bei dem Schigebiet völlig anders.
jo klar, hab das "subjektiv" daher auch ganz bewusst beim entsprechenden Absatz dazu geschrieben. Objektivität im Sinne von Wahrheit hatte nur Plato gefunden... und wir sind nach wie vor Suchende - was ja grad das Schöne und Interessante ist!
::: trincerone hat geschrieben:
Interessant finde ich, dass sich die Argumentationsketten und -strukturen hier ein bisschen den "beruflichen" Gruppen zuordnen lassen, sagen wir ökonomisches Umfeld, creatives Umfeld, und eben Juristen.
da dürfte sicher was dran sein, weil ja die Berufswahl durchaus was mit den persönlichen Neigungen zu tun hat.... weiß nur grad nicht, welcher Gruppe ich mich zuordnen soll!?
In meiner Brust wohnen auch 2 Seelen. Ich persönlich bedauere den Trend zum Carving und den damit einhergehenden Modellierungsmassnahmen auch sehr, wie in meinem letzten Post hier und in zahlreichen anderen in diesem Forum bereits ausgeführt. Trotzdem bin ich der Meinung, dass man ein Skirevier nicht
ausschliesslich nach den Kriterien
Pistenmodellierung und
KSB/EUB-Ausbau beurteilen sollte.
Unabhängig von meinem subjektiven Eindrücken als skifahrender Mensch, gebe ich mir trotzdem Mühe, so weit es geht zu objektivieren. Und da ist mein Ansatz gar nicht so weit von Trinc´s geschilderten juristischen Ansatz entfernt. Trotzdem kommen wir zu unterschiedlichen Bewertungen. Das nennt man dann eben Dissens.
Einschub: Das Wort
Dissens ist zwar im allgemeinen negativ konnotiert, aber zu Unrecht. Denn erst durch verschiedene Blickwinkel auf das zu betrachtende Objekt oder Problematik ergibt sich eine Art 3-dimensionale Betrachtungsweise, die viel aussagekräftiger ist, als eine 1-dimensionale, wo alle im Konsens "in das gleiche Horn stossen". In den Leitungsgremien von erfolgreichen Unternehmen (Vorstand) und Politik (Regierung) ist Dissens alltäglich. (Einschub Ende)
Also zurück zur Objektivität. Unabhängig von Plato kennt man in der Wirtschaft 3 Bewertungsverfahren bei Unternehmen, Immobilien, etc.. Ohne ins Detail zu gehen, ist oft ein sogenannter Fremdvergleich objektivitätsfördernd (leider fehlen für die hier diskutierte Fragestellung quantifizierbare Parameter).
Aber mir fällt aber ein Extrembeispiel ein, wie man es nicht machen sollte, und das ist auch in den Dolomiten, gehört aber nicht zu DolomitiSuperski. In den Brenta-Dolomiten gibt es auch einen Skigroßraum namens Madonna di Campiglio (ich kam durch meinen 5 Laghi/Torri-Lapsus darauf
). Das Landschaftserlebnis in der Brenta ist dem der
richtigen Dolomiten vergleichbar.
Aber:
Früher: 4 Pendelbahnen führten in die verschiedenen Teilskigebiete Pradalago, 5 Laghi, Spinale und Groste, oben gab es SB's und Schlepplifte.
Heute: 4 leistungsstarke EUB's führen in die Teilskigebiete, oben fast ausschliesslich moderne, leistungsstarke KSB's und natürlich, remodellierte Autobahnen.
Wer wissen will, wie sich so etwas auf das Skierlebnis auswirkt, sollte am Besten am Weihnachten/Silvester dorthin fahren. Die Skifahrerdichte dort würde die Tourismus-Manager in Ischgl, St. Anton etc. vor Neid erblassen lassen (mich auch, aber aus anderem Grund: Kollisionsangst).
Und da finde ich es in den DolomitiSuperski-Teilgebieten im Fremdvergleich zu Campiglio so richtig kuschelig und urig. Von daher hat DolomitiSuperski
im Vergleich sehr vieles besser gemacht.
::: trincerone hat geschrieben:
Ganz abgesehen davon, wiederhole ich noch mal das, was ich eingangs gesagt habe: mir ist völlig klar, dass es betriebswirtschaftlich so sehr sehr gut läuft und anders vermutlich nicht so sehr. Aber das ist für mich kein Argument für richtig oder falsch. Betriebswirtschaftlich wäre es vielleicht auch besser, wenn es keine Sozialversicherung und keinen Kündigungsschutz gäbe (und ja ich weiß: so wie es jetzt gesetzlich läuft, ist es auch nicht gerade rosig). Dennoch gab es gute Gründe, diese von außen in das System einzuführen (durch das Recht, das für alle gleich gilt, und damit kein wettbewerbsbildender Faktor im Inland ist (und genau darum gibt es ja auch die EG)).
Meines Erachtens gibt es mittlerweile eine begrenzte Zahl Schifahrer, die sich auf die vorhandenen Schigebiete verteilen, der Wettbewerb als Expansionsfaktor funktioniert also insoweit als Zyklus, da es keine höhere Produktivität durch Innovation mehr gibt. Sprich: solange ein Schigebiet das einzige mit KSB weit und breit, fördert das die Gästezahlen. Haben alle KSBs, fängt man Sitzheizungen einzubauen und PrestigeFunitels. Haben das auch alle, geht das Spiel wieder von vorn los. Mehr Schifahrer kommen dadurch (bei den heutigen Verhältnissen) aber nicht mehr, man kurzfristig nur eine Umverteilung bewirken (und eine Selektion am Markt bei denen, die nicht mithalten können, was dann auch noch zu einem Eingreifen der öffentlichen Hand führt uU, was die Sache dann noch schlimmer macht).
Wären also beispielsweise Pistenbaumaßnahmen europaweit gesetzlich mit einem Rahmen versehen, was die Intensität der Eingriffe angeht, dann wäre das kein wettbewerbsbildender Faktor, ökonomisch also fände bei gleichzeitiger Verbesserung des Landschaftsschutzes keine Verschlechterung des Situtation der einzelnen Betreiber statt, wenn man unterstellt, dass die Gäste, die heute zufrieden sind, auch morgen kommen werden, ohne dass Piste A verbreitert wird, wenn Piste B im Nachbargebiet auch nicht verbreitert wird. Genau das ist ja der Effekt bei europaweiten Einführungen von Abgasnormen: durch Euro IV verkauft BMW nicht ein Auto weniger, aber die Luft ist trotzdem sauberer. ME geht das bei Schigebieten auch!
Ich gebe Dir ja eigentlich recht. Aber wenn man im Sessellift in einem "Vintage-Skigebiet" mit einem "Normal-Skifahrer" ins Gespräch kommt, hört man meistens Sätze a la "Ist ja eigentlich ganz schön hier, nur die Lifte sind ja völlig veraltet" bzw. "...aber die Pistenpräparierung hier lässt wirklich zu Wünschen übrig". Moderne Lifte und gut präparierte und modellierte Pisten scheinen mir seit vielen Jahren die Markterfordernisse zu sein (leider!). Und wenn ein Skigebietsbetreiber am Markt vorbei plant, geht es ihm letztendlich so, wie jedem Unternehmen, dass dies tut: Insolvenz oder Liquidation sind dann oft die Konsequenzen (leider).
Könnte eine entsprechende EU-Richtlinie 2009/35661 "Anti-Pistenremodellisierungrichtlinie" Abhilfe schaffen? Ich glaube, die würde von den meisten skifahrenden Bürgern als eine weitere Art von "Krümmungsgrad von Bananen-Richtlinie" in Verruf geraten und als weiteres Beispiel für die Gängelung durch Brüssel gewertet werden.
Vielleicht würde eine EU-weite Aufklärungskampagne, die sich mit den irreversiblen Folgen von Pistenremodellierungsmassnahmen für Umwelt und Natur befasst mehr Erfolg versprechen? Und dann Jahre später, wenn die Bevölkerung aufgeklärt ist, kommt die entsprechende Richtlinie (ähnlich wie beim Nichtraucherschutz)?